Montag, 21. Oktober 2024

Blitz schlägt in die SBB-Fahrleitung zwischen Zweidlen und Weiach

Heute vor 50 Jahren, wie dieses Jahr einem Montag, fegte ein heftiges Gewitter über unsere Gegend. Es verursachte den Ausfall sowohl der Linie KoblenzEglisau, wie der Strecke SchaffhausenEglisau. Die  Reparaturdienste der SBB mussten im Rafzerfeld und auf Weiacher Gebiet fast gleichzeitig eingreifen. 

Die Schweizerische Depeschenagentur SDA verfasste dazu eine Meldung, die über den Ticker lief und wohl in etlichen Zeitungen abgedruckt wurde: 

Gestörter Bahnverkehr

«Gewitter verursacht SBB-Fahrleitungsstörungen sda. Ein heftiges Gewitter in der Gegend des Rafzerfeldes verursachte am Montag [21.10.74] zwei Fahrleitungsstörungen. Um 13.42 Uhr stürzte eine Übertragungsleitung der NOK bei Rafz auf die SBB-Fahrleitung. Die Strecke Hüntwangen–Lottstetten war infolge des dauernden Kurzschlusses bis 15 Uhr gesperrt, so dass zwei Schnellzüge über Winterthur umgeleitet werden mussten. Der Zürich um 13.21 Uhr verlassende Schnellzug nach Schaffhausen wurde kurz nach Bülach angehalten und über Embrach–Winterthur–Andelfingen geführt. Er wurde dabei um mehr als eineinhalb Stunden verspätet. Der zweite Schnellzug erlitt 16 Minuten und einige Personenzüge 10 bis 15 Minuten Verspätung. Fast zur gleichen Zeit schlug der Blitz in die Fahrleitung zwischen Zweidlen und Weiach, was ebenfalls dauernden Kurzschluss verursachte. Bis zur Behebung dieser Störung wurden die Züge in Weiach und Eglisau gewendet, für das Zwischenstück Autobusse eingesetzt.» (Thuner Tagblatt, 23. Oktober 1974)

Quelle 

Samstag, 19. Oktober 2024

Weiacher Warenzoll nur während Zurzacher Messe geöffnet

Am heutigen Datum vor 200 Jahren befasste sich die Zürcher Kantonsregierung erneut mit einem Streit, der aus Zürcher Sicht primär eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Reussübergängen darstellte, aus Aargauer Sicht jedoch legitim erschien, da er das höherstehende souveräne Recht eines Staates betreffe, selber bestimmen zu dürfen, über welche Grenzübergänge zollpflichtiger Warenumschlag abgewickelt werden kann.

Die Schweiz, ein Bündel souveräner Kleinstaaten

Man sieht an diesem Beispiel deutlich, wie stark die damals über den Bundesvertrag von 1815 nur lose miteinander verknüpften Kantone sich als eigenständige Staaten verstanden haben, auch und gerade in der Fiskalpolitik.

Die Aargauer Regierung stellte sich jedenfalls auf den Standpunkt, wenn ihre Zürcher Kollegen sich herausnähmen, Zollabfertigung nur an bestimmten Übergängen zulassen zu wollen, dass ihnen dann dieselbe Befugnis ebenfalls zustehen müsse. Der entsprechende Ausschnitt aus dem ziemlich umfangreichen Material liest sich wie folgt:

«[...] und daß, was die Fähre zu Ottenbach betrifft, die Aargauische Regierung einerseits, aus gleichen Gründen, warum auch in hiesigem Kanton der Gebrauch der von Kaiserstuhl über Weyach führenden Straße außer den Zurzacher-Meßen verboten sey, weil auf derselben die von hiesiger Regierung angeordneten Zollstätten und Weggeldbüreaux abgefahren werden können, die dortseitige Befugniß behauptet, den Gebrauch von Nebenwegen und Fähren zu untersagen, auf welchen die geordneten Geleitsstätten ausgewichen werden, [...]» (StAZH MM 1.88 RRB 1824/0656)

Temporäre Zollabfertigung an Messetagen

Es ging also darum, zu verhindern, dass die regulären Kontrollposten der Zolleinnehmer und Strassengebühren-Inkassostellen umfahren wurden. Neu war das nicht, es war nach der Zeit des helvetischen Einheitsstaates (1798-1803) lediglich die Rückkehr zu einem System, wie man es in der Alten Eidgenossenschaft über Jahrhunderte praktiziert hatte. 

Die Zürcher haben die Strasse zwischen Kaiserstuhl und Weyach für den grenzüberschreitenden Warenverkehr gesperrt. Einzig an den Tagen, wo in Zurzach die traditionelle grosse Warenmesse stattfand, befand es die Zürcher Regierung offenbar für angemessen, an der Grenze einen temporären Zollabfertigungsposten zu betreiben.

Eine wirtschaftliche Katastrophe

Sonst war offensichtlich nur kleiner Grenzverkehr erlaubt, was den wirtschaftlichen Austausch zwischen dem Studenland und unserer Gemeinde doch ziemlich massiv beeinträchtigt haben dürfte. Unter dieser Abschottung litten vor allem auch die Kaiserstuhler, die nach dem Abbrennen ihrer Rheinbrücke während des Zweiten Koalitionskriegs 1799 während Jahren auf einen Ersatz warten mussten und in dieser Situation wohl nicht zuletzt auch der Zürcher Zollpolitik wegen wirtschaftlich einen massiven Niedergang erlebt haben.

