Donnerstag, 31. Mai 2012

Maiwetter 1962: Wonnemonat mit eisig kalter Begrüssung

Der amtierende Gemeindepräsident Paul Willi erwähnte in seinem Beitrag im Mitteilungsblatt dieses Monats eine populäre Deutung des Monatsnamens:

«Wir stehen am Anfang des Monats Mai, auch Wonnemonat genannt. Karl der Grosse führte im 8. Jahrhundert den Namen „Wonnemond“ ein, der darauf hinweist, dass man in diesem Monat das Vieh wieder auf die Weide treiben konnte. Ebenso erhielt der Mai die Bezeichnung Blumenmond, dies wegen der Hauptblütezeit der meisten Pflanzen.» (MGW, Mai 2012, S. 3)

Mai ist ein Fremdwort

Joachim Heinrich Campe vertritt in seinem 1813 in zweiter Auflage erschienenen «Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke» diese Verbindung zum oft mythologisch überhöht dargestellten Kaiser der Franken:

«Mai, der Wiesenmond (Wunnimonath). Karl der Große. Aus diesem Namen hat man in der Folge, weil man die Herleitung von Wunn, wiese, verkannte, Wonnemonat oder Wonnemond gemacht; ein schöner Name, der eines so schönen Monats allerdings würdig ist. Jene altdeutsche Benennung aber bedeutet Wiesenmonat, und antwortet dem Prairial der Franzosen. S. Götze Versuch einer Historie der Nieders. Bibeln, Seite 257. Man sehe übrigens über die Verdeutschung der Monatsnamen den Artikel April (Zus.) "Die Herleitung des Worts Wonnemonat von Wonne scheint mir doch richtiger und besser als die von dem alten Wunne, Wiese, zu sein. Denn 1. schrieb man Wonne ehemals auch Wunne; 2. paßt Wiesenmonat eben so gut für April, Junius und Julius, weil in jenem die Wiesen oft schon grün sind, und in diesen Heu darauf gemacht wird; 3. weil im mai wirklich alles zur Wonne einladet. Karl der Große, der auch ein großes Herz hatte, empfand dis sicher auch, und deßwegen nannte er diesen Monat den Wonnemonat." Heinze. Man prüfe!» (Campe 1813, S. 407)

Mit Wunn und Weid

Nun ist es tatsächlich so, dass «mittelhochdeutsch wünne, wunne, althochdeutsch wunn(i)a, eigentlich = Genuss, Freude» bedeutet, wie Schmeller in seinem Bayerischen Wörterbuch von 1837 erwähnt. Es sei, so Schmeller «unter Wunn entweder bebautes Land überhaupt, oder insonderheit zu Graswuchs, als Wiese gepflegtes zu verstehen». Und die «alliterierende Formel Wunn und Waid würde sodann nicht völlig tautologisch seyn, sondern der gewöhnlichen lateinischen "culta et inculta" (...) entsprechen».  Gemeint ist damit im klassischen Sinne «terra culta et inculta, wobei terra culta bebautes, kultiviertes Land und terra inculta Wald (im ursprünglichen Sinne eines Urwaldes) darstellte» (vgl. Vavra 2008). In obigem Fall aber geht es möglicherweise eher um den Unterschied zwischen regelmässig gemähter Wiese (wo ein Gewinn in Form von Heu oder Emd herausschaut) im Gegensatz zur nicht gemähten Weide (wo die Tiere das Futter direkt abgrasen).

Im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (erschienen 1838 bis 1961) ist der Begriff «wonne» im 1951 herausgegebenen Band (Bd. 30, Sp. 1422-1435) zu finden:

Wonne sei einerseits, «A. 'was freude, lust gewährt, genuß bereitet', als bezeichnung eines objektiv gegebenen, oft auf gegenständliches oder geistiges bezogen. in älterer sprache vorherrschend, in jüngerer hinter der psychologischen bedeutung von wonne (s. B) zurücktretend, zugleich freilich von dorther in seinem intensitätsgehalt gesteigert.»

