Freitag, 23. August 2019

«Chälemerpack!» – die Trennlinie in den Köpfen Alteingesessener

Unter alteingesessenen Weiacherinnen und Weiachern ist die Bezeichnung «Chälenpack» noch weitherum bekannt.

Von einem anonym bleiben wollenden Mitglied der «Amtsrichters», einem im Weiacher Oberdorf ansässigen Familienverband, hat WeiachBlog jüngst zwei zu diesem Themenbereich passende Anekdoten mitgeteilt erhalten.

Chind mit Schnudernase

Die eine stammt ursprünglich von Mina Moser (1911-2017; vgl. den Nachruf in WeiachBlog Nr. 1349 vom 31. August 2017). Diese habe von ihrer Mutter, die als Hebamme tätig war, den Spruch gehört: «Chind mit Schnudernase lieferet de Storch i de Chälen ab, di schönä degäge im Oberdorf.»

Diese scherzhafte Bemerkung deutet direkt auf die im 19. Jahrhundert in der Chälen anzutreffenden sozialen und gesundheitlichen Missstände mit auffallend vielen kränklichen Einwohnern hin: Kropfträger, Skrofelkranke, Taubstumme und Kretins. Diese Häufung führte zu statistischen Auffälligkeiten, was wiederum dazu führte, dass dieser Umstand in medizinischen Fachzeitschriften aus ganz Europa die Runde gemacht hat. Mit Nennung des Dorfnamens!

Das dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass die Weiacher in ihren Nachbargemeinden zum (heute aus dem Sprachgebrauch wieder verschwundenen) spottenden Übernamen «Weycher Chröpf» kamen. (Vgl. zu dieser These WeiachBlog Nr. 1369 vom 30. Juni 2018 mit Verweisen auf die erwähnten Fachzeitschriften in den Quellen).

Nun wusste man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht, dass diese Krankheiten zu einem guten Teil auch erblich bedingt sind und nicht zwingend mit Unreinlichkeit in Haus und Stall oder dem Alkoholmissbrauch der Eltern zu erklären sind. Das aber waren die sichtbaren Begleitumstände. Und die prägten sich für Jahrzehnte ins kollektive Gedächtnis ein. Kurzum: an der Chälen haftete ein denkbar schlechter Ruf.

Zügeln unmöglich

Das zeigt sich auch an der zweiten Anekdote, die von meiner Quelle selber stammt. Eine ihr bekannte ältere Frau, die infolge Heirat ausgewandert und später in die alte Heimat zurückgekehrt war, habe ihr erzählt, ein in der oberen Chälen haushablicher, stattlicher Weiacher Bürger habe ihr seinerzeit, als sie ihren Ehemann noch nicht kannte, einen Heiratsantrag gemacht.

Dieser Chälemer gehörte notabene ebenfalls einer in Weiach alteingesessenen Familie an, die sich im Bauernhandwerk, in Vereinen und öffentlichen Ämtern durchaus bewährt hatte. Also eigentlich keine schlechte Partie.

Auf die Frage, warum sie denn auf den Antrag nicht eingegangen sei, habe die Bekannte geantwortet: «Ich ha doch nöd wele i d'Chäle überezügle!!!». Demnach gehörte sie einer im Oberdorf ansässigen Familie an. Und für Oberdörfler war es auch noch Mitte des 20. Jahrhunderts völlig undenkbar, sich mit dem «Chälemerpack» einzulassen.

Mittwoch, 14. August 2019

Geselliges Beisammensein, gutes Essen und ein Höhenfeuer

«1. Aug. Gemeinsame Bundesfeier aller Ortsvereine auf dem vergrösserten Schulplatz; der Gemeindeprsdt. Alb. Meierhofer-Nauer hält immer noch die unvermeidliche Rede und führt die Aufnahme der volljährig gewordenen Jungbürgerinnen und Jungbürger durch.» (Walter Zollinger: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1961 – S. 18; Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1961)

Die Rede zum Nationalfeiertag war, wenn man den Worten von Ortschronist Walter Zollinger folgt, traditionell Aufgabe des Gemeindepräsidenten. Und sie fiel je nach Ausprägung seiner patriotischen Gesinnung mehr oder weniger lang aus. Im Falle von Albert Meierhofer-Nauer wohl eher länger.

Höhenfeuer sind in den Jahreschroniken von Walter Zollinger bereits für die 1950er-Jahre nachgewiesen. Sie haben bis heute Tradition.

Im Zentrum der Weiacher Bundesfeier stand (und steht) aber das gemeinsame Singen der Nationalhymne, verbunden mit geselligem Beisammensein bei einem guten Essen. Das Essen wird ebenfalls seit Jahrzehnten von der Politischen Gemeinde mit einem Bon (im Wert von 8 Franken) gesponsert, der an jeden Besucher abgegeben wird, seien es Einheimische oder Auswärtige.

Mitte der 1980er Jahre gab es ein Organisationskomitee eigens für den Bundesfeieranlass. Dieses scheint sich später nur noch informell konstituiert zu haben. Die Feierlichkeiten werden seither im Turnus durch die Dorfvereine organisiert. Ein Verein organisiert jeweils die Verpflegung und die musikalische Unterhaltung, ein anderer das Höhenfeuer. Dieses wird (wenn nicht feuerpolizeiliche Gründe dagegen sprechen) entweder an der Fasnachtflue (oberste Rebstrasse) oder auf dem Wingert abgebrannt.

Ansprachen zum 1. August von 1982 bis 2006

1982: [Bannumgang West mit Zusammensein beim Schützenhaus; kein Hinweis auf eine Ansprache]
1983: «Ansprache durch den Dorfkünstler Hans Rutschmann»
1984: «Begrüssung durch den Behördenvertreter, Gemeinderat Hans Griesser». Der Bundesbrief von anfangs August 1291 (vorgelesen durch Irma Troxler, Verena Troxler und Roland Baltisser), vgl. «Der Weiacher Jugend, den Weiacherinnen und Weiachern, Gruss und Wohlergehen!». Schriftliche Grussadresse von Mauro Lenisa in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, August 1984, S. 16.
1985: Begrüssung durch M. Lenisa, Gemeindepräsident
1986: Eröffnung der Feier durch M. Lenisa, Gemeindepräsident
1987: [Für die Ansprache ist samt Singen der Nationalhymne 15 Minuten veranschlagt]
1988: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1989: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1990: Gemeindepräsident Werner Ebnöther
1991: Gemeinsame Feier von Fisibach, Kaiserstuhl und Weiach. Kurzansprachen der drei Gemeindevorsteher mit dem Verlesen der Botschaft des Bundespräsidenten durch Schulkinder aus den drei Gemeinden.
1992: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1993: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1994: «Kurze Festansprachen» [ohne Angabe der Redner]
1995: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1996: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1997: «Kurze Festansprache» [ohne Angabe des Redners]
1998: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
1999: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
2000: Regierungsrätin Rita Fuhrer
2001: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]                                                                                                
2002: [Kein Hinweis auf eine Ansprache]
2003: Kantonsrat Matthias Hauser
2004: Gemeindepräsident Gregor Trachsel
2005: Begrüssung durch den Gemeindepräsidenten
2006: Festansprache [ohne Angabe des Redners]

