Donnerstag, 2. Februar 2023

Wo befand sich die erste Weiacher Poststelle?

Der vor einigen Monaten verstorbene Hans Rutschmann (1928-2022) war an der Alten Poststrasse 4 wohnhaft. Im Brotberuf hat er während Jahrzehnten in Bülach als Briefträger die Post ausgetragen. Seine Ehefrau Hanni Griesser (*1928) stammt aus der Familie der «Beckgriessers», die mit älterem und nicht mehr so bekannten Zunamen auch «Postgriessers» genannt wurden (vgl. Schmid 2008, S. 52-53). Dieser Zuname stammt noch aus der Zeit vor der ersten Postablage (ab 1842) und der Postkutsche (1852-1876), ist also schon fast zwei Jahrhunderte alt.

Die «Postgriessers» waren mithin von der Gemeinde beauftragte Zürichboten, fuhren bzw. gingen also regelmässig in die Hauptstadt (vgl. WeiachBlog Nr. 1011). Sie bilden damit so etwas wie eine zeitliche Klammer um die Periode 1842 bis 2009 herum, als es in Weiach amtlich bestellte Posthalter gab, die über eine örtlich fixierte Poststelle wachten.

Rund um den ehemaligen Wohnsitz Rutschmanns finden sich auch die drei ältesten Standorte der Post im Dorf. Jawoll, rundherum, denn die Postablage der Zürcher Kantonalpost (bevor mit der Etablierung der Institutionen des Bundesstaats ab 1849 die eidgenössische Postverwaltung das Regiment übernahm) war noch an der Oberdorfstrasse domiziliert. Aber wo genau? Dazu sagt Walter Zollinger in seiner ortsgeschichtlichen Monografie (1. Aufl. 1972, S. 66) nichts.

Viele Hinweise, die sich zu einem Bild verdichten

Aus den Materialien und Entwürfen zu den Weiacher Geschichte(n) hat der WeiachBlog-Autor die folgende Notiz ausgegraben: «Die erste Postablage soll sich in dem Maurer Griesser gehörenden vis-à-vis des Waschhauses gelegenen Hause, das von der Familie Selimi bewohnt wird, befunden haben.» Dummerweise habe ich damals auf jede Angabe verzichtet, von wem diese Information stammt und zu welchem Zeitpunkt sie notiert wurde (es muss irgendwann zwischen 2003 und 2006 gewesen sein). Schlecht.

Aber wenigstens deuten sämtliche mir damals noch nicht bekannten Quellen in dieselbe Richtung. Sie werden in diesem Beitrag vorgestellt.

Die älteste Quelle ist der im August 1844 fertiggestellte Plan der projektierten Kunststrasse, die in der Verlängerung der Kaiserstuhlerstrasse (ab 1876 zwischenzeitlich Bahnhofstrasse genannt) auf dem Reissbrett in Richtung Raat gezogen wurde (StAZH PLAN S 385), die heutige Stadlerstrasse (auf dem Plan in dunkelrosa dargestellt):

Die hellgrün überlagerten Flächen bezeichnen die fünf Standorte der Weiacher Poststelle bis heute. Damals existierte nur eines der Gebäude in seiner heutigen Grundrissform: die Liegenschaft Oberdorfstr. 17, die wie die Gebäude Bergstr. 8 und Stadlerstr. 2 (Gasthof Sternen) durch eine Art Sanduhrzeichen als Gebäude mit einer öffentlichen Funktion bezeichnet wurden. 

Diese älteste Poststelle stand also nicht direkt an der Landstrasse von Kaiserstuhl nach Zürich (rot gestrichelt eingezeichnet), die bis zur Eröffnung der heutigen Stadlerstrasse durchs Bühl, das untere Oberdorf und anschliessend über die Bergstrasse verlief.

Poststellenchronik im PTT-Archiv

Die zweite Quelle, eine undatierte Handskizze, befindet sich in der Poststellenchronik der Kreispostdirektion (KPD). Sie zeigt die beiden Standorte bis 31. Mai 1852 und nach der Eröffnung der Postkutschenverbindung von Kaiserstuhl nach Zürich (ab 1. Juni 1852):


Die beiden ersten Standorte sind rot eingefärbt: die Oberdorfstr. 17 mit der Ziffer «5», die heute als «Alte Post» bezeichnete Liegenschaft Alte Post-Str. 2 an der Stadlerstrasse mit Ziffer «1». Die Oberdorfstrasse und die Bühlstrasse sind hier entgegen den tatsächlichen Verhältnissen (vgl. die vermessungstechnisch korrekte Zeichnung oben) fälschlicherweise als gerade Linie dargestellt. 

Das Plänchen ist sicher vor 1954 erstellt worden (Eröffnung der Post im Haus Kipfer). Berücksichtigt man darüber hinaus den abgebildeten Gebäudestand, so verweist dieser auf die Zeit vor dem 21. Januar 1930. 

Wie kommt man auf «vor 1930»?

Der Terminus ante quem 1930 ergibt sich aus den folgenden Feststellungen: 

1. Das «Alte Gemeindehaus» an der (hier nicht eingezeichneten) Friedhofsmauer hat damals noch als Gemeindehaus gedient und das heutige, 1947 erbaute, ist auf dem Plan noch nicht zu finden.

2. Auf der Westseite des untersten Abschnitts der Stadlerstrasse findet sich nur ein Gebäude, nicht zwei, was zeigt, dass hier das 1935 erbaute heutige VOLG-Gebäude (Stadlerstr. 4) noch fehlt. Nur die Liegenschaft Wolf (mit dem Produktionslokal der Käsereigenossenschaft; Stadlerstr. 6) ist zu erkennen.

