Sonntag, 30. April 2006

Marke «Zürcher Unterland» - Sechs Arbeitsgruppen am Werk

«Ein weitgehend intaktes Erholungsgebiet, ein hohes Bildungsangebot, die Nähe zu Zürich und zum Flughafen, sowie ein gut ausgebautes Verkehrsnetz sind Stärken des Zürcher Unterlandes. Doch fehlt ein geschlossener Auftritt der Region nach aussen. Dem soll abgeholfen werden». So charakterisiert Alfred Spaltenstein im Neuen Bülacher Tagblatt vom 18. April die Lage der Region.

Er bezieht sich auf einen Workshop der Planungsgruppe Zürcher Unterland (PZU) vom 2./3. Dezember. Siehe die WeiachBlog-Beiträge: Existiert die Region Zürcher Unterland? sowie Beyond PZU – eine Regionalidentitätsagentur muss her.

Ergebniskonferenz am 4. Mai

Nun ruft die PZU zur Ergebniskonferenz. Nach dem Workshop vor fünf Monaten präsentieren sechs Arbeitsgruppen Anfang Mai ihre Arbeit. Sie erläutern ihre seit Januar erarbeiteten Vorschläge.

  • Zeit: 4. Mai 2006, 18:00
  • Ort: Evangelisch-reformiertes Kirchgemeindehaus, Grampenweg 5, Bülach

Aufsteller und Ablöscher

In dem Anfang April verschickten 21-seitigen Dossier sind gleich zu Beginn die im Dezember entstandenen Ranglisten mit den grössten Aufstellern und Ablöschern («Stinker» genannt) aufgeführt.

Als Aufsteller erkoren die Teilnehmenden durch Vergabe einer pro Person fixen Anzahl Klebepunkte folgende als positiv empfundene Eigenschaften des Unterlands:

1. Naherholungsgebiet (53 Pt.)
2. Bildungsangebot (40 Pt.)
3. Zentrumsnähe / Reichtum durch Nähe Zürich und Flugplatz (32 Pt.)
4. Öffentlicher Verkehr und gute Verkehrserschliessung (32 Pt.)
5. Medizinische Versorgung (21 Pt.)
6. Wir haben Entwicklungspotential (20 Pt.)
7. Intakte Landschaften und Siedlungen / Vielseitigkeit der Region (20 Pt.)
8. Viele kulturelle Aktivitäten und Zugang zum kulturellen Angebot (18 Pt.)
9. Gute natürliche Ressourcen (Wasser, Kies, Wald, Landschaft) (15 Pt.)


Natur und Landschaft sind offensichtlich die grössten Pluspunkte. Dass Punkt 4 trotz fehlendem Halbstundentakt ab Oberglatt so viele Punkte erhält ist aus Sicht eines Weiachers schon erstaunlich, widerspiegelt aber auch die Herkunft und Sichtweisen der Teilnehmenden an diesem Workshop.

Zu den Ablöschern («Stinker») nahmen die Teilnehmenden allerdings fast ebenso deutlich Stellung:

1. Kein geschlossener Auftritt / fehlende Vernetzung (42 Pt.)
2. Flughafen / Planungsunsicherheit (30 Pt.)
3. Nadelöhr Eglisau (27 Pt.)
4. Stellenverluste / zu wenig Arbeitsplätze / problematische wirtschaftliche Entwicklung (26 Pt.)
5. Verteufelung des Flughafens (25 Pt.)
6. Verkehrsprobleme / Kies / Stau (22 Pt.)
7. Kantonale Verwaltung behandelt Region despektierlich (20 Pt.)
8. Fehlender Halbstundentakt (15 Pt.)
9. Kampf um breites Bildungsangebot (14 Pt.)


Das fehlende Profil des Unterlandes liegt auf Platz 1. Nicht verwunderlich angesichts des Titels «Identität Zürcher Unterland», den dieser Workshop trug. Auch klar ist: wer kein klares Profil hat, der wird vergessen oder beiseite geschoben (vgl. Platz 7). Selbst der fehlende Halbstundentakt findet hier seine Kritiker.

PZU-Vorstand formuliert «Visionen Zürcher Unterland»

Auch die Planungsgruppe selber ist nicht untätig geblieben. Ihr Vorstand hat die an der Auftaktveranstaltung formulierten Anliegen und Ziele zu Visionen verdichtet:

  • Das Zürcher Unterland wird als Region mit eigener Identität wahrgenommen und Bülach übernimmt Zentrumsfunktionen.
  • Das Zürcher Unterland ist ein attraktiver Wirtschaftsraum mit hoher Lebensqualität.
  • Das Zürcher Unterland verfügt über ein breit gefächertes Bildungsangebot.
  • Nutzen und Belastung durch den Flughafen sind definiert und akzeptiert. Es besteht Planungssicherheit.
  • Das Zürcher Unterland ist verkehrstechnisch gut erschlossen und frei von Nadelöhren.
  • Die Naherholungsgebiete sind erfasst, vernetzt und geschützt, aber auch nachhaltig wirtschaftlich genutzt.
  • Das Zürcher Unterland ist über die Region hinaus vernetzt und verfügt über ein eigenes Kompetenzzentrum.

Spaltenstein fasste dies im Neuen Bülacher Tagblatt wie folgt zusammen: «Das Unterland soll als Region mit eigener Identität wahrgenommen werden und auch über ein eigenes Kompetenzzentrum verfügen. Angestrebt wird ein attraktiver Wirtschaftsraum mit hoher Lebensqualität und einem breit gefächerten Bildungsangebot. Im Bereich des Flughafens soll (wieder) Planungssicherheit entstehen und Nutzen und Belastungen definiert und akzeptiert sein.»

Sechs Arbeitsgruppen sind aktiv

Die vorgeschlagenen Massnahmen und Ziele sind natürlich um einiges vielfältiger als in wenigen Zeilen zum Ausdruck gebracht werden kann. Hier nur meine Eindrücke beim Durchlesen des Arbeitspapiers:

1. Bildungszentrum Zürcher Unterland
Das Unterland soll Bildungsstandort bleiben, unter Einbezug von Musik und Sport: Sicherung - Ausbau - Bildung bleibt im Unterland!

2. Aktivierung Jugendlicher
Dialog mit den Jugendlichen. Ernstnehmen und Respektieren jugendlicher Stimmen. Aktive Mitgestaltung der Zukunft durch Jugendliche. Plattform für Austausch unter Jugendlichen.

3. Naherholung
Bestandesaufnahme, Vernetzung optimieren und Vielseitigkeit fördern. PR für das Naherholungsgebiet Zürcher Unterland.

4. Kompetenzzentrum und Strukturen
Label Züri Unterland; Gründung einer entsprechenden Organisation. Schaffung einer ständigen Geschäftsstelle, die in beiden Bezirken angesiedelt ist und sich um das Standortmarketing kümmert. Besonders wichtig: Klärung der Frage der geografischen Abgrenzung.

5. Sicherung und Ausbau der Arbeitsplätze
Zielvorstellung ist, für jeden Arbeitsfähigen in der Region einen Arbeitsplatz bieten zu können.

6. Gesamtverkehr
Genannt werden die Bereich: Öffentlicher Verkehr, Strasse, Fahrradwege/Wanderwege/Wasserwege. Ziel ist das Entschärfen von Engpässen und die Erschliessung der Randgebiete. Weiter eine Gesamtverkehrsplanung Zürcher Unterland. Vor allem aber eine leistungsfähige Verbindung zwischen Bülach und dem Autobahnanschluss Singen.

Das Dossier Flughafen wurde keiner Arbeitsgruppe zugeordnet. Die Bearbeitung erfolge «entsprechend den kantonalen Vorgaben im Vorstand der PZU», hiess es im Arbeitspapier.

Erst das Selbstbewusstsein - dann die Lobby

Spaltenstein schliesst seinen Artikel im Neuen Bülacher Tagblatt mit den Worten: «Schon während des Workshops wurde klar, dass wegen des Fehlens politischer Kompetenzen nicht alle Ziele aus eigener Kraft verwirklicht werden können. Von grösster Bedeutung ist deshalb, dass die Region Zürcher Unterland geschlossen und selbstbewusst auftritt. Die Region soll aber auch Denkanstösse zu Zukunftsformen einer übergeordneten Zusammenarbeit vermitteln.»

Das ist meines Erachtens auch das grösste Problem. Die PZU ist nicht wirklich mit politischer Macht ausgestattet - und dieser Umstand wirkt sich umso fataler aus, als die Region keine kraftvolle Lobby hat - weder im Kantonsrat noch im Regierungsrat.

Quellen

  • Planungsgruppe Zürcher Unterland (Hrsg.): Arbeitspapier «Workshop Identität Zürcher Unterland», 2./3. Dezember 2005, Vetropack-Zentrum Rütenen, Bülach (für Nichtmitglieder der Arbeitsgruppen verschickt am 7. April 2006).
  • Spaltenstein, A.: Mit kleinen Schritten zum Label «Zürcher Unterland». Sechs Arbeitsgruppen beackern regionale Problemfelder — Ergebniskonferenz anfangs Mai. In: Neues Bülacher Tagblatt, 18. April 2006.

Samstag, 29. April 2006

CHF 180 den Quadratmeter

So viel wollen die Besitzer einer Parzelle im Bedmen zwischen der Hauptstrasse Nr. 7 (Basel-Winterthur) und der Bahnlinie (Winterthur-Koblenz).

Das ist wenig, verglichen mit den gegen 400 Franken, die in der Kernzone angeblich bezahlt werden sollen. Angeblich, weil es mangels genügender Anzahl an Verkäufen pro Jahr keinen offiziell vom Statistischen Amt des Kantons Zürich publizierten Mittelwert gibt.

Und so wird das Bauland an der Kaiserstuhlerstrasse auf Homegate ausgeschrieben:

«In Weiach ZH verkaufen wir 9'603 m2 Bauland, Zone WG 2 (Wohnzone mit Gewerbeerleichterung, 2 Geschosse). Quartierplan abgeschlossen.»

Wir, das ist die Krummenacher+Partner Immobilien-Treuhand AG mit Sitz in der Stadt Zürich. Und der Quartierplan ist tatsächlich bewilligt. Nach Jahren der Unsicherheit (vgl. WeiachBlog vom 29. März 2006). Etwa gleich lang dürfte auch die "Zu verkaufen"-Tafel schon auf diesem Feld stehen. Wo es liegt, zeigt der Ausschnitt aus dem offiziellen Zonenplan der Gemeinde Weiach.

Immerhin wird bei oben erwähntem Inserat nicht marktschreierisch auf den tiefen Steuerfuss hingewiesen. Aber das Inserat verschweigt, dass das Grundstück nicht nur neben der stark befahrenen Hauptstrasse, sondern auch noch unter einer der Hauptanflugsachsen des Flughafens Zürich liegt.

Bedenklich findet der Schreibende, dass hier weitere 96 Aren bestes Kulturland unter Beton und Asphalt beerdigt werden sollen. Für 1'728'540 Franken. Viel Geld - und doch viel zu wenig, wenn man daran denkt, dass Generationen von Bauern dieses Stück Land gehegt und gepflegt haben.

Freitag, 28. April 2006

Nur noch urwaldfreundliches Papier im Einsatz?

Am Weihnachtstag 2005 habe ich das Thema Urwaldfreundlich erstmals aufgenommen. Und versprochen, mich zu «erkundigen, wie der aktuelle Stand bezüglich Papier-Einsatz ist». Das habe ich heute morgen gemacht.

Nach Angaben des Gemeindeschreibers hat die Gemeinde den Brief vom Januar 2005 noch nicht beantwortet. Anderes sei halt dringender gewesen. Man verwende aber ein Triotec Sandwich-Technologie-Papier von Mondi Business Paper (Konzernbereich: ex-Neusiedler) das mit der TCF-Methode hergestellt werde (d.h. Totally Chlorine Free, also keine Chlorbleichung, sondern mit Sauerstoff oder Wasserstoffperoxid). Schon mal nicht schlecht.

Aber wie steht es mit der Forderung nach Verwendung von FSC-zertifizierten Frischfasern? Ist die bereits erfüllt? Weiss man, woher das Holz kommt?

Die Gemeindeverwaltung bezieht ihr Papier ausschliesslich über die KDMZ, wo die Preise vernünftig und die Qualität konstant hoch seien, sagte der Gemeindeschreiber. Natürlich seien Discounter manchmal billiger, aber das merke man dem Papier dann auch an. Da habe man nichts als Probleme mit dem Kopierer.

Nicht alles ist urwaldfreundlich - noch längst nicht

Die KDMZ teilte auf Anfrage mit, das oben erwähnte Papier sei aus FSC-zertifiziertem Zellstoff hergestellt. Auch alle anderen hochweissen und naturweissen Papiersorten in den Formaten A3 und A4 erfüllten zu 100% denselben Standard. In dieser Sache sei man auch im ständigen Kontakt mit Beat Hofer von der Koordinationsstelle Umweltschutz des Kantons (KofU).

Der Vollständigkeit halber habe ich mich noch mit der KofU in Verbindung gesetzt. Dort relativiert man allerdings die Aussage der KDMZ stark:

Es gebe nach wie vor ein grosses Problem mit der Rückverfolgbarkeit des Zellstoffs. Einige Lieferanten und Papierproduzenten spielten nicht mit offenen Karten und bei denen, die dies täten seien bedenkliche Dinge festzustellen. Zum Beispiel Zellstoff aus südeuropäischen Eukalyptus-Plantagen. Eukalyptus ist aggressiv, er verdrängt andere Pflanzen und stört den Wasserhaushalt empfindlich. In einem ohnehin schon sensiblen Ökosystem wie dem zunehmend dürrebedrohten Süden Europas ist das besonders fatal.

Mittellage aus Recyclingpapier?