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass der Weyacher Ziegelhütten-Betreiber (auf dem Näpferhüsli-Areal bei der Kirche) anfangs der 1820er-Jahre mehrere Häuser im Städtchen auf Abbruch gekauft hat, um mit dem Baumaterial seine Kalkproduktion befeuern zu können. Stellt sich trotzdem die Frage, wie das wohl mit dem Verzollen dieses Abbruchmaterials gehandhabt wurde. (Lutz 1822, vgl. Quellen unten)

Vor dem Bau der Stadlerstrasse (RVS 566)

Bemerkenswert ist diese praktisch durchgehende Sperre vor allem, wenn man bedenkt, dass die Verbindung Kaiserstuhl–Weyach–Zürich (im Weiacher Ortskern via Büelstrasse, Oberdorfstrasse, Alte Post-Strasse, Bergstrasse) damals die wichtigere Strasse war als die heutige Hauptstrasse Nr. 7 Richtung Osten (Weyach–Glattfelden–Wagenbreche–Winterthur).

Quellen

  • Nachträge und Berichtigungen zu «Geographisch-statistisches Handlexikon der Schweiz für Reisende und Geschäftsmänner: enthaltend vollständige Beschreibungen der XXII Kantone, deren Bezirke, Kreise und Aemter, so wie aller Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Schlösser und Klöster, auch aller Berge, Thäler, Wälder, Seen, Flüsse und Heilquellen, in alphabetischer Ordnung. Nebst einem Wegweiser durch die Eidsgenossenschaft sammt Nachrichten für Reisende über Postenlauf, Geldeswerth und Gasthöfe. Im Vereine mit Vaterlandsfreunden herausgegeben von Markus Lutz, Pfarrer in Läufelfingen im Kanton Basel. Aarau 1822. Bei Heinrich Remigius Sauerländer» – S. 58.
  • Protokoll der Zürcher Kantonsregierung vom 20. Juli 1824: Antwort L[öblichen] Standes Aargau auf die hiesige [d.h. zürcherische] Beschwerde über Retorsionsstrafen von den Behörden zu Mury, und über Benachtheiligung des Fahrs zu Ottenbach zu Gunsten desjenigen zu Rottenschweil. Signatur: StAZH MM 1.88 RRB 1824/0656.
  • Protokoll der Zürcher Kantonsregierung vom 19. Oktober 1824: Gutachten des Staatsraths wegen der Aargauischen Beeinträchtigung der Fähre zu Ottenbach, und des unstatthaften Geleitsbezugs zu Rottenschwyl. Antwort an Lbl. Stand Aargau. Weisung an das L. Oberamt Knonau. Signatur: StAZH MM 1.89 RRB 1824/0885.

Freitag, 18. Oktober 2024

Die Wappenkarte «Weiach» der Antiquarischen Gesellschaft

Es ist ziemlich genau ein Jahrhundert her, seit die Antiquarische Gesellschaft in Zürich Ende 1924 auf Anregung des Staatsarchivs eine Gemeindewappenkommission bestellt hat. In jedem Bezirk wurde dann ein Kommissionsmitglied tätig, um vor Ort zusammen mit lokalen Gewährsleuten auf die Suche nach sachdienlichen Informationen zu gehen. 

Für den Bezirk Dielsdorf war dies Dr. h.c. Heinrich Hedinger und für Weiach der Dorfschullehrer und spätere Ortschronist Walter Zollinger. Das Resultat der Nachforschungen vor Ort wurde mit den aus Archivalien im Staatsarchiv gewonnenen Informationen kombiniert und die Kommission machte dann dem jeweiligen Gemeindevorstand einen Vorschlag. 

Genehmigt 28. November 1931, gedruckt 1932

Zwischen Sommer und Herbst 1931 fiel der Entscheid in der Wappenkommission (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 85, S. 312ff). Den für Weiach auf 12. November 1931 datierten Vorschlag hat unser Gemeinderat am 28. November 1931 offiziell genehmigt. 

Die Karte zeigt das Wappen nicht nur grafisch, sondern beschreibt es auch in verbaler Form, der sogenannten Blasonierung, die sämtliche offiziell verbindlichen Elemente festhält:

«Von Silber und Blau schräggeteilt mit achtstrahligem Stern in gewechselten Farben.»

Weiter nennt die Karte auch einige ausgewählte historische Eckdaten: «Weiach. Der Stern im Zürcher Schild geht wohl auf die alte Taverne zum "Sternen" zurück. Weiach kam 1424 mit der Grafschaft Kyburg an Zürich und gehörte seit 1442 zur Obervogtei Neuamt. 1591 wurde das Dorf zur Pfarrei erhoben.»

Ornamentiert wird das Ganze mit zwei Eichhörnchen als faktischen Schildhaltern und diversen Vögeln im gleichen Farbton wie die Tannenzweige samt Zapfen.

Huhn-und-Ei-Frage ist ungeklärt

Zur Herkunft des Sterns ist anzumerken, dass nach wie vor offen ist, ob sich dieses Dorfzeichen auf den ehaften, obrigkeitlich konzessionierten Gasthof vererbt hat, oder es (wie auf der Karte insinuiert) gerade umgekehrt gewesen ist, der Stern also ein obrigkeitliches Symbol war, das zuerst vom Gasthof geführt wurde und danach von der Gemeinde übernommen wurde.

Heinrich Hedinger liess dies bereits 1936 in einem Artikel im «Wehnthaler» offen. Die Weiacher hätten, so schreibt er, «als Abzeichen» den Stern gewählt, «sei es als bloße Verzierung oder im Zusammenhang mit der alten Taverne zum "Sternen"». 1971 übernahm er dann allerdings die Auffassung der Wappenkarte (vgl. WeiachBlog Nr. 800). 

Der Autor dieser Zeilen war 2010 noch gegenteiliger Auffassung, hat aber 2020 in zwei Artikeln herausgearbeitet, dass es auch anders sein könnte (vgl. WeiachBlog Nr. 1481 und 1482).