Gefahr der parteipolitischen Vereinnahmung

Man sieht es der vorstehenden Liste unschwer an: Reden oder Ansprachen waren in den letzten Jahrzehnten nicht regelmässiger Bestandteil der 1.-August-Feier in Weiach.

Bundesfeieransprachen von Auswärtigen ohne engen persönlichen Bezug zur Gemeinde sind in Weiach eine relativ neue Erscheinung.

Dass dem so ist, könnte mit der traditionell wenig parteiaffinen Haltung der Weiacherinnen und Weiacher zusammenhängen. Parteipolitik spielt auf kommunaler Ebene schlicht keine Rolle. Da sind Persönlichkeiten gefragt, keine ideologisierten Programme.

Für die Jahre 2000 und 2003 sind zwei in den Mitteilungen für die Gemeinde Weiach dokumentiert, eine von Regierungsrätin Rita Fuhrer (SVP) und eine von Kantonsrat Matthias Hauser (ebenfalls SVP; damals frisch gewählt). 2009 und 2014 kamen in der Region ansässige Politiker zum Zug (vgl. Inhaltverzeichnis). Erst seit der Präsidentschaft von Stefan Arnold wird mehrheitlich auf auswärtige Politiker gesetzt.

Da besteht die Gefahr der Vereinnahmung. Bundesfeierreden bergen immer das Risiko, dass politische Agenden transportiert werden vor allem in Wahljahren. Diese könnten die Harmonie stören und das Feiern des dörflichen Zusammenhalts gefährden.

Es ist daher eine interessante Entwicklung, dass sich der Gemeinderat im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts vor allem auf die Organisation des Redners bzw. der Rednerin konzentriert.

Mit dem massiven Zuzug von Neuweiachern der letzten Jahre ist es nämlich zu einer Herausforderung geworden, Zusammengehörigkeitsgefühl neu zu erfinden. Wenn rednerische Zugpferde dabei helfen, dann ist dagegen nichts einzuwenden.

Mittwoch, 7. August 2019

«Verantwortig übernäh!» – Ständerat Jositsch zum 1. August

In früheren Jahren war bekanntlich der Verein, der den Weiacher Bundesfeieranlass organisierte, auch für die Wahl des Festredners zuständig. Weil es dabei leider etliche Pannen gab, hat der Gemeinderat entschieden, die Ansprache sei nun Chefsache. Dieser Teil der Organisation ist jetzt Aufgabe des Gemeinderats, die Dorfvereine können sich dafür auf die Logistik konzentrieren.

Die bei schönem Sommerwetter auf dem Schulhausplatz Hofwies durchgeführte diesjährige Bundesfeier hat gezeigt, dass diese Arbeitsteilung ein Erfolgskonzept ist. Nur bei den Fähigkeiten der Musikgruppe (diesmal Gumboot Rednex), die Nationalhymne korrekt zu intonieren, muss man noch erheblich nachbessern. Ansonsten gibt es gute Noten.


Das von der Männerriege aufgetragene Buffet mit Salaten und verschiedenen Fleischangeboten vom Grill hat jedenfalls kulinarisch überzeugt – und dank einem Bon im Wert von 8 Franken, den die Politische Gemeinde jedem Besucher spendiert hat, waren die Preise auch für Menschen mit kleinem Budget im Rahmen.

Mit der Politik auf Tuchfühlung gehen

In einem Wahljahr wie diesem ist es naheliegend, dass – wie 2018 mit Nationalrätin Natalie Rickli – wieder ein auf Bundesebene aktiver Politiker eingeladen wurde.


Unser Gemeindepräsident konnte für die Ansprache 2019 Ständerat Daniel Jositsch, Sozialdemokrat aus Stäfa am Zürichsee (also von der sogenannten Goldküste) gewinnen. Jositsch ist beruflich als Strafrechtsprofessor an der Universität Zürich und als Zentralpräsident des Kaufmännischen Verbandes Schweiz tätig.

Dass ein Linker in der SVP-Hochburg Weiach die 1. August-Ansprache hält, ist an sich schon bemerkenswert. Man durfte gespannt sein, was er den Weycherinnen und Weychern in dieser Feierstunde zu sagen haben würde.

Zumal eines klar ist: Daniel Jositsch (54) ist kein linker Ideologe, sondern ein Mann von staatsmännischem Format, der bei einer Majorzwahl, wie sie bei Ständeratsausmarchungen im Kanton Zürich stattfindet, auch bei Bürgerlichen Anklang findet und von ihnen gewählt wird.

Passt in kein Schächtelchen

Jositsch gehört eher zum rechten Flügel der SP. Er würde aber wohl auch bei den Grünliberalen, den Freisinnigen oder gar im linken Flügel der SVP als Zugpferd fungieren und einen Ständeratssitz erringen.

Dass dieser Mann in keine vorgefertigten Schachteln passt, zeigen auch seine nicht so bekannten Engagements, z.B. seine langjährigen Kontakte und soziales Engagement in Kolumbien oder ein hoher Dienstgrad in der Schweizer Armee (Oberstleutnant der Militärjustiz). Auch wenig bekannt ist, dass Jositsch der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehört.

Wer eine solche Kombination von persönlichen Merkmalen aufweist und dennoch in der Politik ein gewichtiges Wort mitredet, der muss zwangsläufig gegen Anfeindungen und Vereinnahmungsversuche abgehärtet sein. Man denke nur an die mehr als kritische Haltung vieler seiner Parteigenossen, was die Armee und insbesondere deren Justizorgane betrifft.