Triotec wurde ursprünglich von Neusiedler entwickelt (vor 3 Jahren von der südafrikanischen Mondi aufgekauft, die wiederum dem Anglo American-Konzern gehört). Die Mittellage dieses Sandwichkonstrukts ist aus hochwertigen Büroabfällen hergestellt, das heisst: eigentlich handelt es sich fast um so etwas wie Etikettenschwindel, da nur ausgewählte Altpapier-Qualitäten verarbeitet werden können, kein eigentliches Recyclingpapier wie sich das der Laie so vorstellt.

Hier der offizielle Text dazu im Papierlexikon von Mondi:
«NEUSIEDLER hat diese weltweit einzigartige Sandwich-Technologie entwickelt. Sie ermöglicht die Herstellung von 3-lagigen Bürokommunikationspapieren. TRIOTEC®-Papiere können eine andere Mittelschicht als die äußeren Lagen haben, so dass jene Rohstofffasern genau dort eingesetzt werden, wo es ökologisch, technisch und ökonomisch am günstigsten ist. Zurzeit gibt es TRIOTEC®-Sorten mit Recyclingfaser (DIP) als Mittelschicht und TCF-Zellstoff als äußere Lagen (TCF/DIP/TCF), Varianten mit CTMP in der Mitte und ECF-Zellstoff außen (ECF/CTMP/ECF) sowie 3 Lagen TCF- oder ECF-Zellstoff (TCF/TCF/TCF und ECF/ECF/ECF – mit unterschiedlicher Faserstoffzusammensetzung).»

DIP steht für De-inked pulp: «De-Inking dient zur Abtrennung von Druckfarben aus bedrucktem Altpapier, so dass der wiedergewonnene „de-inkte“ Altpapierstoff zu hellen und weißen Papiererzeugnissen verarbeitet werden kann. Den nach dem De-Inking entstandenen Altpapierstoff bezeichnet man als DIP.)» CTMP steht für aufbereiteten Holzschliff: «Chemi-thermomechanical pulp. Ein aus Holz gewonnener Rohstoff, der chemisch, thermisch und mechanisch aufbereitet wird. Die Ausbeute beträgt dann 95 % (ähnlich wie Holzschliff). Der so entstandene Rohstoff wird nicht gebleicht, sondern in seiner gelblichen Färbung weiterverarbeitet.»

Alles Recycling oder was? Oder gar nichts?

Undurchsichtige Handelsströme - schnelle Lieferantenwechsel

Weiter ist der globale Zellstoffhandel ziemlich undurchsichtig. Vor vier Jahren hörte man, Neusiedler beziehe Frischfasern aus Kanada, was die Frage aufwarf, ob diese womöglich aus Old grown forests - also den Regenwäldern an der Westküste stammen. Neusiedler teilte damals auf Anfrage mit, dem sei nicht so, der Zellstoff komme aus Skandinavien.

Woher das Papier kommt, kann man also entweder gar nicht oder nur schwer nachvollziehen, da die Warenströme in der Regel überhaupt nicht transparent sind und sich die Bezugsquellen der Produzenten ausserdem rasch und häufig ändern.

Recyclingpapier ist immer noch besser als Frischfaserpapier

KofU-Mann Hofer machte aber auch klar, dass Triotec ganz klar kein sogenanntes Prodoppelök-Produkt sei (ein kantonales Kunstwort, mit dem im KDMZ-Katalog ein Produkt mit sowohl ökologischen wie ökonomischen Vorteilen gegenüber Konkurrenzprodukten auszeichnet wird). Triotec sei von der Umweltbelastung her näher bei weissem Papier als bei Recyclingpapier und ausserdem von Kosten her gleich wie ein weisses Papier.

Recyclingpapier sei immer noch das Papier der Wahl. Es gebe sogar einen Regierungsratsbeschluss, der die kantonale Verwaltung dazu anhalte, wo immer möglich Recyclingpapier zu verwenden. Und dort sei ein Anteil von 50% verlangt.

Da die Regeno-Palette nicht mehr produziert werde (Papierfabrik Zwingen ist in Nachlass-Liquidation), habe man eine Sorte von Steinbeis-Temming ökologisch durchgerechnet.

Interessanterweise mache der Transport bei Recyclingpapier selbst bei einer Strecke Hamburg-CH mit einem 40-Tönner nur 5% des Gesamtenergieverbrauchs aus. Bei weissen Papieren mache der Transport hingegen 15-20%. Grund dafür sind die grossen Transportdistanzen. Denn der Zellstoff wird heute mit Schiffen um den ganzen Globus herumgefahren und das Endprodukt Papier wieder in alle Welt verschickt.

Donnerstag, 27. April 2006

Wie der «verfluchte Platz» zu seinem Namen kam

Gestern abend hat mich der Leiter der Pfadi Weiach, Frank «Gufae» Kissling, gefragt, woher der Flurname «Verfluchter Platz» stamme.

Dieser Name bezeichnet den Ort im Weiacher Hardwald, an dem man die 1969 durch die Kantonsarchäologie konservierten Fundamente eines römischen Wachtturms aus der Spätantike findet (um 374 n.Chr. erbaut; vgl. die WeiachBlog-Artikel vom 25. Februar, 13. März und 17. April).

Ortsbeschreibung von 1850 als Quelle

Eine mögliche Erklärung ist - wie so vieles - in der «Ortsbeschreibung von 1850» enthalten. Dabei handelt es sich um eines der wertvollsten und bedeutendsten Dokumente zur neueren Geschichte der Gemeinde Weiach, das folgerichtig auch in den bisherigen Monographien zur Ortsgeschichte (Zollinger 1972; 2. Aufl. 1984, vollständig überarbeitete 3. Aufl.: Brandenberger 2003) einen prominenten Platz einnimmt.

Die fadengehefteten Blätter des in gestochen scharfer deutscher Schrift verfassten Textes geben nicht nur ein gutes Abbild der wirtschaftlichen Verhältnisse in Weiach um die Mitte des 19. Jahrhunderts, sondern enthalten auch einige Trouvaillen kulturhistorischer Art, so z.B. Einsprengsel über Sagenerzählungen zu den Weinbergen im Abschnitt «Weinbau», oder eben die Erklärung für den Ende des 19. Jahrhunderts verschwundenen und nur dank den Aktivitäten der Archäologen bewahrten Flurnamen «verfluchter Platz» für den Standort der Römerwarte im Hardwald.

Die Erklärung zum Flurnamen findet man im Abschnitt «Waldbau», der von alt Zunftgerichtspräsident Baumgartner verfasst wurde. Er beschreibt den Zustand der Wälder und kommt auch auf den Hardwald zu sprechen.

Ursache: verfehlter Cultur-Plan

«Etwa 5-6 Juchart sind grösstentheils mit Gras und Waldunkraut bewachsen, was von einem verfehlten Cultur-Plane herrührt, den man vor 80 Jahren mit diesem Reviere anstellte: dasselbe wurde nämlich spärlich umgehackt und mit Frucht angepflanzt; allein das unvertilgte Unkraut überwucherte alsbald die gute Saat und eine Erndte nach der andern schlug der Massen fehl, dass man jeder weitern Cultur des Bodens überdrüssig wurde, die Schuld dem letztern gab und ihn den "verfluchten Platz" nannte, welchen Namen er bis zur Stunde trägt und tragen wird, bis eine vernünftige auf Beobachtung der nöthigen Vorschriften und auf Erfahrung gegründete Anpflanzung demselben einen andern Namen abgewinnen wird. Das zu bewerkstelligen dürfte eine zwei bis dreijährige Bebauung erst mit Cartoffeln, sodann mit Getreide vorzunehmen sein, wobei das Land von seinem Fluche gereinigt und sodann mit Kiefersaamen besäet würde; denn an dem Fortkommen dieser Holzart ist um so weniger zu zweifeln, als unmittelbar neben diesem Reviere ein sehr kräftiger Aufwuchs dieser Holzgattung sich findet, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.

Diese Ansicht bleibt zwar unwidersprochen, doch ist es bis dahin nicht zum Angriff gekommen, was leider die traurige Aussicht eröffnet, dass der schuldlose Boden noch eine Zeit lang auch in das gegenwärtige Geschlecht hinein seinen angeerbten Namen tragen wird, von dem ihn zu befreien, indess ernstlich angestrebt wird.
»

Vom Verschwinden und Wiederaufleben eines Namens

Als Ferdinand Keller 1866 die Hügel im Hardwald ausgraben liess und dabei in dem am Rheinbord gelegenen grossen Hügel auf die «Trümmer eines römischen Wachtthurmes» stiess, war der Flurname offensichtlich noch bekannt.

Der Wunsch von Zunftgerichtspräsident Baumgartner, den Platz von seinem unvorteilhaften Namen zu befreien, scheint erst in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts in Erfüllung gegangen zu sein, schreibt doch der Archäologe Heierli in einem Bericht aus dem Jahre 1907 über die Hügel im Hardwald:

«Der zuletzt genannte Hügel heißt der "verfluchte Platz". Er wurde von F. Keller teilweise untersucht; nachher wuchs Gras und Laubwerk über denselben, Bäume erhoben sich u. sogar der alte Name ging bei der jüngern Generation verloren.»

Aber nicht für lange. Denn nach der Ausgrabung Ende der 1960er-Jahre konservierte die Kantonsarchäologie mit den Fundamenten sozusagen auch gleich den alten Flurnamen. Durch die Erwähnung in den Tageszeitungen, vor allem jedoch in der Dorfchronik von Zollinger (1972) feierte der Name im Gedächtnis der Weiacher seine Wiederauferstehung.

Heute wird er wenigstens nicht mehr mit schlechtem Boden in Verbindung gebracht. Sondern eher unspezifisch mit Hexen und Zauberei, wie die von «Gufae» betreuten Pfadfinder vermuteten.

Quellen

  • Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51. Verfasser: Pfr. Konrad Hirzel, a. Zunftgerichtspräsident Baumgartner, Vieharzt Hs. Hch. Willi, Schulpfl. Joh. Baumgartner. Original aus Turmkugel, 1967 herausgenommen. Abschrift: W. Zollinger, a. Lehrer.
  • Heierli, J.: Die römische Warte von Weiach-Zürich. Bericht von J. Heierli an den Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler. Zürich 1907 [Vermerk: Recu le 27 août 1907 (N°1148); Fundort: Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege,Bern, Signatur: Confoed. helvet. Monum. histor. No. 14904e]
  • Ueberreste der römischen Rheingrenze. In: Zürichbieter, 12. August 1969.
  • Furrer, G.: Restaurierung des spätrömischen Wachtturms bei Weiach. In: Neue Zürcher Zeitung, Mittwoch, 13. August 1969, Abendausgabe Nr. 493 – S. 15.

Mittwoch, 26. April 2006

Weiach im Baedeker

Wieder einmal ein Blick in die Fundgrube Google Book Search. Das Stichwort «Weiach» bringt es mittlerweile auf immerhin 31 Einträge.

Vier davon betreffen Reiseführer mit dem klingenden Namen Baedeker (der Verlag ist heute Teil der Allianz-Gruppe): Das Handbook for Travellers aus den Jahren 1896, 1909, 1913 und 1922, gemäss Google alle «by Karl Baedeker (Firm)».

Der Baedeker ist wohl eine der bekannteren alten Marken, vor allem wenn es um Reiseführer geht. Erstaunlicherweise ist der Name Weiach in einigen die Schweiz betreffenden Ausgaben nicht nur im Text erwähnt. Er taucht sogar im Index auf! Schauen wir uns den Textzusammenhang an:

1896 - La Suisse, et les parties limitrophes de la Haute-Savoie et la Haute-Italie

S. 495 im Index & S. 49 im Text (bei Google kein Textausriss angezeigt; daher auch kein Zitat möglich) . Vielleicht ist der Inhalt ja ähnlich dem von 1909. Nächstes Buch:

1909 - Switzerland and the Adjacent Portions of Italy, Savoy, and Tyrol: Handbook for Traveller

S. 583 im Index & S. 64 im Text: «[...] Embrach-Rorbas. The train quits the Töss and passes through a tunnel (1980 yds.). 10 ½ M. Bülach (p. 43); 12 ½ M. Glattfelden; 13 ½ M. Eglisau (to Schaffhausen, see p. 42). – We now follow the left bank of the Rhine and cross the Glatt. Stat. Zweidlen; 19 M. Weiach-Kaiserstuhl, a quaint little town with massive tower; on the right bank, Schloss Röteln, and farther on, the ruins of Weiss Wasserstelz. Stat Rümikon, Reckingen [...]»

Der Reiseführer nimmt einen also auf eine Eisenbahnfahrt auf der Strecke Winterthur-Koblenz mit. Das englische Wort «quaint» bedeutet «malerisch, pittoresk». Und gemeint ist damit natürlich nur das Städtchen Kaiserstuhl. Unklar ist, ob die komisch wirkende Gleichsetzung des Namens der Bahnstation (Weiach-Kaiserstuhl) mit dem Städtchen auf einem Irrtum des Autors beruht oder im Telegrammstil, der diesem Reiseführer eigen ist, seine Ursache hat.

1913 - Switzerland and the Adjacent Portions of Italy, Savoy, and Tyrol: Handbook for Travellers

S. 603 im Index & S. 66 im Text: «[...] Embrach-Rorbas. The train quits the Töss and passes through a tunnel (1980 yds.). 10 ½ M. Bülach (p. 43); 12 ½ M. Glattfelden; 13 ½ M. Eglisau (to Schaffhausen, see p. 42). – We now follow the left bank of the Rhine and cross the Glatt. Stat. Zweidlen; 19 M. Weiach-Kaiserstuhl, a quaint little town with massive tower; on the right bank, Schloss Röteln, and [...]»

