Freitag, 30. September 2016

Septemberwetter 1966: durchwegs 2 bis 5 °C über Vorjahreszahlen

Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten stellte Walter Zollinger in der Weiacher Jahreschronik 1966 die Temperatur-Daten an den Beginn seines September-Eintrags. Mit gutem Grund. Die Zahlen zeigen Erfreuliches:

«Höchsttemperaturen morgens 17° (1x 18°), mittags 25° (1x 26°), abends 20°
Tiefsttemperaturen morgens 7° (1x 5°), mittags 14° (1x 13°), abends 11° (1x 10°).

Der September hat also, was die Wärme anbetrifft, noch ordentlich nachgeholt; er steht durchwegs 2° bis 5° über den letztjährigen Zahlen. Im Speziellen gab es zehn ganz schöne Tage, dazu sechs je schöne Nachmittage und Abende. An dreizehn Vormittagen lag Nebel, dann waren je vier Vor- und Nachmittage bewölkt und ebensoviele bedeckt durch Hochnebel, leichte Regen oder Schauer fielen nur sieben Mal während des ganzen Monates; hingegen wehten immer wieder ordentlich kühle Winde, meist morgens und abends. - Gegen Ende des Monats werden die ersten Direktträger gewümmt und das Obst pflücken hat schon um den 20. September herum "bäumig" begonnen.
»

Kein Vergleich zum September 1965, als man auf den Oktober hoffen musste. Für mehr Wärme und sonnigere Tage zum besseren Ausreifen.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1966 – S. 6-7. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1966].

[Veröffentlicht am 14. Dezember 2017 um 19:11 MEZ]

Mittwoch, 28. September 2016

Zuerst war nur das Erdgeschoss als Museum vorgesehen

Details zur Entstehung und frühen Geschichte des Ortsmuseums Weiach findet man auch in den Jahreschroniken von Walter Zollinger. In der Jahreschronik 1966 gibt es einen Eintrag zur Gemeindeversammlung vom 28. September 1966, also von heute vor 50 Jahren:

«Genehmigung des mit den Erben der Frl. Luise Liebert abgeschlossenen Kaufvertrages über den Erwerb des Wohnhauses Vers.-Nr. 297 mit 418 m2 Hofraum, Gemüse- und Baumgarten im Oberdorf. Erteilung des erforderlichen Kredites von Fr. 30'000.-- f. d. Kaufpreis.» (G-Ch Weiach 1966, S. 12).

Mit diesem Kauf war der Grundstein für das Ortsmuseum gelegt. Unter der Rubrik «Volkskunde/Kulturelles» gibt Zollinger seiner Freude über diesen Erfolg Ausdruck:

«Unter dieser Rubrik kann aber auch die erfreuliche Tatsache gemeldet werden, dass nun ein lang gehegter Wunsch, besser ein Plan des Berichterstatters endlich in Erfüllung zu gehen scheint: Nachdem die Gemeindeversammlung (siehe dort) dem Kauf des Liebert-Hauses im Oberdorf mehrheitlich zugestimmt hatte, wurde vom Gemeinderat alsbald darauf eine "Ortsmuseums-Kommission" gewählt und derselben vorläufig die untern Wohnräume (Stube, Schlafzimmer, Küche, Küchenkammer) für die Einrichtung des Ortsmuseums zur Verfügung gegeben. Was mit den obern vier Räumen geschehen soll, ob Ausbau zu einer Wohnung oder ebenfalls zu Museumsräumen, soll später gemeinsam durch Gemeinderat und Kommission beraten und ein entsprechender Antrag vor eine weitere Gemeindeversammlung gebracht werden. Die Kommission, ihre Zusammensetzung ist im Anhang ersichtlich, ging jetzt daran, die oben erwähnten Räume nach und nach, meist "eigenhändig", durch Frondienste in den gewünschten Stand zu stellen und an die Bevölkerung zu appellieren, passende Gegenstände bereit zu halten. Dies alles erfordert selbstverständlich seine Zeit, sodass mit der endgültigen Eröffnung erst in einem spätern Jahr gerechnet werden darf. Aber immerhin, die Entstehung eines Ortsmuseums Weiach ist damit gesichert; dessen freut sich der Unterzeichnete mächtig.»

Nach obiger Mitteilung hat Zollinger dieses Bild eingeklebt:


Hinweis vom 12.12.2017

Der oben erwähnte Anhang (mit Zusammensetzung der Kommission) ist unter dem 1. Februar 2017 als WeiachBlog Nr. 1336 publiziert.

Quellen
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1966 – S. 26. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1966; abgeschlossen im August 1967].
  • Brandenberger, U.: Wie Weiach zu einem Ortsmuseum kam. WeiachBlog Nr. 653 vom 27. September 2008

[Veröffentlicht am 12. Dezember 2017 um 00:55 MEZ]

Sonntag, 25. September 2016

Unterirdisch tiefe Stimmbeteiligung in Weiach

Am heutigen Abstimmungssonntag liegen die Abstimmenden der Gemeinde Weiach für einmal voll im Mainstream. Jedenfalls was ihre Voten zu den Vorlagen betrifft. Das eigentlich Interessante sind nicht die Resultate (Pro Nachrichtendienstgesetz und Contra alle anderen Vorlagen), nein, das ist die Stimmbeteiligung.

Man muss es einfach einmal festhalten: Nur die Auslandschweizer/-innen mit Bürgerort im Kanton Zürich, sowie die Gemeinden Oberglatt, Opfikon, Kloten und Schlieren weisen noch tiefere Beteiligungen auf. Und verhindern, dass Weiach als Schlusslaterne dasteht.

Lediglich 324 der 957 in Weiach Stimmberechtigten (knapp über ein Drittel) haben entweder ihr Couvert eingereicht oder am Abstimmungstag selber die Zettel eingeworfen. Der Rest glänzt durch Desinteresse, demonstrative Stimmabstinenz, Läck-mer-doch oder was auch immer.

Braucht es da noch etliche Bundesfeier-Appelle im Stile von Béatrice Wertli (vgl. WeiachBlog Nr. 1291) - oder sind die Weiacher einfach strukturell stimmfaul? Bleibt nur noch die Frage: Waren die Beteiligungswerte schon immer so tief?

Nachtrag vom 26.9.2016

Wie heute von alt Gemeindeschreiber Hans Meier zu erfahren war sei die Stimmbeteiligung in früheren Zeiten nicht so schlecht gewesen, dass sich Weiach auf den hintersten Rängen der Wahlkreise im Kanton Zürich habe finden lassen.

Samstag, 24. September 2016

Warum verlor Habsburg-Laufenburg 1313 den Zürichgau?

Die nachstehende, ziemlich ausführlich geratene Abhandlung erläutert die Verhältnisse des Hochgerichts (also der späteren Landesherrschaft, welche die heutigen Kantons- und Landesgrenzen bestimmt). Sie gibt Auskunft über die Hintergründe, die in der alten Landgrafschaft Zürichgau liegen und mit den Machtverhältnissen zwischen den beiden Linien des Hauses Habsburg zu tun haben.

Ab der Ausgabe September 2016 der Monographie «Weiach. Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes» (4., überarbeitete Auflage von Walter Zollingers «Weiach. 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach») ist unter dem Titel «Von Gerichtsbarkeiten, von Zehnten und anderen Abgaben» zum Thema Hochgerichtsbarkeit festgehalten:

«Die Ausübung derselben lag bei uns ab 1173 in den Händen der Grafen von Kyburg, nach deren Aussterben im Mannesstamme 1264 bei den Habsburgern, ab 1424 mit der pfandweisen Übernahme der Grafschaft Kyburg bei der Stadt Zürich».

Zollinger und Kläui

Mit dieser Formulierung wird die noch aus der 1. Auflage Zollingers von 1972 stammende Frage umschifft, welchem Zweig der Habsburger für das Gebiet von Weiach die Hochgerichtsbarkeit zustand – der älteren Linie Habsburg-Österreich oder der jüngeren Linie Habsburg-Laufenburg. Der damalige Wortlaut:

«Die hohe Gerichtsbarkeit umfasste die Beurteilung schwerer Vergehen: Frevel, Diebstahl, Mord und dergleichen; Verbrechen also, für welche sogar die Todesstrafe, das sogenannte Blutgericht als Sühne drohte. Die Ausübung derselben lag bei uns vornehmlich in Händen der Grafen von Habsburg-Laufenburg, später ab 1313 der Grafschaft Kyburg, zeitweise wenigstens zur Hälfte auch des Bischofs von Konstanz, ab 1424 dann bei der Stadt Zürich [Anm-27].»

Bis auf den Satzteil «zeitweise wenigstens zur Hälfte auch des Bischofs von Konstanz» stimmt das auch aus heutiger Sicht. Der Bischof von Konstanz hatte in Weiach nach aktuellem Stand der Forschung nie hochgerichtliche Rechte inne, sondern lediglich niedergerichtliche. Der Irrtum ist wohl aufgrund einer Falschinterpretation von Angaben Paul Kläuis in Aargauer Urkunden XIII, S. 12 entstanden. Was die 1295 vom Fürstbischof erworbene Niedergerichtsbarkeit betrifft gab es diese Hälfte sehr wohl. Und zwar ab 1450 als die Heggenzer vom Fürstbistum eine Hälfte übernahmen, bis 1605, als die Herren von Landsberg (Erben der Heggenzer) ihre Hälfte des Niedergerichts Weiach ans Fürstbistum zurückverkauften. Ab da war der Fürstbischof wieder im Besitz der vollen Rechte.