Oder – auf religiös gefärbtem Parkett – die ziemlich einseitig palästinenserfreundliche Einstellung samt Boykottaufrufen gegen den Staat Israel und seine Siedlungspolitik, die sich die Linken im Allgemeinen zu eigen machen. Auf welcher Seite er sich da auch positioniert – auf der Parteilinie, auf der der zionistischen Agenda oder dazwischen: irgend ein ideologischer Falke wird immer daran Anstoss nehmen.

Freie Rede nach Stichworten

Umso bemerkenswerter ist es, dass Jositsch sich nicht mit einem ausgefeilten Redetext gegen alle Eventualitäten absichert. Auf die Anfrage von WeiachBlog, ob er bereit sei, auch seine Rede zur Publikation freizugeben (wie es mittlerweile seit 2007 zur Tradition geworden ist), antwortete er, er notiere sich lediglich Stichworte und schreibe «keine ausformulierte Rede».

Ich habe mich daher entschieden, in Absprache mit dem Festredner die Ansprache aufzunehmen und zu transkribieren. Auf Wunsch von Ständerat Jositsch wird sie – als Première auf WeiachBlog –  erstmals auf Züritüütsch veröffentlicht. Sie lesen sie also genau so, wie sie gehalten wurde. Dasselbe Verfahren wurde auch auf die einleitende Grussadresse und die Dankesworte des Gemeindepräsidenten angewandt. Lediglich die Zwischentitel sind redaktionelles Beiwerk aus der Tastatur des WeiachBlog-Schreiberlings. Sonst ist alles O-Ton (abzüglich Äähs und Ööhs).


«Es bruucht Brugge»

Einleitung und Grussadresse Gemeindepräsident Stefan Arnold

«Guete-n-Abig, liebi Fäschtgmeind! Ganz herzlich willkomme zum siebehundertachtezwängischte Geburtstag vo de Schwiizerische Eidgnosseschaft. Mini Frau und min Sohn sind mit Kollegä ufemene Campingplatz in Jesolo bi Venedig. Si chönd hüt also a dem schöne Fäscht in Weyach nöd teilnäh. So wiä au mit Hunderte vo andere Schwiizer wo a de Adria de Erscht Auguscht fiired. Aber kei Angscht, si trääged s’Schwiizerchrüz im Herze, d’ Schwiizerfahne hanget am Wohnwage, und: hüt abig git’s det Raclette! Und das bi drissg Grad. Also ich bin froh dörf ich hüt bi Eu si! [Gelächter]. Schön, dass si so zaalriich erschine sind und mit Eus i de Schwiiz und au da speziell in Weyach de Geburtstag vo de Schwiiz fiired.

Gschätzte Herr Schtänderaat, gschätzi Damen und Herre, liebi Weyacherinne und Weyacher! Als Gemeindspresidänt und im Name vom gsamte Gmeindraat vo Weyach heiss ich Sie ganz herzlich willkomme zur hütige Erschtauguschtfiir. Wän mir vor zwänzg Jaar öpper gseit hetti, ich dörfi im Jaar zwänzgnünzä en Erschtauguscht-Aaspraach vomene Schtänderaat aachünde, so hett ich diä Person sehr wahrschindlich usglacht. Ja, s’Läbe bringt oft Sache mit sich, diä mer nüd plant oder diä mer au nüd plane chann, und das isch eigentlich ganz guet eso.

Aalässlich vo de Schuelabschlussfiir i dem Jaar, vo mim Sohn, wo jetzt i d’Oberschtufe nach Schtadel wächslet händ die aawäsende Eltere d Schuel-Underlage vo de Chind dörfe-n-aaluege. Gern zitier ich ihne zwei drüü Uussage. Eis Chind hät gseit, vom Usland wänd vil Lüt i d’Schwiiz cho, zum gsee wie schön dases isch, wie guet s’Aesse schmöckt und wivill Spass das mer hät. Schoggi und Chäs sind die berüemtischte Sache i de Schwiiz. Es anders Chind hät gschribe: «I minere grächte Wält händ all es Huus, dörf niemert e Waffe ha, händ all Chleider, dörfs schwuli und lesbischi Paar gää, mues jedes Chind i d Schuel, mues jedes Chind Huusufgabe mache, mues jede Erwachsni en Job haa, und mues jede Gäld ha». Intressant isch ä gsi, es isch dänn na gschtande: «wänn eine kä Gäld hät, dänn chunt mers über». [Gelächter] Ja, ganz so eifach isch es dänn scho nöd, s’Läbe isch doch e bitzli andersch, aber dännoch glaub ich, das mir i de Schwiiz ganz ganz viles richtig mached, und einigi vo de Wünsch vo däne Chind au in Erfüllig gaa werded in Zuekunft. Wän ich hüt teilwiis de Politiker zuelose, dänn bechum ich ame s’Gfüül, das es us gwüssne Egge use iri Sicht isch und am beschte wäri wänns au – mer känned das us Amerika – wänns au rund um d’Schwiiz e Muur brüchti, d’Ohre und d’Auge gschlosse werde sötted und gschwige wird, wänns um Problem i däre Wält gaat. Mini Überzüügig isch aber, dass das absolut nüd schwiizerisch wär. Dänn de Schwiizer hilft, de Schwiizer will mitrede, de Schwiizer will mitbeschtimme, es bruucht deshalb kä Muure um euses Land, sondern es bruucht Brugge. Brugge zwüsched Mänsche i eusem Land. Brugge zwüsched Generatione. Es brucht au Brugge zwüsched Arm und Riich, Brugge zwüsched de Schtarche und de Schwache, es bruucht au Brugge zwüsched de Lingge und de Rächte und es bruucht Brugge zwüsched de Schwiiz und em Usland. Nur eso chönd mir diä Erfolgsgschicht vo de Schwiiz wiiter läbe und au wiiterschriibä. Ein Wunsch han ich aber au na a eusi Landesregiärig.

Was ich mir vo de Landesregiärig wünsche, isch, dass d’Schwiiz inskünftig bi politisch heiklä Fraage vill sälbschtbewusster ufträtte tuet gägenüber vo de anderne Schtaate. D’Schwiiz mues sich nüd immer büüge. Und si mues sich au nöd verschteckä. Als eis vo de innovativschte und sicherschte Länder dörfe-mir vill sälbschbewusster uufträtte.



Ich möcht aber hüt s’Wort eusem hüttige Fäschtredner, äm Herr Schtänderaat Jositsch übergää. Ich bin mir sicher, au er wird hüt Brugge schlaa. Eusen hütige Fäschtredner wiist en iidrückliche Läbeslauf uf. Uf en Uusfüerig mues ich leider verzichtä – zuvill Ziit wür das in Aaschpruch näh.

