Dienstag, 29. Juli 2014

Juliwetter 1964: Bauern jammern über Tröchni

Wenn man sich im diesjährigen Juli über eines nicht beschweren konnte, dann über mangelnde Feuchtigkeit. Es regnete und regnete in allen Varianten - von sintflut- und überfallartig wie aus Kübeln gegossen bis zum tagelangen Landregen.

Vor 50 Jahren war eher das Gegenteil der Fall. Die Weiacher Bauern hätten es gerne weniger trocken gehabt, wie Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1964 schreibt:

«Juli: Dieser Monat bringt in seiner ersten Woche einen schönen Tag nach dem andern; schon vom Morgen an sonnig und warm, dazu allerdings hie und da noch der Oberwind. Die Bauern, wie man sich's ja bei ihnen gewohnt, jammern bereits, diese "Tröchni" sei für Graswuchs und Getreide gar nicht günstig. So ist alles froh, als endlich der 9. wie der 10.7. den langersehnten Niederschlag bringen. Aber vom 11. an setzt wieder dasselbe schwüle u. trockene Wetter ein und hält sich die ganze folgende Woche durch. Die Bauern beginnen, notgedrungen, mit Getreide mähen, da es sonst vom Boden her abdorrt. Auch ein jetzt noch einsetzender Regen könnte nicht mehr viel verbessern. Die Emdwiesen beginnen rot zu werden, das Futter schwindet immer mehr weg. Auch das "einewäg" rar hängende Obst kommt vorzeitig und unreif zum Fallen. Schade! Mit Neid blickt man oftmals zum "Stein" hinauf, wenn ostwärts desselben schwarzgraue Wolken sich auftürmen und fernes Donnergrollen verrät, dass das ersehnte Nass nicht bei uns, sondern in der Bülacher Gegend niederprasselt. Am 19., 22. und 27. Juli gibt's endlich wieder etwas Regen, am 28. frühnachmittags sogar ein Gewitter mit ergiebigem, langandernden [sic!] Schauern. Im übrigen aber war also der ganze Juli trocken und schwül, wie auch die nachfolgenden Temperaturen zeigen:

Höchsttemperaturen morgens 22°, mittags 31°, abends 25°;
Tiefsttemperaturen morgens 12°, mittags 17°, abends 13°. »

Interessant ist der Zollingersche Seitenhieb gegen die Bauern: man sei es sich ja gewohnt, dass die ständig jammern würden. Wenn die eigene Lebenswelt halt nicht so stark vom Wetter abhängt, dann kann diese bäuerliche Wetterfixiertheit schon irritieren. Aber Zollinger verdiente seinen Lebensunterhalt ja auch als Lehrer. Nicht als Landwirt.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1964 – S. 5-6. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1964].
[Veröffentlicht am 19. August 2014]

Dienstag, 15. Juli 2014

Bei Löschversuch in die Flammen gefallen

Der in der Schweiz äusserst populäre, früh verstorbene Chansonnier Mani Matter hat uns alle gewarnt. Da sang er in seinem Lied «I han es Zündhölzli aazündt» doch vor Jahrzehnten schon: «Ja me weis was cha passiere We me nid ufpasst mit Füür». Vor 50 Jahren brannte zwar nicht die ganze Welt, aber doch zumindest die private Lebenswelt eines älteren Weiachers:

«Ein weiterer, allerdings nicht verkehrsbedingter Unfall ereignete sich am 15. Juli in der Waldung "im Erb" hinten. Alb. Meierhofer, genannt "Weibelalbert" verbrannte sich beim Bürden machen ziemlich schwer. Das Feuer, das er zum verbrennen der "Kurzwaren" angezündet hatte, dehnte sich plötzlich im trockenen Gelände weiter aus. Beim Löschversuch fiel der 68jährige, etwas unbeholfene Junggeselle direkt in die Flammen und konnte nur durch einen zufällig in der Nähe ebenfalls holzenden Dorfbewohner gerettet werden

Über das weitere Schicksal von «Weibelalbert» schweigt die Jahreschronik 1964 gänzlich.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1964 – S. 20. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1964]
[Veröffentlicht am 19. August 2014]

Freitag, 4. Juli 2014

Direktvermarktung – ein Backofen als magischer Zauberstab

Nach offizieller Lesart versteht sich Weiach ja immer noch als Bauerndorf. Auch wenn nur noch ganz wenige Einwohner von der Landwirtschaft leben und man die Vollerwerbsbetriebe mittlerweile an zwei Händen abzählen kann. Und doch sind sie identitätsstiftend. Hier soll nun ein kleiner Blick hinter die Kulissen und in die Parallelwelt der Landwirtschaft gewagt werden.

