Montag, 16. Dezember 2019

Illegaler Holzhandel 1713 vom Weiacher Dorfgericht bewilligt

Die Pfarrgemeinde Weiach (territorial identisch mit der späteren Zivilgemeinde und heutigen Politischen Gemeinde Weiach) gehörte bis 1798 zur zürcherischen Obervogtei Neuamt, verfügte aber bis zum Ende des Ancien Régime über ein eigenes Dorfgericht.

Dass es dieses trotz Landeshoheit des Zürcher Stadtstaates noch gab, hängt damit zusammen, dass die niedere Gerichtsbarkeit dem Fürstbistum Konstanz gehörte. Das Gericht tagte im Auftrag des auf Schloss Rötteln residierenden fürstbischöflichen Obervogts und unter dem Vorsitz eines in Kaiserstuhl ansässigen bischöflich-konstanzischen Amtsträgers, des sogenannten Stabhalters.

Energiekrise existenzbedrohend für Handwerksbetriebe

In der Dissertation von Thomas Meier über die Handwerker (damals «Professionisten» genannt) im Zürcher Unterland des 18. Jahrhunderts finden sich viele Fundstellen mit Weiach-Bezug. Darunter auch die nachstehend zitierte.

«Aufgrund der allgemeinen Holzknappheit wurde es für Schmiede oder Ziegler zunehmend schwieriger, geeignetes Holz in genügenden Mengen aufzutreiben, zumal der Aufkauf von Gemeindeholz, welches alljährlich an die Bürger verteilt wurde, strengstens verboten war.»

Sinn dieser Vorschrift? Dem Anreiz für ärmere Einwohner, über den Verkauf ihres aus dem Bürgernutzen stammenden Holzes zu Geld zu kommen (selbst wenn ihnen danach das Brennmaterial im Winter schmerzlich fehlte und sie es dann im Wald stehlen mussten), sollte präventiv der Riegel geschoben werden. Was natürlich nicht immer klappte.

Unverhohlene Drohung mit Betriebsschliessung wirkt

Der Weiacher Sternenwirt hatte Holz übrig (oder brauchte Geld dringender als Holz), hätte es dem Inhaber der fürstbischöflichen Ziegelei zu Weiach von Rechts wegen aber nicht verkaufen dürfen. Die beiden setzten sich über das Verbot hinweg und der Fall landete im Jahre 1713 vor dem Weiacher Dorfgericht.

Genehmigt wurde dieser illegale Handel «zwischen dem Weiacher Ziegler und dem dortigen Wirt [...] nur, weil der Ziegler offen drohte, "wann man ihme das Holz nicht abvolgen lasse, seye er gezwungen die Ziegelhütten in abgang khommen zu lassen"» [Fn-57].

Recht und Gesetz Nachachtung verschaffen? Oder den eigenen Vorteil beachten und wegschauen? Das war hier die Frage. Sowohl die vorgesetzte Behörde (die fürstbischöfliche Verwaltung in Meersburg am Bodensee), vertreten durch ihren Obervogt, als auch die Stadt Kaiserstuhl (aus deren Bürgerschaft der Gerichtspräsident des Weiacher Dorfgerichts stammte) – beide hatten sie ein Interesse daran, auch weiterhin zu Rabatt-Preisen Kalk und Ziegel geliefert zu bekommen.

Der Weiacher Ziegler war zwar lediglich Pächter. Aber offensichtlich hatte man keine Lust, sich einen neuen zu suchen, der dann natürlich seinerseits wieder über Mangel an Energieholz und die Wirtschaftlichkeit der Ziegelei jammern würde und womöglich noch erfolgreich eine Erhöhung der vertraglich fixierten Preise durchsetzen könnte. Also Schwamm drüber.

Eigener Wald sichert die Energieversorgung des Betriebs

Trotz offiziell genehmigtem Rechtsbruch war das zugrundeliegende Problem natürlich nicht gelöst, nur verlagert, solange die Ressourcen nicht per Eigentumstitel gesichert werden konnten.

«Solche Beschränkungen zwangen Professionisten, Holz von Privatwaldungen auch in Nachbargemeinden zusammenzukaufen oder selbst in den Besitz eines eigenen Stück Waldes zu gelangen. Am Ende des [18.] Jahrhunderts war dies dem Weiacher Ziegler gelungen, konnte er doch zu Protokoll geben, "der gröste Theíl habe er eigenthümliches Holz", während seine Kollegen in Regensberg und Tössriedern immer noch fast vollständig auf Käufe angewiesen waren» [Fn-58].

Fn-57: [StAZH] B VII 42.7 (23.5.[17]13).
Fn-58: [StAZH] K II 46 (1800). [Dossier "Gewerbewesen im Allgemeinen" aus der Zeit der Helvetik 1798-1803: Mappe. 1.) Gewerbe: Ehaften, Innungen, Handel mit Lebensmitteln, Metzgen, Mühlen, Bäcker, Wirte, Grempler, Schmiede, Ziegelhütten etc.; 2.) Münze, Mass und Gewicht, inkl. Falschmünzer.]

Die Weiacher Ziegelei hatte um 1800 also gegenüber den Konkurrenten im Unterland bessere Karten, zumindest was die zur Produktion nötigen Energiequellen betrifft. Aber auch so waren ihrer Produktionskapazität enge Grenzen gesetzt.

Quelle
  • Meier, Th.: Handwerk, Hauswerk, Heimarbeit. Nicht-agrarische Tätigkeiten und Erwerbsformen in einem traditionellen Ackerbaugebiet des 18. Jahrhunderts (Zürcher Unterland). Diss. Univ. Zürich. Chronos, Zürich 1986 – S. 141-142.

Keine Kommentare: