Montag, 1. Juli 2024

Ceinturon. Nachruf auf die Weiacher Lederverarbeitung

In der jüngsten Ausgabe des Mitteilungsblatts der Gemeinde Weiach (MGW, Juli 2024, S. 10) findet man im Abschnitt Zivilstandswesen unter den Todesfällen die folgende Notiz:

«Silvia Fruet (geboren am 04.02.1934; gestorben am 13.06.2024)»

Neuzuzügern wird das wenig sagen. Gelernten Weycherinnen und Weychern hingegen schon. Denn der Name Fruet steht für ein Familienunternehmen, das viele Jahre lang das Bahnhofsquartier geprägt hat. 

Von der Schäfti zur Sattlerei Fruet

Das dem Stationsgebäude vis-à-vis stehende Gebäude Kaiserstuhlerstr. 51 (heute: Im See 2) war Dreh- und Angelpunkt der hiesigen Lederverarbeitungstradition über acht Jahrzehnte hinweg:

«Die 1920/21 beim Bahnhof erbaute Schäftenäherei, eine Filiale der Schuhfabrik Walder, Brüttisellen, wurde im Jahre 1965 geschlossen. 1970 übernahm die Sattlerei Fruet AG die Räumlichkeiten und produzierte dort u.a. für die Schweizer ArmeeAb 1985 wurde die Firma von Oskar Debrunner weiterbetrieben, der sie aber im Oktober 2000 schliessen musste.» (Aus: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes, S. 88)

Der Schuhproduktion folgte also eine Firma, die Sattlerei-Aufträge übernahm. Eine, die die richtig schweren Leder verarbeitete. Für Kunden, denen Dauerhaftigkeit oberstes Gebot war, wie die Schweizerische Armee: Etuis für das Mannsputzzeug, Effektentaschen, Kartentaschen, Ceinturons, etc. pp. Alles aus Leder (und Kunstleder), was man sich so vorstellen kann.

Ein treuer Lebensbegleiter des Verfassers

Rein zufälligerweise hat der in jüngeren Jahren in Weiach ansässige Verfasser dieser Zeilen – viele Jahrzehnte ist's her – als Wehrpflichtiger in einem Zeughaus ausgerechnet den nachstehend abgebildeten Ceinturon gefasst:

Ceinturon. Das ist so ein typisches Schweizer Militärwort, das sozusagen von unseren Compatriotes aus der Romandie stammt. In der französischsprachigen Wikipedia findet man denn auch die Erklärung: «Le ceinturon est la ceinture de l’uniforme militaire.»  Und «ceinture» kommt vom lateinischen «cintura», einem Stoffband, das um die Taille getragen wurde (Quelle: CNRTL).

Diese Ceinturons gab es in verschiedenen Längen in mind. 6 Schritten von 100 bis 150 cm. Und auch einige speziell angefertigte Übergrössen für Soldaten mit beträchtlichem Bauchumfang (denn ja: Die galten im Gegensatz zu heute auch als diensttauglich).

Für Dienstanzug und Tarnanzug

Ausser beim Ausgangsanzug (Tenue A) brauchte der Soldat dieses Utensil immer. Der Ceinturon war der Gurt für den Waffenrock des Dienstanzugs (Tenue B); am Gurt und in der Tragschnalle eingehängt trug man das Bajonett. Am Ceinturon konnte der Unteroffizier seine Kartentasche einschlaufen, damit sie ihm beim Rennen nicht auf dem Rücken herumhüpfte. 

Wenn es wirklich schmutzig zu werden versprach, dann war Tenue C angesagt (Kampfanzug), wobei besagte Ceinturons als Hosengurt dienten, so beim Tarnanzug 83. 

Und wie man sieht, ist mein Fruet-Exemplar heute noch in gutem Zustand. Zugegeben, die Lackierung (oder ist's doch eine Brünierung?) der Schnalle hat gelitten. Etwas berieben ist das Leder auch. Aber sonst immer noch bestens zwäg. Der Gurt leistet regelmässig gute Dienste im Arbeitsalltag.

Leibgurt 98 immer noch im Verkauf

Fachhändler verkaufen solche Ceinturons noch heute. Bei army-shop.ch haben sie sogar Global Trade Item Number (GTIN/EAN) verpasst bekommen, bspw. 7640460367669 für 120 cm Länge (und die 76 als erste zwei Zahlen verraten die Schweizer Herkunft).

Eine offizielle deutsche Bezeichnung hat das Ding übrigens auch: «Leibgurt 98», weil er mit der Ordonnanz 1898 eingeführt wurde, vgl. Literatur.

Quellen und Literatur

  • Handbuch über die persönliche Ausrüstung in der schweizerischen Armee. Zusammenstellung aller bezüglicher Erlasse, von der zuständigen Amtsstelle durchgesehen und ergänzt, April 1901. Bern 1901 – S. 73. [Bibliothek am Guisanplatz, Signatur: BIG B 2710]
  • Protokoll der ausserordentlichen Generalversammlung der Firma Fruet AG, Weiach ZH, geleitet von Debrunner Oskar, Weinfelden, bezüglich Liquidation, 5. Oktober 2000. Dossier im Staatsarchiv des Kantons Thurgau. Signatur: StATG 5'8, 30.1.1/4844
  • Brandenberger, U.: Effektentasche made in Weiach. WeiachBlog Nr. 472, 30. Mai 2007.
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes. 6. Aufl. Vers. 67; Dezember 2023, S. 75, 88 u. Fn-319.

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