Dienstag, 5. April 2011

Bitte den Vaganten in die Heimat spedieren

Die nachstehende Mitteilung Nr. 27 im Amtsblatt des Kantons Zürich, Jahrgang 1870, S. 394, illustriert in schonungsloser Deutlichkeit wie vor bald 150 Jahren mit nichtkonformen Mitbürgern umgegangen wurde:

«27. Schon seit einiger Zeit zieht der wegen Geistesschwäche bevormundete Jakob Rüdlinger, Abrahamen, von Weiach, ganz zwecklos umher, ohne sich einen bestimmten Aufenthaltsort, sei es von sich aus, oder auf Anordnung seines Vormundes, gefallen zu lassen.

Da nun für eine anständige Unterhaltung für denselben gesorgt, so werden nun hiemit sämmtliche Polizeiangestellten, Behörden und Privaten ersucht, denselben, sobald sie seiner habhaft werden, in seine Heimatgemeinde zu spediren.

Es gilt dieses nicht nur für diesen Moment, sondern für alle Zukunft, indem zum Voraus anzunehmen ist, es werde sich Rüdlinger nach seinem längern Umhervagiren nicht so leicht an eine bestimmte Regel halten.

Weiach, den 3. März 1870. Der Gemeindrath.
»

Fühlte sich die Gemeinde zum Handeln verpflichtet?

«Umhervagiren» allein ist heute kein Grund für behördliche Massnahmen mehr. Bis zum Mittel des fürsorgerischen Freiheitsentzug gegriffen wird, muss sich eine Person schon selber gefährden. Davon ist hier kein Wort zu lesen.

Man darf aber annehmen, dass vom Gemeinderath Weyach quasi erwartet wurde, anderen Gemeinden in denen Jakob Rüdlinger sich aufhielt, den Vaganten abzunehmen. Dazu war Weyach auch verpflichtet, denn Rüdlinger war Weiacher Bürger und das Gemeinwesen damit für die Unterstützung zuständig.

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