Zurück zur Hochgerichtsbarkeit. Die oben referenzierte Anmerkung 27 lautet: «Aargauer Urkundenbuch, Band XIII, Seiten 10 und 12». Sie zeigt, dass sich Zollinger zumindest teilweise direkt auf Kläui stützte. Hier die diesbezügliche Passage auf S. 10: «In bezug auf das Blutgericht gehörte Kaiserstuhl anfãnglich zur Landgrafschaft Zürichgau, die unter den Grafen von Habsburg-Laufenburg stand und 1313 an Habsburg-Österreich überging.»

Die von Zollinger erwähnte Grafschaft Kyburg war eine territoriale Konsolidierung von Besitztümern der Linie Habsburg-Österreich, die sich aus dem Kiburger-Erbe und früheren Besitzansprüchen zusammensetzte und einer einheitlichen Verwaltung unterstellt wurde. Die Grafschaft wurde im ausgehenden 14. Jahrhundert mehrfach verkauft und verpfändet (u.a. an die Grafen von Toggenburg), 1424 an die Stadt Zürich, zwischenzeitlich ging sie im Alten Zürichkrieg 1442 ohne das Neuamt (zu dem Weiach gehörte) wieder an Habsburg-Österreich zurück, das es 1452 erneut an Zürich verpfändet. Beim Zürcher Stadtstaat blieb sie bis heute.

Treffen die von Kläui erwähnten Verhältnisse von Kaiserstuhl auch für Weiach zu? Auf die Frage nach der Zugehörigkeit zum Zürichgau gehen wir weiter unten ein. Zunächst interessiert der Übergang von 1313.

Nachwirkungen des Kiburger-Erbes

Das Jahr 1313 stellt also bezüglich Hochgerichtsbarkeit eine Zäsur dar. Die Frage ist nur, von welcher Art diese war. Das von Zollinger verwendete Wort «vornehmlich» zeigt das Problem auf. Wenn man nämlich in der Fachliteratur nachsieht, dann gibt es Hinweise dafür, dass das Blutgericht für das Gebiet von Weiach tatsächlich nicht zwingend der Linie Habsburg-Laufenburg zustand, welche 1232/39 entstanden war. Aber auch mit Beweisen untermauerte Gegenpositionen, die genau die Auffassung Kläuis stützen.

Bruno Meyer stellt 1948 in seinem Aufsatz über das Verhältnis von Habsburg-Laufenburg und Habsburg-Österreich im Zusammenhang mit der 1273 erfolgten Heirat von Anna, der Tochter des 1264 verstorbenen letzten Kiburgers, mit Eberhard von Habsburg-Laufenburg fest:

«Bemerkenswert ist, daß alle diese [im Zusammenhang mit der Heirat vorgenommenen] ganz verschiedenen, jedoch miteinander verbundenen Handlungen deutlich dem einen Gedanken folgen, die Bildung geschlossener Herrschaften zu ermöglichen. Dieser steht in vollem Gegensatz zur Leitidee bei der Ausscheidung von 1232/39, denn damals wurde zur Sicherung des Familienerbes bewußt so geteilt, daß die Rechte übereinandergriffen.» (S. 324)

Grafentitel wichtig für die Legitimation

Die alten Gaue des Frühmittelalters hatten im 13. Jahrhundert faktisch stark an Bedeutung verloren, die althergebrachten Gaugrafen-Titel aber, an denen die Hochgerichtsrechte letztlich hingen, waren dennoch von beträchtlichem Wert.

Das galt vor allem für den Titel Graf im Zürichgau, weil der Zürichgau reichsunmittelbar war und daher die Stellung der Habsburger als Reichsfürsten stützte. Vgl. dazu Meyer 1948, S. 329:

«Das rechtlich, jedoch nicht räumlich verbindende Element war die Grafschaft im nördlichen Zürichgau, mitten im Bereich der älteren Linie, die allen Gliedern der Familie als reichsunmittelbare Grafschaft den Rang bestimmte. [Fn-40]»

Genau deshalb legte die im Wettbewerb mit dem erfolgreicheren Habsburg-Österreich stehende Laufenburger-Linie auf die explizite Nennung ihres Titel eines Grafen im Zürichgau in diversen Urkunden, die sie kraft dieses Amtes besiegeln durften, auch so grossen Wert. Hätten sie dieses Recht auf den Grafentitel nicht unbestrittenermassen gehabt, dann hätte die mächtige Österreich-Linie dies wohl kaum akzeptiert und ihnen 1313 dieses Recht nicht auch noch abgekauft.

Gehörte Weiach zum Zürichgau?

Konsultiert man nur Lexika, dann kommt man zum Schluss, dass der Zürichgau vor allem südlich der Stadt Zürich, nicht aber nördlich gegen den Rhein gelegen habe. Gemäss Historischem Lexikon der Schweiz, Artikel «Zürichgau» gehörte die Nordwestecke des heutigen Kantons Zürich nicht zum Zürichgau:

«Frühma. Bezeichnung für die südlich und östlich des namengebenden röm. Kastellorts Zürich gelegene Landschaft, die etwa von Uznach bis in die Nähe von Winterthur reichte. […] Im späten 10. Jh. sind die Nellenburger und von 1077 bis zu ihrem Aussterben 1172 die Lenzburger als Landgrafen des Zürichgaus bezeugt. Der Teil westlich der Limmat und des Zürichsees gelangte an die Habsburger, der östliche zunächst an die Kyburger, bevor er im 13. Jh. mit der Landgrafschaft Thurgau vereint wurde.»

Anders sieht das der Verfasser des Artikel «Thurgau» im selben Lexikon, wo in der Einleitung auch Gebiete westlich Winterthur als zum Zürichgau gehörig angesprochen werden:

«Quellen aus dem 8. Jh. verwenden die Bezeichnung Thurgau für ein Gebiet, das im Norden von Bodensee und Rhein, im Westen von der Reuss und im Süden und Osten durch eine Linie begrenzt war, die ungefähr vom Gotthard über den Glärnisch bis zum Hörnli und von dort über den Säntis bis zum Bodensee verlief. Im 9. Jh. bezeichnete der Name Thurgau in etwa das Gebiet zwischen Winterthur, Toggenburg, Alpstein, Bodensee und Rhein, während die westlich von Winterthur gelegenen Gebiete jetzt offenbar dem Zürichgau zugeordnet wurden.»

Der Zürichgau wurde also später wieder Teil des Thurgau. Dazu hatte Weiach schon im Frühmittelalter gehört. Aber zum Zürichgau?

Für die Zugehörigkeit zum Zürichgau – zumindest zur Zeit als die Habsburger sich Grafen im Zürichgau nennen durften – liefert Paul Blumer 1916 eine fundierte Erklärung ab:

«Meine Auffassung wird (…) durch eine Reihe positiver Hinweise auf eine landgräfliche Stellung der Habsburger und speziell der jüngeren Linie auch im nordwestlichen Zürichgau [gestützt]. Zunächst der deutliche Wortlaut der Stelle in der Chronik des Otto von St. Blasien. Dieses Kloster lag dem Zürichgau ziemlich nahe, hatte auch Besitzungen hier und im anstossenden Thurgau, u. a. in letzterem nahe der Zürichgaugrenze das Dorf Lufingen. Ein Übergang des nordwestlichen Zürichgauteiles an die damaligen Thurgaugrafen, die Grafen von Kiburg, wäre Otto deshalb gewiss nicht unbekannt gewesen; seine Ausdrucksweise, die davon nichts, vielmehr den Übergang des ganzen Zürichgaues an Habsburg besagt, wäre also ganz unverständlich. Entspricht aber Ottos Bericht den Tatsachen, so ist wohl kein Zweifel, dass auch dieser Teil des Zürichgaues bei der Bruderteilung anno 1232 an Rudolf den Alten [Anm. WeiachBlog: auch «der Schweigsame» genannt], den Begründer der Laufenburger Linie, gekommen ist. Dafür finden sich denn auch ganz bestimmte Zeugnisse. Sie datieren alle aus der Zeit nach dem Aussterben der Kiburger [nach 1264], so dass auch die Annahme ausgeschlossen ist, der nordwestliche Zürichgauteil sei deswegen im Besitze der älteren Linie gestanden, weil er ihr bei der Bruderteilung zugefallen sei.» (Blumer S. 159)

Und weiter hinten in derselben Rezension, welche die Erkenntnisse Carl Speidels zum Zürichgau zerpflückt, zeigt sich Blumer überzeugt: «so gehen wir sicherlich nicht fehl, wenn wir daraus [diverse von ihm als Beweise angeführte Urkunden] nicht nur schliessen, dass die Landgrafschaft der Grafen von Habsburg-Laufenburg sich auch über den nordwestlichen Zürichgau (in welchem Niederweningen, Schöfflisdorf und Regensberg gelegen waren) erstreckt habe.» (S. 162).

Das Wehntal gehörte also damals zum Zürichgau. Noch etwas weiter hinten führt Blumer dann seine Auffassung von den Grenzen des Zürichgaus zur Zeit der Habsburger an:
«Man sieht also, dass im Gegensatz zur Annahme Speidels und zur früher herrschenden Ansicht der Bericht Ottos von St. Blasien volles Vertrauen verdient, dass die Landgrafschaft bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts in den Händen der Habsburger, speziell des Laufenburger Zweiges blieb, und dass ein Mann aus diesem Zweige [Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg] bis zuletzt bei Zürich Landgericht abhielt und seine landgräfliche Gewalt anerkanntermassen auch über das Gebiet zwischen Limmat, Aare, Rhein und Allmannkette ausübte.» (S. 165)

Als Allmann-Kette bezeichnete u.a. Johannes Stumpf 1547 diejenige Berg- und Hügelformation, welche die Wasserscheide zwischen Töss und Glatt bildet (vgl. den Wikipedia-Artikel Allmen mit Quellenangaben). Also eine Linie vom Bachtel bis in die Gegend zwischen Rheinsfelden und Tössriedern. Folgt man dieser nicht weiter untermauerten Auffassung Blumers, dann gehören Weiach und Kaiserstuhl tatsächlich zum Zürichgau.