Bei vielen stadtnahen Bauernbetrieben ist heutzutage die so genannte «Direktvermarktung» ein wichtiger Absatzkanal. Einkaufen direkt beim Produzenten ist in. Denn da sehen die Kunden, wo ihr Essen herkommt. Ob Bio oder nicht – kurze Wege für das Produkt sind in jedem Fall ein Gewinn.

Weniger bekannt ist, dass auch dieser Lebensbereich bis in alle Einzelheiten reglementiert wird. So zum Beispiel in den vom Bundesamt für Landwirtschaft zu Bern im März 2014 publizierten «Weisungen und Erläuterungen 2014 zur Verordnung über landwirtschaftliche Begriffe und die Anerkennung von Betriebsformen (Landwirtschaftliche Begriffsverordnung, LBV; SR 910.91) vom 7. Dezember 1998»

Auf den Seiten 3 und 4 wird der Artikel 5 besagter Verordnung erst zitiert und dann erläutert:

«Art. 5 Direktvermarkter

Als Direktvermarkter gelten Produzenten und Produzentinnen, die eigene Produkte ab ihren Betrieben direkt Verbrauchern und Verbraucherinnen verkaufen.
»

So einfach ist es nicht

Ein klarer Fall, würde man meinen. Aber nur bis man die dazugehörigen Erläuterungen vollständig gelesen hat. Die sind zu Beginn noch durchaus nachvollziehbar:

«Alle Produzentinnen und Produzenten, die eigene Produkte ab ihren Betrieben direkt verkaufen, gelten als Direktvermarkter. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie die ganze Produktion des Betriebes, eines Betriebszweiges oder nur Teile davon über diesen Kanal vermarkten. Als Direktvermarkter gilt auch der Milchproduzent, der einen relativ kleinen Teil seiner Milch direkt an Konsumenten ausmisst, den Grossteil seiner Produktion jedoch einem Milchverwerter verkauft.»

Mehr Fragen wirft dann aber der zweite Abschnitt auf:

«Unter eigenen Produkten sind die auf dem Betrieb hergestellten und allenfalls verarbeiteten Landwirtschaftsprodukte (1. Verarbeitungsstufe) zu verstehen. Nicht unter eigene Produkte fallen hingegen veredelte Produkte (2. Verarbeitungsstufe). Verkauft beispielsweise ein Produzent auf dem Betrieb hergestellte Butter direkt, so gilt er als Direktvermarkter und muss die selbst verarbeitete und in Form von Butter direkt vermarktete Milch melden. Verwendet hingegen eine Produzentin auf dem Betrieb hergestellte Butter zum Backen und verkauft beispielsweise den hergestellten Zopf anschliessend auf dem Wochenmarkt, so gilt sie demnach nicht als Direktvermarkterin im Sinne der LBV und die im Zopf enthaltene Butter fällt folglich auch nicht unter die Definition der vermarkteten Milch

Der Backofen macht den Unterschied

Man ahnt, dass die Unterscheidung etwas mit Milchvermarktung und Butterbergen zu tun haben könnte. Fast noch verworrener wird die Angelegenheit im dritten Abschnitt der Erläuterungen:

«Verbraucher der direkt vermarkteten Produkte sind insbesondere die Konsumenten. Der Begriff ist jedoch nicht so eng gefasst, dass nur die Endverbraucher eines Produktes darunter fallen; auch Abnehmer, die es weiterverarbeiten, werden als Verbraucher bezeichnet. Verkauft beispielsweise ein Produzent auf seinem Betrieb hergestellte Butter an eine Bäckerei, so gilt dies ebenfalls als Direktvermarktung.»

Der Backofen der Bauersfrau als magischer Zauberstab. Ein bisschen Kneten, ein bisschen Hitze und schon verflüchtigt sich die Direktvermarktung. Da soll einer unsere Agrarbürokraten verstehen.

Aber vielleicht ist es ja nur so, dass solche Backaktivitäten eben nicht mehr als landwirtschaftliche Tätigkeiten gelten sollen. Sondern höchstens noch als Paralandwirtschaft – wie das Angebot «Schlafen im Stroh».