Mayen sind Maibäume. So hält es Th. Weibel im Sachregister und Glossar des Rechtsquellenbandes Neuamt fest (RQNA, S. 515). Nach anderer Lesart kann ein Maien aber auch ein Blumenstrauss oder ein simpler Zweig sein. Laut dem Schweizerdeutschen Wörterbuch Idiotikon ist ein Maien u.a. (Id. 4, 3, Pt. 4) eine «junge, hohe Tanne mit entästetem (gew. auch geschältem) Stamm und büschelförmigem grünen Wipfel, der mit Kränzen, Bändern udgl. geschmückt ist, {zu bestimmten Festivitäten}.»
Maienzweige und Maibäume hatten und haben eine enge Verbindung zur Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai. Denn in dieser magischen Nacht – so will es die Tradition in vielen deutschsprachigen Gebieten – gehen insbesondere jüngere Männer in den Wald und holen dort einen oder mehrere Mayen, die sie dann einer von ihnen favorisierten jungen Frau in den Vorgarten stellen.
Je nach Gegend ist das Maibäumchen ein veritabler Riese. In Bayern oder dem Salzburgerland sind das häufig mächtige Nadelbäume, bis fast zur Spitze entastet und geschält. Teils über 40 Meter hoch. Und das, obwohl die Länge anscheinend behördlicherseits auf 20.75 Meter begrenzt ist. Weshalb ist nicht bekannt, vielleicht befürchtet die Obrigkeit bei so einem Langholztransport Verkehrsunfälle.
Wieso vergällt man den Untertanen harmlose Vergnügungen?
Solche Maibäume stehen dann oft auf dem Hauptplatz und sind der Stolz einer ganzen Dorfgemeinschaft. Und so einen Stolz haben die Regierenden den Weyachern einst verboten? In unserer doch recht holz- und waldreichen Gegend?
Sehen wir uns erst den Kontext an und ordnen den Erlass dann ein. Das Verbot wurde durch den Vertreter des Fürstbischofs von Konstanz, den Obervogt auf Schloss Rötteln erlassen. Er hielt einmal pro Jahr auch in der bischöflichen Niedergerichtsherrschaft Weyach ein sogenanntes Jahrgericht ab.
Laut Idiotikon (Id. VI, 356) handelte es sich bei einem «Jargericht» um ein «jährlich zu bestimmter Zeit, gew[öhnlich] zwei- oder dreimal, doch auch nur einmal oder viermal gehaltenes, aus den Hofgenossen gebildetes, ordentliches grundherrliches Gericht».
«Wyach jahrgericht gehalten under jhro gestreng herren obervogt che[v]allier von Schnorpff, den 18ten augustj 1718.
Wirdt allßo denen geschwornen richtern und sambtlicher gemaindt vor gehalten und à 9 lib. straff verbotten:» – Hier folgt nun eine lange Aufzählung mit 21 Straftatbeständen, darunter an achter Stelle:
«Jtem sollen die jungen leüth am maytag keine mayen hauwenn.»
Und am Schluss der Liste wurde der Auftrag der obrigkeitlich mandatierten Amtsträger in der Gemeinde erneut allen in Erinnerung gerufen:
«Demnach so seyen hiemit obabgelesene puncten denen geschwornen und richteren absonderlich zue- und beygesetzt, daß sie hiemit ein aydt abstatten, alles, was ungebührend, einem jeweiligen herren obervogt und ambtleüthen nachgestaltsamme der sachen anzuezaigen und zue laithen; widrigenfahls einer oder der ander darwider handlen wurde, jhne für einen, der seinem aydt nicht genueg gethan, gehalten und zur verantworthung gezogen werden solte.»
Es bestand also die Pflicht, jede festgestellte Übertretung der 21 verbotenen Handlungen dem Niedergerichtsherrn zur Kenntnis zu bringen. Wer als Amtsträger dagegen verstiess, verletzte seine Pflichten, und zwar in schwerer Weise, da er unter Eid gelobt hatte, sie zu erfüllen.
Mayenhauwen wurde an anderen Jahrgerichten nicht verboten
Dass man also zum 1. Mai im Wald keine Maibäume schlagen durfte, ist laut anderen Weyacher Jahrgerichtsprotokollen nicht verboten. Dies im Gegensatz zu den meisten anderen Ge- und Verboten, die Jahr für Jahr verlesen wurden.
Man wird es zwar erst nach umfassender Analyse aller Protokollbände mit einiger Sicherheit sagen können, aber es sieht schon sehr danach aus, dass es die Jungmannschaft anfangs Mai 1718 in diesem speziellen Punkt arg übertrieben hat und sich der Obervogt Ritter von Schnorpff gezwungen sah, dem allzu eifrig geübten Brauch zumindest vorübergehend den Riegel zu schieben.
Die Gründe für dieses (wohl aussergewöhnliche) Verbot kennen wir bislang nicht, die Vermutung liegt jedoch nahe, dass zu viele Maibäumchen aus dem Wald geholt wurden und dieser dadurch über die Massen geschädigt worden ist.
Dass man den Wald einem besonderen Schutz unterstellen wollte, ist für diese Zeit sehr plausibel. So ist bekannt, dass 1714 ein gewaltiger Sturm die Weiacher Wälder in Mitleidenschaft gezogen hat und im Vorjahr 1713 bereits ein illegaler Holzdeal des lokalen Ziegeleiunternehmers zu einem umstrittenen Gemeinderatsbeschluss geführt haben (vgl. WeiachBlog Nr. 1442).
Quellen und Literatur
- Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Gesammelt auf Veranlassung der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich unter Beihülfe aus allen Kreisen des Schweizervolkes. Herausgegeben mit Unterstützung des Bundes und der Kantone. Begonnen von Friedrich Staub und Ludwig Tobler. Vierter Band, Frauenfeld 1901. - Sechster Band, Frauenfeld 1909. (URL: www.idiotikon.ch)
- StAZH B VII 42.8 S. 44-55. Zitiert nach: Weibel, Th. (Bearb.): Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Erster Band: Das Neuamt. Aarau 1996 (SSRQ ZH NF II/1; auch: RQNA) – S. 434-436 (Nr. 193. Dorfgericht; c) Abhaltung des Jahrgerichtes).
- Zum Brauchtum selber vgl. u.a. den Wikipedia-Artikel Maibaum; den SalzburgWiki-Beitrag Maibaum, der erläutert, dass offenbar auch das Maibaumstehlen aus dem Wald nicht als Delikt, sondern als Brauch gewertet wird; Maibaum als Brunnenschmuck in Känerkinden BL
[Veröffentlicht am 3. Mai 2025, 01:32 Uhr]
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