Lehrer Zollingers Ortsgeschichte, die 1972 zwischen harte Buchdeckel gepresst im Druck erschienen ist, war nicht der erste Versuch, eine Geschichte der Gemeinde Weiach zu schreiben. Zumindest einer dieser Versuche ist uns erhalten geblieben.
Im Archiv des Ortsmuseums liegt ein schmales Konvolut an handschriftlichen Notizen ohne Angaben zum Urheber. Laut Zollinger stammen sie von Pfr. Albert Kilchsperger (*1883 †1947; 1908-1940 in Weiach). Die Aufzeichnungen sind über weite Strecken in Stenografie abgefasst.
Entweder wurde diese kleine Dokumentensammlung aus dem Pfarrarchiv Weiach extradiert (wie das bei den sog. Wipf-Akten der Fall war) oder es ist direkt von den Hinterbliebenen an alt Lehrer Walter Zollinger, den ersten Präsidenten der Ortsmuseumskommission, übergeben worden (Kilchsperger hatte eine Weiacherin aus der Familie der Post-Meierhofers geheiratet).
Es handelt sich mehrheitlich um unlinierte, in der Mitte gefaltete Papierbogen im Format 45.4x18 cm, mit zwei Beilagen in kleinerem Format.
Zu verzeichnen sind vier Teile:
1. «Geschichte der Gemeinde Weiach.»
Später (wohl von Pfr. Kilchsperger selber) mit Bleistift ergänzt: «I. Teil». Undatiert. Fadengeheftete Bogen paginiert, wo durch den Urheber beschrieben. Paginierung uneinheitlich; römische Blattpaginierung auf recto sowie (wohl nachträgliche) lateinische Seitenpaginierung auf verso. Also nach dem Muster I, 2, II, 4, etc. Jedoch ist Bl. XI als S. 21 paginiert.
Total 28 Seiten, wovon die 7 letzten leer. Haupttext ist mit Tinte geschrieben.
Es existiert ein Transkript, durch Walter Zollinger erstellt: Schulheft blau, mit Sigel «Ksp. III», ebenfalls undatiert. Für die nachstehenden Teile sind keine Transkripte bekannt.
2. «Geschichte von Weiach. II. Teil. Das kirchliche Leben.»
«Das kirchliche Leben» wurde später mit Bleistift gestrichen und auf «Kirchengeschichte v. Weiach von der Reformation bis zur Gegenwart!» geändert. Undatiert. Fadengeheftete Bogen, jeweils recto die Blätter mit röm. Ziffern paginiert. Letztes Blatt unpaginiert (ist eigentlich Blatt I des ersten Bogens). Total 20 Seiten, wovon 2 leer. Haupttext ist mit Tinte geschrieben.
3. «Notizen zur Geschichte von Weiach».
Nur dieser Titel ist mit Tinte geschrieben, restlicher Text mit Bleistift. Undatiert. Total 5 lose gefaltete Bogen, davon 4 im eingangs erwähnten Format, 1 im Format 22.5x18 cm. Total 20 Seiten, wovon 4 leer (2 davon beim kleinen Bogen). Enthält Verweise auf die Wipf-Exzerpte (erkennbar an deren ausserordentlichem Paginierungsstil), sowie Hinweise auf Fundstellen bei anderen Autoren. Mehrheitlich in Stenoschrift verfasst.
Zumindest ein Teil dieser Notizen dürfte 1912 entstanden sein. Darauf weist auf dem ersten Blatt recto die genannte Jahrzahl und entsprechende Jahresberechnung zurück bis 1591 hin, wo Kilchsperger versucht hat, die durchschnittliche Standzeit eines Pfarrers zu ermitteln. Er kommt auf der Basis von 321 Jahren (also ca. 5 Jahre seiner eigenen Amtszeit eingerechnet) auf 16.9 Jahre, was einerseits zu hoch liegt, weil er von lediglich 19 Pfarrern ausgeht. Tatsächlich waren es aber 22 (von Schörli bis Wipf), kleinere Fehler entstehen dadurch, dass die Übergangszeiten durch Verweser nicht abgezogen sind. Abzüglich der Amtszeit Kilchspergers ergeben sich 316 Jahre / 22 Pfr. = 14.3 Jahre.
4. Bläulicher Briefumschlag mit Vordruck «Schulpflege Weiach».
Handschriftlich mit Farbstift-Aufschrift «Notizen betreff Weiach» auf der Vorderseite sowie Bleistiftvermerk «16. Jahrh.» auf der Rückseite versehen. Enthält einmal gefaltetes liniertes Blatt im Format 27.0x21.5. Undatiert. Betrifft u.a. auch Schwabenkrieg 1499. Ganzer Text mit Tinte. Nur wenige Passagen in Stenografie. Total 4 Seiten, wovon 1 leer.
Bedeutung für die Weiacher Historiographie
Das vom Urheber selber mit dem Titel «Geschichte der Gemeinde Weiach» (bzw. «Geschichte von Weiach») versehene Werk zeigt, dass die Rolle Pfr. Albert Kilchspergers in
der Historiographie der Gemeinde bisher zu Unrecht keine Beachtung gefunden hat.
Seine eigenständige Bearbeitung und Einordnung der ihm vorliegenden Abschriften des Amtsvorgängers Pfr. Ernst Wipf, sowie etliche sonst (ausser teilweise später bei Zollinger)
nicht überlieferte lokale Details, zeugen für eine mehr als nur kursorische Beschäftigung mit der Weiacher Ortsgeschichte, ja sie legen die Vermutung nahe, dass auch Kilchsperger (und nicht nur Wipf und Zollinger)
im Staatsarchiv des Kantons Zürich Originalunterlagen eingesehen hat.
Viele dieser Details sind tel quel in Zollingers Monographie zum 700-jährigen Jubiläum der «Ersterwähnung» des Ortsnamens (das eingangs erwähnte blaue Büechli) eingegangen, so beispielsweise die Aussage
über Holzschlag durch fremde Truppen im Stocki oder die über das gescheiterte Eisenbahnprojekt 1857 (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 19). Besonders wertvoll ist u.a. Kilchspergers kurze Einlassung zur Herkunft des Ortsnamens Weiach, bei der Einflüsse
der im 20. Jahrhundert dominant werdenden gallorömischen Deutung noch völlig fehlen.
Kilchsperger ging bislang komplett vergessen
Man muss konstatieren, dass Zollinger gut daran getan hätte, den Beitrag Kilchspergers in seiner Ortsgeschichte von 1972 zumindest genauso mit Namensnennung zu verdanken, wie er dies
im Vorwort gegenüber Wipf und Pfister getan hat, zumal er offensichtlich Formulierungen Kilchspergers wortwörtlich übernommen hat und dessen Nichterwähnung daher faktisch einem Plagiat gleichkommt.
Dies gilt insbesondere für die Überlieferung der Forderung der Weiacher von 1540 nach einem eigenen Prädikanten. Dieses Zitat, für das nicht geklärt ist, wo Kilchsperger
es herhat, ist in den bisher aufgetauchten unpublizierten Unterlagen zur Weiacher Ortsgeschichte nämlich ausschliesslich im zweiten, kirchlichen Teil seiner «Geschichte von Weiach» überliefert!
Über die Gründe (Nachlässigkeit oder Absicht?) für das völlige Weglassen des offensichtlich vorhandenen Beitrags Kilchspergers durch Zollinger könnte beim aktuellen Stand der Erkenntnisse
höchstens spekuliert werden.
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