Donnerstag, 22. Februar 2018

Zivil-militärische Zusammenarbeit, Weiach Anno 1986

Zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) - bzw. im internationalen Civil-military cooperation (CIMIC) - ist die Nutzbarmachung von zivilen Ressourcen für die militärische Seite und vice versa. Es handelt sich um einen wichtigen Teil jeder militärischen Operation, jedenfalls dann, wenn Streitkräfte beabsichtigen, bei der Lokalbevölkerung in positiver Erinnerung zu bleiben. Es geht also um «winning hearts and minds».

Als das Land noch eine Armee war

All diese Begriffe waren den Schweizer Wehrmännern in den 80er-Jahren noch völlig unbekannt und doch wurde genau das praktiziert. Wer zu Zeiten der alten Armee 61 jung war erinnert sich mit Garantie an Soldaten auf dem Schulareal, die Militär-Biscuits oder gar -Schoggi verteilten. Was wenig verwunderlich ist, denn damals hatte die Schweiz nicht nur eine Armee, sie war in gewissem Sinne eine. Wie das?

Mehr als 10% aller im Land lebenden Personen waren auf die eine oder andere Weise in der Gesamtverteidigung eingebunden. Mehr oder weniger jeder männliche Schweizer zwischen 20 und 50, der einen Bleistift gerade halten konnte, war in der Schweizer Armee (damals noch offiziell Schweizerische Armee genannt) eingeteilt und sei es im Hilfsdienst. Oder halt im Zivilschutz. Und wer mit 50 von der Armee aus dem Landsturm entlassen wurde, der fasste noch für weitere 10 Jahre einen gelben Zivilschutzhelm.

Einquartierung auf dem Dorfe war Standard

Es hätte gar nicht genügend Waffenplätze und bundeseigene Unterkünfte gegeben für alle diese Einheiten, die regelmässig ihre Mobilmachungsübungen und Wiederholungskurse absolvierten. Deshalb gab es auch die Verpflichtung, gemeindeeigene Zivilschutzanlagen für die Armee zur Verfügung zu stellen. Kontaktperson für die Truppe war der Ortsquartiermeister.

Im Vorsommer 1986 war das Bewachungsdetachement 97 im Dienst und in Weiach einquartiert. Und man war seitens des Kommandanten und seiner Offiziere offenbar zufrieden, wie man dem nachstehenden Dankesschreiben vom 5. Juni 1986 entnehmen kann, das an «Gemeinderat und Bevölkerung von Weiach» gerichtet ist:


Der damalige Gemeindepräsident Mauro Lenisa, selber aktiver Offizier, hat das Schreiben tel quel in den «Mitteilungen für die Gemeinde Weiach», Ausgabe Juli 1986, auf S. 15 abdrucken lassen.

Wie man sieht, erlebte Weiach sozusagen das volle Programm einer solchen - mit älteren Wehrmännern bestückten - Territorialeinheit: Schiessausbildung in der Grube der Weiacher Kies AG und Bewachungsübung am Objekt Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl (vom Kommandanten schmeichelhafterweise als «Bahnhof Weiach» bezeichnet - ohne Nennung des Nachbarstädtchens).

Der Kontakt zur Zivilbevölkerung wurde insbesondere auch von den Subalternoffizieren und höheren Unteroffizieren des Bewachungsdetachements gepflegt. Die waren nämlich in den genannten Privatzimmern einquartiert.

Der Schreibende kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass diese Privatzimmer und die Gespräche mit den Gastgebern zu den angenehmsten und interessantesten Erlebnissen seiner 27 Jahre dauernden Offizierslaufbahn gehören.

[Veröffentlicht am 4. März 2019 um 21:30 MEZ]

Freitag, 2. Februar 2018

Wie alt ist die erste deutschsprachige Urkunde mit Weiach-Bezug?

Um es vorwegzunehmen, die «Weinbau-Urkunde» von 1309 ist es nicht (die habe ich übrigens freihändig so benannt, weil es darin u.a. um einen «aker heisset der alte Wingarte» geht; vgl. Wie das Kloster Oetenbach in Weiach zu Grundbesitz kam, WeiachBlog Nr. 1309). Sie gehört aber mit zu den ältesten noch erhaltenen Dokumenten über Weiacher Belange, die in deutscher Sprache verfasst wurden.

Die älteste erhaltene Nennung des Ortsnamens Wiach von 1271 in einem Einnahmenverzeichnis der Zürcher Fraumünsterabtei und auch Urkunden aus den Jahren 1279, 1281 sowie einer von 1295, die den Übergang der niederen Gerichtsbarkeit in den Besitz des Bischofs von Konstanz besiegelt, sind alle noch in lateinischer Sprache abgefasst.

Um die im Titel gestellte Frage zu beantworten, wird hauptsächlich auf das Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH) abgestellt - darin sind die obgenannten Dokumente erfasst. Zwar ist dort nicht immer der volle Wortlaut abgedruckt, aber auch über das Regest (die Zusammenfassung der relevanten Inhalte) kann oft auf die Sprache geschlossen werden. Denn wo im Regest Latein vorkommt, da muss davon ausgegangen werden, dass auch das Original in dieser traditionellen Kanzleisprache verfasst wurde.

Abzuklären ist also für eine Reihe von Zweifelsfällen: Latein oder Deutsch? Und dies insbesondere bei Nachträgen in den späteren Bänden des UBZH, die meist nur Kurzregeste enthalten.

Eine Urkunde des Johanniterhauses Leuggern von 1276?