3. Ostseitig vom Alten Schulhaus (Ziffer «2») ist die Verbindung der Oberdorfstrasse mit der Stadlerstrasse zu sehen, die zwischen dem Baumgartner-Jucker-Haus (untere Amtsrichters) und dem der oberen Amtsrichters durchführt. Links von diesem Gebäude (Oberdorfstr. 2) ist ein dreigeteiltes Gebäude zu erkennen, das an obgenanntem Datum im Januar 1930 einem Grossbrand zum Opfer fiel und an dessen Stelle bis 2004 eine grosse Scheune gestanden hat. Heute ist an dieser Stelle das Mehrfamilienhaus Oberdorfstr. 6+8.

4. Das Haus des sogenannten Pariserschneiders, das an der Verzweigung Winkelstrasse/Oberdorfstrasse westseitig und parallel zum unter Punkt 3 erwähnten Dreiparteienhaus stand, wurde nach 1952 abgebrochen. Als Ersatzbau steht auf derselben Parzelle seit 1954 die bereits erwähnte Liegenschaft Kipfer (Stadlerstr. 17). Die Kellergewölbe der abgebrochenen Baute sind erhalten geblieben.

Die auf derselben Seite der Chronik in gleicher Handschrift und ähnlicher Tinte eingetragenen Jahresentschädigungen für Diensträume, Heizung und Beleuchtung, datiert auf das Ende des Jahres 1922 (samt Nachtrag bzgl. Nachzahlung mit anderer Tinte), sowie die darüber eingeklebte Karte des Gemeindegebiets (aus der 1880er-Siegfriedkarte ausgeschnitten) deuten auf eine Entstehung zwischen 1922 und 1928 hin.

Windlacher nimmt den Ball auf

Die dritte Quelle schöpft zu grossen Teilen aus der Poststellenchronik der Kreispostdirektion. 

Ernst Schmid, Philatelist aus Windlach, hat in seiner 2008 abgeschlossenen Postgeschichte des Bezirks Dielsdorf auf S. 56 alle vier bis dahin genutzten Standorte auf einem Katasterplan eingezeichnet (s. unten). Und er nennt für den Standort der Kantonalpost als erster die (auch aus der Sicht des WeiachBlog-Autoren korrekte) Adresse Oberdorfstr. 17.


Die Standorte auf dem Schmid-Plänchen sind auch all diejenigen Orte, wo nachweislich ein Posthalter (am Bachweg zuletzt: eine Posthalterin) tätig war.

Fünf Standorte über 180 Jahre – Kurzübersicht

Mittlerweile ist noch ein weiterer Standort hinzugekommen, der aktuelle, für den es nun keinen Posthalter mehr gibt, jedenfalls nicht eine/n, der oder die als physischer Ansprechpartner vor Ort in Erscheinung tritt. [Nachtrag v. 3.2.2023: Laut tel. Auskunft der Medienstelle Post hat der organisatorische Umbau dazu geführt, dass es die Funktion eines Posthalters heute nicht mehr gibt.]

  • Nr. 1 – Oberdorfstrasse 17 – spätestens 2.11.1842 bis 31.5.1852 – Postablage der Kantonalpost. Der älteste Eintrag im Speditionsregister datiert auf den 2. November 1842.    
  • Nr. 2 – Alte Post-Strasse 2 – 1.6.1852 bis 10.10.1954 – Eidgenössische Post, ab Eröffnung bis Ende Juli 1876 Haltestelle der Postkutsche. Daten nach Poststellenchronik KPD – Volkstümlich «Alte Post» genannt.
  • Nr. 3 – Stadlerstrasse 17 – 11.10.1954 bis 15.1.1995 – Daten nach Poststellenchronik KPD.

  • Nr. 4 – Bachweg 2 – 16.1.1995 bis 7.3.2009 – Daten nach Poststellenchronik KPD und Sammlung Erne.
  • Nr. 5 – Stadlerstrasse 4 – 9.3.2009 bis heute – Postagentur (Ymago) im VOLG-Laden. Datum nach Sammlung Erne.
Dass es nach dem Verständnis der Weycherinnen und Weycher der Stammsitz der Poscht-Meierhofer ist, den man heute als «Alte Post» bezeichnet (und nicht eines der drei sonst noch dafür infrage kommenden Gebäude, vgl. die Legende im Plänchen aus der Poststellenchronik KPD), rechtfertigt sich allein schon durch seine nachweislich über 100-jährige Geschichte als Standort der Poststelle Weiach.

Quellen und Literatur

  • Speditionsregister der Poststelle Weiach: Verzeichnis der Postgegenstände mit Datum, Herkunft, Wert, Porto etc., 1849-1852. [recte: ab 1842] –  MfK, PTT-Archiv, Signatur: P-08 A_PAA 00443
  • Poststellenchronik Weiach der Kreispostdirektion (KPD). – MfK, PTT-Archiv. Signatur: Post-199 A 0008_Weiach. [Von Ernst Schmid ausgiebig verwendete Quelle]
  • Poststellenchronik 8187 Weiach der Sammlung Erne. –  MfK, PTT-Archiv, Signatur: Post-498 D 8187_Weiach
  • Brandenberger, U.: Dreimal Post Weiach. WeiachBlog Nr. 178 v. 1. Mai 2006.
  • Schmid, E.: Postgeschichte Bezirk Dielsdorf. Philatelie und Heimatkunde. Windlach 2008 – S. 51-59, hier insbesondere S. 56. 
  • Brandenberger, U.: Unser Postbüro ist bereits geschlossen. WeiachBlog Nr. 666 v. 7. April 2009.
  • Brandenberger, U.: Werbung für den Weyacher Postboten, Februar 1762. WeiachBlog Nr. 1011 v. 22. Juni 2011.

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