Das Städtchen Eglisau hat der Autor dieses Baedeker entweder überhaupt nicht gesehen oder findet es nicht interessant genug, um dem Reisenden mehr als eine Umsteigemöglichkeit zu empfehlen. Der Führer scheint für den durchreisenden Eisenbahnpassagier geschrieben worden zu sein.

1922 - Switzerland: Together with Chamonix and the Italian Lakes; Handbook for Travellers

S. 536 im Index & S. 17 im Text. Dieser Führer ist anders aufgebaut als die beiden vorher besprochenen. Hier fährt man den umgekehrten Weg - offenbar von Basel (Meilenangabe) nach Winterthur: «[...] bank by a bridge; 47 M. Weiach-Kaiserstuhl, a quaint old town with a massive tower. – 52 M. Eglisau, junction for the Schaffhausen-Zürich line, which the trains to Winterthur follow as far as (37 M.) Bülach (comp. p. 33). The line goes through the Dettenberg Tunnel (5906’) and passes into the Töss Valley, which is [...]»

Interessant: hier bekommt der Tunnel zwischen Bülach und Embrach-Rorbas einen Namen. Teile der dort verbauten Steine stammen übrigens von der heute verschwundenen Ruine Schwarzwasserstelz.

Dienstag, 25. April 2006

Öffnungszeiten auf dem Dorfe

8187 Weiach. Zirka 950 Einwohner. Nordwestecke des Zürcher Unterlandes.

Schon allein die letzteren beiden Eckdaten lassen vermuten, dass es mit den Öffnungszeiten der noch verbliebenen Läden und öffentlichen Einrichtungen nicht allzu weit her sein kann.

Das stimmt zwar teilweise. Aber erfreulicherweise bei weitem nicht durchgehend, wie die folgende Aufstellung zeigt.

Volg
Auf der Website des Volg findet man alle sachdienlichen Hinweise (fehlt nur noch die Auflistung des gesamten aktuellen Sortiments und ein Hauslieferdienst): VOLG-Laden, Stadlerstrasse 4; Tel. 044 858 23 70 ; Fax 044 858 46 23; Mo-Fr: 08.00-12.00/15.00-19.30; Sa: 08.00-13.00.

Landi
Die LANDI Weiach-Siglistorf, die Landwirtschaftliche Genossenschaft, hat ihr Depot an der Kaiserstuhlerstrasse 44. Auf der Landi-Website findet man nur eine Telefonnummer (01 858 22 18) und eine Email-Adresse (info[a]weiach.landi.ch) - aber keine Spur von Öffnungszeiten.

Post
Das Postbüro liegt der Gemeinde besonders am Herzen. In jeder Ausgabe der Mitteilungen für die Gemeinde Weiach sind auf Seite 2 dessen Telefonnummer (044 858 22 38) und Öffnungszeiten aufgeführt: Montag – Freitag 08.00 – 10.30 h / 16.00 - 17.30 h; Samstag 08.30 - 10.30 h. Abfragen kann man die Adressdaten auch auf der Website der Post (PLZ oder Ort eingeben).

Gemeindeverwaltung
Die Gemeindekanzlei selber hält sich zu folgenden Zeiten für Kunden bereit (Termine ausserhalb dieser Zeiten nach Vereinbarung): Montag 09.30 - 11.30 h / 16.00 - 18.00 h; Dienstag 09.30 - 11.30 h; Mittwoch ganzer Tag geschlossen; Donnerstag 09.30 - 11.30 h / 14.00 - 16.00 h; Freitag 07.00 - 11.30 h. Schon ganz ordentlich. Erwerbstätige werden besonders den Frühtermin am Freitagmorgen zu schätzen wissen. Auch da gibt es eine Webpage.

SPITEX-Dienste Stadel-Bachs-Weiach
Die Gemeindeschwestern, welche die spitalexterne Pflege koordinieren, sind in Stadel, Hinterdorfstr. 5, domiziliert. Öffnungszeiten: Dienstag 14.00 – 15.00 Uhr; Freitag 14.00 – 15.00 Uhr.

Gemeindebibliothek
Auch für die seit 1862 bestehende frühere Jugend- und Volksbibliothek und heutige Gemeinde- und Schulbibliothek gibt das Mitteilungsblatt eine Telefonnummer (044 858 06 62) und die Öffnungszeiten bekannt: Montag 15.15 - 16.45 h; Mittwoch 19.30 - 20.30 h; Donnerstag 15.15 - 16.45 h. Die offizielle Website der Gemeinde führt denselben Eintrag.

Agentur der ZKB
Am meisten Rätsel gibt die Welt der Banken auf. Schon bezüglich Filialen wird das Unterland extrem stiefmütterlich behandelt. Von Agenturen und deren Öffnungszeiten scheint gar keine Spur zu existieren. Auf der Website der ZKB findet man zwar folgende Erläuterungen: «Zu dem mit über 100 Geschäftsstellen dichtesten Zweigstellennetz im Kanton Zürich zählen auch nebenamtliche Agenturen. Diese dienen vorwiegend den Bewohnern ländlicher Regionen. Die so genannten B-Agenturen (früher "Einnehmereien") sind meist in Dörfern mit 500 bis 2000 Einwohnern tätig, die von den Grossbanken aus betriebswirtschaftlichen Gründen kaum "vor Ort" mit einer eigenen, bedienten Bankstelle versorgt würden.»
Trotzdem kommen wohl die wenigsten Kunden auf die Idee, dass eine davon sogar in Weiach ansässig wäre. Wird ihre Existenz quasi aus Sicherheitsgründen geheim gehalten (vgl. Zürcher Unterländer vom 31. August 2004)? Hat man die Agenturen beim Webauftritt schlicht vergessen? Oder sollen sich die Kunden doch bitte nach Bülach oder in die Stadt Zürich bemühen?

Montag, 24. April 2006

Amtliches Publikationsorgan?

Das Statistische Jahrbuch des Kantons Zürich erscheint jedes Jahr neu. Mit den neuesten Zahlen und Graphiken zu allen möglichen Aspekten. Aus lokaler Perspektive interessieren die Gemeindeseiten natürlich am unmittelbarsten.

Weiach ist in der jüngsten Ausgabe auf Seite 376 zu finden. Und da liest man zum Thema Presse doch höchst Erstaunliches.

Die Anzahl Abonnemente von NZZ und Tages-Anzeiger ist es nicht. 91 waren es im letzten Jahr, also 92 Promille Durchdringungstiefe. Daran sieht man, dass Weiach zum Zürcher Einzugsgebiet gehört. Zum Vergleich: Bachs liegt mit 95 Promille etwas höher als Weiach. In Stadel waren es 113 Promille, in Glattfelden 105, in Neerach 182, in Oberglatt aber nur 76, lediglich noch unterboten von Höri mit 53. Solche Zahlen findet man sonst nur noch im Einzugsgebiet anderer grosser Städte wie Schaffhausen oder Winterthur.

Das für mich Erstaunliche war der Eintrag «Amtl. Publikationsorgan». Da steht nämlich auf Seite 376: «Zürcher Unterländer». Nicht «Mitteilungsblatt der Gmd.», wie ich eigentlich erwartet hätte.

Amtliches wird aber meines Wissens wirklich nur in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach publiziert (vgl. WeiachBlog vom 4. November 2005). Der Grund ist einfach: es gibt bei uns keine Regionalzeitung, die eine unbestrittene Dominanz hätte. Die einen lesen den Unterländer, andere nur das Neue Bülacher Tagblatt und viele Zugezogene sind gewohnheitsgemäss auf NZZ oder Tagi abonniert.

Ein Telefonanruf heute morgen bei der Gemeindekanzlei bestätigt meine Vermutung. Da stimme etwas nicht mit diesem Eintrag im Statistischen Jahrbuch, meinte die Verwaltungsangestellte Nicole Bucher.

Sonntag, 23. April 2006

Wikipedia:Umkreissuche

Was Wikipedia ist, das muss man heute kaum mehr jemandem erklären. Die deutschsprachige Wikipedia wird im Mai fünf Jahre alt. Hat sich aber in dieser Zeit grosse Beachtung gesichert.

Erster Schritt: Georeferenzierung

Fleissige Zeitgenossen mit einem Faible für Kartendarstellungen haben in den letzten Monaten die Georeferenzierung eingeführt. Im Artikel-Code sieht das dann für Weiach so aus: {{Koordinate Artikel|47_33_30_N_8_26_15_E_type:city(987)_region:CH-ZH_scale:25000|47° 33' N, 8° 26' O}}.

Diese Koordinate zeigt auf die Südecke der Liegenschaft Stadlerstrasse 6 (ehem. Schlosserei Wolf) - also so ziemlich genau ins Dorfzentrum.

Wer auf den Link klickt, landet auf einem weiteren Wiki: die (wohl dynamisch erstellten) Seiten namens Map Sources auf kvaleberg.com sind massgeschneidert auf die jeweils verlinkte Koordinate.

Zweiter Schritt: Mashup auf einer Karte

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ein Tüftler auf die Idee kam, auf der Grundlage dieser Georeferenzen einen weiteren Sprung zu machen: ein Mashup durch geographische Lokalisierung von ortsbezogenen Wikipedia-Artikeln auf einer Karte. (Ein weiteres Beispiel ist die Placeopedia mit Google Maps im Hintergrund; Weiach ist noch nicht erfasst).

Hier die Ankündigung auf der Seite Wikipedia:Umkreissuche (Abkürzung: WP:US):

«Durch das WikiProjekt Georeferenzierung verfügt eine Vielzahl von Artikeln in der deutschsprachigen Wikipedia nun über eine Georeferenzierung. Der Inhalt der Artikel ist hierbei mit einer bestimmten geografischen Lage verknüpft.

Dies ermöglicht es nun, für jeden dieser Artikel auch räumliche Verknüpfungen sichtbar zu machen, also in einem räumlichen Sinne benachbarte Artikel anzuzeigen. Die Wikipedia verfügt damit auch über eine Umkreissuche.

Benutzer:Kolossos hat dieses externe Programm Umkreissuche erstellt.

Es ist damit möglich durch Eingabe eines (Stand)ortes (X-dorf) sich sämtliche bereits georeferenzierten Artikel (Orte, Sehenswürdigkeiten, Berge Seen, Wälder etc.) der Umgebung (z.B. 10 km) anzeigen zu lassen. Ein kleiner individueller Wikipedia-Reiseführer steht damit eigentlich für jeden Punkt der Erde zur Verfügung.

Die Umkreissuche nutzt einen Dump und hat daher nicht den aktuellsten Stand der georeferenzierten Artikel zur Verfügung.


Dritter Schritt: Ausflugsziele in der Nähe von Weiach finden

Wer das Programm ausprobiert, stellt fest: Schnörkelloser Auftritt und blitzschnell. Bereits beim Eintippen des Suchwortes erscheint eine Liste möglicher Treffer. Das Resultat für die Eingabe "Weiach":

Weiach 987 Einw. /kvaleberg /GE/ 10/ 50/ 250 km Umgebung

Am interessantesten sind natürlich die Umkreiskarten für 10, 50 und 250 km Radius. Wo ist beispielsweise das von Gottfried Keller in seiner Novelle Hadlaub erwähnte Schloss Schwarzwasserstelz? Nach der Textfunktion in Kolossos' Tool liegt es von Weiach 3.38 km entfernt und zwar in Richtung 51° NW. Die Karte kann übrigens gezoomt werden und so sieht man schliesslich ganz viele Gemeinden und Orte mit ihrem Wikipedia-Artikel-Link - fein säuberlich geographisch dargestellt.

Die Karte wird zwar zur Zeit noch auf weissem Hintergrund projiziert. Man sieht weder politische noch physisch-geographische Umrisse. Aber auch das wird sich wohl irgendwann ändern. Irgendwann: denn die Vernetzung mit Kartendaten in professioneller Qualität dürfte wegen Lizenzierungsproblemen noch auf sich warten lassen.

Samstag, 22. April 2006

Die Alamannen - ein Fall verfehlter Integration

Aktuell wird ja eifrig über «Leitkulturen» debattiert und leidenschaftlich die Frage diskutiert, ob Bevölkerungsgruppen südosteuropäischer bis nahöstlicher Herkunft integrationswillig seien. Ja, es wird die Integrierbarkeit von Personen mit islamisch-patriarchalischem Weltbild gar grundsätzlich in Frage gestellt.

Vielleicht sollte man zuerst darüber nachdenken, unter welchen Bedingungen Fremde sich überhaupt von der am Ort ihres Lebensmittelpunktes vorherrschenden Kultur assimilieren lassen wollen.

In diesem Zusammenhang sind ein paar Details zur Geschichte der Spätantike im Raum der heutigen Schweiz interessant. Sie stammen aus einem bereits vor zehn Jahren erschienenen Buch von Andres Furger, dem seitens des Bundesamtes für Kultur unter Beschuss geratenen heutigen Direktor der Musée Suisse Gruppe (besser bekannt als Schweizerisches Landesmuseum).

Kurz gesagt ist die Story die: bei den Burgundern klappte die Integration eines germanischen Stammes in das spätrömische Kulturumfeld (sie nahmen lateinische Sprache und Lebensformen an), bei den Alamannen scheiterte dieser Prozess kläglich. Die Frage ist: Warum?

Ein zusammengewürfelter Heerhaufen verbreitet Angst und Schrecken

Um 260 nutzten die Alamannen eine vorübergehende Schwäche des römischen Imperiums und drangen plündernd ins Gebiet der heutigen Schweiz ein. Sie zerstörten unter anderem Augusta Raurica und Aventicum. Die Beziehungen zwischen den Galloromanen und den Alamannen waren spätestens von da weg von gegenseitigem Misstrauen geprägt:

«So werden die Alamannen in einer römischen Quelle des 4. Jahrhunderts ausdrücklich als "Feinde der Menschheit" bezeichnet. Der Goliath begann sich vor einem David zu fürchten. [...] Die Alamannen spielten bei den Römern nur deshalb eine Rolle, weil sie nördlich der Alpen die ersten Boten der grossen Gefahr wurden. Wahrscheinlich wurde auch, wie seinerzeit die Gefahr der helvetischen Kelten für das Imperium Romanum, von der römischen Propaganda die alamannische Gefahr bewusst überzeichnet.»