Der Zeichner war ein städtischer Beamter

Bei dieser Wappenkarte handelt es sich um die Nummer 144 aus der 29. Serie der «Zürcher Gemeindewappen». Ziegler erwähnt in seinem erst viele Jahre später (1977) in den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich erschienenen Wappenbuch, diese Postkarten-Sätze seien in den Jahren 1926-1936 erschienen (was zumindest für letztere Jahrzahl durch die Graphische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich mit einem Fragezeichen versehen wird). Die Serie 29 erschien frühestens im Dezember 1931, wahrscheinlich im Jahre 1932. 

Gezeichnet wurden die Wappen von Robert Brutschy, einem Beamten des Stadtarchivs Zürich. Die hölzernen Druckstöcke wurden bei Rudolf Fretz-Bryner in Zollikon erstellt und der Druck der Karten erfolgte bei Müller, Werder & Co. in Zürich (Ziegler, 1977 – S. 17).

Quelle und Literatur
  • Wappenkarte Weiach. Ansichtskarte. Strichklischee; 14 x 9,3 cm. Herausgegeben durch die Antiquarische Gesellschaft in Zürich. Zürich 1932. Scan des Exemplars der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: Wappen Zürich I, 34 ac
  • Hedinger, H.: Die Gemeinde-Wappen im Bezirk Dielsdorf. In: Der Wehnthaler, 7. u. 10. Februar 1936. (Vgl. Auszug in WeiachBlog Nr. 313)
  • Ziegler, P.: Die Gemeindewappen des Kantons Zürich. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 49. 142. Neujahrsblatt. Zürich 1977 – S. 17 (Einleitung) u. 106 (Wappen Weiach).
  • Brandenberger, U.: 75 Jahre offiziell anerkanntes Wappen. Wie unsere Gemeinde zu ihren Erkennungszeichen kam (Teil 2). Weiacher Geschichte(n) Nr. 85. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Dezember 2006 – S. 14-21 (vgl. S. 314 der Gesamtausgabe).  
  • Brandenberger, U.: Heinrich Hedingers «Gemeinde-Wappen im Bezirk Dielsdorf». WeiachBlog Nr. 313, 13. November 2006.
  • Brandenberger, U.: Woher kommt der Stern im Weiacher Wappen? WeiachBlog Nr. 800, 21. März 2010.
  • Brandenberger, U.: Woher kommt der Weiacher Stern? Hat er Schaffhauser Wurzeln? WeiachBlog Nr. 1481, 9. März 2020.  
  • Brandenberger, U.: Geht der Weiacher Stern auf die Familie Escher zurück? WeiachBlog Nr. 1482, 11. März 2020.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Orgelrevision, mitfinanziert von der Glaubensgenossenschaft

Das erste fix in der Weiacher Kirche platzierte Instrument war ein Harmonium des süddeutschen Herstellers Trayser. Die im Jahre 1930 eingeweihte erste richtige Orgel hingegen war ein Werk der Firma Kuhn mit Sitz an den Gestaden des Zürichsees. 

Auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen reagieren solche Instrumente teils höchst empfindlich. Töne bleiben hängen, wie Organisten das nennen, wenn sich im komplizierten Inneren einer Orgel etwas verklemmt (vgl. WeiachBlog Nr. 1206). So einen Vorfall hört dann selbst der Laie. Deshalb muss man Orgeln regelmässig Pflege angedeihen lassen. Nebst dem Stimmen ist periodisch auch eine Revision fällig, die dann schnell einmal einige Prozente des ursprünglichen Anschaffungspreises kosten kann. 

Revision 1959

Anfangs des Jahres 1959 wussten die Weiacher noch nicht, dass sie wenige Jahre später im Rahmen der grossen Gesamtrestauration ihre im Chor platzierte Orgel herausreissen und durch ein neues, auf der Empore platziertes Instrument ersetzen würden:

«Die unterm 26.2. beschlossene Revision der Orgel wurde während des April durchgeführt und kostete gesamthaft Fr. 2'671.25, woran die Glaubensgenossenschaft Kaiserstuhl/Fisibach Fr. 500.- beisteuerte. Die Gottesdienste waren während dieser Zeit ins Oberschulzimmer verlegt worden.» (G-Ch Weiach 1959, S. 8)

Was schreibt der Chronist Walter Zollinger da? «Glaubensgenossenschaft»? Ja, keine Erfindung. Das war damals der offizielle Name der heutigen Evangelisch-Reformierten Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach. Bereits in der gedruckten Broschüre mit den Jahresrechnungen 1945 der verschiedenen Weiacher Gemeinwesen ist exakt diese Bezeichnung zu finden.

Mit dem «Oberschulzimmer» ist nicht etwa eine Räumlichkeit der Sekundarschule in Stadel gemeint, da geht es um Zollingers eigenes Klassenzimmer im Alten Schulhaus Weiach.

Quelle und Literatur

  • Zollinger, W.: Jahreschroniken Weiach 1952-1967. Originale: Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Hier: Chronik des Jahres 1959. Signatur: G-Ch Weiach 1959 – S. 8.
  • Brandenberger, U.: Zeitgeschmack und Holzwurmsorgen. Vor 75 Jahren wurde die erste grosse Weiacher Orgel festlich eingeweiht. Weiacher Geschichte(n) 68. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juli 2005 – S. 11-17. (Weiacher Geschichte(n) Gesamtausgabe, S. 214-220)
  • Brandenberger, U.: Pneumatische Orgeln: früh ein Sanierungsfall. WeiachBlog Nr. 1206, 5. März 2015.