Sit 2004 isch de Härr Jositsch Strafrächtsprofässer a de Universität Züri. Sini politisch Tätigkeit hät aagfange im Jaar 2000 bis 2006 als Mitglied und Presidänt vo de Schuelpfläg in Stäfa. 2007 bis 2018 [recte: 2015; vgl. https://www.parlament.ch/de/biografie/daniel-jositsch/3891] isch er Mitglied gsi im Nationalraat. Und sit 2015 – also sit guet vier Jaar – isch er Mitglied vom Schtänderaat.

Gschätzte Herr Schtänderaat, dörf ich Sie bitte!» [Applaus]


«Verantwortig übernäh!»

Ansprache Ständerat Daniel Jositsch am 1. August 2019 in Weiach

«Sehr verehrte Härr Gmeindspresidänt, gschetzti Behördemitglieder, liäbi Weyacherinne und Weyacher!

Ich tanke Ihne für die iileitende Wort, wo ich durchus chan understütze und naavollzieh und sie händ ja gseit, Politiker sötted Brugge si. Ich hoffe, das ich das bin, wil ich glaube, als Schtänderaat isch mer eigentlich echli verantwortlich defür, de ganz Kanton z’röpresentiere und z’verträtte und drum versuche mir au immer - beid Schtänderöt – e bitzli Brugg zwüschend Linggs und Rächts z’si und drum glaub ich au, isch das öppis wo euses Land usmacht, das mer zäme nach Kompromisse suecht und das mer versuecht Lösige z’finde. Und das wird auch e bitzli s’Thema si vo mim, vo minen Uusfüerige, wo s da e bitzli fählt und wo me da e bitzli meh chönnted mache

Digitalisierig und iri Folge

«Ich bin vor e paar Monet als Presidänt vom Kaufmännische Verband, wo-n-ich au no bin, bin ich konfrontiert worde mit ere Schlagziile. Und d’Schlagziile hät gluutet: «Ein Drittel der kaufmännischen Berufe durch Digitalisierung gefährdet». Und da han ich mich natürlich gfröget: Mues mer sich da Sorge mache, mues ICH mir da Sorge mache? Mini Antwort isch gsi: Ja, me mues sich Sorge mache wäme sone Schlagziile gseet – aber, wie gaat mer mit däre Sorg um. Und ich glaub, der Erscht Auguscht isch e bitzli, s’git ja wi zwei Forme vo Erschtauguscht-Redä, di einte sind so diä rückblickende, wo 1291 aafanged. Und die andere sind so diä «nach vorne blickenden». Ich versuche ehner echli s’Zweiterä z’mache – und versueche e bitzli mir z’überlegge wie, was chömer mache zum uf gwüssi Useforderige wo sich büted i eusere Gsellschaft – und das isch natürlich d’Digitalisierig, isch es Thema wo all drüber reded – wiä gömmer da demit um


D’Schalterhale vo de Kreditaaschtalt

«S’erscht wo-n-ich mich gfröget han isch: Digitalisierig, isch das öppis Neus? Isch das jetzt cho und häts das vorhär nüd gää, häts vorhär kei Umwälzige gää i däm Sinn? Und dänn isch mir in Sinn cho, wo-n-ich d’Schuel abgschlosse han, sind sehr vill vo mine Kolleginne und Kollege, händ dänn e Banklehr gmacht. Und si erinnered sich vilicht, wänn sie früener ine Bank cho sind, aso ich han no s’Bild vor mir, d’Schalterhale vo de damalige Kreditanschtalt am Paradeplatz, da sind sie ine cho und dänn händ si rundume öppe vierzwänzg oder drissg Schalter gha, wo si händ chöne Gält abhebe und usegää und vill vo mine Kolleginne und Kollege sind a dene Schalter gsässe und händ det das Gält inegnoo und vor allem usegää, und si erinnered sich vilicht, also mindeschtes diä wo mindeschtens so alt sind wie-n-ich, und wän ich so luege isch s’Durchschnittsalter scho knapp über drissgi, also vo dem här gits doch na einigi wo das erläbt händ – damals hät me sich müese am Friitignamittag überlegge, wivill Gäld bruuch ich übers Wuchenänd, will dänn händ si namal müse uf d’Bank am Friitig, wil bis am Mäntig isch fertig gsi und wänn si dä falsch kalkuliert händ, händ sie bim Kolleg öppis müesse go uuslehne, süsch häts nüt gää. Und dänn sind diä Bankomate iigfüert worde, und hützutags gönd wahrschindlich die meischte vo ihne, gönd an Bankomat und gönd det go Gäld bezieh, 7 mal 24 Schtund und wänn si hütt i di gross Schalterhalle inechömed vo de damalige Kreditaaschtalt, wo hüt Credit Suisse heisst, dänn findet si kei Schalter me, sondern si finded Läde. Das heisst, s’hät sich fundamental gänderet

Neui Bruefsbilder

«Und jetzt di gross Fraag – zersch das isch natürli Digitalisierig gsi, bim Bankomat isch es Form vo Digitalisierig – häts damals uf Grund vo de Bankomate, häts früener meh Mitarbeiterinne und Mitarbeiter gää i de Finanzbranche als hüt? D’Antwort isch: Nei, hüt gits meh! Werum? D’Digitalisierig und generell Änderigsprozäss diä füered ja immer au wider zu neue Chance, das häts immer scho gää, wänn sie lueged [bi] de Erfindig vom Auto hät sich sofort d’Fraag gschtellt: was isch passiert mit allne Hufschmied, Pferdezüchter, Sattler, was mached diä, si stelled statt Huf Auto här und si züchted kä Ross me sondern importiered Auto. Das heisst, es git en Umwandligsprozäss. Jetzt, Veränderig zerschtört Alts, öffnet neui Möglichkeite, das tönt positiv. So positiv isches natürlich dänn ä wider nöd. Diä Umwandligsprozäss füered natürlich dezue, das im Übergang, dases Lüt git wo Verlürer sind, wo uf de Strecki blibed, oder, wänn si 50i oder 55i sind und sind bis jetzt Hufschmied gsi und jetzt chaufed all es Auto und käne will me es Ross, chönd si sich nöd eifach umschuele zum Automechaniker oder Autoimporteur. Das heisst, es git im Übergang, gits Verlürerinne und Verlürer. Trotzdem aber, es git au neui Chance

