Samstag, 29. Oktober 2016

Die Uniformenweihe oder: Manufacturing consent

Im gestern publizierten Artikel (WeiachBlog Nr. 1318) wurde dargelegt, wie die Finanzflüsse des neuen wirtschaftlichen Elefanten auf Gemeindegebiet anfangs der 1960er-Jahre die Mehrheitsverhältnisse in den massgebenden Gremien und Versammlungen beeinflussten.

Fast 60% aller Einnahmen der politischen Gemeinde Weiach für das Jahr 1963 stammten aus dem Kiesgeschäft, dazu kamen Einnahmen der Armengemeinde (heute wäre das die Sozialhilfe). Schon allein dieser Umstand führt dazu, dass Mahner und Kritiker einen ungemein schweren Stand hatten.

Der Betreiber der Weiacher Kies AG, der im Bergbau des Ruhrgebiets grossgewordene Haniel-Konzern aus Duisburg, hatte aber noch weitere Instrumente im Köcher, mittels deren er sich die Zustimmung erkaufte. Es brauchte dazu nicht einmal die Beeinflussung über die Massenmedien, wie sie von Herman und Chomsky 1988 beschrieben wurde - und worauf der Titel dieses Beitrags anspielt. In diesem lokalen Mikrokosmos ging das wesentlich einfacher, sozusagen unter dem Radar und viel subtiler, wie man Zollingers Jahreschronik 1963 unter der Rubrik «Vereine und Genossenschaften» entnehmen kann:

«28./29. Sept.: Diese Tage verdienen ganz besondere Erwähnung: durch die Freigebigkeit der "Weiacher Kies A.G." war es unserer Dorfmusik möglich geworden, eigene, schmucke Uniformen anzuschaffen. In einer grossen Abendunterhaltung am Samstag wurden diese eingeweiht und mit einem Marschmusikdefilee und Festkonzert am Sonntagnachmittag weiter geehrt. Festhütte und Budenstadt fehlten selbstverständlich dabei nicht. (Nähere Beschreibung des Anlasses im Anhang).» (G-Ch Weiach 1963, S. 18)



Jede(r) in Weiach wusste, wer der Dorfmusik die Neueinkleidung ermöglicht hatte. Auswärtige konnten das nur wissen, wenn sie die Lokalpresse (s. Zeitungsausschnitt im Hintergrund oben) aufmerksam gelesen hatten. Und gerade deshalb wirkte die Spende jedes Mal, wenn die Musikanten die Uniform anzogen und damit öffentlich auftraten, in sozusagen homöpathischer Dosis weiter. Das funktionierte umso besser, weil auf diesen Uniformen natürlich nicht das Logo des Sponsors prangte (wie das bei Sportlern heute gang und gäbe ist) und man daran die implizite Interessenbindung eben gerade nicht ablesen konnte.

Die vielen individuellen Nutzniesser taten dazu ein übriges, wie man an anderer Stelle in derselben Jahreschronik 1963 sieht: «Gottfried Nauer am Bach verkauft sein Bauerngewerbe samt Haus an die Kies A.G. Weiach, behält aber vorläufig noch das Wohnrecht.» (G-Ch Weiach 1963, S. 22). Bei diesem Handel profitierte nicht nur Nauer am Bach. Auch die Gemeinde hatte etwas davon, und zwar dank der Handänderungssteuer.

Ebenfalls ein schlauer Schachzug des Haniel-Konzerns war die Einbindung der Gemeinde in den Verwaltungsrat der Weiacher Kies AG.

All diese Umstände haben dazu geführt, dass es in der Gemeinde praktisch unmöglich war (und immer noch ist), am Kiesabbau im Allgemeinen oder an der Weiacher Kies AG im Besonderen substantielle Kritik zu üben, ohne massive Anfeindung in Kauf nehmen zu müssen.

Quelle
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1963 – S. 18, 22 und 39-41 (unpaginierter Anhang). [Original in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1963].

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