Dienstag, 15. Oktober 2024

Bombendrohung wegen Beschwerde ans Bundesgericht

Im September vor 25 Jahren wurde bekannt, dass mehrere von Fluglärm betroffene Gemeinden sich einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht angeschlossen hatten. Ziel war die Klärung der Frage, ob die Fünfte Ausbauetappe des Flughafens Zürich so wie geplant (und vom Kanton bewilligt) in die bauliche Wirklichkeit überführt werden dürfe.

Konkret ging es da um das Dock Midfield samt den dafür nötigen Tunnelbauten. Wer schon einmal von dort abgeflogen oder dort angekommen ist, der weiss: Um zu diesem Inselterminal zu gelangen, muss man als Passagier eine automatisch betriebene U-Bahn benutzen. Gebaut wurde also dann doch.

Vor einem Vierteljahrhundert verfügte die zuständige Kammer des Bundesgerichts allerdings erst einmal einen temporären Baustopp und verlangte, dass nur Arbeiten ausgeführt werden dürften, die leicht wieder rückgängig zu machen wären, sollte die Beschwerde gutgeheissen werden.

Nur Stadel und Weiach wurden zum Hassobjekt

Unter den beschwerdeführenden Gemeinden waren nebst anderen auch Stadel und Weiach. Diese beiden Gemeinden – und offenbar nur sie – wurden Zielscheibe eines Zeitgenossen, dem alle Sicherungen durchgebrannt sind. Verstieg sich diese Person doch zu einer veritablen Bombendrohung!

Wenn es um Sprengstoff geht, dann versteht der Bund bekanntlich keinen Spass. Und so wurde auch diese Nachricht schnell zu einer nationalen Angelegenheit, die in Form einer Kurzmitteilung der Schweizerischen Depeschen-Agentur selbst in regionalen Printmedien der Romandie abgedruckt wurde. Unter dem Titel: «Kloten. Deux communes menacées» steht die folgende Nachricht:

«Deux communes opposées à l'agrandissement de l'aéroport de Zurich ont reçu des menaces d'attentat à la bombe. Une lettre anonyme leur est parvenue fin septembre, quelques jours après l'annonce de leur recours auprès du Tribunal fédéral contre le début des travaux. La missive est considérée comme un dérapage. Ecrite à la main et dans un style maladroit, elle exigeait des communes de Weiach et de Stadel (ZH) qu'elles retirent leurs oppositions sous peine de voir une bombe exploser./ats»

Bei Zuwiderhandlung platzt die Bombe

Das handschriftlich abgefasste anonyme Schreiben, so die SDA-Journalisten, müsse als (verbale) Entgleisung betrachtet werden. Es verlange von den beiden Gemeinden (warum nur diese beiden versteht man nicht wirklich), ihre gegnerische Haltung aufzugeben, bei Strafe einer Bombenexplosion im Falle der Zuwiderhandlung.

Dass die Bundesanwaltschaft in dieser Angelegenheit tätig wurde, ist anzunehmen. Ob die Täterschaft je ermittelt wurde, das ist WeiachBlog zurzeit noch unbekannt. Affaire à suivre. Und vielleicht weiss die Leserschaft ja mehr darüber.

Quellen

[Veröffentlicht am 17. Oktober 2024 um 00:15]

Montag, 14. Oktober 2024

Walter Baumgartner. Nachruf auf eine Weiacher Velolegende

Es gibt nicht allzu viele Söhne und Töchter unserer Gemeinde, die die sogenannten Relevanzkriterien der deutschsprachigen Version der Online-Enzyklopädie Wikipedia erfüllen. Man kann sie an einer Hand abzählen.

Walter Baumgartner, genannt «Bäumli», war der erste Schweizer, der in der Disziplin Punktefahren an den Bahnradsport-Weltmeisterschaften eine Medaille geholt hat – die silberne. Ihm folgten so bekannte Grössen wie Urs Freuler (1981 bis 1987 ununterbrochene Gold-Serie) oder Bruno Risi (1992, 1994 und 1999 Gold).

Vier Kilometer. An der Weltspitze in Sachen Mannschaftsverfolgung

Insgesamt zweimal holte Walter Baumgartner für die Schweiz die Bronzemedaille in der Weltmeisterschaft der Mannschaftsverfolgung:

Sieger war in diesen beiden Jahren die DDR. Und wo wir schon eingangs die Wikipedia erwähnt haben, sei hier auch aus ihr zitiert, um zu zeigen, wie gross die Leistung dieser Viererteams war:

«Die Mannschaftsverfolgung gilt als „Königsdisziplin“ des Bahnradsports, weil neben der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mannschaftsmitglieds die perfekte Abstimmung aufeinander von entscheidender Bedeutung ist. Bis die Führungswechsel und das Hinterradfahren auf minimalem Abstand optimal durchgeführt werden [..], ist ein erheblicher Trainingsaufwand erforderlich. [...] Im Gegensatz zu Rennen mit Massenstart, bei denen die Fahrer mit einem Abstand von 30 cm bis zu über einem Meter am Hinterrad des Vorausfahrenden fahren, beträgt der ideale Abstand zwischen den Fahrern eines solchen „Viererzuges“ 15–20 cm. [...] Die Distanz beträgt 4000 Meter, die beiden Mannschaften starten an den gegenüberliegenden Geraden der Bahn an der Verfolgerlinie. Sieger ist, wer die Distanz als Erster bewältigt oder die gegnerische Mannschaft vorher einholt. Als Einholen gilt bereits die Annäherung auf einen Meter.»

Auf der Schlussetappe

Aber auch auf der Strasse war «Bäumli» präsent und mischte sowohl in Eintagesrennen (u.a. Tour du Nord-Ouest) als auch in Rundfahrten teils an vorderster Front mit. 1984 gewann er nach 1626.5 Kilometern die Schlussetappe der Tour de Suisse. Gestartet waren 109 Fahrer, im Ziel angekommen sind nur 77.

