Samstag, 30. Juli 2022

Gemeinderat falsche Adresse für Hausiererpatent

Das Dasein als Hausierer war im Zürcher Herrschaftsgebiet spätestens seit der Reformation eine eher dornenvolle Angelegenheit. Die Obrigkeit erliess umfangreiche Verbote und erteilte fremden Händlern auch Landesverweise  vorgeblich, um ihre Landbevölkerung vor «Verschwendung und unnötigen Kosten» zu bewahren (vgl. bspw. das Mandat betreffend Ausweisung aller fremden Hausierer, Landfahrer und Krämer aus dem Zürcher Herrschaftsgebiet vom 2. Juli 1539, StAZH W I 6.2.15). Dass damit gleich auch die eigenen Händler aus der Stadt Zürich vor zu grosser Konkurrenz geschützt wurden, ist offensichtlich.

Käsehausierer aus Kaiserstuhl

Auf der Landschaft ist man sich also diese Art hochobrigkeitlicher Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit seit vielen Jahrhunderten gewohnt. Insbesondere ist klar, dass man für die Tätigkeit als Hausierer eine Bewilligung braucht.

Im Gemeinderatsprotokoll der Gemeinde Weiach findet man unter dem 6. Mai 1930 den folgenden Eintrag:

«Auf Gesuch von Paul Widmer in Kaiserstuhl um Bewilligung für ein Käsehausierpatentes [sic!] im Kt. Zürich, soll demselben mitgeteilt werden, dass der Gemeinderat Weiach hiezu nicht zuständig sei, sondern dass er sich an das Patentbureau in Zürich zu wenden habe.»

Damit lag der Gemeinderat völlig richtig. Die Gesetzgebung zu Hausierern und anderen reisenden Verkäufern befand sich damals noch vollumfänglich in der Regelungskompetenz der Kantone.

Fremdenpolizei überwacht Hausierer, auch zürcherische

Im Kanton Zürich war die Fremdenpolizei zuständig (auch für einheimische Hausierer). Sie hat u.a. eine «Hausiererpatent-Kontrolle» geführt und Gewerbe-Legitimations-Karten ausgegeben (vgl. u.a.: StAZH PP 41d.7 Gewerbe-Legitimationen (1914-1931)).

Im selben Jahr zog aber der Bund die Angelegenheit zwecks Vereinheitlichung an sich. Die Bundesversammlung beschloss die Annahme des «Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1930 über die Handelsreisenden» (BS 10 219), welche die Regelungen des Gewerbepatentgesetzgebung des Kantons Zürich ab da mitbestimmte: 

«Seit dem Inkrafttreten des Handelsreisendengesetzes im Jahre 1930 beträgt die Patenttaxe für Kleinreisende 200 Franken. Aus der zu damaliger Zeit nicht unbedeutenden Taxe [Anm. WeiachBlog: Historischer Lohnindex HLI n. Swistoval.ch: rd. 2800 CHF] ist ersichtlich, dass mit dem HRG auch gewerbepolitische und fiskalische Zwecke verfolgt wurden: Der ortsansässige Handel, welcher der Besteuerung in seinem Absatzgebiet unterliegt, sollte durch die Kleinreisendentaxe gegen die Konkurrenz der dieser Besteuerung nicht unterliegenden auswärtigen Firmen geschützt
werden.
» (Quelle: BBl 2000 4218)

Feststellung von Identität und Integrität

Auch wenn der Gesetzgeber keinerlei protektionistische Hintergedanken hat: einen unabweisbar wichtigen Grund für die Aufrechterhaltung von Hausiererpatenten gibt es bis heute, wie der Bundesrat schreibt:

«Im Gegensatz zum lauterkeits- und obligationenrechtlichen Schutz bei Haustürgeschäften – das OR räumt u. a. ein siebentägiges Widerrufsrecht ein –, stellt die Bewilligungspflicht sicher, dass das kaufende Publikum die Identität der Reisenden feststellen kann. Wenn der Konsument die Identität des Verkäufers nicht kennt, nützt ihm auch das Widerrufsrecht nichts. Durch die Ausweiskartenpflicht wird gewährleistet, dass die anvisierte Kundschaft sich über die Identität der verkaufenden Person vergewissern kann.» (BBl 2000 4206)

Ein Hausiererpatent kann überdies nur erlangen, wer keinen Strafregistereintrag hat, oder höchstens einen, der wenigstens nicht vermuten lässt, dass Konsumenten zu Schaden kommen könnten (Art. 4 Abs. 1).

Fahrende Schnaps- und Waffenläden sind verboten

Das aktuell die Hausiererei regelnde Bundesgesetz über das Gewerbe der Reisenden (SR 943.1; in Kraft seit 1. Januar 2003) schreibt fest, dass Personen, die gewerbsmässig «Konsumentinnen oder Konsumenten Dienstleistungen jeglicher Art anbieten, sei es im Umherziehen oder durch das ungerufene Aufsuchen privater Haushalte» (Art. 2 Abs. 1 Bst. b) alkoholhaltige Getränke nicht direkt verkaufen dürfen (Art. 11 Abs. 1). Und im Anhang 1 RGV, der Verordnung zum Gesetz, sind weitere Warengruppen aufgeführt, die Reisende gar nicht oder nur eingeschränkt vertreiben dürfen. Darunter Waffen, Munition und Sprengstoffe. Aber auch Arzneimittel.

Käse taucht in diesem Anhang nicht auf. Wodurch einem Käsehausierpatent nach heutiger Rechtslage nichts entgegenstehen dürfte. 

Quellen
  • Protokoll des Gemeinderates 1928-1934. Archiv der Politischen Gemeinde Weiach; Signatur: IV.B.02.11.
  • Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden (SR 943.1). In: Bundesblatt (BBl) 2000, S. 4186ff.

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