Donnerstag, 11. April 2024

Weiacher Wirt verklagt Raaterin, die eine Beiz eröffnen will

Auf dem Chistenpass zu Oberraat – so liest man jüngst in der Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn... – sei im Restaurant Freihof ein neuer Wirt am Werk (der frühere Glattfelder Löwen-Wirt). Und das dort servierte Essen wird in höchsten Tönen gelobt. Zumindest von diesem einen Kunden, der mit vollem Magen seine Rezension abgegeben hat.

Streitbare Wirte

Vor 400 Jahren hätte ein Gastronom in besagtem Raat keinen Fuss auf den Boden bekommen, jedenfalls nicht in Form eines durchgehend gültigen Wirtepatents. Dafür sorgten 1603 der Stadler Wirt Junghans Huser sowie 1607 sein Weyacher Berufskollege Ulrich Bommeli. Sie gingen gegen alle vor, die auf dem Chischtepass in ihr ehaftes Recht (d.h. Monopol) zur Gästebewirtung eingriffen.

Am 13. Juli 1603 hatten Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich (BmuR) entschieden, dass Hans Lang von Raat keine Hochzeitsgesellschaften mehr bewirten dürfe und seine Beiz am Pass auch nur an den Tagen öffnen dürfe, wo auf der Zurzacher Messe Markttag sei (vgl. SSRQ ZH NF II/1, Nr. 146). An diesen Tagen waren nämlich derart viele Marktbesucher aus dem Züribiet von und nach Zurzach unterwegs, dass die Gasthöfe in Stadel und Weiach immer noch genug Gäste bewirten konnten.

Obrigkeitliche Bedarfsanalyse

Am 22. August 1607 reagierte der Zürcher Rat dann auf eine ähnlich gelagerte Beschwerde des Weiacher Wirts. Thomas Weibel, der Bearbeiter des Rechtsquellenbandes Neuamt, beschreibt den Fall regestartig unter Verwendung von Teilen des Originaltextes:

«Als auch Barbara Lang und deren Söhne zu Raat eine Wirtschaft betreiben wollen, erkennen BmuR auf Klage des Wirtes Ulrich Bommelj von Weiach: Diewyl zuo Stadel und Wyach an jedtwederm ort, als die so wyt nit von ein anderen und den gen Zurzach und anderschwo hin reißenden personen nit ungelegen, an einem wirt gnuog jst, so sölle nit allein vilbemelter Hans Lang synes bißher gebruchen, sonder auch die gedacht Barbara Langin sambt jren söhnen jres vorhabenden wirtens ruewig und dasselbig jnen hiemit beidersyts abkhendt syn. Jedoch mit dem anhang, das ein jeder theil zur Zyt der jerlichen Zurtzacher jarmerckten den wyn, so jedem an synen räben gewachßen were, wol vom zapfen ußschëncken und verwirten möge. Da dem genannten Langen nach dißern khünfftigen Zurtzach merckten, wie ers bißhar gebrucht, zewirten zuogelaßen, aber er dannenthin ruewig syn und oberzelter unserer urteil statt thuon.»

Hier wird also obrigkeitlich festgestellt, dass die Ortschaften Stadel und Weiach nicht allzu weit auseinander liegen würden und daher sowohl der lokale Bedarf wie der von Reisenden gedeckt sei, wenn in jeder der beiden Ortschaften je ein Wirtshaus betrieben wird.

Nur anlässlich des Zurzacher Marktes und nur eigenen Wein

Vor allem aber wird das Urteil von 1603 teilrevidiert, indem Hans Lang statt an den Zurzacher Markttagen immerhin noch eine Speisewirtschaft betreiben zu dürfen, nur noch eine Weinschenke öffnen und dort auch nur noch den Ertrag von den eigenen Reben zapfen sollte. Dasselbe Recht also, wie es auch Barbara Lang und ihren Söhnen zugestanden wird, die nun ihre ursprüngliche Geschäftsidee zu grossen Teilen beschnitten sahen.

Konkurrenz erfolgreich gebodigt! Ulrich Bommeli in Wyach und Junghans Huser in Stadel war es hingegen gestattet, fremden Wein zuzukaufen und auszuschenken. Sie durften überdies auch warme Mahlzeiten servieren und (zumindest im Fall des Weiacher Wirts) auch Gäste beherbergen.

Die beiden Urteile findet man in den sog. Ratsurkunden, das sind laut Online-Katalog des Staatsarchivs «Entwürfe und Abschriften von durch obrigkeitliche Autorität und Vermittlung zustande gekommenen Urteilen und Verträgen in privaten und körperschaftlichen Angelegenheiten».

Quelle

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