Mittwoch, 17. Juni 2020

Projekt «Balance». Gibt Kaiserstuhl den Fahrplan vor?

Das Projekt soll ohne ausreichende Reifezeit in der öffentlichen Diskussion durchgeboxt werden, ohne alle wesentlichen Stakeholder zu beteiligen! So einer der Vorwürfe der Gegner der Vorlage zum Ersatzbau Schul- und Mehrzweckanlage Hofwies (sog. Projekt «Balance»), die am 28. Juni 2020 zur Urnenabstimmung gelangt.

Da fragt man sich natürlich, woher die Eile kommt. Was sind die Gründe für den von Gemeinderat und Schulpflege vorgegebenen, als Parforce-Ritt empfundenen Zeitplan?

Unverschiebbarer Anlass für das Projekt ist die Schulraum-Frage. Konkret: die Bugwelle an schulpflichtigen Kindern, die Weiach mit dem Abschluss der Bauprojekte im Gebiet zwischen Bedmen und Altem Bahnhof, aber auch in der Chälen erreicht hat.

Dass diese Welle kommen würde, war nach Genehmigung der Quartierpläne schon vor vielen Jahrn sonnenklar. Deutlicher wurden die Umrisse bei der Analyse der jeweiligen Baubewilligungen. Unwägbarkeiten gab es nur noch die Umstände betreffend: wann, in welcher Konzentration und mit welcher Alterstruktur diese Welle im Schulalltag eintreffen würde.

Fakt ist: dieses Problem haben sich die Weiacher ganz allein eingebrockt. Die Kaiserstuhler und Fisibacher Kinder erhöhen nur die Amplitude der Welle. Die Energie derselben hat aber auf Weiacher Boden ihren Ursprung.

Das Blöleboden-Gambit

Ein weiterer Antrieb für das Projekt «Balance» findet sich in der auf der Projektsite verlinkten Videopräsentation zum Bauprojekt (die als Ersatz für eine damals Corona-bedingt nicht mögliche öffentliche Informationsveranstaltung erstellt wurde):

«Kaiserstuhl und sein Blöleboden-Wohnbau-Projekt treiben die Gemeinde Weiach vor sich her. Daher der Druck auf rekordverdächtige Umsetzungszeit für Ersatzneubau MZH Hofwies (November 2020 bis Sommer 2022).»  (vgl. WeiachTweet Nr. 2853 vom 1. Mai 2020)

Seitdem die Kaiserstuhler Schüler die Bildungsangebote in Weiach, Stadel und Bülach nutzen (also seit gut vier Jahren) steht die Anlage Blöleboden westlich des alten dreieckigen Stadtkerns leer. Der Rat von Kaiserstuhl unter Stadtammann Weiss musste nun das Problem lösen, was damit geschehen solle. Das war die Eröffnung eines Schachspiels, das nun Zeitdruck auf die Weiacher ausübt.

Nein, wir wollen keine Testosteron-Bomben

Der Kanton Aargau, immer auf der Suche nach geeigneten Unterkunftsmöglichkeiten für Asylanten, wurde auf diese leerstehende Immobilie aufmerksam. Die Aussicht, dass da bald hundert vor allem junge testosterongeladene Immigranten auf einem Haufen leben würden, stiess aber sowohl in Fisibach wie auch in Weiach auf Ablehnung. Das konnte man in den Mainstream-Medien (vgl. Quellen unten) aber auch in den Social Media (für Weiach: der Gemeindepräsident) nachverfolgen.

Es hätte keine Container-Lösung geben müssen

Nach Auskunft von Stadtammann Weiss habe Kaiserstuhl bereits damals, als es um die Frage ging, ob man zur Abfederung der Schülerzahlen Container stellen wollen (Schulweg 10; heute neben dem roten Platz und dem Sandbecken realisiert, wo früher eine kleine Wiese war), seinen Schulraum angeboten. In der Weiacher Schulpflege entstand ob der Frage «Container oder Kaiserstuhl?» eine Patt-Situation, die der Präsident mit dem Stichentscheid zugunsten der Container drehte.

Reservationsvertrag bis im September 2020

Weiter gibt es gemäss Weiss einen Reservationsvertrag für die Miete der Räume im Blöleboden, der für 50'000 Franken abgeschlossen wurde. Dadurch musste er von der Schulpflege Weiach nicht dem Stimmvolk zur Genehmigung vorgelegt werden. Wenn die Weiacher die darin stipulierte Möglichkeit, die Schulräume und die Turnhalle im Blöleboden zu nutzen, auch ausüben, dann würden die CHF 50'000 sogar an die Mietkosten angerechnet, so Weiss.

Schulsouveränität und Alterswohnungsmangel

Die Schulfrage war übrigens für Kaiserstuhl eine conditio sine qua non für die Unterschrift unter den Fusionsvertrag mit den Studenländer Gemeinden (Ziffer 9.7 des Vertrags, vgl. Quellen unten). Hätte es diesen Passus, dass die Kaiserstuhler (und vor ihrem Ausstieg auch die Fisibacher) eigenständig über den Schulstandort ihrer Kinder entscheiden können, nicht gegeben, dann wäre Kaiserstuhl auch 2022 nach wie vor selbstständig und nicht Teil der künftigen Fusionsgemeinde Zurzach.

Für das Areal Blöleboden ist aktuell eine Umzonung in der Pipeline, so Weiss. Sie werde wohl nicht vor Ende 2021 beendet sein, so dass man frühestens 2022 an den Umbau gehen könne. Auf der bestehenden Tiefgarage soll dann eine neue Siedlung mit 60 Einheiten entstehen, die vor allem kleinere Wohnungen umfasst. Denn Kaiserstuhl hat das Problem eines akuten Mangels an altersgerechtem Wohnraum, weshalb viele Einwohner lieber in ihrem Altbau im alten Stadtkern vier Stockwerke belegen, bis es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geht. Und sie dann für immer aus dem Städtchen wegziehen müssen. Klar ist: In den nach Realisierung der Wohnüberbauung Blöleboden freiwerdenden Altbauten könnte es dannzumal natürlich auch wieder mehr Kinder geben...

Fazit: Den Druck haben nicht (nur) die Kaiserstuhler aufgesetzt

Das Städtchen Kaiserstuhl ist seit seiner Gründung im Jahre 1255 ein Machtfaktor, den die Weiacher immer auf der Rechnung haben müssen. Dieser wohlbekannte Umstand darf aber nicht den Blick auf hausgemachte Probleme verstellen.

Wenn man mehr als vier Jahre braucht, um eine langfristige Lösung für seine eigenen, sehr wohl absehbaren und zu mindestens zwei Dritteln selbst erzeugten Schulraumsorgen zu finden (ca. 70 von 233 Schülern kommen aus dem Aargau), dann ist nicht das Städtchen daran schuld.

Man muss konstatieren, dass man in Weiach jahrelang planlos herumgeeiert hat (unter anderem mit einem Projekt namens The Bridge). Ebenso, dass sich Gemeinderat und Schulpflege zu spät zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen haben. All das lässt sich nicht von der Hand weisen.

Wenn man jetzt seitens der Befürworter von «Balance» Druck aufbaut mit dem Hinweis, dass der Blöleboden nur noch für kurze Zeit zur Verfügung stehe und sonst alles teurer werde, dann ist festzuhalten: diese zeitliche Zwangslage ist zu einem sehr grossen Teil auf Weiacher Mist gewachsen.

Quellen

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