Gegenseitiges Nichtverstehen

«Jedenfalls reagierte die römische Obrigkeit gereizt auf die Gefahr von aussen, indem beispielsweise das Tragen von als barbarisch geltenden Kleidungsstücken unter Strafe gesetzt wurde. So verbot Kaiser Honorius um 400 den Männern das Tragen ärmelloser bunter Jacken, weiter Hosen und langer Haare.» (Furger - S. 33)

Hat da jemand «Kopftuchstreit» gerufen?

Im Gegensatz zu den Franken und den Burgundern, die langsam in ihre Rolle als Erben des spätantiken Imperiums hineinwuchsen, blieb den Alamannen alles Römische fremd:

«Die Alamannen, die sich in den Jahrzehnten nach 260 in den von den Römern geräumten Dekumatenlanden allmählich niederliessen, (d.h. im Gebiet des heutigen Schwarzwaldes und südlich des Obergermanischen Limes) lernten somit die römisch-antike Welt eigentlich erst in einer späteren, weniger prägenden Phase und vermutlich in einer provinzielleren Ausführung kennen, als die Vorfahren der Franken.» (S. 48; vgl. auch den WeiachBlog vom 20. April)

Weit gravierender scheint aber gewesen zu sein, dass die Alamannen 357 gegen den späteren Kaiser Julian (361-363) bei Argentoratum (heute Strassburg) eine Niederlage erlitten, und nach dessen Tod - im Gegensatz zu den Franken - von hohen Posten innerhalb des römischen Militäradels (Generalität) ausgeschlossen wurden. Dadurch verlor die alamannische Führungsschicht und damit ihr ganzes Volk richtiggehend den Anschluss an die Spätantike.

Alamannen und Galloromanen in Helvetien: eine Jäger-Beute-Beziehung

In der älteren Literatur wird behauptet, es habe kurz nach 400 einen Alamanneneinfall in der Art eines Dammbruches gegeben. Mit anderen Worten: unmittelbar nach dem Abzug der römischen Truppen von der Rheingrenze seien die Alamannen in das entstehende Machtvakuum vorgestossen und dort sesshaft geworden. Das war aber offenbar nicht der Fall. Die Beziehungen zwischen den nördlich des Rheins lebenden Alamannen und den Romanen im Gebiet der heutigen Schweiz gleichen eher einem Jäger-Beute-Modell:

«Was uns die Schriftquellen für die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts an alamannischen Aktivitäten berichten, sind offensichtlich weiterhin Raub- und Plünderungszüge, die schwerlich den Beginn eines Assimilationsprozesses eingeleitet haben dürften.» (S. 50)

Im Gegensatz zu den Franken machten sich die Alamannen die spätrömische Kultur nicht zunutze, sondern plünderten sie lediglich. Es wundere daher nicht, schreibt Max Martin in einem Abschnitt mit gleichem Titel wie dieser Artikel, dass «ihre Oberschicht noch um 500 und bis zum Verlust ihrer Unabhängigkeit in befestigten Höhensiedlungen prähistorischen Charakters residierte. Offenbar war die Abneigung der Alamannen, sich in Städten niederzulassen, die uns der römische Historiker Ammianus Marcellinus für die Zeit nach 350 explizit überliefert, noch im 5. Jahrhundert lebendig.» (S. 50)

Der Anti-Nichtintegrierbare-Limes von 374 n.Chr.

Wenn man dies berücksichtigt, wird klarer, weshalb Kaiser Valentinian I. ausgerechnet entlang der Linie Rhein-Iller-Donau einen neuen Limes errichten liess (vgl den WeiachBlog vom 17. April). Das ist nämlich genau die Grenze des «zivilisierten» Gebiets zu den «wilden» Alamannen:

«Es ist deshalb gut denkbar, dass die Alamannen nach dem Ausscheiden ihrer Anführer aus der spätrömischen Hierarchie den Anschluss an die antike Welt gar nicht mehr suchten, sondern seit dem späteren 4. Jahrhundert einer Lebensweise huldigten, die ständig auf den Zufluss und Nachschub neuer Ressourcen angewiesen war», schreibt Max Martin und fragt dann: «Die Alamannen als Herrenvolk rechts des Rheins, die tributpflichtig gemachte provinzialrömische Bevölkerung der gegenüberliegenden Grenzprovinzen an Rhein und Donau als Wirtsvolk, erstere von diesem getrennt und ausserhalb der Reichsgrenzen lebend?» (S. 50)

Wenn das stimmt, dann ist es mit der selbstbestimmten alemannischen Einwanderung in die Gebiete südlich des Rheins, von der die Historiker im 19. Jahrhundert ausgingen, nicht allzu weit her. Die «Alamannen» dürften wohl erst unter fränkischer Oberhoheit südlich des Rheins angesiedelt worden sein.

Das Misstrauen zwischen Galloromanen und Alamannen hat wohl noch einige Zeit gehalten. Der Grund für die Deutschsprachigkeit hängt möglicherweise damit zusammen. Die Alemannen erlangten nach und nach die Bevölkerungsmehrheit - die Reste der galloromanischen Bevölkerung wurden verdrängt. Nur noch einige Namen erinnern an sie: «Walensee» zum Beispiel, der See der «Walchen» oder Welsch Sprechenden.

Quelle
  • Furger, A. (Hrsg.): Die Schweiz zwischen Antike und Mittelalter. Archäologie und Geschichte des 4. bis 9. Jahrhunderts. Verlag NZZ, Zürich 1996 - S. 33 und 47ff.

Freitag, 21. April 2006

Armensteuern nötig wegen zu vielen Sozialhilfeempfängern

So weit ist es gegenwärtig noch nicht. War es aber im Kanton Zürich schon einmal - und zwar Mitte des 19. Jahrhunderts.

Bezirksrat denkt voraus

Dass man an die Erhebung von Armensteuern dachte, kann man dem Rechenschaftsbericht des Regierungsrates an den Grossen Rat (heute: Kantonsrat) über das Jahr 1845 entnehmen. Der Rath des Innern lässt darin über Zustand und Verwaltung der Gemeindegüter im (ab 1871 Bezirk Dielsdorf genannten) Nordwesten des Kantons folgendes verlauten:

«Im Bezirke Regensberg befanden sich die Gemeindegüter im Allgemeinen in einem befriedigenden Zustande. Bedenklicher sieht es dagegen, wie anderwärts in einzelnen Gemeinden, mit den Armengütern aus. Die vielen zum Theil bedeutenden Rückschläge entstanden durch Zunahme der Armenunterstützungen und bald werden auch in diesem Bezirke, was sonst hier zu den Seltenheiten gehörte, Armensteuern erhoben werden müssen. In dieser Voraussicht hat der Bezirksrath auf sehr lobenswerthe Weise schon gegen Ende des vorigen Jahres und auch dieses Frühjahr die Gemeindsbehörden angewiesen, dahin zu trachten und zu arbeiten, daß es der ärmern Klasse möglich gemacht werde, einen möglichst hinreichenden Vorrath an Lebensmitteln zu pflanzen und zu diesem Ende hin so viel möglich Grundeigenthum der Gemeinde anzuweisen, indem nach seiner Ansicht am nachdrücklichsten auf diese Weise allzu großen Ansprüchen an die Armengüter vorgebeugt werden könne.» (Regierungsrat ZH, 1845, S. 79)

Prozentual gar nicht so viele Armengenössige

Mit anderen Worten: die damalige Sozialhilfe schrieb in vielen Gemeinden rote Zahlen. Vor über 150 Jahren wurden die Armengenössigen noch nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Sondern über die Erträge der Armengemeinden, d.h. von deren Grundstücken (Äcker und Wald) sowie den Zinsen allfälligen Anlagekapitals. Armensteuern wurden nur erhoben, wenn wirklich Not und damit Ebbe in der Gemeindekasse herrschte.

Dabei war die Zahl der im Kanton Zürich dauernd unterstützten Armen nicht allzu hoch:
- Kinder 5314 (Bezirk Regensberg: 457)
- Kranke 1850 (Bezirk Regensberg: 139)
- Alte und Gebrechliche 3140 (Bezirk Regensberg: 216)
Das sind total 10304 (Bezirk Regensberg: 812)

Zum Vergleich: gemäss der ersten kantonalen Volkszählung vom Mai 1836 wohnten im Bezirk Regensberg 14'280 und im ganzen Kanton 231'576 Personen. Mit anderen Worten ca. 5% der Bevölkerung war armengenössig.

Pflanzland für die Armen!

Allzu schnell ging die Umsetzung der Anregung des Bezirksrates in Weiach nicht vonstatten. Immerhin wurden innert dreier Jahre Nägel mit richtigen Köpfen gemacht:

«Anno 1847 wurden auf Antrag der Gemeinde durch Regierungsbeschluss «20 Jucharten Eichenwald im Hard zur Alimentation des Armengutes vom Forstetat abgelöst, die Fläche ausgerodet, in 80 Vierlingteile eingeteilt und zum erstenmal den Landbedürftigsten auf 6 Jahre um den Jahreszins von 2 alten, nachher 3 neuen Franken in Pacht gegeben.» Die erste Bepflanzung geschah grösstenteils mit Kartoffeln. Dadurch konnte der Notstand einer ganzen Anzahl von Familien stark gemildert werden.» (Brandenberger, 2005, S. 43)

Erstaunlich ist, dass die Hauptbepflanzung in Herdöpfeln bestand - trotz der im Herbst 1845 wütenden Kartoffelfäule.

Die damals gerodete Fläche kann man noch heute erkennen, sie liegt südlich der Bahnlinie, östlich des Kieswerkareals und nördlich des Ofen-Hofes in der Nähe der Grenze zu Glattfelden und wirkt wie aus dem Wald herausgestanzt.

Wenn man den Kaiserstuhler Juchart von 36.09 Aren zugrundelegt, dann erhielt also jede der 80 bedürftigen Familien eine Fläche von ca. 9 Aren (900 Quadratmeter) - eine Parzelle in der Grössenordnung eines grösseren Familiengartens. Dort dürfte also eher Gartenkultur als Landwirtschaft betrieben worden sein.

Quellen

  • Rechenschaftsbericht des Regierungsrates des Kts. Zürich an den Grossen Rat über das Jahr 1845 - S. 79 & 102. [Staatsarchiv des Kantons Zürich; Signatur: StAZH III AAh 1]
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach». Dezember 2009 (pdf-File) - S. 43

Donnerstag, 20. April 2006

Römische Gutshöfe in Helvetien um 260 n. Chr. zerstört

Dem am Montag besprochenen Buch 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz von Jerome H. Farnum ist als Buchzeichen eine Zeittafel beigelegt, welche dem Leser als chronologische Einordnungshilfe dient.

Villa rustica von ca. 80 bis 260 n.Chr.?

Interessant ist diese Zeittafel für die Weiacher Ortsgeschichte vor allem unter einem Aspekt. Nämlich der Frage, in welchem Zeitraum der gallorömische Gutshof existiert hat, der aufgrund der Ortsnamenendung -ach (von gallorömisch: -acum) auf dem Gemeindegebiet vermutet wird.
Immer unter der Voraussetzung, dass es diese villa rustica wirklich gab. Denn bisher fehlt noch jede handfeste archäologische Spur. Lediglich der Flurname Heidenhaus könnte auf ein altes Gemäuer hinweisen, das mit viel Phantasie als römischer Gutshof interpretiert werden kann, bei dem aber auch die Fundamente eines römischen Wachtturmes am Rhein gemeint sein können. Wo dieses Heidenhus stand, wissen wir nicht (nach Wanner 1984 könnte auch eine frühmittelalterliche Wüstung gemeint sein; dazu und zum Stand der Forschung siehe Weiacher Geschichte(n) 51).

Auf Gemeindegebiet von Weiach wurde nach Angaben von Gerold Meyer von Knonau eine Münze gefunden, die das Abbild des Kaisers Titus Vespasianus (79-81 n. Chr.) trägt. Wo sich diese Münze heute befindet, ist unbekannt. Leider ist über den genauen Ort des Münzfundes ebensowenig bekannt. Ein Zusammenhang mit dem vermuteten Gutshof ist daher rein spekulativ (Meyer von Knonau, G.: Der Canton Zürich. Zweite Auflage, 1844. Teil I – S. 55. vgl. Weiach - Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. Vierte, überarbeitete Auflage, Dezember 2009 - S. 9 und Fussnote 14)

Blüte und Zerstörung der Latifundien-Wirtschaft

Die meisten Gutshöfe entstanden in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. zur Versorgung der Legionslager von Vindonissa einerseits und zur Belieferung von Absatzmärkten im Reichsgebiet andererseits. Getreide, getrocknetes Fleisch und Tierhäute waren Helvetiens Exportprodukte.

Die Periode der Latifundien nahm durch den Einfall der Alamannen im Jahre 259/260 ein abruptes Ende. Ganz Helvetien soll damals geplündert und verwüstet worden sein. Die Wirtschaft hat sich - meint Farnum - von diesem vernichtenden Schlag nie mehr ganz erholt, zumal die Alamannen immer wieder einmal über den Rhein vorstiessen.
Die römischen Truppenkontingente waren nach 260 meist zu schwach für einen wirklich dauerhaften Schutz - kurze Perioden wie die Regierungszeit Valentinians I. um 370 n.Chr. vielleicht ausgenommen.

