Sonntag, 5. Mai 2013

Zuchthausstrafe für Unangepasste nicht verlängert

Ausgaben für die Gemeindekasse vermeiden. Das ist nicht erst heute das Ziel vieler Gemeinderäte. Das war auch 1817, vor fast 200 Jahren, nicht viel anders. Nur mit dem Unterschied, dass damals die Gemeindefinanzen wirklich arg strapaziert wurden.

Schliesslich war man gerade erst den napoleonischen Grossmachtsträumen entkommen, hatte 1816 wegen eines Vulkanausbruchs am anderen Ende der Welt ein Jahr ohne Sommer und darauf 1817 eine Hungersnot zu bewältigen. Keine gute Zeit.

Da ist es verständlich, dass die Gemeinde Weyach ein - aus heutiger rechtsstaatlicher Perspektive doch eher fragwürdiges - Ansinnen an den Kleinen Rat (heute: Regierungsrat) des Standes Zürich richtete.

Ausschweifender Lebenswandel führt ins Zuchthaus

Ohne Erfolg, wie man dem Protokoll des Kleinen Rates vom 10. Mai 1817 (StAZH MM 1.63 RRB 1817/0508; S. 176-177) entnehmen kann:

«Auf das von dem Herrn Oberamtmann von Regensperg unterm 8ten d. M. empfehlend einbegleitete Bittschreiben der Gemeinde Weyach, daß eine gewiße Verena Ritzmann, ihre Gemeindsbürgerin, welche, wegen ihres ausschweifenden Lebenswandels, sich gegenwärtig schon zum zweyten Mal im Zuchthause befindet, nun aber mit dem 18ten d. M. entlaßen, und in ihre Gemeinde zurückgeschickt werden solle, – noch länger im Zuchthause zurückbehalten werden möchte, – ist dem Herrn Oberamtmann Heß zu Handen der Gemeinde Weyach anzuzeigen, daß die Regierung nicht im Fall ist, eine richterlich ausgesprochene Strafzeit zu verlängern; und da diejenige der Ritzmann mit dem 18ten d. M. zu Ende gehet, so kann dem Begehren, sie noch länger im Zuchthause zu behalten, nicht entsprochen werden. Es muß deßnahen dem E. Stillstand und Gemeindrath zu Weyach überlaßen werden, diese Person unter möglichst strenge Aufsicht zu stellen, und sie auf diese Weise unschädlich zu machen, in so fern dieselbe aber dennoch in ihrem ausschweifenden Lebenswandel fortfahren würde, darüber Klage bey dem dortigen Amtsgericht anhängig zu machen, welchem dann überlaßen bleibt, mit einem Ansuchen um ihre Wiederaufnahme ins Zuchthaus bey der Regierung einzukommen, welches indeßen, wie in allen dergleichen Fällen, nicht anderst, als gegen Bezahlung eines nicht unbedeutenden Tischgeldes geschehen kann.»

Worin diese «Ausschweifungen» genau bestanden haben, könnte man allenfalls den Gerichtsakten und vielleicht sogar dem Stillstandsprotokoll von Weyach entnehmen (sollte letzteres noch vorhanden sein).

Weitere Zuchthaus-Aufenthalte nur gegen Bezahlung

Man darf es dem Kleinen Rat hoch anrechnen, dass er so klar für die Gewaltenteilung einsteht und nicht versucht, sich richterliche Kompetenzen anzueignen. Auch wenn das in diesem Fall bedeutet, dass die Weiacher gar keine Freude am Bescheid aus Zürich gehabt haben dürften.

Eine dritte Einweisung ins Zuchthaus könne zwar auf Anordnung des Amtsgerichts in Regensberg erfolgen, allerdings werde es dann für die Gemeinde Weiach teuer.

Wie die Angelegenheit ausging? Eine Antwort findet man vielleicht in den Archiven.

Quelle

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