Und andererseits ein «B. 'gefühl der freude, lustgefühl'. in dieser bedeutung von anfang an neben A, dabei schon früh, namentlich aber in jüngerer sprache oft in gesteigerter bedeutung als 'innige freude, entzücken, hoher genuß', vor allem im bereich geistig-seelischer genüsse, aber auch von körperlichem lustgefühl. die grenze dieses psychologischen gebrauchs gegen die objektiv-gegenständliche bedeutung A ist nicht in jedem einzelfall scharf zu ziehen, im ganzen aber tritt wonne als bezeichnung eines subjektiven zustandes in nhd. zeit immer stärker hervor, mit fühlbarem antrieb seit dem empfindsamen zeitalter in der mitte des 18. jh.»

In der Tradition der Gebrüder Grimm wird im Wörterbuch konsequent die Kleinschreibung verwendet.

Der Kerl wagt es, mit -3° einzuziehen

Nun aber endlich zum Thema «Wetter vor 50 Jahren». Berücksichtigt man die oben erwähnten Traditionslinien, ist es nur verständlich, wenn Walter Zollinger ebenfalls dort anknüpft:

«Mai. "Wonnemonat" nennt man ihn im Volksmund immer noch und der Kerl wagt es mit -3° Morgentemperatur und damit ziemlich starkem Reif einzuziehen! Da ist nun wohl am ersten Tag allerhand erfroren: Kirschblust vor allem. Zum Glück geht's nicht so weiter, sondern wird nun nach und nach milder, wenn auch immer noch der leidige Oberwind vorherrscht. In der zweiten Woche beginnt dann der wirklich Wonnemonat. Warme, sogar düppige Tage folgen, allerdings nicht übermässig sonnig, sondern immer noch etwas wechselnd bewölkt. Temperatur morgens zwischen +9° & 15°, mittags bereits zwischen 16° & 25°, abends immer noch zwischen 10° & 20°C. "Die Birnbäume blühen nun prächtig und auch die Apfelbäume beginnen damit", meldet das Notizheft. Die "Eisheiligen" sind, samt der Sofie, vier unfreundliche, zwischen Regen und Aufhellungen hin und her pendelnde Gesellen, auch ordentlich kühl; Höchsttemperatur am Morgen des 13.5. bloss 10°, Tiefsttemperatur am 15. morgens +7°. Nun wäre man froh über nochmaliges richtiges Maiwetter; aber es bleibt auch die nächsten 14 Tage noch aus; nur Wind, Wolken und hie und da sogar Regen, immer auch verhältnismässig kühl für diese Jahreszeit. Erst an den Abenden wird es oftmals etwas angenehmer, aufhellend. Der einzige schöne Tag in der zweiten Maihälfte war der 30.5. Der ganze Monat brachte 4 schöne Tage, sonst war's immer halbbatzig oder ganz ungefreut. Das verspricht kein besonders gutes Obstjahr u. keinen hohen Heugrasbestand.»

Da haben wir es dieses Jahr schon etwas besser «preicht».

Quellen
  • Campe, J. H.: Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. 2. Auflage, Braunschweig, 1813 - S. 407
  • Schmeller, J. A.: Bayerisches Wörterbuch. Sammlung von Wörtern und Ausdrücken, die in den lebenden Mundarten sowohl, als in der ältern und ältesten Provincial-Litteratur des Königreichs Bayern, besonders seiner ältern Lande, vorkommen und in der heutigen allgemein-deutschen Schriftsprache entweder gar nicht, oder nicht in denselben Bedeutungen üblich sind. Stuttgart/Tübingen, 1837
  • Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm - Bd. 30, Sp. 1422-1435 (Stichwort wonne; Bd. 30 wurde 1951 herausgegeben; Gesamtwerkt erschienen zwischen 1838 und 1961)
  • Vavra, E.: Der Wald im Mittelalter. Funktion – Nutzung – Deutung. In: Das Mittelalter, Bd. 13 (2008) Nr. 2, S. 3.
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1962 - S. 7. [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1962].