Nach dem Übergang der Rechte am Zürichgau an die Österreich-Linie verlor der Titel an Gewicht. Wieder Blumer: «Nach 1313 begegnet der Name und Begriff Zürichgau nur noch im Rahmen der Kirchen- oder aber der klösterlichen Gutsverwaltung, nachdem im 14. Jahrhundert durch das Verschwinden der für den ganzen Zürichgau zuständigen «Landtage» und die Angliederung der einzelnen Gebietsteile an die Landgrafschaften im Aargau und Thurgau, nach praktischen Ueberlegungen der gemeinsamen Herren, die Landgrafschaft Zürichgau als jurisdiktionelle und administrative Einheit gänzlich zerfallen war.» (S. 170)

Hochgerichtsbarkeit vor 1313 bei Habsburg-Laufenburg oder Habsburg-Österreich?

Nun gibt es aber auch noch die Gegenposition zu Blumer. Was die von Meyer im Abschnitt «Nachwirkungen des Kiburger-Erbes» erwähnten Handlungen waren, erläutert Georg von Wyss (ADB, 1879):

Eberhard, ein Sohn des Linienbegründers, Rudolfs (des Schweigsamen) von Habsburg-Laufenburg, «wurde im Frühjahr 1273 Gemahl der jungen Gräfin Anna von Kiburg und dadurch Besitzer der kiburgischen Herrschaften im Aargau und in den burgundischen Landschaften zwischen der Aare und dem Jura, überließ aber bei diesem Anlasse käuflich an Graf Rudolf, den nachmaligen König, alle kiburgischen Besitzungen im untern Aargau und die habsburg-laufenburgischen Güter und Rechte in Schwyz und Unterwalden.»

Aus diesem Übergang der kiburgischen Güter im untern Aargau kann man nun schliessen, dass das Gebiet von Weiach schon ab 1273 faktisch unter der Kontrolle der Linie Habsburg-Österreich stand. Das ändert aber nichts am Umstand, dass sich die Laufenburger-Linie als Grafen im Zürichgau sahen (und dessen oben skizzierte Grenzen und auch die Verwendung des Titels durch die Laufenburg-Linie scheint die Österreich-Linie zumindest anfangs des 14. Jahrhunderts nicht bestritten zu haben).

Im Streit um die Weiacher Güter des verstorbenen Rudolf von Kloten wurde im Jahre 1309 Graf Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg von beiden Streitparteien zum Vorsitzenden des Schiedsgerichts ernannt (vgl. WeiachBlog Nr. 1310). Graf Rudolf, der sich mit der älteren Linie Habsburg-Österreich wieder vertrug (nachdem er ein paar Jahre zuvor noch auf der Seite von deren Gegnern um die Königswürde gegen sie gekämpft hatte) liess sich daher ab 1305 als Graf im Zürichgau bezeichnen.

Der Handel von 1313

Die Ereignisse, die die definitive Machtübernahme der Linie Habsburg-Österreich als Inhaber der Hochgerichtsbarkeit markieren, werden von Blumer wie folgt beschrieben:

«Im Jahre 1313 versprachen sie [die Herzöge von Habsburg-Österreich] den Grafen von Habsburg-Kiburg die Belehnung mit der Landgrafschaft Burgund und im folgenden Jahre wurden die Vettern auf diesem Wege ihre Lehensmannen und verpflichteten sich ihnen ausserdem zu Kriegsdiensten und allerlei Vergünstigungen. In der Verleihung der Landgrafschaft Burgund darf aber hauptsächlich die Entschädigung für den Verzicht auf Erbansprüche an der Landgrafschaft Zürichgau gesehen werden, welche gleichzeitig eine Anerkennung des Bestehens solcher Ansprüche in sich schloss. Wie sie sich mit dem Zweige der Grafen von Habsburg-Rapperswil, deren Stammvater Rudolf sich » - wie wir in WeiachBlog Nr. 1310 gesehen haben - «noch im Jahre 1305 Landgraf im Zürichgau nannte und 1310 noch als solcher amtete, auseinandergesetzt haben mögen, verschweigen uns leider die Quellen. Vielleicht war die Belehnung mit der Landgrafschaft im Klettgau hier die Abfindung.» (S. 164)

Nach wie vor offene Fragen

Meyer 1948 vertritt in Fussnote 40 seines Aufsatzes über die beiden Habsburger-Linien dennoch die Auffassung, dass es mit den Hochgerichtsrechten der Laufenburg-Linie nicht so weit her gewesen sei:

«Die Landgrafschaft im Zürichgau ist bis zu deren Übergang an die ältere Linie im Jahre 1313 (s. hinten) verhältnismäßig selten erwähnt. (...) Die Rechte der Landgrafschaft dürften sehr gering gewesen sein. Ein Teil davon muß schon vor der Aufzeichnung des habsburgischen Urbars [d.h. um ca. 1300] an die ältere Linie übergegangen sein, wie sich deutlich daraus ergibt, daß sie dieses als Rechte «von der grafschaft wegen von Habsburg» anführt (Habsburg. Urbar I, S. 116 ff.).»

War Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg also 1310 noch Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit in Weiach? Nominal offenbar schon. Und das hatte in der jüngeren Linie seit Anbeginn (also der Linientrennung 1232/39) Tradition. Denn folgt man Georg von Wyss in der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) von 1879, so hat «Graf Rudolf der Schweigsame», der Begründer der jüngeren Linie «aus dem väterlichen Erbe Laufenburg, Burg und Stadt, die Landgraffschaft im Zürichgau, die habsburgischen Güter in Sempach, Schwyz, Sarnen, Stans und Buochs, die Landgrafschaft im Klettgau» und weitere Güter erhalten.

Hat die Laufenburger-Linie also irgendwann nach 1240 die Landgrafschaft Klettgau verloren? Oder war ihre Belehnung mit dem Klettgau im Jahre 1313 bloss eine Bestätigung bereits bestehender Rechte?

Quellen
  • Trösch, Erich: Thurgau. In: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7393.php; Stand: 22.5.2017 – Einleitung.
  • Erhart, Peter: Zürichgau. In: Historisches Lexikon der Schweiz, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8573.php; Stand: 28.2.2014.
  • Höber, Hilmar: 700 Jahre Weiach. In: Neue Zürcher Zeitung, Freitag, 15. Oktober 1971, Mittagausgabe Nr. 481 – S. 21. (zit. n. WeiachBlog Nr. 453 vom 11. Mai 2007).
  • Kläui, Paul: Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden Bd. XIII, Aarau 1955.
  • Meyer, Bruno: Habsburg-Laufenburg und Habsburg-Österreich. In: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 28 (1948), S. 310–343 (doi:10.5169/seals-76876).
  • Blumer, Paul: Beiträge zur Geschichte des Zürichgaus. In: Anzeiger für schweizerische Geschichte, Band 14, Heft 3, 1916. [Besprechung der namensgleichen Dissertation von Carl Speidel, Zug 1914]
  • von Wyss, Georg: Artikel Habsburg-Laufenburg, Graf Rudolf v. In: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 284–288, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Habsburg-Laufenburg,_von&oldid=3071110 (Version vom 12. Dezember 2017, 17:47 Uhr UTC)

[Veröffentlicht am 13. Dezember 2017 um 21:00 MEZ]

Sonntag, 18. September 2016

Waldwirtschaft im Wandel der Zeit

Wer heute die Ausstellung im Ortsmuseum Weiach verpasst hat, der hat am kommenden Sonntag nochmals die Gelegenheit am Müliweg 1 vorbeizuschauen. Es lohnt sich!

Denn die kuratierende Ortsmuseumskommission bringt jedes Jahr ein Thema aufs Tapet, das für die Vergangenheit der Gemeinde von Bedeutung war - und es im diesjährigen Fall auch für die Gegenwart ist: die Bewirtschaftung der Waldflächen nämlich.


Bereits im Jahre 1567 erhielt Weiach eine Holzordnung, erlassen von den Obrigkeiten zu Zürich um den Bestand und die Qualität des Waldes zu erhalten. Diese holzigen Rechtsvorschriften wurden 1596 Teil der ersten Gemeindeordnung (vgl. WeiachBlog Nr. 879).

Ein passenderes Thema könnte man für Weiach kaum wählen. Denn 461 ha, also fast die Hälfte des Gemeindegebiets von 9.57 Quadratkilometern, sind private und öffentliche Waldungen.

Förster hatten früher viele Gegner

Ein grosser Anteil dieser Flächen ist in Gemeindebesitz, was auch die fixe Anstellung eines Försters im Vollpensum rechtfertigt. Alexander Good ist zwar nebenbei auch noch Gemeindepolizist - aber im Hauptamt eben doch ein «Hölziger».

Die Amtsvorgänger Goods waren teilweise derart unbeliebt bei den Weiachern, dass sie tätliche Angriffe befürchten mussten und einige Förster daher von der Obrigkeit das Recht erhielten sich zu bewaffnen.

Aber davon wird in der Ausstellung wohl kaum die Rede sein. Es gibt ja auch noch handfeste Objekte aus der alten Zeit, wo man den Bäumen noch ohne Motorsägen und Holzvollernter zu Leibe gerückt ist.