So schnäll chas gaa

«Und was hüt s’Spezielle-n-isch vilich a de Digitalisierig, isch dass d’Gschwindigkeit so höch isch: Ei falschi Entscheidig cha dezue füehre, dass sie praktisch nüme-n-exischtiered als Firma oder als Branche. Dänked si nur a Nokia. Wer vo eus hätt nüd vor gar nüd allzu langer Ziit es Nokia-Handy gha? Und si erinnered sich, das sind da diä grosse Dinger gsi, wo si also ohni witeres au eine hetted chöne z’todschlaa demit [Gelächter], also hüt würded sie das fasch nüme-n-als portabels Telefon betrachte, aber damals ich mer, also als Maa hät mers so an Gürtel müese schnalle win-e-sonen Revolver, Fraue händ ja Handtäsche wo ales Mögliche chan verschtaut wärde. Aber mä hät dänn das eso chli, und das isch damals so chli state-of-the-art gsi, wänn sie es SMS gha händ wo meh als feuif Buechschtabe gha händ, händ sis nüd i einere Linie chöne läse, dänn händ si müese quasi dureblettere. Und vor guet zää Jaar, vill me isches nöd, sind d’Smartphone erfunde worde und Nokia hät damals d’Entscheidig troffe: S’Smartphone hät kä Zuekunft. D’Antwort käne mer. Nokia gits hüt, ich weiss nüd öbs diä na git, d git schona aber praktisch inexischtänt. Und diä wo ufs Smartphone gsetzt händ, diä behärrsched hüt de Märt. Eso schnäll chas ga

Risike iigaa

«Wo liit s’Problem oder was isch s’Neuä? Wänn sie wänd innovativ si, wänn si wänd innovativ bliibe, münd sie Risike iigaa. Risikä iiga, Fähler mache, uusprobiere, tüftlä, d’Nase in Wind hebe, und wäg de Digitalisierig isch d’Gschwindigkeit entscheidend. Hüt isch öppis zää Jaar vilicht aktuell, mängisch ä weniger und e paar Jaar spöter gits wider öppis Neuis und wänn si das verschlafed sind si z’spaat, dänked sie nur dra, wo-n-ich äs Chind gsi bin, da hät mer dihei es Telefon gha amene Kabel, da häts bide PTT, hät das damals gheisse, händ si zwei Modäll gha, s’graue und s’wiisse – und dänn händ si no s’schwarze gha zum a d’Wand anemache, oder. Das sind di drüü Modäll gsi, das isch Telefonie gsi. Min Sohn frögt mich immer und seit, «Ja wäner dänn underwägs gsi sind, wiä händer, wiä häsch dänn öpperem aaglütet?» «Dä häsch nüd aaglütet, da häsch...», de hät er gseit: «Ja häsch dänn chöne uf de Beantworter rede?» Hä gseit, «S’hät kän Beantworter gää, das heisst mä hät dänn eifach käs Telefon gha.» Das isch mim Sohn unvorstellbar, wämer am Morge zum Huus usgaat und am Abig zruggchunnt und underdesse hät’s käs Telefon gää – und wäme heicho isch hät me nüd emal gwüsst wer aaglüüte hät underdesse. Und dänn isch de Fax cho und s’portable Telefon und s’Smartphone und so witer und das ales innerhalb vo wenige Jaar – und wenn sie da im Märt nüd chönd Schritt halte, dänn händ si natürlich es Problem. Aso wämer früener gseit hät, dänn hät mer so chli gleert, was bruuchts zum erfolgriich si, dänn hät mer gseit: erschtens Durchhaltevermöge, zweitens ämal chöne verlüüre und drittens Engagement und Iisatz und hüt müend si säge s’vierte isch d’Bereitschaft s’Risiko iizgaa, also relativ schnäll ohni dasme de Märt scho vier Jaar uusteschtet hät chöne anegaa und zum Bischpiil es Produkt chöne präsentiere


Wohlschtand chame nüd iigfrüre

«Mir läbed e bitzli inere Gsellschaft – und das isch eifach so, mir sind vilicht e bitzli bequäm worde – will mir läbed, ich meine wänn si umelueged wän-ich jetzt da uf dem Platz staane und ich bin jetzt i diä Gmeind gfahre und ich mues ihne säge, das isch traumhaft wo si wohned oder mir all wohned. Mir händ Natur, mir händ aber au Zivilisation, mir händ Wohlschtand, mir händ Sicherheit, aso mir händ ales und mir händ au Angscht das alles z’verlüre. Und – si chönd Wohlstand, Sicherheit, chönd si nöd iigfrüre. Oder... si münd, jedes Jaar fangt wider am erschte Januar bi Null aa und si münd alles Gäld münd si wider neu verdiene, si münd neui Jobs ha für all diä wo d’Schuel abschlüssed das Jaar und so wiiter und so fort. Und drum mü mir eus natürli ä d’Frag schtele: Wiä bliibe-mer innovativ, wiä bliibe mer a de Schpitze, wil mir sind a de Schpitze. Und die andere wänd aber uufhole

Verrissni Jeans

«Ich han zwei Pünkt wo mir wichtig schined und wo-n-ich glaube womer e bitzli münd dra schaffe, s’einte isch e bitzli d’Kultur au emal chöne z’verlüre. Ich glaube, mir – verlüre isch... tuet niemert gern – aber ich glaube, wämer inere Gsellschaft läbt, wo mer seit, ja, wänn eine emal Konkurs gaat, isch er en Verlüürer oder en «Loser», wimer hüt seit, dänn hemmed mir d’Entwicklig und gad win ich ihne gseit han, i de hütige Ziit wo alls so rasch isch, chönd si nöd ales bis am Schluss uus-teschte, aso münd si ämaal es Risiko iigaa, wän nonig klar isch, was usechunt. Und wenn ich ihne vor zwänzg Jaar gseit hetti, ich schlan ihne e Gschäftsidee vor, mir produziered – und ich bring jetzt das Biischpiil nöd zuefellig – ich mues ihne vilicht e chliini Anekdote verzelle, ich bin ines grosses Warehuus in Züri, mit «J» aagfange, aso am Schluss heissts «oli» [Jelmoli] und det chönd si – da häts e kä Hosenabteilig, da münd si dur verschiedeni «brands» dure. Und dänn bin ich vilicht am falsche «brand» gsi oder bi de falsche Margge, jedefalls hät e netts Fräulein, knapp zwänzgi, mich gfrööget was ich well, ich ha dänn gseit: «I hett gern es paar Jeans, aso Blue-Jeans». Und dänn git si mir, stellt sie mir zwei, drüü Paar zur Verfüegig und dänn säg ich ihrä: «Nüd Occasion, sondern neu!» [Gelächter] – und dänn seit si: «Diä sind neu!», und dänn säg ich, «Aber Sie, ich chauf doch käs Paar Jeans mit Löcher din!». Und dänn seit si: «Das treit mer jetzt». Und dänn han ich tänkt, schlau wie-n-ich bin – oder gern wär, han ich gseit: «Sind dänn diä wenigschtens billliger?», und dänn seit si: «Nei, diä sind tüürer, will zerscht wärdets härgschtellt und nachher no künschtlich kabuttgmacht» [Gelächter] – jetzt, Chlammere zue, hett ich ihne vor zwänzg Jaar e Vorschlag gmacht, mir mached e Fabrik, Jeansfabrik, produziered Jeans und nachene mached mer si kabutt und dänn verchaufed mer sie zum dopplete Priis, hetted si gseit: «Bisch wahnsinnig, das cha ja nöd funktioniere! S’funktioniert.»

