Zum Bezirk Zurzach, aber nicht zum Gebiet des Studenlands gehören die Gemeinden mit Anstoss an den Unterlauf der Aare und rechts und links ihrer Einmündung in den Rhein: Böttstein, Döttingen, Full-Reuenthal, Klingnau, Koblenz, Leibstadt und Leuggern.
Geographische Abgrenzung
Das Studenland besteht also aus dem Gebiet der folgenden Gemeinden: Bad Zurzach (bis 1. Dezember 2006 offiziell: Zurzach), Baldingen, Böbikon, Endingen, Fisibach, Kaiserstuhl, Lengnau, Mellikon, Rekingen, Rietheim, Rümikon, Schneisingen, Siglistorf, Tegerfelden, Unterendingen und Wislikofen.
Diese geographische Abgrenzung machen zumindest die für Katastrophenlagen zuständigen Organisationen der Gegend und beide, das Regionale Führungsorgan (RFO) wie die Zivilschutzorganisation (ZSO) tragen den Namen Studenland und sind unter dem URL: http://www.studenland.ch zu finden [Nachtrag 14.3.2016: beide Links nicht mehr aktiv; ersterer im Besitz einer US-Firma und mit Werbetexten gepflastert!].
Heinrich Gutersohn machte die Abgrenzung in seinem Buch «Geographie der Schweiz» aus dem Jahre 1969 leicht anders: «Das Teilgebiet zwischen Surb- und Rheintal wird auch Studenland genannt.» Er bezieht sich also nur auf die zwischen den Dörfern dieser Täler liegende Hügellandschaft.
Waldwirtschaft in armen Gegenden und die Folgen
Wer verstehen will, woher der Name «Studenland» kommt, muss sich in die Praxis der Waldbewirtschaftung vor einigen Jahrhunderten vertiefen.
Im 16. Jahrhundert hatte das verfügbare Landwirtschaftsland mit den damals üblichen Methoden die Tragbarkeitsgrenze erreicht. Es gab im Zürcher Unterland und im Zurzibiet zuviele hungrige Mäuler und immer öfter wurden die öffentlichen Wälder als Weideplatz für das Vieh genutzt.
Besonders beliebt war der sogenannte Ackeret, also die Schweinemast in einem Eichenwald. Schweine lieben Eicheln - deshalb sagt man auch, der beste Schinken wachse auf den Eichen. Das Problem dabei ist nur, dass zu intensive Beweidung dem Wald keine Chance zur Verjüngung lässt.
Ein weiteres Problem der Überbevölkerung ist der Bedarf nach Brennholz. Was das bedeutet, sieht man heute noch in vielen Entwicklungsländern. Hochwald, wie wir ihn hierzulande kennen und schätzen war vor 200 bis 400 Jahren auf unserem Gemeindegebiet und auch westlich davon eher selten.
Im besten Fall wuchs Gebüsch («Stude»), welches zwischen einigen hohen Überständern wucherte und regelmässig geschlagen wurde. Von einem eigentlichen Wald, der auch ordentliches Bauholz lieferte, konnte keine Rede mehr sein.
So ist die Andeutung Tschopps in seiner Aargauer Landeskunde von 1961 zu verstehen, wenn er schreibt, «gewisse Wälder, vor allem im Studenland - der Name ist nicht bedeutungslos -», habe man in schamloser Art und Weise übernutzt.
Ins gleiche Horn stösst auch ein Beitrag von 1951 in der Schweizerischen Zeitschrift für das Forstwesen: «... für den Zustand dieser Wälder können wir erwähnen, daß die ganze Gegend zwischen Schneisingen und Zurzach heute noch «Studenland» genannt wird».
Auswirkungen auf den Baustil
Der Mangel an Bauholz hatte ganz konkrete Auswirkungen auf die Technik des Häuserbaus. Wo die Wälder noch genügend Holz hergaben (so anscheinend im Süden des Kantons Aargau) blieb man eher «bei der hergebrachten Ständerbautechnik, während in der nordöstlichen Region Surbtal/Studenland Fachwerkhäuser und in der Umgebung von Baden Steinbauten überhandnahmen», wie der Klappentext zum Band 22 der «Bauernhäuser der Schweiz» erklärt.
Für einen Ständerbau braucht man mindestens zwei grosse dicke Stämme, die vom Fundament bis zur Firstpfette reichen - und auch sonst geht ohne genug Holz nicht viel. Für ein Riegelhaus eignet sich hingegen auch weniger starkes und sogar krumm gewachsenes Baumaterial. Einen Nachteil hat die neue Bauweise natürlich schon: ein Riegelhaus kann man nicht mehr so einfach abbrechen und zügeln wie ein herkömmliches Bohlenständerhaus.
Wenn Sie also in unsere vom Tages-Anzeiger so charakterisierte Nachbargegend kommen: «Wenig bekannt ist auch das Studenland im Bezirk Zurzach. Der zwischen Rhein und Limmattal gelegene Landstrich wartet mit viel Natur und kleinen Bauerndörfern wie Baldingen oder Böbikon auf.», dann schätzen Sie die heutigen schönen Hochwälder hoffentlich umso mehr.
Nachtrag vom 18. August 2014
Mögliche Antworten auf die von Philippe Schultheiss unten gestellte Frage finden sich im WeiachBlog-Beitrag Nr. 1178 vom 28. Juni 2014: Zum Namen «Studenland». Neue Erkenntnisse, frische Thesen.
Literatur
- Schweizerischer Forstverein (Hrsg.): Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen, 1951 - S. 304.
- Tschopp, Charles: Der Aargau, eine Landeskunde (Hrsg.: Stiftung pro Argovia), 1961 - S. 131.
- Gutersohn, Heinrich: Geographie der Schweiz, 1969 - S. 116.
- Räber, Pius: Die Bauernhäuser des Kantons Aargau 1: Freiamt und Grafschaft (Die Bauernhäuser der Schweiz, Band 22 ) Baden 1996. - 472 S., 783 Abb., 4 Farbtafeln ISBN 978-3-908122-66-1
1 Kommentar:
Herzlichen Dank für den informativen Artikel zur Herkunft des Namens. Ich bin kürzlich mit dem Velo durch das Studenland gefahren und habe mich gefragt, woher der Name wohl komme. Im Internet sind sonst wenig andere verlässliche Informationen dazu zu finden (z.Bsp. im Historischen Lexikon der Schweiz).
Die Erklärungen im Blog lassen aber leider offen, weshalb gerade die nordöstliche Region des Kantons Aargau diesen Namen bekam, wo doch die zugrundeliegenden (forst)wirtschaftlichen Verhältnisse nicht alleine in dieser Region diese Gestalt angenommen haben werden.
Ph. Schultheiss
Kommentar veröffentlichen