Samstag, 2. September 2023

Zähneknirschendes «Ja, aber...» zu NAGRA-Bohrgesuch

«1978 verschärfte ein Bundesbeschluss die Vorschriften des Atomgesetzes über die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, ein Problem, an dem die 1972 gegründete Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) arbeitet, das aber ungelöst blieb», schreibt Peter Hug im Historischen Lexikon der Schweiz. 

Dreistellige Millionenbeträge hat die Nagra auf der Suche nach Standorten schon verbraten und verkauft sich und ihr Tiefenlagerprojekt Nördlich Lägern nun mit dem Argument Gotthardbasistunnel. Der zeige ja, dass die Schweiz Grossprojekte könne. Bauen. Ja. Aber betreiben? Da gibt es dann doch einige Sicherheitsprobleme, die nicht genügend adressiert wurden. Kerntechnische Abfälle sind allerdings eine ganz andere Hausnummer als ein entgleister Güterzug.

Konsultativabstimmung: 98% Nein zu Probebohrung

Schon damals schlug der Nagra grösstes Misstrauen entgegen, als sie das Ansinnen bekanntgab, auf Weiacher Gebiet eine Probebohrung abteufen zu wollen. Und der Gemeinderat sah das als Auftrag, bei der Bewilligungsfrage sehr genau hinzuschauen, wie man der NZZ vom 19. Februar 1982 entnehmen kann:

«(sda) Der Gemeinderat von Weiach wird dem Gesuch der Nagra für Probebohrungen entsprechen, allerdings unter ganz bestimmten Bedingungen. Da sich in der Gemeinde ein grösseres Grundwasserschutzgebiet befindet, soll dieser Frage besondere Bedeutung beigemessen werden, betonte Gemeindepräsident Ernst Baumgartner. Aber auch hinsichtlich Verkehrsregelung, Sicherheit und Ordnung, wofür der Kanton zuständig ist, will Weiach entsprechende Zusicherungen. Vorerst wartet man jedoch die genau formulierten Bedingungen des Bundes, unter welchen die Probebohrungen vorgenommen werden sollen, ab. Weiach war auf das Ende 1980 eingereichte Bohrgesuch der Nagra vorerst nicht eingetreten, da die Standortbewilligung des Bundes noch nicht vorlag. In einer Konsultativabstimmung hatten die Einwohner von Weiach sich mit 104:2 Stimmen gegen die Probebohrungen ausgesprochen.»

Diese Abstimmung fand – laut der Schweizer Kernenergiechronik – am 17. September 1980 statt. Unter Ermst Baumgartner-Brennwald, einem Präsidenten mit dem Finger am Puls der Bevölkerung.

Viereinhalb Jahrzehnte sind seither vergangen. Und der Kontrast in der Art und Weise wie seitens des Gemeinderates heute mit der Frontorganisation Nagra umgegangen wird, könnte nicht grösser sein.

Wie gross ist die Zustimmung zum Tiefenlager wirklich?

Heute, unter Stefan Arnold-Wäckerlin, ist weit und breit keine Spur von einer solchen Abstimmung zu sehen. Im Gegenteil: Da ist Weiach gar der GMF Europe, einer europäischen Vereinigung von Gemeinden mit Atomanlagen beigetreten, obwohl auf unserem Gemeindegebiet nichts dergleichen geplant ist (die Oberflächenanlage NL-6 kommt jetzt ja im Gebiet von Windlach beim Haberstal zu stehen). Und auch zu diesem Beitritt hatten die Weiacher Stimmbürger rein gar nichts zu sagen.

Die Stadler Gemeindeoberen machen immerhin eine Bevölkerungsumfrage. Die Ergebnisse lassen erahnen, dass die vom Weiacher Gemeindepräsidenten Arnold in einem PR-Video der Nagra als quasi gegeben hingestellte, sozusagen kollektive Bereitschaft der Weiacher, Verantwortung zu übernehmen, längst nicht von allen Hiesigen geteilt werden dürfte. 

Quellen und Literatur

  • Weiach und die Nagra-Probebohrungen. Bewilligung mit gewissen Auflagen. In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 41, 19. Februar 1982 – S. 52
  • Peter Hug, P.: Atomenergie. In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 20.04.2011.
  • Gemeinderat Stadel (Hrsg.): Die Bevölkerungsumfrage zeigt: Stadel steht dem Tiefenlager kritisch gegenüber. In: Website stadel.ch, 29. August 2023.

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