Sonntag, 11. September 2016

Die ersten «Gvätterlischüler»

An diesem Wochenende vor genau 50 Jahren wurde der erste Weiacher Kindergarten feierlich eingeweiht. Das Gebäude am heutigen Kindergartenweg 2 wird von Walter Zollinger in seiner 1972 publizierten Monographie «Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach» mit folgenden Worten erwähnt:

«Auch der Kindergarten an der Riemlistrasse, ein Geschenk der Weiacher Kies AG, sowie die Teilhaberschaft am Bau des Oberstufenschulhauses in Stadel brachten dem Schulgut vermehrte finanzielle Belastung.» (1. Aufl. - S. 77)

Man ersieht daraus, dass die kurze Stichstrasse ihren Namen erst später erhalten hat, nämlich 1992 als es um die Einführung der Polizeinummern für alle Gebäude in der Gemeinde ging. Und weil sich die Weiacherinnen und Weiacher als Adressaten der Zollinger'schen Schrift natürlich noch gut an die Einweihung erinnern konnten, hat der Autor diese im blauen Büchlein auch weggelassen.

Ein wohlgelungenes Dorffestchen für den neuen Kindergarten

In seiner für 25 Jahre in den Gewölben der Zentralbibliothek unter Verschluss gehaltenen Jahreschronik 1966 fand dieses Ereignis allerdings sehr wohl Erwähnung. Zollinger nimmt in den vorangehenden Zeilen Bezug auf die Einweihung des Oberstufenschulhauses (vgl. WeiachBlog Nr. 1308) und schreibt deshalb:

«In Weiach selber gestaltete sich 8 Tage später (10./11.9.) die Einweihung des Kindergartens im Riemli zu einem wohlgelungenen Dorffestchen, an dem neben den Schülern der 1.-6. Kl. wiederum sämtliche Ortsvereine mitwirkten. Ueber die Veranstaltung ist ein Filmband augenommen worden, es befindet sich im Besitze von Herrn Dir. Schmid von der Kies A.G., durfte aber seither bei internen Anlässen der Bevölkerung schon mehrmals gezeigt werden. Zur ersten Kindergärtnerin wählte die Schulpflege auf Beginn des Wintersemesters Frl. Barbara Stadelmann, Schwester unserer Nähschullehrerin Susi Stadelmann und bereits am 22. Dezember wurden die Mütter der ersten "Gvätterlischüler" (Jahrgänge 1958 und 1959) zur ersten Weihnachtsfeier eingeladen. Ueber den Schulbetrieb im Kindergarten wacht eine Kommission aus drei Frauen: Rosa Baumgartner-Thut, Ruth Schaller-Roggenstein, Josefa Bersinger-Aufdermaur.» (G-Ch Weiach 1966, S. 17)

Begleitet wird dieser Text von zwei Fotos des neuen Gebäudes, von denen eines hier wiedergegeben sei:

Wie sich das «Dorffestchen» inhaltlich präsentiert hat, zeigt das der Jahreschronik beigelegte und im Exemplar der Zentralbibliothek gebundene Programmblatt:


Kindergarten-Einweihung Weiach
Samstag und Sonntag, den 10./11. Sept. 1966

Programme:

Samstag, den 10. September 1966

13.45 Uhr Konzert der Dorfmusik Weiach b. Gasthof Sternen
Besammlung der Schüler beim Schulhaus
Besammlung der Kinder (Jahrg. 1960+1961) in der Chelle (Haus Kölliker).
14.00 Uhr Einweihungsfeier beim Kindergarten. Uebergabeakt, umrahmt von Musikvorträgen, Kinderchören, Gedichten. Glockengeläute.
Anschliessend freie Besichtigung.
16.00 Uhr Festzug vom Kindergarten zum Festplatz (Baugeschäft Griesser).
ca. 17.00 Uhr Ballonwettfliegen. Kindertanz.
ca. 18.00 Uhr Ende des Kinderfestes.
20.00 Uhr Abendunterhaltung in der Festhalle.
Bunte Darbietung der Ortsvereine:
Musik- und Liedervorträge, Volkstanz, Reigen, Freiübungen, Barrenturnen usw.
Anschliessend an das Programm TANZ bis 2.00 Uhr mit dem Orchester "Manila".

Sonntag, den 11. September 1966

12.00-14.00 Uhr Besichtigung des Kindergartens.
13.00 Uhr Beginn der Kinderwettspiele. Start b. Kindergarten.
14.00 Uhr Konzert der Dorfmusik in der Festhalle.
16.00-19.00 Uhr Tanz mit dem Duo "Schacher".
17.00 Uhr Rangverlesen der Kinderwettspiele.
20.00-24.00 Uhr TANZ und gemütliches Beisammensein in der Festhalle.

Die Festwirtschaft ist in Betrieb am Samstag: 15 - 02 Uhr, am Sonntag: 13 - 24 Uhr.
Das Festbändeli für Erwachsene zu Fr. 1.-- ist für beide Tage gültig und berechtigt zum freien Zutritt zu allen Veranstaltungen und Tanz.
Die Veranstalter hoffen, dass die Kindergarten-Einweihung mit Beteiligung der ganzen Bevölkerung zu einem frohen Gemeindefest wird.
Wir laden dazu alle Einwohner freundlich ein.

Schulpflege und Ortsvereine.


Ein weiteres, der Jahreschronik beigelegtes Blatt gibt die Details zur samstäglichen Abendunterhaltung preis:

Kindergarten - Einweihung in Weiach
I0. September I966
Abendunterhaltung um 20.00 Uhr
Programm:
I. Dorfmusik
2. Turnverein, Freiübungen
3. Damenturnverein, Freiübung
4. Kirchenchor
5. Volkstanz
6. Turnverein, Barren-Kür
7. Männerchor
8. Damenturnverein, Reigen
9. Dorfmusik

Mittlerweile verkauft und dem Abbruch geweiht

Nachdem die Schulgemeinde Weiach noch 2004 in eine Stützmauer beim Kindergarten 60'000 Franken investiert hat (vgl. WeiachBlog Nr. 44), war das einstige Geschenk schon wenige Jahre später zum Dispo-Bestand verkommen. Warum hat dieser Blog am 12. Oktober 2010 erklärt:

«Seit Beginn des Schuljahres 2010/11 logiert im Alten Schulhaus neu neben der Gemeinde-Bibliothek auch der Kindergarten. Damit wird die Strassenbezeichnung «Kindergartenweg» für die von der Riemlistrasse abzweigende Sackgasse, an der neben dem mittlerweile verwaisten Kindergarten-Gebäude auch die dem Abbruch geweihte ehemalige Neuapostolische Kirche steht, quasi zur historischen Reminiszenz.» (WeiachBlog Nr. 928)

Und wie man den MGW, Augustausgabe 2016, auf Seite 4 entnehmen kann, hat für das oben im Bild gezeigte erste Kindergartengebäude auch bald das letzte Stündchen geschlagen:


Nachdem sich etliche Neuzuzüger in den Bauten, die auf dem Gelände der abgebrochenen Neuapostolischen Kirche (Kindergartenweg 4) erstellt worden sind, bereits an die Adresse Kindergartenweg gewöhnt haben - und dies bald auch die Bewohner der Reiheneinfamilienhäuser, die anstelle des ersten Kindergartens geplant sind, tun werden, wird die Umsetzung des Vorschlag einer Umbenennung noch unwahrscheinlicher (vgl. WeiachBlog Nr. 1226 vom 26. Juli 2015). Die historische Reminiszenz findet künftig nur noch in der Erinnerung statt.

[Veröffentlicht am 19. September 2016 um 00:46 Uhr]

Samstag, 10. September 2016

Ein «krieg und misshelli» um die Klotener Güter in Wiach

Eines der ältesten Dokumente in deutscher Sprache, in dem es direkt um Weiacher Belange geht, wurde im Februar 1309 geschrieben (UBZH Nr. 2960). Diesen Text hat WeiachBlog unter dem 9. September erstmalig elektronisch publiziert (vgl. WeiachBlog Nr. 1309).

Die Herren von Kloten im Ausverkauf

Es ging um einen Verkauf von landwirtschaftlichen Gütern auf dem Gebiet von Weiach an das Kloster Oetenbach. Verkäufer war gemäss Originaltext ein «Růdolf von Kloton», im Regest der UBZH-Edition «Rudolf Kloter» genannt.

Schon in der Fussnote zum Originalnamen äussern die Bearbeiter aber indirekt die Vermutung, es handle sich bei dieser Person um einen Angehörigen des Adels («Ein Heinrich von Kloten, doch wohl vom Zürcher Rittergeschlecht, war Zeuge des Verkaufs des Hofes Weyach durch Lütold von Regensberg ans Kloster Oetenbach; vgl. oben V nr. 1798.»).

Die Urkunde Nr. 2960 hält fest, dass dieser «Růdolf» freies Eigen in Wiach besass. Er bestätigt vor Zeugen, dass «dui vorgenanden gueter sin frie eigen» gewesen seien. Der Umstand, dass die Stadtherrin von Zürich, Äbtissin Elisabeth von Matzingen, den Verkauf ratifiziert und die neuen Besitzer mit dem Gut belehnt hat, spricht ebenfalls für einen Adeligen.

Ein weiteres Beweisstück stellt die Urkunde UBZH Nr. 2902 dar: Hermann und Johannes von Kloten verkauften 1307 den Hof Nieder-Fisibach an das Kloster Rüti (UBZH VIII, 181). Niederfisibach ist das heutige Fisibach AG, als Oberfisibach wurde früher das heutige Bachs ZH bezeichnet; genauer: der Dorfteil Alt-Bachs, westlich des Baches (vgl. Mitte des 19. Jahrhunderts die Wild-Karte: «Fisibachs»).