Nun hat «Bäumli» am 1. Oktober die Schlussetappe seines Erdengangs abgeschlossen, wie WeiachBlog erst gestern erfahren hat:

«Nach längerer Krankheit und doch so plötzlich» sei der Verstorbene von uns gegangen, schreibt die Trauerfamilie in der Todesanzeige. 

Ein stiller Schaffer im Hintergrund

Wer ihn näher gekannt hat, der weiss: Bäumli war nie einer, der sich in den Mittelpunkt gestellt oder grosses Aufheben um seine Befindlichkeit gemacht hätte. Noch letztes Jahr war er es, der viele Radsportgrössen an einem Tisch versammeln konnte, wie man dem Zürcher Unterländer entnehmen kann: 

«Auf Initiative des Ex-Radprofis Walter Baumgartner aus Weiach trafen sich kürzlich rund 30 ehemalige Radrennfahrer und ein paar Radsportfreunde im Restaurant Neuhof in Bachs zu einer Tavolata.»

An diesem Anlass konnten sogar Beat Breu (der «Bergfloh», der 1984 die Tour-de-Suisse-Etappe von Bürglen auf den Klausenpass gewann) und Godi Schmutz über die alten Zeiten ihrer Rivalitäten lachen.

Der Motor hinter dem Nationalen Kriterium Weiach

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts (zwischen 2003 und 2012) fungierte der ehemalige Rennfahrer als Organisator des Kriteriums Weiach. Das war sozusagen die Strassenversion eines Bahnrennens. Je nach Kategorie galt es bis zu 90-mal, eine 1040-Meter-Runde durch Oberdorf und Bühl zu drehen. Was besonders im Jahr 2006 bei grosser Juli-Hitze eine ziemliche Herausforderung war (vgl. die vier WeiachBlog-Artikel aus dem Jahre 2006 in der Literaturliste). Die nahmen die Fahrerinnen und Fahrer aber gern auf sich, galt doch das Kriterium sozusagen als Meisterschafts-Revanche.

Im Dorf bleibende Erinnerungen hinterlassen

Noch vor wenigen Tagen, so hört man, sei Walter zu Fuss im Dorf unterwegs gewesen. Und vor nicht allzu langer Zeit habe er noch seine Reben gepflegt. 

Manch ein Weycher verdankt ihm und seinen Söhnen Spenglerarbeiten. Man findet sie auf und an Häusern quer durch das Dorf.

Zum Spielplatz-Hüsli auf der Wiese zwischen Gemeindehaus und Baumgartner-Jucker-Haus steuerte Bäumli den Güggel auf dem Dach bei (leider vor nicht langer Zeit einer Brandstiftung zum Opfer gefallen).

Und das sind nur ein paar wenige Eindrücke. Genauso knapp kommen die Medienberichte daher.

Die Schweizerische Depeschenagentur teilt mit...

«Die Radsport-Familie trauert um Walter Baumgartner. Er ist nach längerer Krankheit im Alter von 70 Jahren gestorben. Das Palmarès des Allrounders zieren unter anderem zwei WM-Bronzemedaillen mit dem Bahnvierer in den Jahren 1977 und 1978 sowie WM-Silber im Punktfahren 1978. 1984 gewann Baumgartner, der als Querfeldein-Fahrer seine Karriere lanciert hatte, die Schlussetappe der Tour de Suisse. (sda)»


Ein Cilo-Rennrad by Bäumli

Auch dem hier Schreibenden bleibt eine ganz handfeste Erinnerung an den von uns Gegangenen. Ein für heutige E-Bike-Zeiten schon fast unwirklich filigran wirkendes rotes Rennrad, Marke Cilo 240. Von der Velolegende im Herbst 1985 in seiner Werkstatt an der Bergstrasse höchstpersönlich aus Einzelkomponenten zusammengebaut.

Cilo, eine Schweizer Velomarke aus der Romandie, war damals in Helvetien sozusagen das fahrradmässige Nonplusultra. Wo andere sich von ihrem ersten Zahltag ein Töffli gekauft hätten, da leistete sich der junge spätere WeiachBlogger nach vielen Stunden als Fensterputzer im Bezirksspital Dielsdorf eine ganz besondere Anschaffung: Die heute noch fahrtüchtige Alltagsversion einer der Rennmaschinen, auf die Radprofis damals vertraut haben (mit Schutzblechen *hust*).

Quellen und Literatur

Freitag, 11. Oktober 2024

Die erste «Tusche» in Weiach? Eine Militärerrungenschaft

In der über 500 Seiten starken Sammlung der ausgehenden Meldungen des Stabs Grenzfüsilierbataillon 269 mit Kommandoposten in Weiach (vgl. WeiachBlog Nr. 2177) sind auch Trouvaillen versteckt wie das Dokument A  239 vom 11. Oktober 1939; ein Antrag an das vorgesetzte Kommando Grenzregiment 54 mit Kommandoposten im Gasthof Löwen, Glattfelden:

«Laut Befehl auf dem blauen Dienstweg soll die Trp. tuschen können. Die Kp. II. & III. können dies ohne grossen Zeitverlust im Schulhaus Glattfelden tun, was für die Kp. II bereits angeordnet ist.»

Man berücksichtige, dass die Truppe bereits seit Ende August im Einsatz war und beim Stellungsbau auch ordentlich ins Schwitzen gekommen sein dürfte. (Kp. = Kompanie)

Farbiger Dienstweg

Der erwähnte blaue Weg ist auch Dienstpflichtigen im 21. Jahrhundert keine Unbekannte. Gemeint ist der fachliche Befehlsweg des Sanitätsdienstes (blaue Kragenspiegel) von der Armeeführung bis hinunter zum Bataillon.

