Donnerstag, 31. März 2016

Märzwetter 1966: nur der Erdbebenstoss fällt aus dem Rahmen

Schon den Eintrag über das Horner-Wetter (vgl. Artikel Februarwetter 1966) hat Walter Zollinger mit dem Zitat einer Bauernregel eingeleitet. Und auch die Notizen zum März vor 50 Jahren beginnen auf diese Weise:

«"Wenn's der Hornung gnädig macht,
bringt der Lenz den Frost bei Nacht."

Der Hornung war gnädig; ist also ein kalter Lenz nun die Folge davon? - Die Tiefsttemperaturen an den Märzmorgen lagen zwar nur ein einzigesmal bei -4°, sonst immer in 0°-Nähe. Dagegen brachte der März doch etliche Schneeschauer, so am 12.3., 13.3., 18.3., 25.3. und endlich nochmals am 29. und 30.3. Auch einige Morgen mit leichtem Reif sind zu verzeichnen; nämlich in den Tagen des 7.3., 8.3., 17.3., 18.3., 21.3. und 22.3. Der kalte Oberwind blies recht häufig, vor allem während der ersten Monatshälfte. Später war's mehr der Südwest, am 27.3. zeitweise recht stürmisch sogar. Meist war's vormittags, manchmal auch nachmittags bewölkt, bedeckt oder hochneblig; Vormittagsnebel aber nur dreimal; Regen fiel fünfmal nachts und elfmal schauerartig an Vor- und Nachmittagen. Am 28. und 29.3. war sogar das erste Donnerrollen vernehmbar. Zum Glück dürfen aber auch neun ganze sonnige Tage und je vier sonnige Vor- und Nachmittage angeführt werden. Am 16.3. ca. 12.20 mittags war ein leichter, kurzer Erdbebenstoss zu verspüren.

Höchsttemperaturen morgens +6°, mittags +12°, abends +9°
Tiefsttemperaturen morgens -4°, mittags +2°, abends 0°.
»

Das eine oder andere Mal eine kalte Bise (von Zollinger «Oberwind» genannt) oder auch etwas Schneefall, das ist im März durchaus nicht unüblich. Also völlig normal. Nur der Erdbebenstoss fällt aus dem Rahmen. Aber das tut er sowieso. Wer - ausser unserem ehrwürdigen Chronisten - würde den sonst unter der Rubrik «Witterung» führen.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1966 – S. 3. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1966].
[Veröffentlicht am 17. Mai 2016]

Donnerstag, 10. März 2016

Hochwasserzonen-Debakel? Vom Umgang mit seltenen Ereignissen

Im Februar vor 50 Jahren führten die Bäche im Dorf Hochwasser, was sich u.a. an einer Überschwemmung der Stadlerstrasse äusserte (vgl. den Beitrag zum 29. Februar 2016). Nun war das ein relativ harmloser Fall, wie er immer wieder einmal auftritt. So auch nordöstlich des Dorfes, wo der Winzelnbach, der zwischen Wörndel und Ebnet hinunterkommt, ab und zu die Hauptstrasse Basel-Winterthur unter Wasser setzt.

Amtliche Gefahrenkarten ziehen hingegen Ereignisse ganz anderen Kalibers in Betracht. Solche, die sehr selten auftreten, dafür aber umso verheerendere Konsequenzen zeitigen können. Auch wenn Mülibach und Sagibach eingedolt sind und sich schon Jahrzehnte für den durchschnittlichen Einwohner der Gemeinde nicht mehr bemerkbar gemacht haben, so gefährden sie dennoch auch heute noch die Gebiete, die sie schon immer durchflossen haben. Und zwar dann, wenn die Einlassbauwerke verstopft werden und die Wassermassen sich einen neuen Weg suchen, dem Strassenverlauf entlang.

Dierikon kann auch in Weiach liegen

Kann bei uns nicht passieren, denken Sie? Das Unwetter-Drama von Dierikon LU zeigt, wie es auch laufen kann.

Vor weniger als einem Jahr, anfangs Juni 2015, wurden eine Frau und ihre Tochter im Keller eines Mehrfamilienhauses von den Wassermassen überrascht und ertranken (vgl. den Blick-Artikel vom 7. Juni 2015 ). Dierikon liegt im Rontal, demselben Tal, durch das die Bahnlinie von Zug über Rotkreuz nach Luzern führt und wo man etwas weiter südwestlich den langgezogenen Rotsee findet (ideales Gewässer für Ruderregatten).