In UBZH Bd. 12, S. 143 ist mit Nr. 2365a ein Dokument vom 2. Februar 1296 aufgenommen worden. «Unter den Zeugen» heisst es im Regest zu dieser Verkaufsurkunde, sei ein «Konrad von Weiach» gewesen. Die dazugegebene Fussnote 3 lautet: «Konrad von Weiach (Wiiach) kommt schon 1276 vor Sept. 24 als Zeuge in einer Urk. des Johanniterhauses Leuggern vor (Staats-A. Aargau, Leuggern nr. 36).»

Leuggern liegt im Bezirk Zurzach an der Einmündung der Reuss in den Rhein. «Die Johanniter teilten ihren neu erworbenen Besitz zunächst der Kommende Bubikon im Zürcher Oberland zu. 1250 erfolgte die Gründung der Kommende Leuggern», steht dazu im Wikipedia-Artikel Leuggern (Stand: 10.9.2016).

Die Urkunde «Leuggern nr. 36» trägt heute die Signatur «StAAG U.21/0036». Gemäss persönlicher Mitteilung von Sarah Biäsch vom Staatsarchiv des Kantons Aargau (e-mail vom 18.1.2018) ist dieses Dokument in lateinischer Sprache verfasst, wie man auch am handschriftlichen Regest des Aargauer Staatsarchivs aus dem 19. Jahrhundert sehen kann.



Die Winzeln-Urkunde von 1295?

Im Anhang «Freiherren von Winzeln?» zitiert Walter Zollinger 1972 in seinem blauen Büchlein «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» aus UBZH Nr. 2365a:

«Und unterm 20. Dezember 1295 finde ich folgende Notiz: «Peter von Winzeln (Petrus de Winzelon), Bürger von Waldshut, verkauft mit Willen seines Sohnes Peter und seiner Kinder, seinen Leibeigenen Konrad Sohn Ulrichs von Vogelsang um 5 Pfund dem Deutschordenshaus Beuggen.»»

Was dieses Dokument mit Weiach zu tun hat, erläutert Fussnote 2, wo die Bearbeiter des Urkundenbuchs schreiben: «Jedenfalls vom Winzelnhof bei Weiach, worauf auch der Zeuge Konrad von Weiach deutet. Vgl. Bd. II nr. 527 u. 748 u. Berichtigung dazu u. nr. 660a. Peter von Winzeln hat kein eigenes Siegel und siegelt daher mit dem der Bürgerschaft von Waldshut.»

Beuggen gehört heute zur süddeutschen Stadt Rheinfelden (Baden), vgl. den Wikipedia-Artikel Schloss Beuggen. Weiter siehe Boxler, Horst: Die Herren von Winzeln als Waldshuter Bürger. In: Land zwischen Hochrhein und Südschwarzwald, Bd. 1 (1994) - S. 68-75.

Achtung: Falsche Datierung und weitere Fehler

Bei dieser Winzeln-Urkunde ist Zollinger (und möglicherweise bereits derjenige, der aus dem UBZH exzerpiert hat) aufgrund unglücklicher Typographie einem Irrtum erlegen. Und zwar aufgrund der impliziten Annahme, ein fett gedrucktes Datum müsse sich auf den unten folgenden Text beziehen (daher auch die Formulierung «Und unterm 20. Dezember 1295 finde ich»). Dem ist jedoch im UBZH nicht so. Der Eintrag 1295 Dezember 20 gehört zum gleich obendran abgedruckten Regest, korrekt ist mithin 1296 Februar 2:

Nr. 2365a
Peter von Winzeln [Fn-2] (Petrus de Winzelon, domicellus), Bürger von Waldshut, verkauft mit Willen seines Sohnes Peter und seiner andern Kinder seinen Leibeigenen Konrad, Sohn Ulrichs von Vogelsang, um 5 [Pfundzeichen] dem Deutschordenshaus Beuggen. Unter den Zeugen: Konrad von Weiach [Fn-3].
1296 Februar 2

Aufgrund des Einschub von Namen und Funktion des Verkäufers im Regest (der so im Original stehen dürfte) ist davon auszugehen, dass auch der Rest der Urkunde in Latein verfasst ist.

Zu beachten ist übrigens auch die von Zollinger aufgrund der Auslassung des Wortes «andern» gemachte Bedeutungsverschiebung. Die im Original-Regest genannten Kinder wären die Geschwister des Sohnes Peter. Bei Zollinger wird aber der Eindruck erweckt, bei diesen Kindern handle es sich um die des Sohnes, also die Enkel von Peter senior.

Bleibt nur noch UBZH 2439a von 1298!

Der letzte zu prüfende Zweifelsfall ist ein ebenfalls in Nachtragsbänden des UBZH (Bd. XII, 147) unter Nr. 2439a aufgeführtes Regest. Es datiert auf den 13. April 1298. Seine Ausstellung in Klingnau wird als unsicher ausgewiesen. Der entscheidende Satz aus diesem Dokument stammt (wie im Winzeln-Fall) aus der Liste der anwesenden Zeugen:

«Die das sahent und hortent, das was […], C. von Wiach, […]»

Ob es sich nun bei diesem C. von Wiach um den bereits 1276 und 1296 erwähnten Konrad von Weiach gehandelt hat, soll hier nicht weiter erörtert werden.

Fakt ist: Diese Urkunde mit Regest UBZH Nr. 2439a ist wohl die älteste in deutscher Sprache in der Wiach als Ortsname vorkommt! Und die einzige, die noch aus dem 13. Jahrhundert stammt.

[Veröffentlicht am 3. März 2019 um 13:30 MEZ]