Wie man dem Beitrag Kloten, von im Historischen Lexikon der Schweiz entnehmen kann, ist es schwierig zu sagen, welcher Familie der genannte Rudolf angehörte.

Immerhin wird die Annahme bestärkt, dass es sich um lokal bestens vernetzte Ministerialadlige handelte, wenn man im HLS-Beitrag liest: «Einen Zweig der Fam. bildeten vor 1300 die ritteradligen Meier von Rümlang. Ab Mitte des 13. Jh. lassen sich Beziehungen mit den Frh. von Regensberg bezüglich Lehen und Gefolgschaft nachweisen.» Da diese Herren von Kloten zudem im kyburgischen Gebiet tätig waren, mussten sie sich spätestens ab 1264 an die Vorstellungen der Habsburger anpassen - denn zu diesem Zeitpunkt starben die Kyburger im Mannesstamme aus und das Haus Habsburg sicherte sich nach einer Auseinandersetzung mit den Savoyern die Kontrolle über das Gebiet.

Welcher der beiden Linien, Habsburg-Österreich oder Habsburg-Laufenburg, die Herren von Kloten dabei Gefolgschaft leisteten, scheint von den in diesen Jahren zuweilen je nach Kriegsglück wechselnden Umständen abhängig gewesen zu sein. Verständlich: man musste sich als Ministerialadliger ja irgendwie das Überleben sichern.

Inwieweit die Verkäufe etwas mit den Aufräumaktionen nach der Ermordung des Habsburger-Königs Albrecht am 1. Mai 1308 (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 102) zu tun haben, ist schwer zu sagen.

Verkauf fürs Seelenheil und rascher Tod

Jedenfalls scheint Rudolf von Kloten im Jahre 1309 alt, krank oder gar beides gewesen zu sein. Denn offenbar wollte er sich auf dem Klostergelände ein kleines Haus bauen, hat aber kurz nach dem Verkauf an das Kloster das Zeitliche gesegnet.

Wir wissen das, weil noch im selben Jahr zwei seiner Brüder dem Konvent zu Oetenbach die ehemaligen Klotener Güter in Weiach streitig machten - und die Frage der Besitzrechte offenbar einen heftigen Streit entfacht hatte. Die streitenden Parteien kamen schliesslich überein, je zwei Schiedsleute abzuordnen und beriefen «Růdolf von Hapspurch» als Vorsitzenden, der einen allenfalls nötigen Stichentscheid zu fällen hatte.

Der Entscheid des Schiedsgerichts ist (wie die Urkunde von 1309) in Band 8 des Urkundenbuchs der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH VIII, 281-282) als Nr. 3016 abgedruckt. Die Editoren haben dem Schriftstück das folgende Regest als Titel vorangestellt:

«Graf Rudolf von Habsburg als Obmann und 4 Schiedsrichter entscheiden im Streit zwischen dem Kloster Oetenbach und den Brüdern Johannes und Hartmann von Kloten über die von ihrem verstorbenen Bruder Rudolf von Kloten vergabten und verkauften Güter zu Weiach und eine Hofstatt am Oetenbach.»

Das Pergament ist auf den 31. Januar 1310 datiert. Es wurde in der Stadt Zürich besiegelt und hat folgenden Wortlaut, den WeiachBlog im Volltext aus dem (bislang nicht in digitaler Form verfügbaren) Urkundenbuch übernimmt:

«Allen, die disen brief sehent alt hoerent lesen, kuinden wir grave Růdolf von Hapspurch [Fn-281.1], meister Ůlrich Wolfleipsch, chuster Zuirich, her Hartman von Baldegge, her // Heinr. von Ruimlanch ritter unt Jacob von Slatte, daz ein krieg unt mishelli waz zewischen Johans und Hartman gebrůdern von Chloten [Fn-281.2] einhalp unt dien geist//lichen swestern, der priorin unt dem convent der swestern des klosters Oetenbach, daz inrent der ringmûr Zuirich lît, anderthalp umb daz nachgeschriben // gůt, so Růdolf selig von Kloten, der vorgenanden Johans unt Hartmans gebrůder verlassen het. Disui sache wart von der priorin unt dem convent an Oetenbach an uins, meister Ůlrich den chuster unt hern Hartman von Baldeg, gesezzet unt ze Johans unt Hartmans wegen von Kloten an uins, hern Heinrich von Ruimlanch unt Jacoben von Slatte, unt wurden wir grave Růdolf von Habspurch ze gemeinem man von beiden teiln genomen; unt hant beide teil gelopt bi ir truiwe an es eides stat, stête zu haben, swaz wir sprechen unt ûsreden umb dise sache. Also han wir gehoert die ansprach und die vorderunge Johans unt Hartmans von Kloten umb daz cimber, so Růdolf selig von Kloten ir brůder bûte an Oetenbach uf des klosters hofstat [Fn-281.3], unt umb diese nachgeschriben ligende gůter ze Wiach: die Hofwisen, ein aker, heist der alt Wingart [Fn-281.4], ein gůt, da Johans kint von Ruiminchon uf sizzent, ein gůt, het Johans der Bůchnegger, und daz gůt zu Ruiwenhusen [Fn-281.5], (dui gueter die gebrůder) [Fn-a] sprachen, daz Růdolf selig ir gebrůder verlassen hette. Wir horten ouch die antwurt der priorinne unt des conventes, die sprachen, daz Růdolf selig von Kloten dui vorgenanden ligende gůter inen zu kouffen hette gegeben umb ein unt sechzeg march silbers Zuirich [Fn-281.6] gewicht, unt daz er des silbers gewert wurde unt daz er inen dui gueter vertigot fuir recht erb mit uinser frowen hant der ebthischin [S. 282] Zuirich [Fn-282.1]. Si hant ouch gesprochen, do sich Růdolf selig von Chloten beneinde [Fn-282.2] dem gozhûs an Oetenbach, do lopt er ein hûs ze buwen uf ir hofstat, da er inne solte wesen, die wile er lebte, unt daz dazselb hus oder zimber nach sinem tode solte des chlosters sin [Fn-282.3]. Hierumb han wir uins ervarn als schideluit unt minneklich tegedinger unt sprechen mit urteilt, daz Johans unt Hartman gebrůder von Kloten sich enzihen sun aller der vorderunge unt ansprach, so siu hatten unt han mochten an die vorgenanden priorin unt den convent umb alles daz gůt, als siu siu ansprachen von Růdolfs seligen wegen ir brůders, unt sun das tůn an der priorinne hant ze ir unt ir conventes wegen unt sun swerren ze dien heiligen, daz si [Fn-282.4] darumb niemer muegen an geistlichem noch an weltlichem gerichte. Do wir dis ûsgeretten, do volfůrten die vorgenanden gebrůder daz mit geluibde unt mit eiden. Darnach retten wir ûs unt hiessen die priorin unt den convent geben dien vorgenanden gebrůdern zwelf march silbers Zuirich gewicht; daz hant ouch siu getan, unt lobent beide teil willeklich stete ze haben uinsern scheit; als vorgeschriben ist. Unt ze einem offennen urkuinde alles, so vorgeschriben ist, geben wir grave Růdolf von Habspurch unt die schideluit disen brief besigelt offenlich mit uinsern ingesigeln. Wir . . priorin unt der convent des vorgenanden klosters an Oetenbach unt wir Johans und Hartman von Kloten gebrůder verjehen offenlich, swaz vorgeschriben ist, daz daz war ist unt geschehen ist, als vorgeschriben stat, unt loben es stete ze haben unt binden ouch darzů uinser nachkomen unt uinser erben. Unt des ze einem offennen urkuinde henken wir dui priorin uinser ingesigel an disen brief, under daz wir der convent uins binden. Unt wir Johans und Hartman die vorgenanden henken ouch uinser ingesigel an disen brief offenliche. Diz geschach Zuirich, unt wart ouch dir brief gegeben, do man von gottes geburt zalte truicehenhundert jar unt darnach in dem cehenden jare an dem samstag vor uinser frowen liechtmes; unt waren da zegegen: her Růd. von Beggenhoven, her Johans von Clarus, her Johans von Esche, ritter.»

Ein salomonischer Entscheid?

Sehr ausführlich und doppelt genäht kommt dieses Dokument daher - und es hängen nicht weniger als 7 Siegel dran: die aller Beteiligten. Der Fall war insbesondere bezogen auf die Güter zu Weiach wohl sonnenklar. Dafür dürfte schon die Urkunde von 1309 gesorgt haben. Der Wille des Verstorbenen ging ja klar daraus hervor.

Die beiden Klotener Adeligen mussten bei den Heiligen schwören, das Kloster Oetenbach nie wieder wegen der Weiacher Güter vor Gericht zu ziehen oder anderweitig zu behelligen. Im Gegenzug aber mussten auch die Priorin und die Schwestern des Konvents sozusagen in den sauren Apfel beissen. Sie mussten sich nämlich verpflichten den Brüdern des Rudolf 12 Mark Silber zu bezahlen. Also im Endeffekt 20% Aufschlag auf den Kaufpreis. Ob es sich dabei um den Ausgleich eines entgangenen Erbanteils gehandelt hat oder etwas anderes, wird in der Urkunde nicht erwähnt. Sie enthält keine Erwägungen und ist eher ein Ergebnisprotokoll.

Angaben zur Urkunde und zu den 7 Siegeln

«Original: Perg. 22/36 cm. St.A.Z. Oetenbach nr. 173» Die heute aktuelle Signatur dürfte StAZH C II 11, Nr. 173 lauten.