D’Sach mit de Silberchugle

«Das heisst: me weiss nie was hät Erfolg und was hät wenig Erfolg. Vilicht namal äs Biischpiil wo-n-ich ä bsunders iidrücklich find: die Aeltere vo ihne erinnered sich wo-n-ich es Chind gsi bin, 70er, aso Teenager gsi bin, 70er bis 80er Jaar, häts i de Schwiiz kei McDonald’s gää. Äs hät EIN McDonald’s gää, dä isch in Losann gsi und wonich mit de Schuel is Klasselager bin und i d’Romandie hämir umbedingt nach Losann wele zum i dä einzig McDonald’s – s’ersch mal i mim Läbe mit zwölfi bin ich inen McDonald’s ine und s’isch für mich gsi wis Paradies – aso ich ha mers mindeschtens so vorgschtellt. Und, wämer bi-n-eus en Hamburger hät wele-n-ässe, ich weiss nüd öbs da usse au öppis gää hät – aber dänn isch mer z’Züri, isch mer i d’Silberchugle, das isch so das, wo, eusi Form vo quasi Faast-Food. Und dänn isch McDonald’s i d’Schwiiz cho, hät da z’Züri di erschte Reschtorants ufgmacht und was isch passiert? Niemert oder fasch niemert isch det hi. Und McDonald’s hät sich wider müese zruggzie. Und dänn hät mer gseit, ja was isch dänn los? Und wieso dänn nöd? Und d’Antwort isch dänn gsi, ja d’Schwiizer, die wänd halt Silberchugle, da gits äna es Birchermüesli und es Eiersandwich und en Schinke-Chäs-Toscht, diä wänd nüd eifach so Hamburger und Big-Mac und so, sondern das isch echli en anderi Kultur. Nach e paar Jaar, ich weiss nüd wer das entschiede hät, ich nim aa irgend d’Spitze vo McDonald’s hät gseit: «S cha ja nöd sii, das mir uusgrächnet i de Schwiiz kei Erfolg händ», sind wider choo, was isch passiert? Si känned s’Resultat, es git hüt es paar meh McDonald’s i de Schwiiz, als Silberchugle. Das heisst, äs hät sich plötzlich ales g’änderet. Und kän Mänsch weiss, werum. Und drum chönd si diä Prozäss nüd vorusgsee und drum chönd si wänn si wänd Erfolg ha, müend si bereit sii, au eifach mal irgendöppis z’probiere, ebe zum Biischpiil halt i Gotts Name au emal verrissni Jeans für de doppleti Priis verchaufe

Wille zur Füerig

«S’Zweite, wo mir wichtig schiint und wo mir am Härze liit und wonich glaube mümer e bitzli luege das mers nüd verlüred, das isch d’Fähigkeit – oder wänn si so wänd de Wilä, Füerig z’übernää, oder, nur scho das Wort, da schtört mä sich ja scho fasch draa. Füerig.. hüt hät mer Matrixorganisatione und me dut i de Gruppe entscheide, aber mini Erfahrig isch, wänns drum gaat öppis Unaagnähms z’entscheide, ich weiss nüd wi das für de Gmeindspresidänt vo Weyach isch, wänn sie öppis Unaagnähms münd entscheide, dänn sind si immer elei. Da drängt sich niemert vor, da wil ä niemert d’Verantwortig übernää und das isch eso dää Punkt, wo-n-ich glaube, wo’s bruucht. Entscheide-n-isch en einsami Tätigkeit. Und entscheide, und das isch s’Zweite wo wichtig isch, entscheide müend si dänn, wänn nonid ales klar isch, will wenn ales klar isch, denn chönd si mit em Computer entscheide, da chan ine de Computer säge, was si münd mache. Entscheidend isch es, dänn z’entscheide, wäme nüd gnau weiss, was richtig und was falsch isch, sondern wo si eifach mit de zur Verfügig stehende Informatione müend säge, jänu jetz probiere mers halt emal eso, das heisst, wo sie münd d’Verantwortig übernää, wänn’s dänn halt nüd funktioniert. Und mit Sicherheit, da chönd si sicher si, sind all wider da, wenn s’nachhär nüd funktioniert hät und säged ine: mä hets ebe andersch müese mache-n, oder?»