Die Verhältnisse in Dierikon (mit dem Götzental-Bach, der die Toten auf dem Gewissen hat) sind nicht viel anders als in Weiach. Der Talboden liegt dort fast genau gleich hoch (etwa 400 m ü M) und die höchsten Höhen nur etwa hundert Meter höher als bei uns. Das Einzugsgebiet des Baches ist vergleichbar mit dem des Sagi- oder Mülibaches. Wenn sich nun über Weiach die Himmelsschleusen öffnen und sintflutartige Regenfälle über dem südlichen Gemeindegebiet niedergehen, dann kann so ein Jahrhundertunwetter wie im Luzernischen auch bei uns schnell passiert sein - und die Folgen dürften denen in Dierikon durchaus ähneln.

Gefahrenkarte Rafzerfeld zeigt das Problem

Als ich im selben Sommer 2015 die in öffentlicher Planauflage auf der Gemeindekanzlei Weiach einsehbare, im Auftrag des Kantons Zürich erstellte Gefahrenkarte gesehen habe, da war mir rasch klar, dass es in dieser Angelegenheit noch grössere Probleme geben würde. Genau dort, wo die mit dem blumigen Namen «Rheinblick» vermarktete Überbauung zwischen Bahndamm und Hauptstrasse Nr. 7 geplant ist, zeigt die Gefahrenkarte nämlich einen grossen roten Fleck! Und rot bedeutet in diesem Fall die Gefährdung durch eine Überschwemmung.



Hätten diese Gefahrenkarten schon 2012 vorgelegen, dann wäre der Gemeinde wohl nicht nur Kulturland erhalten geblieben. Nein, sie hätte sich auch noch um Ausgaben in sechs- bis siebenstelliger Höhe drücken können. Die sind nun wohl unausweichlich, denn dort wo der Baulöwe aus Bülach gemäss rechtsgültiger Baubewilligung seine Eigentumsblock-Billigwohnungen hinklotzen darf, liegt eben besagter roter Tolggen. Wegen dem Bahndamm staut sich das Wasser dort am tiefsten Punkt. Und die geplante Tiefgarage der Überbauung würde volllaufen. Wie in Dierikon.

Auch der alte Dorfkern profitiert

Wenn sich nun der Gemeindepräsident gegenüber der Zeitung «Zürcher Unterländer» darüber verärgert zeigt, «dass wir nun wegen eines Worst-Case-Szenarios für ein Ereignis, welches ein Jahrhundert- oder gar Dreijahrhundertunwetter darstellt, vielleicht mehrere Hunderttausend Franken ausgeben müssen», dann muss man sich schon fragen, ob sich die Gemeindeväter (Frauen hat es nach wie vor keine im Gemeinderat) ernsthaft um die Sicherheit ihrer Einwohner kümmern.

Wie das Beispiel Dierikon zeigt, kann ein solches Extremereignis jederzeit eintreten. Und es wird sogar wahrscheinlicher, weil die Extremereignisse aufgrund des Klimawandels nach allen verfügbaren Statistiken im Zunehmen begriffen sind - und sei es nur, weil heutzutage an Orten gebaut wird, wo es unseren Vorfahren nicht im Traum eingefallen wäre, ein Wohnhaus hinzustellen.

Wie man der Gefahrenkarte entnehmen kann würde auch die Chälen und/oder das Oberdorf mit bis zu 25 cm Wasserhöhe überschwemmt, weil die entsprechenden Eindolungen heutigen Ausbaustandards das viele Wasser schlicht nicht würden schlucken können und es sich deshalb den oberirdischen Weg der Strasse entlang suchen wird.

Und wenn man sich die händeringenden Erklärungsversuche des Dieriker Gemeindevorstehers angehört hat, dahingehend, dass man dort eigentlich hätte Massnahmen ergreifen wollen, sie dann aber aus finanziellen Gründen vertagt habe, dann möchte man in Zukunft nicht in der Haut seines Weiacher Pendants stecken, wenn es dereinst in der Rheinblick-Tiefgarage Tote geben sollte. Deshalb: nicht lamentieren, sondern umsetzen.

Quellen

[Veröffentlicht am 28. April 2016]