«7 Sigel; von einem weiteren hängt an 5. Stelle nur ein Pergamentstreifen mit dem Namen "Slatte" auf dem Falz, wie auch bei den übrigen Sigeln.
1. verkehrt angehängt mit Rückseite nach vorn, des Grafen Rudolf von Habsburg; vgl. Sigelabb. VII nr. 2
2. wohlerhalten, () 50/35 mm. Geistlicher mit einem Schlüssel eine Thür öffnend (ähnlich dem des Vorgängers, Sigelabb. VII nr. 69). † + S'MAGRI + VLR. + WOLFLEIPSCH + THESAUR + ECCE + THUR.
3. wohlerhalten, O 48 mm. Helm mit Frauenkopf und zwei Flügeln. † S ° HARTMANNI ° MILITIS DE BALDEGGE. (Die Wappenrolle nr. 281 zeigt auch 2 Flügel, aber ein Schirmbrett statt Kopf.)
4. wohlerhalten, Heinrichs von Rümlang; vgl. Sigelabb. VI nr. 42
5. wohlerhalten, der Priorin von Oetenbach, vgl. Sigelabb. III nr. 45
6. wohlerhalten, O 36 mm. Schild mit Eberkopf (ähnlich den schildförmigen Sigeln der Brüder von Kloten in Sigelabb. VI nr. 80-83); auf jeder Seite des Schildes 3 Blätter. † + S' + IOHANNIS + DE + KLOTEN +
7. beschädigt, O 37 mm. Schild auf Eberkopf, auf jeder Seite des Schildes 3 Blätter. † + S' HA . . MANI + DE + KLOTEN +
»

Anmerkungen der Editoren

Fn-a: «Auf Rasur, von gleicher Hand.»
Fn-281.1: «Jüngere Linie, Habsburg-Rapperswil, wie das Sigel zeigt.»
Fn-281.2: «Joh. und Hartmann nebst ihrem jetzt verstorbenen Bruder Rudolf von Kloten kamen 1289 vor (vgl. oben VI nr. 2064) und gehören nach den Sigeln dem Zürcher Rittergeschlecht von Kloten an.»
Fn-281.3: «Es könnte sich fragen, ob hier eine Hofstatt am alten Oetenbach beim Zürichhorn gemeint ist, oder eine beim neuen Kloster innerhalb der Ringmauer; wahrscheinlich doch letzteres, da dort viele Hofstätten im Besitz der Pfung und Biberli vorkamen; vgl. Stadtplan VI nr. 70; doch wurde 1261 auch am alten Oetenbach eine Hofstatt an das Kloster vergabt; vgl. oben III nr. 1139 und 1140.»
Fn-281.4: «Der Siegfried-Atlas 26 hat den Flurnamen "Wingert" westlich von Weiach, nicht aber eine Hofwiese. Der Hof Weiach gehörte dem Bischof von Konstanz; vgl. oben VI nr. 2323. Diese von Rudolf von Kloten verkauften Güter zu Weiach verlieh die Aebtissin von Zürich schon am 13. Februar 1309 an Oetenbach; vgl. oben nr. 2960.»
Fn-281.5: «Rauhausen, Waldname südlich von Weiach.»
Fn-281.6: «Diese Summe entspricht der Urkunde von 1309 und bezieht sich nur auf diese Güter, nicht auf die Hofstatt am Oetenbach.»
Fn-282.1: «Eben diese Fertigung, d.h. hier Verleihung, enthält die Urkunde nr. 2960.»
Fn-282.2: «"beneimen" nach Lexer = bestimmen, festsetzen; hier wohl verpflichten, den Verkauf nicht anzufechten.»
Fn-282.3: «Davon steht in jener Urkunde nichts, doch muss es bald nachher, vor Rudolfs Tod, geschehen sein.»
Fn-282.4: «Hier ist wohl "sie" ausgefallen; der Sinn ist, dass sie sie darum niemals bemühen oder beunruhigen.»

Um welchen Habsburger geht es da?

Am 31. Januar 1310 war also Rudolf von Habsburg in Zürich. Es handelt sich wohl um den damals 39-jährigen Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg (geb. 1270, gest. 1315). Der war nämlich seit 1296 mit Elisabeth von Rapperswil (gest. 1309) verheiratet gewesen, was das Rapperswiler Siegel erklärt (vgl. Fussnote 1 zu S. 281 oben). Ausserdem war er seit dem Tod seines Vaters im Jahre 1271 formal (ab 1288 auch tatsächlich) Landgraf im Klettgau, ab 1305 Landgraf im Zürichgau. Mithin war Rudolf III. also als Inhaber der Hochgerichtsbarkeit zuständig für die Region, in der die strittigen Güter lagen.

Derselben Ansicht bezüglich Zuordnung der Person sind die Verfasser der Regesten zu den Grafen von Habsburg-Laufenburg. Gleich im Anschluss an die Angaben zu den Siegeln wird im UBZH der folgende Verweis gegeben: «Regest: Argovia X p. 171 nr. 267». Band X der Argovia erschien 1879 und ist in digitaler Form auf der Website e-periodica.ch der ETH-Bibliothek verfügbar, die oben notierte Fundstelle unter: http://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=arg-001:1879:10::393 - und die gehört zum Kapitel «Graf Rudolf III. und Elisabeth von Rapperswil», denen die Urkunde von 1310 zugeordnet wird.

Quelle
  • Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, 13 Bde, Zürich 1888-1957, Hrsg. von einer Commission der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich; bearb. von J. Escher und P. Schweizer, Paul Kläui, Werner Schnyder – Band 8, A°1909 – VIII, 281-282 – Nr. 3016

Freitag, 9. September 2016

Wie das Kloster Oetenbach in Weiach zu Grundbesitz kam

Im Herbst 2009 hat die Ortsmuseumskommission die Nennung eines «alten Wingartens» in einer 700-jährigen Urkunde zum Anlass genommen, eine Ausstellung über Weinbau im Ortsmuseum Weiach zu organisieren (vgl. die Sonderausgabe 2009 der Weiacher Geschichte(n) mit dem Titel «Nasser Zehnten und der Schatz des Hunnenkönigs. Weinbau in Weiach – seit 700 Jahren?»).

UBZH - bis heute nicht vollständig digitalisiert

Die Urkunde, um die es hier geht, liegt im Staatsarchiv des Kantons Zürich. Sie wurde - passenderweise im Jahre 1909 - im sogenannten «Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich» (UBZH) im vollen Wortlaut veröffentlicht. Die 13 Bände dieses Grossunternehmens der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich sind leider bis heute nur zu Teilen digitalisiert worden (Bd. 1 von der Schweizerischen Nationalbibliothek, Bde. 1-4 von der Bayerischen Staatsbibliothek), so dass man weiterhin auf die gedruckten Ausgaben angewiesen ist.

Auch Band 8 des UBZH gehört bislang nicht zu den digitalisierten Folianten. Und genau da drin findet man die Weiacher «Weinbau-Urkunde». Ich habe mich deshalb entschlossen, nachstehend den Volltext wiederzugeben.

Eine Äbtissin als Notarin und Urkundsperson

Worum geht es in dieser Urkunde? Das UBZH gibt im Kurzregest, das als Titel dient, die folgende Inhaltsangabe: «Aebtissin Elisabeth von Zürich verleiht dem Kloster Oetenbach von Rudolf Kloter verkaufte Güter zu Weyach», und datiert das Schriftstück auf den 13. Februar 1309. An diesem Tag erschien also Rudolf von Kloten in der Fraumünsterabtei innerhalb der Zürcher Stadtmauern und liess sich in Anwesenheit von ehrbaren Männern (Zeugen) den Verkauf seiner Güter zu Weyach an den Konvent Oetenbach beurkunden. Das liest sich dann wie folgt:

[S. 229] «Wir Elysabeth von gotz gnaden ebtischen des gotzhus Zuirich kuinden allen, die disen brief sehent // oder hoerent lesin, das fuir uins kam Růdolf von Kloton [Fn-5] und offenlich verjach, das er ze [S. 230] kouffene // hat gegeben den eberen [Fn-a] frowen der .. priorin und dem convente von Oettenbach sinui eigenne // gueter z'Wiach [Fn-b] und heissent dui: Hofwise, ein aker heisset der alte Wingarte, [Fn-1] und das gůt, da Johans kint von Ruimikon [Fn-2] uf sitzent, ein gůt, hat Johans der Bůchenegger, und das gůt ze Ruiwenhusen [Fn-3], umb eine und sechtzig march loetigis silbers, genger und gêber Zuirich gewicht. Und ouch er ist des silbers gewert nach siner vergicht alleklichen und wil ouch wer sin, swa man sin bedarf, fuir sich und sin erben, an geislichem gerichte und an weltlichem, das dui vorgenanden gueter sin frie eigen waren, und gab uf duiselben gueter mit namen frilich an uinser hant an uinsers gotzhus stat mit allem dem rechte und ehaftigi, so darzů gehoeren mag, mit dem gedinge das wir dui vorseiten gueter lihen zu rechtem erbe den vorgeschriben frouwen der .. priorin und dem convente von Oettenbach. Und duir sine bêtte do lihen wir dui vorgenanden gueter ze rechtem erbe den vorseiten frowen der .. priorin und dem convente von Oettenbach zu rechtem erbe umb einen jaerlichen zins zweier Zuiricher pfenninge uins und uinserm gotzhus zu gebenne zu des heiligen kruizes tult ze herbest. Und das dis alles war si und veste belibe und duir Růdolfs bêtte von Kloton so geben wir disen brief besigilt mit uinserm ingesigel ze einem waren uirkuinde offenlichen aller der vorseiten dingen. Dis geschach Zuirich, und dirre brief wart gegeben an dem donrstage ze mittem Rêdmanode, do von gotz geburt waren druizehenhundert jar, in dem nuinden jare danach, da zegegin waren: meister Ůlrich Wolfleibsch, kuster Zuirich, her Chůnr. von Sant Gallen, uiser [Fn-c] kaplan, her Johans Fuitzchi, ritter, her Hartman der Saler, Heinrich der Schuippher, burger Zuirich, meister Heinr., der blidenmeister [Fn-4] und ander erber luite.»