«Die übrigen Kp. in Weiach, Bachs, Fisibach und Kaiserstuhl haben einen zu weiten Weg dorthin. Daher soll zur abwechslungsweisen Benützung für diese Kp. oder Teile derselben zentral in Weiach eine einfache Douschgelegenheit geschaffen werden, laut beiliegendem Projekt. Wenn auch der Raum etwas eng ist, so eignet sich doch dieses Objekt. 

Eine Ab- und Ankleidemöglichkeit kann durch einen Vorbau aus Holz geschaffen werden.»

Anschliessend folgt die Berechnung der erforderlichen Materialien samt Antrag auf Genehmigung. 

Leider sind weder die Beilagen erhalten geblieben, noch wissen wir, wie die Antwort des Regiments-Quartiermeisters ausgefallen ist. Wir wissen auch nicht, in welchem Weiacher Gebäude diese Bataillonsdusche eingebaut wurde (denn dass sie bewilligt werden sollte, dafür sorgte schon der im Schreiben erwähnte Befehl).

Wie schreibt man dieses chätzers Wort?

Wie man den doch sehr kreativen Schreibweisen des Verbums «tuschen» und des Substantivs «Dousche» (samt durchgestrichenem s) entnehmen kann, war dem Tippenden die Orthographie dieser Begrifflichkeiten nicht so geläufig. Was wiederum darauf hindeutet, dass es sich bei Duschen damals noch um eine recht neue Errungenschaft gehandelt haben muss, zumindest für einige der Wehrmänner des Bataillons, die mehrheitlich aus dem Zürcher Unterland stammten.

Quelle

  • Tagebücher Stab Gz Füs Bat 269, 1939-1940, Bd. 1-5. Signatur: CH-BAR E5790#1000/948#1869*. Bild in Subdossier_0000004, Unterlagen_0000006, S. 623.
[Veröffentlicht am 14. Oktober 2024 um 22:36 MESZ]

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Ein Vaterunser kommt selten allein

Waren Sie schon einmal im siebten Himmel? Man sieht der volkstümlichen Formulierung an, dass zum Zeitpunkt, als dieses schon fast geflügelte Wort zur Bezeichnung nicht steigerbaren Glücksgefühls geprägt wurde, durchaus noch die Vorstellung herrschte, es gebe in den himmlischen Sphären mehrere Abteilungen. Mit unterschiedlichen Komfortstufen sozusagen. Sieben an der Zahl.

Rund sieben Jahre ist es her, seit ich anlässlich des Reformationssonntags eine Fassung des Vaterunsers publiziert habe, wie sie 1836 vom damaligen Weiacher Pfarrer im Manuskript zum Gottesdienst anlässlich der Einweihung des Alten Schulhauses niedergeschrieben wurde (vgl. WeiachBlog Nr. 1354). Und er verwendet explizit den Plural: Himmeln. 

Himmel oder Himmeln? In der Bibel steht beides.

Verwundern sollte uns das überhaupt nicht. Diesen Plural findet man nämlich auch in den gebräuchlichsten Fassungen der Bibel in griechischer und lateinischer Sprache (Septuaginta und Vulgata). 

Hier (zu Vergleichszwecken) die hiesige Fassung vom 24. November 1836, selbstverständlich in deutscher Sprache:

«Unser Vater der du bist in den Himmeln!
Geheiligt werde dein Namme.
Zukomme dein Reich.
Dein Wille geschehe auf Erde, wie im Himmel.
Gieb uns heut unser tägliches Brod,
Und vergieb uns unsere Schulden, wie auch
wir vergeben unsern Schuldnern,
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen!

Denn dein ist das Reich und die Kraft und
die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Der Herr segne Euch und behüte euch!
Der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten
und seye euch gnädig!
Der Herr erhebe sein Angesicht über euch und
gebe euch den zeitlichen und ewigen Frieden! Amen.
»

Vulgata. Die hochoffiziell-katholische Lesart

In der ab 1592 für Jahrhunderte in der römisch-katholischen Kirche geltenden offiziellen Fassung, genannt Vulgata Clementina, wird Lateinisch ebenso selbstverständlich verwendet. So sagt Jesus während der Bergpredigt:

«Sic ergo vos orabitis» (So also werdet ihr beten; Matthäus 6,9) und das darauf folgende Gebet lautet: 

«Pater noster qui es in caelis.
Sanctificetur nomen tuum.
Adveniat regnum tuum.
Fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra.
Panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie
et dimitte nobis debita nostra sicut et
nos dimittimus debitoribus nostris.
Et ne nos inducas in tentationem
sed libera nos a malo. Amen.
»  (Matthäus 6,9-13) 

Statt «supersubstantialem» (in etwa «überlebensnotwendig») steht in anderen Versionen der Vulgata an dieser Stelle der Begriff «cotidianum» bzw. «quotidianum» (also «tägliches Brot», was den Reformierten wesentlich geläufiger sein dürfte).

Von den Himmeln bzw. dem Himmel ist im bekanntesten Gebet der Christenheit gleich zweifach die Rede. In der Ansprache des Höchsten (vgl. Zeile 1, Plural) sowie dort, wo der Wunsch geäussert wird, der Wille dieses Höchsten möge im Himmel (Singular) wie auf Erden geschehen (vgl. Zeile 4).

Mehrklassen- und Einheitsvorstellung sind also in einem der zentralsten Texte des Neuen Testaments friedlich vereint.

Heutige Zürcher Bibel kennt nur Einheitshimmel

Getreu der heutigen Vorstellung eines nichtkompartimentalisierten Himmels lautet die Fassung von Matthäus 6,9-13 nach der Zürcher Bibel (TVZ 2007): «9 So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. 11 Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute! 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben haben jenen, die an uns schuldig geworden sind. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.»

