Freitag, 12. April 2024

Eine Frau aus dem falschen Nachbarort kam teuer zu stehen

Sie haben sich in eine Frau aus dem Nachbardorf verliebt, wollen heiraten und sie soll zu Ihnen ziehen? Glückwunsch, dass Ihnen das heute passiert.

Zu Zeiten der alten Landvögte mussten Heiratswillige selbst innerhalb des Zürcher Herrschaftsbereichs sehr genau hinschauen. Denn wer die Frau aus dem falschen Dorf holte, der zahlte eine happige Strafsteuer. Es gab nämlich eine Art vogteiabhängige Heiratsstrafe. Grund: Die Land- und Obervögte wollten damit das abfliessende Steuersubstrat abgegolten haben.

Schon Zweidlen war für Weyacher vogteitechnisch Ausland

Der Glattfelder Pfarrer Arnold Naef beschrieb das Phänomen 1863 in seiner Monographie über seine Kirchgemeinde wie folgt:

«Wie beim Einziehen in die Gemeinde eine Einzugssteuer, so mußte auch eine Abzugssteuer entrichtet werden, wenn Einer oder Eine mit Vermögen aus der Gemeinde wegzog. Ein Brief von 1662 bestimmte: Wenn Einer in eine andere Gemeinde wegzieht oder wenn hiesiges Gut an einen andern Ort ererbt wird, so soll vom wegziehenden Gut 5 fl. vom Hundert der Gemeinde zur Ersetzung der Steuer bezahlt werden. Aus einer Urkunde von 1607 geht hervor, daß auch für Zweidlen diese Abzugssteuer Geltung hatte: Zwei Zolleren nämlich von Weiach und ein Winkler von Hochfelden, welche Kellerinnen von Zweidlen geheirathet hatten, wollten für das Vermögen derselben den Abzug nicht bezahlen, behielten aber nicht Recht, weil Zweidlen in die Herrschaft Eglisau gehöre, in welcher in allen Gemeinden dieser Brauch bestehe.» (Naef, S. 30)

Die beiden Zoller aus Weiach und der Winkler aus Hochfelden waren an Orten ansässig, die zur Obervogtei Neuamt gehörten. Heirat über die Vogteigrenze = Zur Kasse bitte!

Falls Sie sich gewundert haben, warum man früher noch eher die Tendenz hatte, direkt über den Miststock zu heiraten. Das hatte wohl auch handfeste finanzielle Gründe.

In der Gemeinde Glattfelden war's noch komplizierter...

Das Dorf Glattfelden selber gehörte niedergerichtlich zur Landvogtei Eglisau, weil dieses Recht einst den Freiherren von Tengen gehört hatte, die Hochgerichtsbarkeit stand aber den Kyburgern zu, danach per Erbübergang den Habsburgern (und ab 1424 den Zürchern). Erst 1678 kamen auf Verlangen der Glattfeldner auch die Hochgerichte von der Landvogtei Kyburg zur Landvogtei Eglisau.

Zweidlen hingegen gehörte auch mit der Hochgerichtsbarkeit von jeher den Herren von Tengen und damit ab 1496 vollumfänglich zur Landvogtei Eglisau und damit zum Zürcher Hoheitsgebiet. 

Damit wurde eine Heirat zwischen Zweidlen und Glattfelden dann doch einiges billiger.

Noch einmal anders war die Situation des Weilers Schachen (südlich der Glatt). Er gehörte ursprünglich ebenfalls zur Grafschaft Kyburg, wurde aber 1442 abgetrennt und war fortan Teil der damals eigens gegründeten Obervogtei Neuamt, bis diese mit dem Ancien Régime unterging. Vgl. für diese Dreiteilung die Grenzmarkierungen auf der Gygerkarte von 1667.

Ein Vorzugstarif für Frauen?

Wie wir von Pfr. Naef wissen, lag der Steuersatz bei 5 % des abgezogenen Vermögens. Das geht auch aus den Rechnungen der Neuamtsobervögte hervor, so hier der ältesten erhaltenen Jahresabrechnung für 1683/84:

Was fällt auf? Die Zahlen:

24 lib. [d.h. Pfund Pfenning] «zalt Verena Meyerhoferin von Weyach, so dissmalen zur ehe hat Hanssen Käller zu Glatfelden in der herrschafft Eglisauw, wegen dahin gezogener ungefahr 700 lib. verfangen gut, zu zahlungen ohne zinss gestelt.» 

Also nach Strübis Rächnigsbüechli eine Steuer zu einem Vorzugstarif von 3.4 Prozent! Und erst noch verzugszinsfrei. Ob das damit zu tun hatte, dass hier die Frau zahlen musste? Jedenfalls wurde für diese drei abzugssteuerpflichtigen Männer in besagter Rechnungsperiode der Normaltarif von 5 Prozent veranlagt. Auch wenn es nur um eine Erbschaftsangelegenheit ging, wie bei Hans Huber aus Dielsdorf.

Quellen und Literatur

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