Kommentare der Editoren

Zum Apparat der Textedition gehören die oben inserierten Fussnoten, die nachstehend im Wortlaut wiedergegeben und im weiteren Verlauf des Beitrags teils kommentiert werden:

(p. 229) Fn-5: «Ein Heinrich von Kloten, doch wohl vom Zürcher Rittergeschlecht, war Zeuge des Verkaufs des Hofes Weyach durch Lütold von Regensberg ans Kloster Oetenbach; vgl. oben V nr. 1798.»

(p. 230) Fn-a: «Sic, statt "erberen".»
(p. 230) Fn-b: «Eigentlich "Zwiach" geschrieben.»
(p. 230) Fn-c: «Sic.»

(p. 230) Fn-1: «Der Flurname "Wingert" kommt jetzt noch westlich von Weyach vor; vgl. Siegfried-Atlas nr. 26.»
(p. 230) Fn-2: «Rümikon, Pf. Schneisingen, Kt. Aargau.»
(p. 230) Fn-3: «Rauhausen, Flurname im Wald südlich von Weyach.»
(p. 230) Fn-4: «Von blide = Steinschleudermaschine, vgl. Zürcher Stadtbücher I p. 369 und Richtebrief im Archiv f. Schweizergesch. V p. 184»

Angaben zur Urkunde und zum Siegel

«Original: Perg. 15/21 cm. St.A.Z. Oetenbach nr. 168». Es handelt sich also um ein Pergamentdokument, dessen heutige Signatur «StAZH C II 11, Nr. 168» lauten dürfte.

Zum Siegel der Äbtissin äussern sich die Bearbeiter ausführlicher: «Sigel beschädigt, abhangend.», heisst es da. Das Siegel zeigt «Felix und Regula, die Köpfe auf den Händen tragend, über ihnen ein Engel mit einem Tuch, unter ihnen eine betende Nonne.» Auch einen Text findet man, der jedoch wegen der Beschädigung nicht voll lesbar ist: «† S' ELISABETH DEI GRA . . . . TISSE MON . . . . . CEN» (Elisabeth von Gottes Gnaden Äbtissin des Klosters...), sowie ein «leerer Eindruck auf der Rückseite; vgl. G. v. Wyss Sigeltafel I nr. 11, Elisabeth von Matzingen seit 1308, vgl. oben nr. 2951».

Einer der ersten deutschen Texte

Bemerkenswert ist, dass es sich um einen der ersten Texte mit Weiach-Bezug handelt, der in deutscher Sprache verfasst wurde. Die Urkunde von 1295 beispielsweise - und auch die älteste erhaltene Nennung des Ortsnamens von 1271 - sind in mittelalterlichem Latein abgefasst.

Freies Eigen für 61 Mark Silber verkauft

Die verwendeten Wortformeln entsprechen dem damaligen Standard. Die Ausstellerin der Urkunde wendet sich an den Leser (oder den Zuhörer) und erklärt ihm das Rechtsgeschäft. Der Konvent Oetenbach erwarb freies Eigen des Rudolf von Kloten zum Preis von 61 Mark Silber, was dieser vor der Urkundsperson und den Zeugen öffentlich zu Protokoll gab. Das war wichtig, denn es kam damals immer wieder vor, dass jemand Rechte an einem Grundstück oder an Leibeigenen behauptete, die ihm gar nicht gehörten - dass dem so war zeigen u.a. die Habsburger Urbare (vgl. WeiachBlog Nr. 1307 über die Ussidelinge zu Weyach).

Wieviel Geld waren 61 Mark Silber? Zum einen handelt es sich um eine Recheneinheit und ihre Grösse hing davon ab, wer das Gewicht definierte. Deshalb wird das in der Urkunde auch explizit erwähnt. Der Kaufpreis belief sich auf «eine und sechtzig march loetigis silbers, genger und gêber Zuirich gewicht».

Der Artikel Mark (Gewicht) im Historischen Lexikon der Schweiz gibt dazu folgenden Hinweis: «Nur für wenige münzprägende Orte sind verlässl. Angaben über die genauen Gewichte verfügbar. Die Zürcher M. soll 237,1 g gewogen haben und ist wohl auf die Nürnberger M. zurückzuführen.» Demnach also rund 14.4 kg Feinsilber, was zum aktuellen Marktpreis rund CHF 8600 ergeben würde.

Hofwiese und Rauhausen

Für die Ortsgeschichte von Weiach ist nun interessant, was da neben dem alten Wingarten an Ortsnamen genannt wird. Einen Wingert gibt es bis heute (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 111).

Zum einen ist da die «Hofwiese», die von den Bearbeitern des UBZH auf der Karte nicht gefunden wurde, jedoch jedem in Weiach Ortskundigen ein Begriff ist. So heisst heute die Schulanlage mitten im Dorf. Dort - zwischen Oberdorf, Bühl und Chälen - befindet sich die Hofwiese. Weiter ist von einem Gut zu Rauhausen die Rede (vgl. zu Standort und Name: Weiacher Geschichte(n) Nr. 53).

Quelle
  • Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, 13 Bde, Zürich 1888-1957, Hrsg. von einer Commission der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich; bearb. von J. Escher und P. Schweizer, Paul Kläui, Werner Schnyder - Band 8, A°1909 - VIII, 229-230 - Nr. 2960

[Veröffentlicht am 10. September 2016 um 00:51 MESZ]

Sonntag, 4. September 2016

Das Oberstufenschulhaus Stadel feiert den 50sten

An diesem Wochenende jährt sich zum fünfzigsten Mal die Einweihung der (aus heutiger Sicht) ersten Etappe des Oberstufenschulhauses bei Schüpfheim in der Gemeinde Stadel.

Auf dem nachfolgenden, von Osten her aufgenommenen Luftbild (Quelle: Website der OS Stadel) habe ich den ältesten Teil rot eingefärbt. Später kamen der gelb gefärbte Annex, dann westlich davon die «blaue Banane» und schliesslich (nicht eingefärbt) eine Verlängerung des blauen Trakts hinzu:


Klare Geschlechtertrennung beim Handwerklichen

Walter Zollinger hat in seiner Jahreschronik 1966 einen Zeitungsausschnitt eingeklebt (ohne Angabe von Quelle und Datum, wie bei ihm leider üblich), der den nachstehenden Text enthält:

«Das im Bau befindliche neue Oberstufen-Schulhaus - Projektverfasser ist das Architekturbüro Knecht & Habegger, Bülach - bildet eine Erweiterung der bestehenden zentralen Schulhausanlage (Primar- und Sekundarschule). Das Gebäude enthält unter anderm fünf Klassenzimmer, einen Handarbeitsraum für Mädchen, einen Metallbearbeitungsraum für Knaben, einen Schüleraufenthaltsraum mit Küche, ein Lehrer- und Sitzungszimmer, eine gedeckte Pausenhalle sowie einen Singsaal für etwa 170 Personen (mit Bühne). Die gesamten Baukosten sind auf 2 239 000 Franken veranschlagt worden. Im zugesicherten Staatsbeitrag sind die Auslagen für das Lehrschwimmbad mitberücksichtigt worden. Gegenwärtig ist die Oberstufen-Schulpflege mit der Prüfung der Frage beschäftigt, ob und wie das kleine Hallenbad auch der Oeffentlichkeit zur Benützung freigegeben werden kann.» (G-Ch Weiach 1966 - S. 16a)

Auch für die Öffentlichkeit nutzbar

Für die letztere Frage von 1966 gibt es auf der heutigen Website der Oberstufe Stadel eine klare Antwort: Es kann freigegeben werden.

«Nebst der üblichen Infrastruktur einer Schule, bestehend aus Klassenzimmern, Gruppenräumen, Werkstätten etc. verfügt die Oberstufenschule Stadel über Einrichtungen und Räumlichkeiten, welche sie auch vermietet.
Dazu gehören …
… ein Lehrschwimmbecken mit Hubboden, welche eine Einstellung der Wassertiefe von 30 cm bis 2 m erlaubt,
… der Aufenthaltsraum,
… zwei Schulküchen mit je vier Kochinseln,
… der Singsaal
und die Turnhalle.
» (Quelle: https://www.oberstufe-stadel.ch/ueber-uns/x/ )

Einweihung mit Festpredigt vor vollen Rängen

Zur Einweihung vor 50 Jahren schreibt Walter Zollinger in seiner Jahreschronik 1966: «Am 3./4. September konnte das neue Oberstufenschulhaus des Kreises Stadel-Neerach-Bachs-Weiach eingeweiht werden. Es halfen bei der Abendunterhaltung am Samstag, wie bei der Hauptaufführung am Sonntagnachmittag auch unsere Weiacher Vereine (Dorfmusik, Kirchenchor, Männerchor, Trachtengruppe) tüchtig mit. Herr Pfr. Wyss aus Weiach hielt die Festpredigt am Vormittag in der geräumigen und dennoch vollbesetzten Festhütte. Die Oberstufenschüler aller Kreisgemeinden führten ein von Sekundarlehrer Denzler zusammengestelltes, die Besonderheit jeder Einzelgemeinde hervorhebendes Festspiel auf.» (G-Ch Weiach 1966 - S. 17)

Für die Festpredigt war Pfr. Robert Wyss (1962-1981 Pfarrer in Weiach, vgl. WeiachBlog Nr. 1166) sozusagen der logische Kandidat. Am 6. Februar 1962 war er nämlich als Weiacher Vertreter in die Oberstufenschulpflege gewählt worden (G-Ch Weiach 1966 - S. 17).