Sonntag, 27. Mai 2012

Alter Wein in neuen Schläuchen

Pünktlich zur Informationsveranstaltung am 23. Mai wurde der neue Webauftritt der politischen Gemeinde offiziell freigeschaltet, einige Tage früher als erwartet. In den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Ausgabe Mai 2012, stand nämlich, die Aufschaltung erfolge «Ende Mai». Nun gut, Vorsprung auf die Marschtabelle ist ja immer zu begrüssen.

Was man allerdings bei einem Besuch auf der Website http://www.weiach.ch zu sehen bekommt, ist leider nicht viel mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Ausser dem Promotionsvideo (vgl. WeiachBlog vom 27. April) gibt es nichts neues. NICHTS. Nur das Layout hat geändert.

Enttäuschung macht sich breit, hatte doch der Gemeindepräsident in der Mai-Ausgabe der Mitteilungen explizit und schon im ersten Satz seiner Ankündigung des neuen Webauftritts die «Beschaffung von Dokumenten (...) auf dem elektronischen Weg» erwähnt (vgl. WeiachBlog vom 7. Mai).

«Si tacuisses... (Hättest Du doch geschwiegen)», denkt der WeiachBlog-Autor da. Oder war das etwa nicht so gemeint, dass man nun auch alle Gemeinde-Verordnungen (oder wenigstens die wichtigsten) problemlos herunterladen kann?

Mängelliste wie gehabt

1. Es gibt nach wie vor kein Archiv aller bisher im Internet veröffentlichten Ausgaben der Gemeinde-Mitteilungen. Warum nicht? Selbst unsere kleine Nachbargemeinde Bachs bringt das problemlos zustande. Die aktuelle Ausgabe findet man dort prominent auf der Startseite. Aufgabe: Suchen Sie einmal das Weiacher Pendant. Das ist sehr gut versteckt.

2. Die vom Gemeindepräsidenten angekündigten verwaltungsspezifischen Module fehlen meines Erachtens nach wie vor. Jedenfalls wenn man solche sucht, die ohne einen Telefonanruf und ausserhalb der Bürozeiten einen benutzerfreundlichen Service liefern. Auch hier hat Bachs die Nase vorn. Dort kann man z.B. die Fristverlängerung für die Steuererklärung per Online-Formular einreichen. In Weiach kann man dem Steuersekretär nur eine e-mail oder einen konventionellen Brief schreiben.

3. Downloadmöglichkeiten. Die noch kleinere Nachbargemeinde Kaiserstuhl (400 Einwohner), die übrigens auf denselben Dienstleister vertraut wie Weiach (i-Web), schafft es problemlos, einwohnerfreundliche Angebote online zu stellen. Einen Guichet virtuel eben, wie er heute üblich ist.

Auf der Kaiserstuhler Website gibt es explizit einen Menupunkt «Reglemente». Und da sind sie, die von mir im Falle von Weiach schon seit dem ersten Launch 2005 vermissten Dokumente. Polizeiverordnung, Gemeindeleitbild, Friedhofreglement, Zonenplan, etc. Alles verfügbar, wahlweise als Download oder über ein elektronisches Bestellformular:

Nur zu Büroöffnungszeiten erreichbar

Die Kaiserstuhler Verwaltung kennt sogar einen Menupunkt «Lebenslagen». Weiach hingegen hat nur Telefonnummern und e-mail-Adressen zu bieten. Sonst nichts. Der Eindruck: dort lebt man anscheinend noch wie in den 90er Jahren. E-mail ist schon fast das höchste der Gefühle.

Die Kaiserstuhler haben ihr Leitbild online. Und die Weiacher? Es fragt sich wirklich, warum der Gemeinderat seine Legislaturziele nicht prominent publiziert. Hat er etwa Angst vor dem eigenen Mut?

Besonders Mühe habe ich, das Fehlen der jüngst verabschiedeten Polizeiverordnung zu verstehen. Immerhin sucht die Gemeinde nach wie vor in just diesem Zusammenhang eine(n) Ordnungshüter(in). Der Entwurf der Polizeiverordnung wurde vor der Abstimmung im Format PDF online gestellt (vgl. WeiachBlog vom 4. Mai 2011). Warum jetzt nicht auch die geltende Verordnung? Das soll begreifen wer will.