Zeittafel nach J.H. Farnum

Vor Christi Geburt

  • Um 1000: Die keltischen Helvetier räumen Süddeutschland und besetzen die Schweiz
    60: Triumvirat Cäsar, Pompejus und Crassus in Rom
  • 58-51: Unterwerfung Galliens durch Cäsar
  • 58: Cäsar besiegt die ins freie Gallien vorgedrungenen Helvetier bei Bibrakte / Die Reste der Helvetier werden zwangsweise an ihren alten Wohnstätten angesiedelt
  • 44: Gründung der Colonia Raurica
  • 16/15: Unterwerfung der übrigen Alpenvölker durch Rom
Nach Christi Geburt
  • Um 17: Gründung des Legionslagers Vindonissa
  • Um 25: Einverleibung des Helvetierlandes ins römische Reich / Gründung von Aventicum
  • Um 46: Die Donau wird befestigte Militärgrenze Roms
  • 69/79: Grenzvorverlegung am Oberrhein bis zum Schwarzwald und zu den Donauquellen / Verstärkung der Befestigungen an Rhein und Donau
  • Um 100: Die Römer erreichen die Linie Main-Neckar-Wetterau / Überschreitung der Donau in Rhätien / Umwandlung des Militärbezirks Germania in die Provinzen Germania superior (Obergermanien) und Germania inferior (Niedergermanien)
  • Um 180: Die Römer errichten eine Ödlandgrenze gegen die Barbaren / Verstärkung der Grenzkastelle
  • 260: Die Alemannen entreißen Rom das Land zwischen Limes und Rhein
  • 286-288: Franken, Alemannen und Burgunder überschreiten die Rheingrenze
  • 307: Konstantin der Große schlägt die Alemannen und Franken
  • 334/335: Kämpfe des Constantius gegen die Alemannen im Bodenseegebiet
  • 374: Feldzug Valentinians I. gegen die Alemannen
  • 401-403: Erste Züge des Westgotenkönigs Alarich nach Italien
  • 410: Plünderung Roms durch die Westgoten
  • 454: Ermordung des römischen Generals Aëtius / Die Alemannen überfluten neuerlich die Schweiz
Quellen
  • Farnum, J.H.: 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz. (übers. aus dem Engl. von Heidi Meyer-Küng). Reihe Hallwag Führer, Bern 1972. Mit einem Anhang: "The Romans and Switzerland" ISBN 3-444-10094-9
  • Konrad Wanner: Siedlungen, Kontinuität und Wüstungen im nördlichen Kanton Zürich (9.-15. Jahr­hun­dert). Bern 1984. ISBN 3-261-03279-0
  • Von der Ebene in die geschützte Nische. Frühe Entwicklung bis zum 12. Jahr­hundert (Siedlungsgeschichte 1). Weiacher Geschichte(n) 51. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Februar 2004 – S. 14-16. (Gesamtausgabe S. 133)

Mittwoch, 19. April 2006

Verbotene Heirat - Bürgerrecht weg!

Hochzeiten sind ein erfreuliches Ereignis, möchte man meinen. Aber nicht für alle! Ganz und gar nicht erbaut waren zuweilen die für das Armengut Verantwortlichen.

Anno 1720 zum Beispiel verboten die Gemeindeoberen im zürcherischen Weyach einem der Ihren, eine Frau aus Rüdlingen im Schaffhausischen zu ehelichen.

Begründung: Er sei zu arm und seine Braut verfüge auch nicht über die Mittel, sich in Weyach einzukaufen.

Das schreckte den Betroffenen allerdings nicht. Er heiratete trotzdem. Die Trauung fand in Rüdlingen statt (durch den dortigen Pfarrer, der keinen Vermögensnachweis sehen wollte).

Diese Unbotmässigkeit wurde prompt sanktioniert. Auf Antrag der Gemeinde entzogen ihm die Gnädigen Herren zu Zürich kurzerhand das Bürgerrecht und verwiesen ihn auf Lebenszeit des Landes. Was wohl die Schaffhauser zu dieser «eleganten Problemlösung» gesagt haben?

Quelle

Prolog aus: Heiraten verboten! Armenwesen und Finanzen vor 150 Jahren. Handout zum Vortrag anlässlich der GV 2005 der Anlegervereine Midas und Heureka. Zürich, 14. März 2005.

Dienstag, 18. April 2006

In die Taktlücke gefallen

Gestern Ostermontag bin ich in eine Taktlücke gefallen. An Sonn- und allgemeinen Feiertagen, musste ich lernen, fährt zwar den ganzen Tag über jede Stunde ein Postauto ab Stadel, Neuwis-Huus Richtung Kaiserstuhl.

Einzige Ausnahme: um 19:46 Uhr fährt KEIN Bus. Eine besonders fiese Taktlücke, weil völlig unerwartet (vgl. die Abfahrtstabelle Neuwis-Huus Richtung Kaiserstuhl mit rotem Oval bei der Taktlücke).

Im Takt seit 1990

Seit 1990 existiert das Erfolgsmodell Zürcher Verkehrsverbund und ebenso lange gibt es im Zürcher Unterland auch den Taktfahrplan. Die Idee: Verbindungen in eine bestimmte Richtung fahren ab einem bestimmten Punkt immer zur gleichen Zeit ab, z.B. 23 Minuten nach der vollen Stunde. (vgl. diesen Wikipedia-Artikel für ausführliche Erklärungen).

Für Benutzer des Öffentlichen Verkehrs ist das natürlich praktisch. Man muss sich nur noch eine Zahl merken (die Abfahrtsminute) und die Frequenz (jede Stunde, jede halbe Stunde, etc.).

Taktlücken sind wie Fallmaschen: sie gefährden das ganze System

Leider ist der Taktfahrplan an etlichen Stellen aus Spargründen mutwillig ausgedünnt. Das ist zwar verständlich, wenn man die Fahrgastzahlen anschaut und sich ausrechnet, was da einzusparen ist, wo wenige fahren (immerhin kostet ein Postauto-Kilometer ca. 5 Franken - mehr oder weniger unabhängig von der Anzahl Passagiere).

Um so ärgerlicher aber für den Kunden, wenn er/sie dann in eine dieser bewusst in Kauf genommenen Taktlücken fällt.

Solche Fallmaschen im System sind Gift für das Vertrauen ins Netz. Denn: wer sonst schon lieber mit dem eigenen Auto fährt und eine Stunde warten, oder zu Fuss nach Hause marschieren muss (wie ich gestern abend), der dreht dem Öffentlichen Verkehr schnell wieder den Rücken zu.

Am falschen Ort gespart?

Klar ist: die Gemeinde Weiach muss für jeden zusätzlichen Buskurs bezahlen, der bis in die Gemeinde geführt wird. Aber man kann sich wirklich fragen, welchen Sinn es hat, sich ausgerechnet diesen einen Kurs zu sparen und damit zu riskieren, dass der Umsteigeeffekt gerade deshalb wesentlich kleiner ausfällt, weil man sich nicht wirklich darauf verlassen kann, von früh bis spät mindestens jede Stunde einen Bus zu haben, und zwar egal an welchem Wochentag und zu welcher Tageszeit.

Der Gemeinderat muss sich entscheiden: Entweder sind wir wirklich eine Agglomerationsgemeinde der Stadt Zürich und wollen tatsächlich 500 zusätzliche Einwohner anlocken (z.B. in Mehrfamilienhäusern im Quartierplangebiet See/Winkel). Dann gehören dazu aber auch verlässliche Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Oder wir sind (aus Spargründen oder warum auch immer) bewusst ein schwieriger zu erreichendes Eckchen im Nordwesten des Kantons - splendid isolation wie gehabt. Aber dann soll man bitte auch nicht darüber jammern.

Bachser Weg als ausgeschlagene Option

Wenn man es so gemacht hätte wie die Nachbargemeinde Bachs mit ihrer ländlichen Idylle (dorthin sind die Verbindungen des öV wirklich schlecht), dann wäre man wohl von der Agglomerisierung auch eher verschont worden.

Für eine solche Option aber ist Weiach nun schlicht und einfach zu gross geworden. Und angesichts des tiefen Steuerfusses und der wirklich sehr grosszügig dimensionierten Bauzonen ist es auch fraglich, ob eine Option "ländliche Idylle" wirklich geklappt hätte.

P.S.: Ich kann mit dem einen oder anderen Fussmarsch gut leben. Wandern ist ja gesund - und gestern abend hat's auch nicht geregnet. Das nächste Mal schaue ich halt vorher wieder auf den Fahrplan und nehme statt dem Schnellzug die S-Bahn nach Bülach. Mit der S5 (Zürich HB ab 19:37) und der S41 ab Eglisau hätte ich zwar bis ins Dorf auch eine Strecke zu Fuss gehen müssen. Aber immerhin nur von der Haltestelle Kaiserstuhl her und nicht vom Neuwis-Huus über Raat und den Kistenpass.

Montag, 17. April 2006

17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz

Am Gründonnerstag war ich wieder einmal in einem Bücher-Brocky. Mit klarem Ziel: die Helvetica-Abteilung nach Büchern durchzusehen, die Weiach in irgendeiner Form erwähnen.

Und bingo! Bin ich doch prompt über ein schmales, 200 Seiten umfassendes Bändchen mit grünem Plastikeinband gestolpert, das ich bisher nicht kannte. Den Reiseführer eines englischsprachigen Autors: 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz von Jerome H. Farnum aus dem Jahre 1972.

Für Autotouristen geschrieben

In der Einleitung (Zu diesem Führer) legt der Autor die Beweggründe dar, das Büchlein zu schreiben: «Viele Überreste sind in Führern und auf Karten vermerkt, doch scheint es keine Beschreibung zu geben, die den Besucher darüber informiert, was er an einem freien Tag oder Wochenende besichtigen kann. Mein Wunsch war es, diese Lücke zu schließen.». Das ist ihm gelungen. Wenn auch im Stil der 70er-Jahre.

Der 4. Ausflug ist nämlich auf Autotouristen ausgelegt. Er trägt den Titel: «Von Zurzach nach Schaffhausen: Die Wachttürme bei Rümikon, Weiach und Ellikon, die Brücke über den Volkenbach und die Römerstraße bei Neunkirch».



Der Text zum Rümiker Wachtturm ist von diesem Bild begleitet, das eine mögliche Konstruktion eines solchen Wachtturms zeigt, samt Graben und Palisadenzaun.

Abgesehen von einem Bild auf der Trajansäule (Dakier-Feldzug, 113 n. Chr.) in Rom haben wir - ausser den Abmessungen der Fundamente, deren Tiefe und einigen Ziegelresten - wenige Hinweise darauf, wie die in der Spätantike zur Zeit Kaiser Valentinians I. um 374 n. Chr. an der Rheinlinie erbauten Wachttürme genau ausgesehen haben.

Wachtturm bei Weiach

Zur Weiacher Textstelle. Der Cicerone hat den Besuch beim Wachtturm von Rümikon (Kt. Aargau) beendet und wendet sich nun rheinaufwärts Richtung Kanton Zürich:

«Nun kehrt man zum Wagen zurück und folgt der Hauptstraße in östlicher Richtung durch Kaiserstuhl und Weiach. Etwa 2,5 Kilometer nach Weiach zweigt links ein Feldweg ab und führt dem Ostrand eines kleinen Wäldchens entlang. Auf diesem Feldweg überquert man die Bahngeleise, erreicht nach weiteren hundert Metern eine Straßenkreuzung und biegt dort links zum Wald hin ab».

Diesen Weg, der übrigens direkt an der Gemeindegrenze zwischen Weiach und Glattfelden liegt, kann man heute nicht mehr durchgehend befahren. Der Niveau-Übergang beim Bahnhof Zweidlen wurde nämlich schon vor geraumer Zeit aufgehoben.

Heute muss man kurz vor dem Autobahnteilstück (Umfahrung Glattfelden, A50) die Ausfahrt nach Rheinsfelden nehmen und dann Richtung Eglisau weiterfahren. Kurz nach der Bahnunterführung links abbiegen und bis zum Waldrand weiterfahren.

Dort Auto abstellen. Denn die weiteren von Farnum als befahrbar beschriebenen Teilstücke, insbesondere im Wald, sind durch den Gemeinderat Weiach mit einem Fahrverbot für Motorfahrzeuge aller Art belegt worden. Der Fussmarsch ist daher heute um einiges länger als von Farnum angegeben:

«Beim Wegweiser mit der Aufschrift «Römischer Wachtturm» wendet man sich nach links und bei den nächsten zwei Gabelungen nach rechts. Am Ende des Weges parken wir am Steilufer, das den Blick über den ganzen Fluß freigibt. Ein Fußpfad führt links stromabwärts zu den 150 Meter entfernten Fundamenten des Wachtturmes (Landeskarte 1:50 000, Blatt 215, 676.400/269.400).

Dieser Wachtturm gehört zu den kleineren Warten, deren Seiten nur acht Meter lang sind. Er wurde kürzlich ausgegraben und restauriert. Es sind jedoch nur die Fundamente erhalten, und so findet sich kein sichtbarer Eingang. Dieser Eingang muß sich auf der Flußseite befunden haben. Auf den drei anderen Seiten des Wachtturmes lag ein breiter, tiefer Graben mit einer Palisade. Von besonderem Interesse ist hier eine Metallplatte, die alle Festungen und Wachttürme zwischen Basel und der österreichischen Grenze bezeichnet. Es können nicht mehr alle diese Festungen und Wachttürme besichtigt werden, doch beweist ihre große Zahl die gewaltigen Anstrengungen der Römer zur Sicherung ihrer nördlichen Imperiumsgrenze
».

Die Zeitangabe "kürzlich ausgegraben" bezieht sich auf die Entstehungszeit des Buches anfangs der 70er-Jahre. Die Restaurierung des Wachtturms im Hard durch die Kantonsarchäologie erfolgte 1968/69.