Mit diesem Bösen, von dem man erlöst werden soll und dem Amen, das bekanntlich in der Kirche ganz sicher ist, hat es – wie man oben gesehen hat – nicht sein Bewenden. Das Vaterunser kommt nicht allein. Es wird in der Liturgie regelmässig mit zwei Zusätzen versehen: einer Doxologie und einem Segen.

Doxologie, das Rühmen der Herrlichkeit Gottes

Der Begriff Doxologie leitet sich vom altgriechischen δόξα dóxa «Herrlichkeit» bzw. «Ehre» ab. Gemeint ist damit ein das Gebet abschliessendes feierliches Rühmen der Herrlichkeit Gottes.

Eines der Vorbilder für die Formel «Denn dein ist das Reich...» ist die Bibelstelle 1. Chronik 29,10-13 (Fassung der Zürcher Bibel, TVZ 2007):

«10 Und David lobte den HERRN vor den Augen der ganzen Versammlung, und David sprach: Gelobt seist du, HERR, Gott Israels, unseres Vaters, von Ewigkeit zu Ewigkeit! 11 Dein, HERR, ist die Grösse und die Macht und die Herrlichkeit und der Ruhm und die Hoheit. Denn alles im Himmel und auf Erden ist dein. Dein, HERR, ist das Reich, und du bist der, der erhaben ist über alles als Haupt. 12 Und Reichtum und Ehre kommen von dir, und du bist Herrscher über alles. Und in deiner Hand sind Stärke und Macht, und in deiner Hand liegt es, alles gross und stark zu machen. 13 Und nun, unser Gott, wir danken dir und preisen deinen herrlichen Namen.»

In der Wikipedia wird behauptet, die Doxologie der Protestanten sei aus der Didache entnommen, der sog. Zwölfapostel-Lehre (Διδαχὴ τῶν δώδεκα ἀποστόλων Didachḕ tõn dṓdeka apostólōn). Diese urchristliche Gemeindeordnung wurde jedoch erst 1873 wiederentdeckt. Die Doxologie muss also auf anderen Wegen in die Weiacher Tradition hineingekommen sein.

Aaronitischer Segen macht den Abschluss

Nach dem ersten Amen kommt in der Weiacher Fassung noch ein weiteres mit einem Amen abgeschlossenes Element hinzu: der sog. Aaronitische Segen (auch: Priestersegen, weil er vom Pfarrer über die Gemeinde gebracht wird). Dieser Text leitet sich aus 4. Mose 6,24-26 ab. Er soll von Martin Luther 1525 in den protestantischen Gottesdienst eingeführt und von Zwingli übernommen worden sein.

Fassung nach der Zürcher Bibel (TVZ 2007): «24 Der HERR segne dich und behüte dich. 25 Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. 26 Der HERR erhebe sein Angesicht zu dir und gebe dir Frieden.»

Nach dem, was ich aus Jugendzeiten noch im Gehör habe, lautete eine frühere Fassung des Verses 26 in der bei der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich üblichen Form: «erhebe sein Angesicht auf Dich und gebe Dir seinen Frieden

So ändern sich die Zeiten und Formeln. Die Botschaft aber bleibt.

Quelle und Literatur

  • Auszug aus: Weiherede Altes Schulhaus Weiach, gehalten am 24. November 1836 durch Pfr. Johann Heinrich Burkhard. Nach der Transkription von W. Zollinger, 1969. Vorabdruck aus Wiachiana Fontes Bd. 2.
  • Brandenberger, U.: Unser Vater, der du bist in den Himmeln! WeiachBlog Nr. 1354, 5. November 2017.

[Veröffentlicht am 18. Oktober 2024 um 16:42 MESZ]

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Leuchtendes Glas feiert ganzjährig Erntedank

Seit August 1981 erfreuen die farbigen Chorfenster der evangelisch-reformierten Kirche Weiach die Besucher. Gestiftet wurden sie von der Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach. Für die Gestaltung zeichnete Ruth von Fischer, Zürich verantwortlich. Die Herstellung von Glas und Fassung besorgte Albert Rajsek, Boswil.

In der unteren Hälfte des Ostfensters ist sozusagen ganzjährig Erntedankzeit. Man sieht dort reife Kornähren, saftige blaue Trauben, bunt gemischte Blumen (laut von Fischer sind es Malven) und ganz rechts ein Früchtesortiment von Bäumen und aus Hausgärten.

Auf den Skizzenblättern von Fischers, die in Schachteln im Gosteli-Archiv schlummern, sind die Entwürfe erhalten geblieben:


Im selben Dossier findet man auch eine offizielle Aufnahme der drei Fenster zur Einweihung (hier der entsprechende Ausschnitt):


Wie unterschiedlich die Farben je nach Tageslichtqualität aufleuchten, zeigt dieser Ausschnitt einer Aufnahme der Weycherin Johanna-Jessica OFS vom Juli 2018:


Quelle und Literatur
  • Dossier «Weiach Glasfenster 1981». Gosteli-Stiftung, Archiv Ruth von Fischer; Faszikel Weiach. Signatur: AGoF 605.11
  • Brandenberger, U.: Die Sprossenteilung schützt gegen das «Auslaufen» des Raumes. WeiachBlog Nr. 1446, 20. Dezember 2019.
  • Brandenberger, U.: Ruth von Fischer zur Entstehung der Weiacher Chorfenster. WeiachBlog Nr. 1447, 21. Dezember 2019.
  • Brandenberger, U.: Die profanen Hintergründe eines Kunstwerks. WeiachBlog Nr. 1448, 22. Dezember 2019.
[Veröffentlicht am 16. Oktober um 21:33 MESZ]