Füerigspersone wachsed nüd a Böim

«Und s’Dritte-n-isch, und dasch ä mini Erfahrig, i de Krise macht mer Fähler bim Füere, si chönd nüd ales nach Lehrbuech mache. Ich bin a der Universität Sanggalle gsi und ha det schtudiert und mä hät det Managment gha und ales möglichi, da chönd si viles leere, genau glich wi si chönd leere schwüme und trotzdem wenn en Schturm chunnt, laufts nach anderne Gsetzmässigkeite. Und das isch i de Krise au eso. Dänn bruchts eine wo anestaat, und vilicht au eifach emal öppis völlig Unkonventionells entscheidet. Und was ich bi eus e bitzli gsehn isch diä Tendänz, das mer aafangt für schwirigi Entscheidige Berater zuez’zieh, Extärni zuez’zieh, Fachlüüt zuz’zieh und im schlimmschte Fall d’Entscheidig sogar outsource, demit me nachher cha säge, ja das ha nüd ich entschide, oder mir händ das anderne übergää. Und ich glaube, das isch e schlächti Tendänz. Füere bedütet d’Verantwortig z’übernäh, Füere bedütet nüd eifach ich ha de höchscht Lohn, s’schönschte-n-Auto und mach irgend e netti Reed a de Wienachtsfiir, sondern Füere bedütet, daz’schtah und det Entscheidige z’träffe wos ebe-n-under Umschtänd unagnähm isch. Und drum glaub ich, bruchemer wider meh Füerigspersönlichkeite. Und es bruucht, es git ja dä schöni Satz: «Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er den Verstand», aber d’Fraag isch: git er em au s’persönliche Format dezue? Und ich glaube, das isch nöd eso. Füerigspersone wachsed nüd a Böim und gheyed nüd vom Himel und Füere chan au käs Schuelfach sii, wil i Büecher chönd si viles leere, aber wi mer füert, wi mer Mänsche füert, wi mer Verantwortig übernimmt, das chönd si nöd naaläse ime Buech, sondern das müend si sälber feschtschtellä. Und s’Problem glaub ich womer i de hütige Gsellschaft händ, isch, dass sehr vill Jungi, wachsed uf – under Umschtänd als Einzelchind – schtönd di ganz Jugend im Zäntrum, gönd i d’Schuel, sind für iri eigne-n-Ufzgi zueschtändig, gönd nachhär ines Fitnessschtudio zum sich körperlich fit halte, mached iri persönlich Uusbildig, sind also bis feufezwänzgi, drissgi eigetlich nur für sich sälber verantwortlich – im beschte Fall – und söled nachhär chöne Füerigsfunktione-n-usüebe. Nur, wo söleds füere gleert ha?»

S’Problem mit de Fitness-Schtudio

«Und ich glaube, ich han vor churzem e Zaal gsee, e Zaal gläse wo-n-ich no schockierend gfunde han: sit zwei Jaar gits i de Schwiiz meh Lüüt, wo es Abo imene Fitnessschtudio händ, als wo Mitglied vo Turnverein [sind]. Aso, was seit das us? Mänsche wänd vom Mäntig am morgen-am-sächsi bis am Sunntigabe am Nüni individuell beschtimmt mal is Zumba, mal is Jäzztanze, mal is Fitness, mal i d’Sauna-Wellness, und nöd i d’Dameriege, wo immer am Mittwuchabig vo siebe bis halb nün treniert, wome dänn na mues am Wienachtsaalass en Chueche bache und im schlimmschte Fall na in Vorschtand, oder? Sondern, das wil ich nöd, ich zal öpperem tusigvierhundert Franke-n-im Jaar damit er mir d’Infraschtruktur zur Verfüegig schtellt mit Tüechli und Chäschtli und ich chume go Schport mache wän ich will und nachher gang ich wider und ha süsch mit däm nüt z’tue.

Und drum glaub ich isches wichtig, wänn sie zum Bischpiil lueged, d’CEVI und d’Pfadi, wo die Jugendliche sich chönd engaschiere. Min Sohn isch i de CEVI, isch jetz gad im Laager gsi, dasch unglaublich, was das mit dene Chind macht. Min Sohn isch au e sones Vorschtadt-Chind, wo mit em Natel und mit em Game und mit all dene Sache [ufgwachse-n-isch]. Aber min Sohn isch vorere Wuche is Laager ggange. Da chönd si dä abgää am Bahnhof, Händy käs Thema me, si chömed zrugg wi so Chriegsversehrti, im Prinzip, ich hanem gseit, ich weiss gar nöd werum Du en Kofer mitnimmsch, häsch ja sowieso di ganz Wuche di gliche Chleider a. Isch unglaublich, aber: diä hocked im Wald, boued Zält, sind für e Gruppe vo Primarschüeler zueschtändig, müend luegä das diä is Bett gönd, am Morge Zmorge händ, das heisst, si leered Sache, wos nachhär bruched und da isch unglaublich was das mit dene Chind macht. Das veränderet es Chind, diä Erfahrig veränderet es Chind vollschtändig und ich glaube drum, dases wichtig isch, das mer diä Möglichkeite bhalted und das mer eus überlegged was mer i eusere Gsellschaft – diä Gsellschaft funktioniert nöd, wenn jede nu is Fitnessschtudio gaat. Oder, irgendöpper mues d’Verantwortig für s’Gsammte übernää

S’Gschlächt isch mir egal, mir bruched di Beschte!

«Ich glaube, d’Schwiiz hät ales zum erfolgrich z’si, si isch au erfolgrich, aber: das isch käs Naturgsetz. Mir münd innovativ bliibe und mir münd Verantwortig übernää für s’Gsammte. D’Politik mues da es Vorbild si und sie händs e bitzli aatönt, mir sinds nöd. Ich säge mir, wil ich ghör mit dezue. Wänn si lueged, Bischpiil Europa-Politik, oder, sie chönd ietz für di Bilaterale Verträg si oder geg di Bilaterale Verträg si, für de Rahmevertrag oder geg de Rahmevertrag. Da hät de Bundesraat entschide, er hät entschide, das me jetz nüt entscheidet. Chan emal taktisch guet sii, aber öb das Füerig isch, das wag ich e bitzli z’bzwiifle. Oder tänket si – aso ich hoff jetz ich mach kän Fähler, muemer immer echli ufpasse – tänked si a d Flughafepolitik, oder, wie lang disktuiered-mer jetz am Flughafe-n-ume und was me da ales sötti mache und was isch schlussändlich erreicht worde, ussert das mer nett drüber gredt hät? Verheltnismässig wenig oder – simer ehrlich – eigentlich fascht gar nüt. Und drum glaub ich, mer münd au i de Politik meh Verantwortig übernää, meh gschtalte und ich säg das sälbschtkritisch, mir bruched – und nimi au wider s’Biischpiil wo de Härr Gmeindspresidänt erwähnt hät – Bruched mir Bundesrät, wo gueti Rede mached? Bruched mir Bundesrät, wo möglichscht vill Frömdsprache reded? Bruched mir Bundesröt, wo ime beschtimmte Kanton ufgwachse und beheimatet sind oder es beschtimmts Gschlächt händ? Oder, ich chan ine säge, ich han bi de letschte Bundesraatswahle zwei Fraue gwäält [Karin Keller-Sutter SG und Viola Amherd VS]. Und wüssed Si werum? Wills di beschte zwei Kandidatinne sind, win ich ine jetzt cha säge und ich würd d’Hand defür is Füür lege, wil das zwei hervorragendi Bundesrötinne werded. S isch mir völlig egal, sind jetz zuefelligerwiis zwei Fraue gsi, s’hetted ä chöne zwei Männer si. Nei, ich glaube das schpillt kä Role. Was mer bruuched, das sind die beschte, innovativschte und füerigsschtärchschte Persönlichkeite.»