Bei den Ausgrabungen wurde festgestellt, dass Raubgräber die Fundamente teils massiv zerstört haben. Ob der Wachtturm im Weiacher Hard so aussah wie der oben abgebildete ist unbekannt. Ein Ziegeldach hat er wahrscheinlich nicht gehabt. Der Altertumsforscher Ferdinand Keller (1800-1881) schrieb nämlich 100 Jahre vor Farnum: «Aus der gänzlichen Abwesenheit von Dachziegelfragmenten lässt sich schliessen, dass der Thurm unbedeckt war.»

[Kommentar: Dieser letzte Abschnitt wurde am 27. April umgeschrieben. Grund: In der am 17. April veröffentlichten Version habe ich behauptet, man habe viele Ziegelreste gefunden. Das stimmt nicht, wie man der älteren Literatur entnehmen kann. cf.: Keller, F.: Die römischen Warten, Speculae, längs des linken Rheinufers vom Bodensee bis Basel. In: Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde (ASA), 1871 – S. 237-248. Kapitel 7. Warte bei Weiach.]

Für ein Bild des Grundrisses dieses Wachtturms siehe WeiachBlog vom 25. Februar 2006: Temporinis Aufstieg und Niedergang der römischen Welt.

Anreise per Bahn

Natürlich kann man auch mit der Bahn anreisen. Am SBB-Bahnhof Zweidlen halten alle Züge der ZVV-Linie S41. Von dort sind es nur wenige hundert Meter bis zur Römerwarte im Hardwald auf Gemeindegebiet von Weiach (wie oben beschrieben), aber auch nur wenige Schritte bis zu einem weiteren Wachtturm-Fundament am Westrand des Werksgeländes des Kraftwerks Eglisau.

Quelle
  • Farnum, J.H.: 17 Ausflüge zu den alten Römern in der Schweiz. (Übersetzt aus dem Englischen von Heidi Meyer-Küng). Reihe Hallwag Führer, Bern 1972. Mit einem Anhang: "The Romans and Switzerland" ISBN 3-444-10094-9 - S. 49-50 (Bild S. 48)

Sonntag, 16. April 2006

Bussgeld für sonntägliche Wirtshausbesuche

Heute ist Sonntag. Ostersonntag um genau zu sein. Einer der höchsten kirchlichen Feiertage überhaupt. Und selbst in unserer durchsäkularisierten Gesellschaft sind Karfreitag und Ostermontag noch allgemeine Feiertage.

Trotz Feiertag: Wirtshausbesuche sind erlaubt. Den Kirchenbesuch erwartet man dagegen heute von niemandem mehr - nicht einmal mehr an Ostern oder Weihnachten.

Vor etwas mehr als 300 Jahren war das im Zürichgepiet noch ganz anders. Da musste man nicht nur an der eigentlichen Predigt teilnehmen; auch bei der Kinderlehre, der Unterweisung der noch nicht Erwachsenen, war Anwesenheit Pflicht. Sonntag für Sonntag.

Ins Wirtshaus während des Gottesdienstes - ein teurer Spass

Der Rechnung 1692/93 der Obervogtei Neuamt kann man entnehmen, dass damals die Wirtshäuser im benachbarten Kaiserstuhl bei den Jungen offensichtlich höher im Kurs standen als die Kirche. Bussen wie die folgende wurden häufig ausgesprochen:

5 lib. «Wider von einigen jungen leüthen wegen lauffens am sontag nach Keysserstul.»

Das muss eine Pauschale gewesen sein. Leider gibt es keine Angaben darüber, wie viele junge Leute (insgesamt?) 5 Pfund bezahlen mussten.

Sehr teuer wurde es für einen schon im Vorjahr wegen der Anstiftung zur Missachtung von Seuchenvorschriften belangten Amtsträger:

18 lib. «Joglj Baumgartner, weibel ze Weyach, wegen ergerlichen lebens in ganz schlechter besuchung der kinderlehren und lauffung nach Keyserstul in währung der selben am sontag.»

Um einen Eindruck von den Geldwerten zu geben: 1 Gulden (fl) = 2 Pfund (lib.) = 40 Schilling (ß). Futter für ein Pferd kostete 1679 pro Tag einen halben Gulden (fl). Die Jahre 1689 bis 1695 waren in der Ostschweiz ausgesprochene Hungerjahre mit vielen Missernten. Der Futterpreis verdoppelte sich nahezu. Ein Hase kostete im November 1690 2 lib.; sechzig Pfund Rindfleisch 10 lib. 10 ß. Eine solche Busse schmerzte den kleinen Landmann also durchaus. Zumal sich die wenigsten regelmässig Fleisch leisten konnten.

Ein Weibel hat Vorbild zu sein

Der Grund für die hohe Busse lag wohl in der Vertrauensstellung des Weibels, der eigentlich den Obervogt in seiner Aufgabe, für Ordnung zu sorgen, unterstützen sollte.

Zu der Meldepflicht eines Weibels hält das Zürcher Ratsmanual (Protokoll) vom 27. Oktober 1679 folgendes fest: «Den hh obervögten im Nöüwen Ambt ist gwallt gegeben, wann fehlbahre sachen in jhrer obervogtey vorgiengen und von dem undervogt und weibel nicht geleidet wurden, dieselben gebührend abzůstraffen oder gar jhrer diensten ein zeith lang still zů stellen.» [hh=herren]

So stellte die Obrigkeit sicher, dass ihre Amtsträger nicht beide Augen zudrückten, wo sie hätten Meldung erstatten sollen. Ob Joglj Baumgartner wegen seines «ergerlichen Lebens» vom Weibel-Amt suspendiert wurde, ist nicht bekannt. Die Busse dürfte ihn unabhängig davon geschmerzt haben.

Quellen
  • Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil. Rechte der Landschaft. Erster Band. Das Neuamt. Aarau 1996, p. 99ff & 96.
  • Bussgelder (Teil 2). Teure Flüche, Schlägereien und Wirtshausbesuche. Weiacher Geschichte(n) 26. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Januar 2002 – S. 19-20.

Samstag, 15. April 2006

Männer: «Alles wurmstichigi Cheibe!»

Jaja, ich geb's ja zu. Dieser Titel ist darauf angelegt Sie dazu zu animieren, den Artikel überhaupt erst anzuklicken. Er ist auf das blog.ch-Umfeld und weitere Aggregator-Sites zugeschnitten. Auf Menschen. Und nicht auf Google-Algorithmen, denn: «Überraschend, geistreich, ironisch - so wünscht sich mancher Leser eine gute Überschrift. Doch Nachrichten-Suchmaschinen haben andere Kriterien, um Headlines zu gewichten. Für sie zählen nur Schlüsselwörter.» (Holger Dambeck im Spiegel).

Für Menschen schweizerdeutscher Muttersprache ist der obige Kraftausdruck ein solches Schlüsselwort. Er stammt - wie könnte es anders sein - von einer Frau, dem Gränicher Mareili. Die dazu gehörende Geschichte wurde mir ebenfalls von einer Frau erzählt: Hedwig Hugener. Mit Jahrgang 1911 ist sie eine der ältesten Einwohnerinnen von Weiach. Und führt trotz ihres hohen Alters nach wie vor einen eigenen Haushalt - in einer gemeindeeigenen Alterswohnung auf dem Platz des früheren Nepfer-Hauses beim Alten Gemeindehaus. Wo nötig helfen ihr die Nachbarn.

Vom Bettler vor der Migros zu Kindheitserinnerungen

Kurz zuvor hatten wir noch den grossen März-Schnee (ca. 40 cm in Weiach). Hugener bedauerte sehr, dass der Schnee schon wieder geschmolzen sei. Er hätte ihretwegen ruhig noch etwas liegen bleiben können. Das sei so schön gewesen in den Nächten, richtig «märlihaft», wenn die Strassenlaternen brannten.

Irgendwie kam dann die Rede auf einen Bettler vor der Migros (wahrsch. in Bülach). Der habe innert kürzester Zeit viel Geld bekommen, meinte sie. Und von diesem Erlebnis war es nicht mehr weit zu einer Jugenderinnerung.

Hedwig Hugener wuchs in Uerkheim, im aargauischen Bezirk Zofingen auf. Damals habe es viele Landstreicher gegeben, die den abgelegenen Höfen nachgezogen seien. In die Dörfer seien die selten gekommen, da sie «nur ja keini Polizischte» antreffen wollten. Normalerweise seien diese Vaganten harmlos gewesen, Säufer zwar, die wenn sie nichts bekommen hätten, auch einmal gedroht hätten, das Haus anzuzünden. Aber eigentlich sei da nie wirklich etwas passiert. [Eigentlich erstaunlich: heute würde man bei einer solchen Drohung gleich die Polizei rufen]

s'Gränicher Mareili

Am lebhaftesten ist ihre Erinnerung an das Gränicher Mareili, eine Frau die damals, also im 1. Weltkrieg, schon zwischen 50 und 60 Jahre alt gewesen sei. Die habe ein ganzes Mostglas voll 42%igen Schnaps vertragen können. Und fluchen habe die gekonnt, heieiei! Vor allem über die Männer: «Alles wurmstichigi Cheibe!» seien das für sie gewesen. Was angesichts ihrer Erfahrungen mit ihnen nicht verwundert. Sie wurde mehrmals sitzen gelassen. Und hatte danach keine Chance mehr auf eine Ehe. Hugener liess durchblicken, damals hätten die Männer halt nicht vorher bezahlen müssen wie heute. Mit anderen Worten: das Mareili schlug sich in horizontalen Jobs durch und wurde von ihren Freiern betrogen.

Wenn sie auf einem Hof Unterschlupf bekommen habe, sei das Marili wegen ihren Flüchen am Abend so etwas wie später ein Fernseher gewesen. Aber nur für die Männer; die Frauen hätten da nie zuhören dürfen. Bei solch' wüsten Flüchen kein Wunder.

Das Mareili habe auch gut singen können und so manchen Franken verdient. Meist sei sie zufrieden gewesen, wenn sie in der Stube auf der Couch habe schlafen können, wenn sie aber keine Unterkunft gefunden habe, dann habe sie auch schon einmal bei minus 4° im Wald übernachtet, «go blettere" habe man dem in Uerkheim gesagt.

Ehrlich, gschaffig und suuber

Das Vertrauen in sie sei auch gerechtfertigt gewesen: das Mareili habe nie etwas entwendet, da habe man des Tags oder Nachts Taschen voll Wertsachen in der Stube lassen können.

Und «schaffe» habe sie können. Aber nicht im Haus, nur auf dem Feld, beim «Herdöpfle und Mischt zette». Einmal habe sie beim Mistzetten gerufen, jetzt falle ihr dann der Bauch herunter. Sie habe das als Kind natürlich wörtlich genommen und immer überlegt, wie das denn aussehe, wenn der Bauch am Boden liege. Es seien dann aber nur ein paar Unterröcke gewesen, die ihr heruntergerutscht seien.

Das Mareili sei auch immer sauber gewesen, habe am Bach die Kleider gewaschen. Am Morgen habe sie jeweils ein Beckeli warmes Wasser verlangt und sei danach hinters Haus gegangen um sich zu waschen. Da habe man aber «bigoscht» [verballhornt von: «bei Gott»] nicht zusehen dürfen. Einen Buben der ein paar Blicke zu erhaschen versuchte, habe sie mit Zetern und Geschrei zum Teufel gejagt.

Natürlich sei das Mareili für die Kinder eine Attraktion gewesen. Mutter habe aber immer Mitleid mit ihr gehabt. Nie habe man über das Mareili lachen dürfen in Anwesenheit ihrer Mutter.

Nach wenigen Tagen sei sie jeweils wieder fortgezogen - zum nächsten Hof.

Was aus dem Mareili geworden ist weiss Hedwig Hugener nicht. Aber die Erinnerungen an sie sind ihr geblieben. Bis heute.

Quellen

Freitag, 14. April 2006

Musikgesellschaft Glattfelden in der Weiacher Kirche

Mittlerweile ist es zur Tradition geworden, das Frühlingskonzert der 1904 gegründeten Musikgesellschaft Glattfelden. Einer der Auftritte findet seit 2002 jedes Jahr in der Kirche Weiach statt.

Das ist besonders erfreulich, nachdem es in unserer Gemeinde ja mittlerweile gar keine Musikvereine mehr gibt. Die Dorfmusik Weiach, der Kirchenchor, der Männerchor - alle mussten sie wegen Mitgliederschwund und Überalterung aufgeben.

Regelmässig grosses Echo

Einige Weiacher haben denn auch in den benachbarten Musikvereinen Zuflucht gefunden. Wobei die Musikgesellschaft Glattfelden (MGG) nicht die schlechteste Wahl sein dürfte. Denn offensichtlich kommen die Konzerte an. Allein mit guten Verbindungen der MGG-Medienverantwortlichen zur lokalen und regionalen Presse ist es nicht zu erklären, dass man regelmässig auch redaktionelle Zeitungsbeiträge zu MGG-Auftritten findet. Und nicht nur im amtlichen Glattfelder sondern auch in den Regionalzeitungen Neues Bülacher Tagblatt und Zürcher Unterländer.

Das Neue Bülacher Tagblatt (NBT) berichtet über die jüngsten Aufführungen (u.a. am 8. April in der Kirche Weiach; siehe die offizielle Terminliste 2006 der Gemeinde Weiach):

«Die Musikantinnen und Musikanten der Musikgesellschaft Glattfelden führten in den Kirchen von Stadel, Weiach und zum Abschluss in Glattelden je ein Frühlingskonzert auf. Unter der Stabführung von Klaus Siebold wurde ein bunter Strauss konzertanter Blasmusik geboten.»

Der MGG-Taktstock wird seit Jahren von einem Süddeutschen geführt: Siebold wohnt nämlich in der Doppelstadt Waldhut-Tiengen, einige Kilometer abwärts.