Montag, 30. September 2024

Unser Zuchtstier Bismarck wird prämiert, September 1924

«Noch bis in die 1860er Jahre waren die beiden Hauptrassen Braun- und Fleckvieh ziemlich getrennt. Während im Zürcher Oberland und in der Seegegend Braunvieh vorherrschte, hielten das Wehntal und die Bezirke Bülach, Winterthur und Andelfingen mehr Fleckvieh. Im Allgemeinen war der Viehstand aber buntscheckig, von allen möglichen Farben standen in demselben Stalle. Zuchtstiere hatte es viel zu wenig und zumeist minderwertige Ware. Man hielt das Vieh meist so lange, als es irgend möglich war.» (Der Freisinnige, 11. Oktober 1924)

Etwas mehr als ein halbes Jahrhundert später konnte man den Erfolg der Landwirtschaftlichen Vereine sowie grosser Züchter (Maggi-Gutsbetrieb Kemptthal, Kloster Einsiedeln, Strafanstalt Regensdorf, etc.) anlässlich verschiedener grösserer und kleinerer Viehschauen begutachten. 

Simmental rules!

Vor 100 Jahren war Weiach nicht zuletzt dank seiner Viehzuchtgenossenschaft (V.Z.G.) eine Fleckvieh-Gemeinde, die immer wieder Blutauffrischungen aus dem Bernbiet zugekauft hat. Dafür sorgte die 1909 gegründete V.Z.G. Weiach, die explizit den Zweck verfolgte, die «Simmenthaler Fleckviehrasse» voranzubringen (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 117).  

Im September 1924 wurde in Winterthur eine grosse kantonale Landwirtschaftsausstellung ausgerichtet. Aufgeführt wurden sowohl Braunvieh wie Fleckvieh, da beide Schläge im Zürichbiet ihre Anhänger hatten.

Die dort preisgekrönten Fleckvieh-Zuchtstiere trugen mehrheitlich traditionelle Männernamen wie Felix, Ferdi (Ferdinand), Franz (2x), Gerold, Hans/Hansli, Köbel (Jakob), Ruedi oder Sepp (Josef). Aber es gab auch ungewöhnlichere, wie Amor, Cyrus, Hektor, Mäder, Nero, Regent und Sultan. 

Bismarck und Hindenburg

Und wo wir schon bei mächtigen Männern sind, da konnten damals auch die Schwergewichte aus dem Deutschen Reich nicht fehlen: die Viehzuchtgenossenschaft Weiach führte ihren Stier «Bismarck» nach Winterthur und die Eglisauer VZG ihren «Hindenburg». Ob man in Grenznähe wohl auf Kundschaft aus dem Süddeutschen gehofft hat?

Jedenfalls hatten die Weycher und Eglisauer sich politische Schwergewichte ausgesucht: Otto von Bismarck (1815-1898), mit vollem Namen Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg. Und Paul von Hindenburg (1847–1934), mit vollem Namen Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, deutscher Generalfeldmarschall und Reichspräsident.

Und dann sind da noch unspektakulärere, aber schweizerischere Namen wie «Demokrat» (VZG Brütten) und «Egal» (was uns die VZG Weiningen damit wohl sagen wollte?).

NZZ, 30.9.1924

Hauptsache kräftige Namen

Bei den Braunvieh-Zuchtstieren waren ebenfalls Bezeichnungen Trumpf, die Macht, Kraft und Herrschaft transportieren:  Attilla, Goliath, Hauptmann, Herold, Herzog, König, Prinz (2x), Sultan und Zar (2x). Die ganz konventionellen Männernamen sind ebenso gut vertreten: Noldi (Arnold), Egon, Frank, Hans, Joggi (Jakob), Kilian, Leo (2x), Max oder Willi.

Für heutige Ohren eher ungewöhnlich: Apollo, Bur, Dingo, Ebro, Falk, Fink, Fino, Hektor, Jodler (2x), Landenberg, Lenz, Liliput, Luchs, Madi, Mozzo, Naranco, Nelson, Nolli, Nudri, Pius, Roggen, Vebo und Wallo. Ganz unerwartet auch Namen, die man eher bei Kühen erwarten würde: Fortuna oder gar Venus.

2024 sind laut der Tierverkehrsdatenbank des Bundes übrigens die nachstehenden zehn Namen für Stierkälber schweizweit am häufigsten (in dieser Reihenfolge): Max, Leo, Bruno, Anton, Sämi, Hans, Paul, Fritz, Sepp, Emil.

Jeder Rasse ihre eigenen Kategorien-Grenzen

Wer sich den Bildausschnitt oben etwas näher angesehen hat, wird ob der Kategorien schon etwas ins Grübeln kommen. Wo für Braunvieh-Zuchtstiere noch folgende nachvollziehbaren Grenzen galten:

geb. nach 28. Februar 1923  
geb. vor 1. März 1923 und nach 31. Juli 1922
geb. vor 1. August 1922 und nach 30. Sept. 1921
geb. vor 1. Oktober 1921

da war (laut NZZ) für Fleckvieh-Zuchtstiere etwas Unordnung zu verzeichnen:

geb. nach 31. Dezember 1922 [wäre nach 1. Juni 1923 korrekt?]
geb. vor 1. Juni 1923 und nach 31. Oktober 1923 [recte: 1922]
geb. vor 1. Nov. 1922 und nach 28. Febr. 1921
geb. vor 1. März 1921

Es handelt sich wohl um ein Versehen, ob des Autors oder der Schriftsetzer sei dahingestellt.

Quellen

[Veröffentlicht am 8. Oktober 2024 um 23:55 MESZ]