Samstag, 3. September 2016

Die Ussidelinge zu Weyach. Habsburgisches Urbar nach RQNA.

Vom sogenannten Habsburgischen Urbar war auf WeiachBlog bereits zweimal die Rede, vor über 10 Jahren (Nr. 17 über die Edition Pfeiffer von 1850) und vor wenigen Tagen (Nr. 1302 über eine Fussnote in Fegers Textausgabe des Konstanzer Urbars von 1943).

In diesem Urbar hat das Haus Habsburg-Österreich im Rahmen der Territorialisierung versucht, auch in den Gebieten der Vorlande (Elsass, Schwaben und heutige Eidgenossenschaft) möglichst alle seine Rechtsansprüche schriftlich festzuhalten.

Bereits Feger bezieht sich auf die 1904 von Maag, Schweizer und Glättli herausgegebene Edition mit Kommentarband, die auch von Weibel in der Rechtsquellensammlung Neuamt (RQNA; 1996 erschienen) referenziert wird - und zwar gleich in Quelle Nr. 1, von ihm betitelt mit:

Rechte und Einkünfte der Herrschaft Habsburg-Österreich in der nachmaligen Vogtei Neuamt

Zum habsburgischen Amt Kloten (dem «Officium Kloton») wurde unter anderem auch Neerach gezählt: «J[tem] ze Nerrach ist ein meyerhof, der der heirschaft eigen ist;» und weiter: «Dui heirschaft hat ze Nerrach twing und ban und richtet von gewonheit dube und vrevel.» Mit «dube und frevel» ist die Blutgerichtsbarkeit, also die hohe Gerichtsbarkeit gemeint. (vgl. RQNA S. 501)

Diesen herrschaftlichen Hof mit Hoch- und Niedergericht zu Neerach betrachtete die habsburgische Verwaltung als eine Art untergeordnetes Zentrum, dem weitere Orte wie Oberhasli und sog. «ussidelinge» (Aussiedler) in der Umgebung zugeordnet wurden:

«Die lute desselben dorfes [Obern Hasla] und ander ussidelinge, die gesessen sint ze Adlinkon, ze Watta, ze beiden Affoltron, von Metmen Hasla, und von Katzenruiti, ze Buchse, ze Tellinkon, ze Titinkon, ze Nassenwiler, ze Dielsdorf, ze Obern Steynimur, ze Nidern Steynimur, ze Sunninkon, ze Obern Weningen, ze Weyach, ze Willach, ze Rode und ze Stadeln und anderswa hant gegeben ze sture bi dem meisten xxxiij phunt und ij schill[ing], bi dem minsten xxij phunt und xij schill[ing] pfenning.» (RQNA Nr. 1 - S. 1-2)

In all diesen bis auf den heutigen Tag bestehenden Siedlungen («Willach» soll Windlach, «Rode» soll Raat sein) gab es also Personen, von denen Habsburg-Österreich behauptete, sie hätten Steuern bezahlt. Wann und aus welchem Anlass die Zahlungen erfolgten und an wen die Summen gingen, wird nicht erwähnt. Ob ein Anspruch von Habsburg auch durchgesetzt werden konnte, ist nicht bewiesen.

Dissertation Bärtschi wirft neues Licht auf das Habsburgische Urbar

Um besser zu verstehen, was es mit diesem Habsburgischen Urbar (HU) auf sich hat, sei hier eine neuere Dissertation empfohlen. Marianne Bärtschi nennt das Urbar 2008 im Titel ihres Werks einen «Traditionscodex» und schreibt in der Einleitung:

«Leider ist jedoch bis heute nicht geklärt, wie und warum es überhaupt entstand, welche Funktion es innerhalb des habsburgischen Verwaltungsapparates erfüllte und weshalb es Jahrhunderte lang immer wieder unverändert abgeschrieben wurde. Ausserdem wird vermutet, dass es kaum die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt, sondern hauptsächlich die unsicheren und strittigen Ansprüche der Habsburger verzeichnet.» (Bärtschi - S. 8)

Und weiter unten: «Mittelalterliches Schriftgut ist häufig mehrdimensional zu deuten, und meist weist gerade der Inhalt auf die falsche Fährte. So werden im Habsburger Urbar zwar die Verpflichtungen der Untertanen gegenüber ihrer Herrschaft und deren Rechte festgehalten, ob diese jedoch eingehalten und akzeptiert wurden, steht dadurch noch längst nicht fest.» (Bärtschi - S. 13)

Das von Weibel zitierte Verzeichnis wurde auf Pergament geschrieben und hat die Form eines Rodels «von 2,3 m Länge und 23 bis 24 cm Breite.». Also eine Schriftrolle. Das Zürcher Staatsarchiv hat diese Urkunde mit der Signatur C I Nr. 3288a katalogisiert.

Wie kommt Weibel auf das Erstellungsjahr 1307?

Im Original ist diese Urkunde Nr. 3288a nicht datiert. Weibel gibt in Klammern dennoch eine Datierung auf 1307 - und begründet dies in Fussnote 1 (RQNA S. 2) mit: «Gemäss Paul Schweizer, Das Habsburgische Urbar, Kommentarband, QSG 15/2 S. 510 f.»

Hier kommt Bärtschi wieder das Verdienst zu, zwischen Transkriptions- und Interpretationsleistung der Editoren Maag, Schweizer und Glättli klar zu differenzieren:

«Abgesehen davon, dass der erste Band der Edition die Vorstellung eines zusammenhängenden Schriftstückes suggeriert, das in planvoller Absicht zu Beginn des 14. Jahrhunderts hergestellt wurde, was nicht stimmt, darf man dem Bearbeiter Maag kaum Vorwürfe bezüglich der inhaltlichen Präzision und der buchstabengetreuen Wiedergabe der Texte machen. Abweichungen zu den Originalen begegnen höchst selten und wenn, dann sind sie in geringfügiger Weise formaler Art. Darüber hinaus bietet der äusserst ausführliche Anmerkungsapparat trotz seiner unterdessen zumeist etwas veralteten Quellenangaben nach wie vor eine Fülle von Zusatzinformationen, die für die Beschäftigung mit dem Urbar ungeheuer hilfreich sind. Wer also das Habsburgische Urbar lesen und sehen möchte, was da so alles drin steht, der braucht sich nicht die Mühe zu machen, sich mit den „Originalen” auseinanderzusetzen. Knifflig wird es erst, wenn man die Angaben des Urbars für eigene Forschungszwecke verwenden will. In diesem Fall muss man jeden einzelnen Eintrag darauf hin befragen, aus welcher Zeit er eigentlich stammt und warum er ins Urbar aufgenommen wurde.». (Bärtschi - S. 23)

Für die später zürcherische Ämter betreffenden Urbar-Teile (wie es das «Officium Kloton» darstellt) ist es durchaus möglich, dass sie erst einige Jahre nach 1307 verfasst wurden, z.B. um 1313, d.h. also nach - und nicht kurz vor dem Tode von König Albrecht I. (vgl. Bärtschi, S. 63ff).

Der Ortsname Weiach erscheint übrigens im Habsburgischen Urbar gleich in mehreren der früher gebräuchlichen Formen: Weyach, Wiach und Wyach. Die Wiach- und Wyach-Fundstellen werden in späteren Beiträgen behandelt.

Weiterführende Literatur
  • Maag/Schweizer/Glättli (Hrsg.): Das Habsburgische Urbar. Quellen zur Schweizer Geschichte. Bände 14, 15/1, 15/2. Basel, 1904.
  • Weibel, Thomas: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt; Aarau, 1996. (Volltext vgl. https://www.ssrq-sds-fds.ch/online/ZH_NF_II_1/ZH_NF_II_1.pdf)
  • Bärtschi, Marianne: Das Habsburger Urbar. Vom Urbar-Rodel zum Traditionscodex. Zürich, 2008 (StAZH Bibliothek; Signatur: Bb 18): http://opac.nebis.ch/ediss/20080381_002029127.pdf

[Veröffentlicht am 4. September 2016 um 01:02]

Freitag, 2. September 2016

Wenn's mit dem Stammhalter erst am Lebensabend klappt

Im Berner Intelligenzblatt (vgl. zum Begriff WeiachBlog Nr. 1151) war am Donnerstag, den 26. Juli 1900 auf Seite 2 diese kleine Notiz aus Weiach zu lesen - eingerahmt von zwei weiteren Kurznachrichten aus dem Kanton Zürich:


«Vaterfreuden in späten Tagen. In Weiach ist ein 80jähriger Greis zum erstenmal Vater eines gesunden Knaben geworden. Der glückliche Vater hat sich letztes Jahr in zweiter Ehe mit einem 20jährigen Mädchen verheiratet.»

Dieser Fall scheint schon ziemlich ungewöhnlich gewesen zu sein. Ob sich der Nachrichtenwert der Kurzmeldung aus dem erstmaligen Reproduktionserfolg eines 80-jährigen ergab, oder ob die Tatsache, dass ein Mann dieses Alters der Zeugung noch fähig sei, als ungewöhnlich genug beurteilt wurde - das ist dem Autoren des WeiachBlog unbekannt.

Der Umstand, dass immerhin 60 Jahre zwischen den Ehepartnern lagen, dürfte für sich allein wohl noch keine Schlagzeilen gemacht haben. Solche Verbindungen gab es wohl schon immer.

Und vielleicht haben ja auch einige gedacht: Mater certa, pater incerta. Will heissen: ob das Kind wirklich vom 80-jährigen war?