Montag, 15. Juni 2020

Eine calvinistische Bibel im Weiacher Pfarrarchiv

Im Archiv des evangelisch-reformierten Pfarramts einer zürcherischen Gemeinde würde man Zürcher Bibeln vermuten, nicht wahr? Es muss ja nicht gerade eine der ersten Zwingli-Bibeln aus der Werkstatt des berühmten Zürcher Druckers Froschauers sein (dort wurde 1522 das reformatorisch motivierte Sakrileg eines Wurstessens kurz nach Beginn der Fastenzeit begangen).

Das gewichtigste Stück im Weiacher Pfarrarchiv ist jedoch eine 1684 in Bern gedruckte Bibel-Ausgabe. Es handelt sich um eine sogenannte Piscator-Bibel, benannt nach dem zum Calvinismus übergetretenen Elsässer Übersetzer und Kommentator Johannes Piscator (1546-1625), die anfangs des 17. Jahrhunderts erstmals publiziert worden ist.

Die Piscator-Bibel im Weiacher Pfarrarchiv wurde ab 1681 im Auftrag und mittels Vorfinanzierung durch den bernischen Staat gedruckt. Und zwar in einer für die damalige Zeit sehr hohen Auflage von rund 6000 Exemplaren in verschiedenen Ausstattungen. Dennoch war die Nachfrage aus den bernischen Gebieten (die damals vom Waadtland bis in den Aargau reichten) derart rege, dass z.B. dem Landvogt von Lenzburg beschieden wurde, man müsse seine Bestellung um einen Drittel kürzen, da man nicht genügend Exemplare drucken könne.

Wenn also schon die bernischen Untertanen, die sich dafür interessierten, nicht alle eine dieser Staatsbibeln erhalten haben, dann stellt sich die Frage, wie es dazu kommt, dass ausgerechnet ein solch gefragtes Exemplar den Weg nach Weiach findet (das ja bekanntlich nie zum bernischen Gebiet gehört hat).

Wurde diese Bibel erst im 18. oder 19. Jahrhundert antiquarisch erworben und (womöglich an der Zensur vorbei) ins Zürcher Gebiet importiert? Das wird wohl eine für immer ungeklärte Frage bleiben.

Literatur

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