«Durch das Programm führte die Flötistin Barbara Schwander. Gespielt wurde unter anderem der Klassiker «Misty» von Erroll Garner, bei welchem Rolf Berger am Euphonium mit subtilem Einsatz den Solistenpart übernahm, «La Cittadella» mit dem wichtigen Part der Solotrompete, «Le Château des Amoureux» und «Die Hexe und die Heilige». Den Abschluss machten «Sinfonia per un Addio» und «Rondo Veneziano».»

Auf die Pauke hauen

Schliesslich erwähnt der Artikel noch den Einsatz einer Kesselpauke. Die Grundlage für das grosse Repertoire in konzertanter Blasmusik wurde schon vor geraumer Zeit gelegt, wie ein NBT-Artikel von Ende März 2002 verrät:

«Ein besonderer Genuss wird am 13. April in der Kirche Weiach und am 14. April in der Kirche Glattfelden das «Solistenkonzert» der Musikgesellschaft Glattfelden sein. Damit künftig auch noch anspruchsvollere Musikliteratur verarbeitet werden kann, hat die Versammlung der Anschaffung eines «Glockenspiels» zugestimmt. Weiter wird die Instrumentalisierung mit einer Kesselpauke, einem Xilophon usw. soweit finanziell tragbar, erweitert werden.» Mindestens die Pauke ist nun im Einsatz.

Solisten beleben das Konzert

Es gelingt den MGG-Verantwortlichen auch immer wieder, gute Solisten zu gewinnen:

«Glattfelden/Weichach (jcg) In Glattfelden und Weiach präsentierte die Musikgesellschaft Glattfelden anlässlich ihrer Frühlingskonzerte am Wochenende ein stilistisch vielseitiges Programm voller Höhepunkte. Es war eindeutig der Abend Adrian Hardmeiers. Das blutjunge, noch nicht einmal 25-jährige Ausnahmetalent, Mechaniker von Beruf, übernahm nicht nur bei drei der zehn Stücken, die Soloparts auf der Klarinette und dem Saxaphon. Er glänzte auch als Schlagzeuger des Korps und rhythmische Selle der Musikgesellschaft.»

"Weichach", "Saxaphon" und "Selle" statt "Seele". Worauf diese einzigartige Dichte an Verschreibern im Neuen Bülacher Tagblatt vom Mittwoch, 28. Mai 2003 wohl zurückzuführen ist... Hoffentlich auf Hardmeiers Leistung.

Osteuropa in Weiach zu Gast

"Leckerbissen osteuropäischer Musik", waren letztes Jahr auf dem Programm, wie der Zürcher Unterländer vom Dienstag, 24. Mai 2005 schrieb: «Die Musikgesellschaft Glattfelden hat am Sonntag in der reformierten Kirche in Weiach konzertiert. Für die 46 Musikerinnen und Musiker mit ihren Blasinstrumenten war es bereits das zweite Konzert an diesem Wochenende.»

Weitere Auftritte

Und wenn Sie das Weiacher Konzert verpasst haben und jetzt gluschtig geworden sein sollten; hier die nächsten Auftritte: «Am 14. Mai (Muttertag) sowie am 21. Mai am Zürcher Unterländer Musiktag in Wallisellen.»

Quellen

Donnerstag, 13. April 2006

Aprilwetter 1956

Eigentlich wäre es ja Zeit für den Frühling. Und doch hat es gestern abend fast geschneit, heute morgen ist der Kalter Wangen nordöstlich des badischen Stetten schneebedeckt. Derweil posaunen die Zeitungsaushänge das Wetterelend heraus (z.B. der Blick in grossen schwarzen Letter auf gelbem Grund). Überschwemmungen allenthalben. Immerhin die haben wir in Weiach zum Glück nicht.

Was die Wetterkapriolen anbelangt mag es uns ein Trost sein, dass es den Hiesigen vor 50 Jahren auch nicht viel besser erging:

«Nun folgt ein richtiger April; "alles" ist zu haben: einige noch nebligtrübe und regnerische Halbtage, sogar etlichemale Schneegestöber dazu, auch einige gewittrige und mehrere sonnige Nachmittage. Oft stieg die Temperatur ganz ordentlich über 0° hinauf: +5°, +10°, +16°, +20° (am 10.4.). Der 10., 11., 12. des Monats, sowie das Monatsende am 27. und 28.4. brachten einige schöne Frühlingstage, an denen es einen zu den längst fällig gewordenen Gartenarbeiten trieb. Der letzte April aber leitete über zu einem ganz miserablen "Wonnemonatsbeginn".»

Hoffentlich wird wenigstens der Mai besser als vor einem halben Centennium.

Bereits erschienene Wetterartikel im WeiachBlog

Quelle

  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1956 – S. 3 (Original in der Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Signatur: G-Ch Weiach 1956).

Mittwoch, 12. April 2006

Swiss Family Name Handbook

Gestern war die Rede von der Ellis Island-Datenbank. Heute geht es nun um ein rein schweizerisches Produkt, das auf WeiachBlog bereits am 30. Januar erwähnte «Familiennamenbuch der Schweiz».

Die über Swissroots.org abrufbare Version enthält 61867 Einträge und wird wie folgt beschrieben:

This data base contains the family names listed in the Swiss "Family Name Handbook" and the communes where these names originally came from. Family names which have died out are not listed. In addition, the date at which the family obtained citizenship of the particular commune is also shown: a = before 1800; b = 1801-1900; c = after 1901. Family coats of arms, where they exist, are also shown here. Kindly provided by the Historical Dictionary of Switzerland.

Mit letzterem ist das Historische Lexikon der Schweiz gemeint. Bei diesem Swiss Family Name Handbook handelt es sich offenbar um eine erweiterte Version des Familiennamenbuchs. Sie enthält zusätzlich zu den in der 3. Auflage aufgeführten Altverbürgerten auch drei Geschlechter, die erst im 19. Jahrhundert eingebürgert wurden:

Swiss Family Name Handbook 1 - 24 of 24 records

1. Baltisser, Weiach (ZH), a.
2. Baumgartner, Weiach (ZH), a.
3. Bersinger, Weiach (ZH), a.
4. Bombeli, Weiach (ZH), a.
5. Demuth, Weiach (ZH), a.
6. Denzler, Weiach (ZH), a.
7. Duttweiler, Weiach (ZH), a.
8. Frei, Weiach (ZH), a.
9. Griesser, Weiach (ZH), a.
10. Hauser, Weiach (ZH), a.
11. Meier, Weiach (ZH), a.
12. Meierhofer, Weiach (ZH), a.
13. Näf, Weiach (ZH), a.
14. Näpfer, Weiach (ZH), a.
15. Nauer, Weiach (ZH), a.
16. Nepfer, Weiach (ZH), a.
17. Rüdlinger, Weiach (ZH), a.
18. Schenkel, Weiach (ZH), a.
19. Scherer, Weiach (ZH), b.
20. Schneider, Weiach (ZH), a.
21. Stadtmüller, Weiach (ZH), b.
22. Trüllinger, Weiach (ZH), a.
23. Walch, Weiach (ZH), b.
24. Willi, Weiach (ZH), a.


Zu den jüngeren Weiacher Bürgern gehören also die Scherer, Stadtmüller und Walch.

Quellen
  • Familiennamenbuch der Schweiz, 3. verbesserte und korrigierte Auflage, Zürich 1989
  • Swiss Family Name Handbook, Online verfügbar über Swissroots.org, 2006

Dienstag, 11. April 2006

Auf Ellis Island ins Register eingetragen

Am vergangenen Sonntag war die neue Website Swissroots.org Thema des WeiachBlog (siehe hier).

Ein mir bisher unbekannter Datensatz auf dieser site sind 13 auf Weiach bezogene Einträge aus der Ellis Island-Datenbank. Ellis Island war von 1892 bis 1924 die Haupteintrittspforte für fast alle europäischen Immigranten.

Auf der offiziellen Website Ellis Island Passenger Arrivals des American Family Immigration History Center gibt es lediglich die Möglichkeit, nach Namen zu suchen; nicht jedoch nach Herkunftsgemeinde.

Schweizer heraussortiert

Wie der Einleitungstext auf Swissroots erklärt, wurden nun aus der Ellis Island-Datenbank die Angaben der Schweizer Einwanderer extrahiert:

This data base contains the names of all Swiss immigants who arrived in the US via the Port of New York and the Ellis Island Immigration Station between 1892 and 1924. The list contains the names of roughly 110,000 immigrants. Interpreting the data is difficult, as both the family names and the places of origin in Switzerland are often misspelled. When the data base was prepared for the swiss roots project, every possible attempt was made to reconstruct the correct forms for family and place names. The search facility will show both the original Ellis Island entry and the reconstructed version.

Der Name der Heimatgemeinde scheint also oft verschrieben worden sein, trotz den Dokumenten welche die Auswanderer zwingend mit sich führen mussten. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Sie liegen entweder in der Unachtsamkeit der Einwanderungsbeamten oder entstanden erst in jüngster Zeit durch Flüchtigkeits- und Lesefehler der Text-Erfasser der Datenbank.

Weiacher Datensatz

Die neue Suchmöglichkeit nach Heimatgemeinde auf swissroots.org ist daher ein besonders wertvolles Feature, das wir wohl hauptsächlich dem Review sponsored by swissinfo/SRI, dem früheren Schweizer Radio International und heutigen staatlichen Nachrichtenportal zu verdanken haben.

Ellis Island (revised by swissinfo/SRI)
1 - 13 of 13 records

1. Denzler Emma (33), Weiach, 1920
Original version: Emma Duezler, Warrea, Switherl., (33), 1920

2. Denzler Jean (35), Weiach, 1920
Original version: Jean Deuzler, Warrea, Switherl., (35), 1920

3. Denzler Rosa (25), Weiach, 1913
Original version: Rosa Densler, Wiesaw, Switzerland, (25), 1913

4. Duttweiler Albert (51), Weiach, 1921
Original version: Albert Duttweiler, Duttweiler of Weiach, Switzerl., (51), 1921

5. Lutz Berta (28), Weiach, 1924
Original version: Berta Lutz, Weiach, (28), 1924

6. Lutz Cäsar (29), Weiach, 1924
Original version: Casar Lutz, Weiach, (29), 1924

7. Meierhofer Albert (32), Weiach, 1902
Original version: Albert Meierhofer, Weiach, (32), 1902

8. Meierhofer Albert (33), Weiach, 1902
Original version: Albert Meierhofer, Werach, (33), 1902

9. Meierhofer Albert (40), Weiach, 1910
Original version: Albert Meierhofer, Weiach, (40), 1910

10. Schmid Jacob (26), Weiach, 1900
Original version: Jacob Schmid, Werach, (26), 1900

11. Willi Karl (19), Weiach, 1904
Original version: Karl Willi, Altach, (19), 1904

12. Willi Lorenz (18), Weiach, 1904
Original version: Lorenz Willi, Altach, (18), 1904

13. Willi Sophie (23), Neuenkirch/Weiach, 1913
Original version: Sophie Wilie, Neubak, Switzerland, (23), 1913


Warrea, Wiesaw, Werrach, Altach, etc. Es braucht schon etwas Phantasie, darin den Ortsnamen Weiach zu sehen. Ohne den Vergleich mit dem Original und gewisse linguistische Überlegungen wären es wohl noch weniger Einträge geworden.

Ein Millionstel...

Es gab also nur jeweils ein bis zwei Einwanderer aus Weiach pro Jahr. In den meisten Jahren gar keine. 1900 eine Person, 1902 zwei, 1904 dito, 1910 wieder eine Einzelperson, 1913 und 1920 wieder je zwei Personen, 1921 noch eine und 1924 letztmals zwei Personen. Spätere Auswanderer sind in der Datenbank nicht enthalten.

Diese 13 der Gemeinde Weiach zugeschriebenen Personen (von den Namen her nicht unplausibel, vgl. den Artikel von morgen) sind nur ein Millionstel aller Immigranten die auf Ellis Island zum ersten Mal amerikanischen Boden betraten. 12 Millionen Menschen kamen dort zwischen 1892 und 1954 an. Deshalb kann heute fast jeder zweite Amerikaner (40%) die Wurzeln seiner Vorfahren dorthin zurückverfolgen.

Die Schwelle zum Gelobten Land durften jedoch nur Gesunde überqueren. Kranke wurden aussortiert und abgeschoben. Mit Ausnahme des zum Zeitpunkt der Einreise bereits 51-jährigen Albert Duttweiler sind denn auch alle übrigen in den besten Jahren zwischen 18 und 40 Jahren.

Montag, 10. April 2006

Verfassung in der Kirche beschworen

Sonntag, 10. April 1831: Heute vor genau 175 Jahren wurde in der Kirche zu Weyach der Eid auf die neue Kantonsverfassung abgelegt. Und nicht nur in Weyach. Das war im ganzen Kanton Zürich so.

Dazu schrieb der Ortshistoriker Walter Zollinger in seinem 1972 erschienenen Büchlein «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» (nach dem Rückentitel meist als die «Chronik» bezeichnet):

«Nach dem berühmten Ustertag vom 22. November 1830 kam endlich die Erneuerung, die Zeit der Regeneration genannt, im ganzen Zürcher Land zum eigentlichen Durchbruch. Und bereits unterm 20. März 1831 war die neue, in ihren Grundgedanken noch heute gültige Staatsverfassung geboren. Sie wurde am 10. April von den Weiacher Bürgern in einer eigens in der Kirche durchgeführten Versammlung feierlich beschworen. Sie brachte gewaltigen Auftrieb in bezug auf das Schulwesen, den Loskauf von Zehnten und Grundzinsen, Gründung gemeinnütziger Gesellschaften und Vereine (die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirkes Dielsdorf zum Beispiel im Jahre 1836). Diesen Zeitpunkt darf man füglich als den eigentlichen Beginn unseres heutigen politischen Gemeindewesens betrachten.