Fazit: Beim Relaunch wurde eine grosse Chance vertan. Weiach macht sich lächerlich. Seine kleinen Nachbarn beweisen, dass es mit wenig Aufwand besser geht. Nacharbeit ist angesagt.


Montag, 7. Mai 2012

«ffnungszeiten». Gemeindewebsite völlig veraltet

Die Politische Gemeinde Weiach verfügt seit Mitte September 2005 über einen eigenen Internetauftritt (vgl. dazu Weiacher Geschichte(n) Nr. 71).

Seither ist auf der Website nicht allzu viel verändert worden. Ja, man wird den Eindruck nicht los, als sei das Schaufenster zur Welt ein ungeliebtes Stiefkind der Gemeindeverwaltung. Denn regelmässig betreut wird bei Weiach Online lediglich der Bereich, wo das Mitteilungsblatt im Format PDF aufgeschaltet wird. Sonst dümpelt das Angebot dahin und macht damit nicht gerade den Eindruck einer aufgeweckten Gemeinde - eher den des Gegenteils.

Leider ist das sogar auf der Subsite der Jugendarbeit so: Unter http://www.weiach.ch/de/bildung/jugendarbeit/ findet man seit Monaten exakt folgenden Inhalt:

Jugendarbeit Weiach

Der Jugendtreff Weiach ist wieder offen.

ffnungszeiten.pdf (295.5 kB)


Das tollste an dieser wirklich ausführlichen Information ist, dass das hinterlegte Dokument die Daten für das vierte Quartal 2011 enthält. (Über das Wegfallen des grossen Ö beim Speichern der obigen Datei im Content-Management-System mag man ja noch nachsichtig lächeln. Über den Inhalt nicht.)

Für ein schlecht gepflegtes Schaufenster ist der Chef verantwortlich

Nun kann man den Vorwurf sowohl dem Jugendarbeiter wie der Websiteverantwortlichen machen. Tatsache ist, dass Böcke wie dieser auf der Website der politischen Gemeinde leider keineswegs Einzelfälle sind.

Das ernüchternde Fazit: Hier wird schlicht und einfach nicht geführt. Kein Update-Konzept, keine Qualitätskontrolle, kein Nachfassen bei den Verantwortlichen. Und das seit Jahren nicht. Eine Verwaltung und ein Gemeinderat im Tiefschlaf.

In seltsamem Kontrast dazu: der neue Werbevideo der Gemeinde. Der wurde interessanterweise gerade NICHT auf der Gemeindewebsite veröffentlicht. Warum?

Silberstreif am Horizont

Fast hätte ich obiges Lamento vor einigen Tagen tel quel veröffentlicht. Doch halt: seit Erscheinen der Mai-Ausgabe der MGW gibt es Antworten auf diese Frage. In der Rubrik WORTE DES GEMEINDEPRÄSIDENTEN schreibt Paul Willi unter dem Abschnitt «Ein neuer Internetauftritt der Gemeinde Weiach»:

«Die Beschaffung von Dokumenten und Informationen auf dem elektronischen Weg hat heute eine zentrale Bedeutung erhalten. Um diesen Anforderungen stand zu halten und aktuell zu sein, wurde der Internetauftritt der Gemeinde Weiach überarbeitet und aktualisiert. Die Aufschaltung erfolgt Ende Mai. Die neue Internetplattform erscheint in einem frischen, klar strukturierten und verständlichen Auftritt. Neben verwaltungsspezifischen Modulen, welche Ihnen den Verkehr mit der Verwaltung vereinfachen, wird auch der neue Film über Weiach ersichtlich sein. Gerne nehmen wir ihr Feedback zu der Neugestaltung entgegen.»

Es geschehen noch Zeichen und Wunder... Man darf gespannt sein auf den neuen Auftritt.

Quelle
  • Brandenberger, U.: «Keine verspielte, teure und nutzlose Selbstdarstellung». Zur Erstaufschaltung der Website der Gemeinde Weiach – 15. September 2005. Weiacher Geschichte(n) Nr. 71
  • Willi, P.: Ein neuer Internetauftritt der Gemeinde Weiach. Worte des Gemeindepräsidenten. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Mai 2012 - S. 4.