Das Ansprechen der Flughafenpolitik kann tatsächlich einem Stich ins Wespennest gleichkommen. Da hat Jositsch durchaus recht. Und als einer der von der Goldküste kommt, kennt er natürlich die Militanz gewisser «Südschneiser».

In Weiach hält sich die Begeisterung an der mittlerweile seit über 43 Jahren bestehenden Anflugschneise der Piste 14 in engen Grenzen. Aber da der Unterländer in der Regel kein Revoluzzer ist, kennt man öffentliche Unmutsäusserungen eigentlich gar nicht. Nur wenn die Privilegierten aus dem Süden den ganzen Lärm auf das Gebiet nördlich des Flughafens kanalisieren wollen, dann erheben sich einzelne Stimmen. Doch weiter mit der Rede:


De Helmut Schmidt als Vorbild

«Vilicht eifach zum Schluss es Biischpiil: ich wird ab und zu gfröget, wer mis politische Vorbild isch. Ich ha käs politischs Vorbild i dem Sinn, Vorbild tönt für mich immer so nach irgendeme Pouster womer über s’Bett hänkt. Das han ich eigentlich nöd, aber s’git ein Politiker, wo mich beiidruckt hät, das isch de Helmut Schmidt. Und werum de Helmut Schmidt? Si erinnered sich, im sogenannte heisse Herbscht 1977, aso wo uf der einte Siite e Lufthansa-Maschine entfüert gsi isch und gliichziitig de Arbetgeberpresidänt Schleyer – und dä Helmut Schmidt als Bundeskanzler hät müese-n-entscheide, schtürmemer diä Maschine – erschte Iisatz vo de damalige GSG-9 – schtürmemer diä Maschine oder verhandlemer mit Terrorischte und lönd öis erprässe? Und er hät, er hett chöne eifacheri Entscheidig träffe, politisch schlauer quasi wäri gsi: verhandle und Lösige sueche. Er hät gseit: «Ich lah mich vo Terrorischte nöd erprässe, mir schtürmed diä Maschine!», und diä isch gschtürmt worde und s’isch guet use cho, aber mä hät en nachher gfröget: «Was hetted sie gmacht, wenn das nüd guet usecho wär? Wenn Geisle gschtorbe wäred, bischpiilswiis.» Und dänn hät er gseit: «Dänn hett ich sälbschtverschtändlich sofort mis Amt zur Verfüegig gschtellt». Dä hät mer gfröget: «Werum? Si händ ja gar nüt gmacht, sie händ ja nüd gschosse det vor Ort.» Hät er gseit: «Sisch mini Entscheidig, mini Verantwortig. Ich träg d’Verantwortig.» Und das isch das, wonich glaube, wo iidrücklich isch und wo ebe Füere bedütet und womer e bitzli meh münd ha. Ich glaub drum, «Verantwortig übernäh» isch es guets Motto für der Erscht Auguscht, s’isch aber au es guets Motto für diä andere 364 Täg.

Ich tank ihne ganz herzlich für d’Iiladig und hoffe ich bi nüd s’letschte Mal z’Weyach gsi und wünsche-n-ihne witerhiin en schöne Erschten Auguscht. Merci villmal!» [Applaus]

Dankadresse des Gemeindepräsidenten

Stefan Arnold: «So! Guet! Ganz härzliche Dank, Härr Jositsch, bliibed Si bitte na gschnäll da.

Also, was mir jetzt würklich bewusst worde-n-isch, isch, das ich mit föifevierzgi offebar doch ä scho zun alte Semeschter ghöre. Und zwar: ich ha dehei e kä zerrissni Jeans, ich würs au nüd chaufe wännses zur Helfti vom Priis gäbti, ich ha au es Nokia ghaa und ich bi früener woni i de Leer in Züri gschaffet ha, bin ich sehr hüüfig i d’Silberchugle go ässe. Also: d’Vergangeheit hät mich wider iigholt. [Lacher]

Guet, also, aber ich möcht a dere Schtell Ihne, Härr Schtänderaat Jositsch, ganz ganz herzlich tanke für ihren Uuftritt da in Weyach, was nüd sälbschtverschtändlich isch. Für de bevorschtehendi Wahlkampf, wos ja jetz wider aafange laufe tuet, wünsch ich Ihne nur s’Beschte!

Als Tankeschön hämmer ihne äs chlises Presäntli organisiert, fürs dahärechoo und gärn überreiche mir ihne en Chorb mit lokale Produkt und hoffed si chönd diä au entsprächend verwände. Ganz herzliche Dank!»


Jositsch zum «Presäntli»: «Merci villmal  Zum Glück bini mit em Auto da».

Kommentar WeiachBlog

Ständerat Jositsch hat die obige Transkription zugesandt erhalten und daran kein Jota verändern wollen. Man kann nun kritisieren, etliche Gedankengänge seien nicht vollständig ausgeführt oder dass es zu viele Einwürfe im Stile von «äs bitzli» gebe. Gerade diese aber machen im Verbund mit den vielen Anekdoten, die der Referent aus seinem Leben geschöpft hat, die Qualität der Rede aus. Sie sind es, die den Redner mit seinem Publikum verbinden, indem sie Anknüpfungspunkte schaffen und Nähe vermitteln.

Die Untertreibung des Abends, das Durchschnittsalter der Anwesenden sei «knapp über drissgi», wo es sich in Wahrheit in etwa in der Altersklasse Jositschs befunden haben dürfte, ist mit ihrem ironischen Kern ebenfalls gut angekommen.

Die Anekdoten vom McDonald's und der Silberkugel, der Schalterhalle der Kreditanstalt über das Nokia-Handy, mit dem man jemanden hätte totschlagen können, bis zum Highlight, der Episode mit den neuen zerrissenen Jeans im Jelmoli, haben die Mehrheit der Zuhörenden in ihrer eigenen Erfahrungswelt abgeholt. Desgleichen die Dialoge mit seinem Sohn.

Langweilig war die Rede fürs Publikum also nicht. Der Redner strahlt keine professorale Arroganz aus. Die Länge hat gepasst. Und die Kernbotschaft ist – passend zum Anlass – eine erbauliche und staatstragende. Was will man mehr?

Zu den Ansprachen früherer Jahre