Gemeindepräsident wurde in diesem Jahre 1831 der Zunftrichter und Sekelmeister Hans Ulrich Schenkel, und seine Kollegen in diesem ersten Gemeinderat nach Inkrafttreten der fortschrittlichen 31er Verfassung hiessen:
Rudolf Bersinger, Schmied
Hs. Hch. Willi, Tierarzt Sohn
Rudolf Meyerhofer, Schuhmacher
Heinrich Meyerhofer, Zimmermann

Diese hatten nun dafür zu sorgen, dass die zahlreichen, aufgrund der 31er Verfassung von den kantonalen Behörden erlassenen Gesetze und Verordnungen auch in unserer Landgemeinde schnellstens eingeführt und durchgeführt würden.

Leider gab es auch diesmal wieder, und vor allem in ländlichen Gebieten, verbohrte Anhänger des Früheren und damit Gegner des Neuen, sogenannte Konservative. Unter Vorgabe, die Religion sei in Gefahr, unternahmen diese den Versuch, den angehenden Fortschritt mit allen erdenklichen Mitteln zu hemmen. Davon legt der in der Nachbargemeinde ausgebrochene Stadler Handel im Frühjahr 1834, bei dem angeblich auch der Weiacher Gemeinderat Rudolf Bersinger mitwirkte, ein beredtes Zeugnis ab, ebenso der berüchtigte Züriputsch vom 6. September 1839. Aber die Drahtzieher dieser Ereignisse, die wohl stark darauf ausgingen, ihre einstigen Vorrechte und ehrwürdigen Titel zurückzuerobern, konnten sich auf die Dauer nicht durchsetzen.
» [Originaltext ohne Fussnoten]

Totale Erneuerung des Kantons

Die Staatskanzlei des Kantons Zürich veröffentlichte am 5. April eine Medienmitteilung zu diesem denkwürdigen Ereignis, das die Grundlage für die stürmische Entwicklung Zürichs zum Wirtschaftsmotor der Schweiz erst ermöglicht hat:

«Vor 175 Jahren, im März und April 1831, gab sich das Zürcher Volk eine neue Staatsverfassung. Diese veränderte Zürich fundamental. Zuvor bestimmte die Stadtzürcher Aristokratie «väterlich» und «fürsorglich» das Geschehen im Kanton. Die gebildete und unruhige Jugend von 1830 bezeichnete dieses patriarchalische Regime als «Willkürherrschaft». Neu und vermehrt sollten rechtliche und politische Gleichberechtigung, Verfassung und Gesetz als bindende Normen gelten.

Der Umsturz und völlige Bruch mit der Vergangenheit kündigte sich 1830 an. In Paris war Revolution. In Zürich geisselte die gebildete Jugend die «unwissenschaftliche und altmodische» Staatsführung ihrer Väter. Das Volk demonstrierte zu tausenden in Uster und begehrte Souveränität und gleiche Rechte für alle. Die Stadt Winterthur setzte sich an die Spitze der Bewegung und kündigte der Stadt Zürich die Gefolgschaft. Die Forderungen des Volkes wurden dem Bürgermeister (Regierungspräsidenten) persönlich in einer Denkschrift überreicht. Ende 1830 kapitulierte die Regierung. Das Parlament löste sich auf. Ein neuer Kantonsrat wurde gewählt nach demokratischeren Regeln als zuvor.

In wenigen Wochen entstand eine neue, totalrevidierte Kantonsverfassung, datiert vom 10. März 1831. Diese wurde vom Volk am 20. März 1831 - in der ersten kantonalen Volksabstimmung überhaupt - mit 40'503 Ja gegen 1721 Nein angenommen.

Am 10. April 1831 legten sämtliche Kantonsbürger in ihren Kirchen den Eid auf die neue Verfassung ab. Sie schwuren vor Gott dem Allwissenden: «Wir Bürger des Kantons Zürich schwören Treue der Schweizerischen Eidgenossenschaft und unserm Kanton; wir schwören, die Unabhängigkeit, Rechte und Freiheiten unsers teuren Vaterlandes zu schützen und zu schirmen, mit Gut und Blut, wo es die Not erfordert.»

Die Verfassung von 1831 bildete die institutionelle Grundlage für den Eintritt des Kantons Zürich in die Moderne. Vieles, was heute selbstverständlich ist, stammt aus jener Zeit vor 175 Jahren. Eine Zäsur stellte die Verfassung von 1831 für die politische Kultur dar: Herrschte zuvor Apathie und Desinteresse für kantonalen Angelegenheiten, so setzte die neue Zeit «alle Fibern in Bewegung» und weckte im Volk «Selbstgefühl und eigenen Willen», konstatierte ein Zeitgenosse. Seit 1830/31 gehören Parteien, Versammlungen, Kundgebungen, Volksfeste und Öffentlichkeit zum politischen Leben im Kanton Zürich.

Im übrigen Europa hatten die Volksbewegungen von 1830/31 wenig Erfolg - im Gegensatz zu Zürich und einigen anderen schweizerischen Kantonen. Der gegenwärtige Jahrgang der Zürcher Gesetzessammlung jedenfalls trägt nicht ohne Grund den Titel: «61. Band der offiziellen Sammlung der seit 10. März 1831 erlassenen Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen des Eidgenössischen Standes Zürich»!
»

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Nur noch dies:

Der Thurgau ist nicht die Schweiz

Die Thurgauer mögen ja glauben, ihre am 25. April 1831 vom Volk angenommene liberale Verfassung sei die erste in der Schweiz gewesen (vgl. diesen Blog-Artikel). Da sind sie aber auf dem Holzweg. Wenn die Zürcher Verfassung auch nur um wenige Wochen älter ist, so ist sie halt doch älter. Sorry, liebe Mostinder!

Quellen

Sonntag, 9. April 2006

Swissroots.org über Weiacher Wurzeln

Swissroots ist ein neues Angebot im Web. Es richtet sich hauptsächlich an schweizstämmige US-Amerikaner, eine Zielgruppe von ca. 1 Million Menschen.

Ennet dem grossen Teich ist das Hobby, seinen eigenen Ursprüngen nachzuspüren, weit verbreitet. Die back-to-the-roots-Bewegung der privaten Familienforscher hat sich bereits in vielen (auch kommerziellen) Webdiensten niedergeschlagen, welche genealogische Informationen und Ressourcen in den verschiedensten Qualitäten und Quantitäten anbieten. Nur eine kleine Auswahl: Ancestry.com - Genealogy.com - Geneanet, Genealogical Database Network - Genealogy.org -RootsWeb.com Olivetreegenealogy.com - Familysearch.org

Über diese Schiene versucht die offizielle Schweiz nun, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA zu stärken. Folgerichtig wurde diese Website auch vom Schweizer Steuerzahler finanziert, was man an den vielen verschiedenen rot-weissen Logos auf der Startseite unschwer erkennen kann.

Die Zusammenarbeit läuft offensichtlich gut. Nicht nur das EDA macht auf der Website des Generalkonsulat in New York Werbung für Swissroots. Auch die US-Botschaft in Bern rührt die Werbetrommel.

Ein Bündel ausgewählter Datenbanken und Texte...

Der Wyach Lake (vgl. WeiachBlog von gestern) mag keine Beziehungen zu Weiach haben.

Etliche US-Bürger aber haben diese nachgewiesenermassen, denn ihre Vorfahren wanderten zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert aus der Schweiz nach Nordamerika aus.

Zwischen 1734 und 1744 zogen sie beispielsweise nach Carolina und Pennsylvanien, zwei späteren US-Bundesstaaten. Dies wurde von den Gnädigen Herren der Zeit des Ancien Régime gar nicht gern gesehen. Denn nach der damals geltenden Wirtschaftsdoktrin des Merkantilismus wollte man das Abfliessen von Arbeitkraft und Vermögenswerten nach Möglichkeit verhindern.

Deshalb wurden auch die Pfarrer im Kampf gegen die sogenannten Rabies Carolinae, die Auswanderungswut in die amerikanischen Kolonien der englischen Krone, entgegenzuwirken. Die Obrigkeiten liessen auch Listen mit den Namen der Auswanderer erstellen. Diese liegen heute in den Staatsarchiven der Kantone und sind eine der wichtigsten Quellen für die Familienforschung.

Auf Swissroots wird nun ein ganzes Bündel von Genealogical research tools bereitgestellt:

  • List Swiss Emigrants in the 18th Century
  • Swiss Geographical Dictionary
  • Swiss Family Names
  • Swiss Population 1835-7 / 1900-10
  • Swiss Family Websites
  • Billeter Collection
  • Your Ancestors' Documents

List of Swiss Emigrants in the Eighteenth Century to the American Colonies

Published by the National Genealogical Society in 1920. Contains extracts from the archives of Zurich (1734 - 1744), Bern (1706 - 1795), and Basel (1734 - 1794) with a total of about 2,300 names. The pdf search is not entirely reliable in this document. You are advised to search it directly. (Sehr grosses Dokument: 36 MB, eine sehr wertvolle Publikation, die ich bis jetzt nicht gekannt habe)

Swiss Geographical Dictionary (Schweizerisches Geographisches Lexikon)

A Swiss publication from 1910 in 6 volumes (c 5500 pages). Contains detailed descriptions of towns, villages and regions, and other factual information. An important work for genealogical research. Only in German. (6 Bände und 1 Supplement, erschienen zwischen 1902 und 1910 in Neuenburg in einer deutschen und einer französischen Ausgabe. Das Geographische Lexikon der Schweiz (GLS) ist ein unverzichtbares Standardwerk. Hier - meines Wissens zum ersten Mal überhaupt - als pdf-Vollversion im Netz verfügbar. Leider keine Volltext-Suche möglich, nach Gemeinden über die zentrale Suchfunktion auf der Startseite.)

Swiss Family Names

American Spelling: Many Swiss family names were changed or anglicized when they came to America. This data base contains a number of examples. (Excel und Acrobat-Files die eine kleine Hilfestellung sind. Noch besser wäre eine Datenbank mit Soundex-Code. Soundex wurde in den USA für die Indizierung der Familiennamen der Volkszählung entwickelt.)

Swiss Population 1835 - 1837 / 1900 - 1910

These two censuses provide the Swiss population figures and give a picture of the population trends. (Eine summarische Übersicht der Bevölkerungszahlen nach Kantonen auf Bezirksstufe aggregiert. Leider keine Gemeindedaten vorhanden)

Swiss Family Websites

This collection of links leads to websites of families of Swiss origin. They are of varying quality, but in general are of great interest to genealogists.

Billeter Collection

The extraordinary Billeter Collection, plus a portrait of Julius Billeter. During the course of a number of lengthy visits to Switzerland, Julius Billeter researched some 3000 familes in his own particular style. (Die von dem Schweiz-Amerikaner Billeter (1870-1957) in mehreren Besuchen in der alten Heimat zusammengetragenen genealogischen Informationen sind eine sehr wertvolle Quelle, wenn auch eine nicht gerade einfach zu verstehende)

Your ancestors documents

How to read your ancestors documents. (Etwas magere Grundlage als Lesehilfe zu den Schreib- und Druckschriften des 19. Jahrhunderts. Ausbauwürdig)

... aber auch eine Webcommunity in the making

In erster Linie aber soll die neue Website zu einer Plattform für Begegnungen werden. Das zeigt sich am Navigationsbalken (natürlich in rot-weiss gehalten):

swiss connections mit den Unterkategorien:
Interact+ Friends+ Stories+ Events+ Famous Swiss in the U.S.

swiss heritage mit den Unterkategorien:
Your Genealogy+ Your Heritage+ Swiss Celebrities+ Switzerland+ Swiss Travel

swiss made mit den Unterkategorien:
Swiss Clubs & Associations+ Swiss Products & Brands+ Special Promotions+ About Swiss Roots+ Sponsors

Getreu dem Grundsatz des Web 2.0 gibt Swissroots allen Interessierten die Möglichkeit eine Community aufzubauen, um gegenseitig Informationen über Schweizer Wurzeln auszutauschen und zu sammeln.

Weiach auf Swissroots.org

Wenn man die Suchfunktion nutzt und im Fenster Hometown "Weiach" eingibt erhält man die Rückmeldung Found 38 records for Weiach.

Swiss cities and villages, 1 records found
Ellis Island (revised by swissinfo/SRI), 13 records found
Swiss Family Name Handbook, 24 records found

Schauen wir den ersten Eintrag genauer an und beschliessen dann diesen Beitrag:

Swiss cities and villages 1 - 1 of 1 record
1. Weiach (ZH)

Weiach
- Website:
http://weiach-zh.ch.ch
- Statistical data:
Learn about its population, the area, the language spoken...
- Phone book:
Look for persons living in Weiach
- Encyclopedia: Swiss Geographical Dictionary, published 1902-1910 in German
(Vol/Page):
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Wermutstropfen bei dieser Darstellung: die Datenakquisiteure haben sich offensichtlich der Angaben aus dem mehr oder weniger gescheiterten Guichet virtuel-Portal www.ch.ch bedient. Entsprechend grauenvoll ist denn auch das völlig verzerrte Wappen mit unschönem Grau im Hintergrund. Ebenso störend: die völlig veraltete Website-Information. Die Gemeinde hat bereits seit September 2005 eine Offizielle Website.

Dafür hat man direkte Links auf die Gemeindedaten des Bundesamts für Statistik, auf die englische Ausgabe des von der Swisscom-Tochter directories geführten Telefonverzeichnisses. Vor allem aber auf die entsprechende Seite im Geographischen Lexikon der Schweiz! Letzteres ist wirklich ein Novum. Und verdient Lob - oder wie die Amis sagen würden: "Kudos"!

Die Einträge aus den beiden anderen Datenbanken werden in den Beiträgen vom 11. und 12. April kommentiert.