Donnerstag, 27. Juli 2023

«Die fürgesetzten der gmeind». Wer bei uns 1958-62 das Sagen hatte

In einigen der alten Weiacher Turmkugeldokumente sind die sog. Vorgesetzten der Gmeind aufgeführt. Es wird also eine Liste der Amtsträger gegeben.

So schreibt der Weiacher Pfarrherr Johann Rudolf Erni, datiert auf den 14. Februar 1659 (nach julianischem Kalender), im ältesten erhalten gebliebenen Dokument (KTD 1):

«jetz welind wir die fürgesetzten der gmeind melden:
hern hanss Rudolf Ernj pfarher welcher predigtet alhier,
Mathiss Baumgartner Vogt,
Andres Bersinger auch geschworner.
»

Bei Baumgartner und Bersinger handelte es sich um die von den beiden Obrigkeiten, dem Rat der Stadt Zürich und dem Fürstbischof von Konstanz eingesetzten Amtsträger.

Eine alte Tradition aufgenommen

Auch wenn Chronist Walter Zollinger die Originale vor der grossen Restauration der Kirche Mitte der 1960er-Jahre nicht zu Gesicht bekommen hat, so dürften ihm die Inhalte dennoch nicht unbekannt gewesen sein, denn da gab es mehrere Abschriften, u.a. eine, die 1855 durch Pfr. Konrad Hirzel ins Stillstandsaktenbuch («Protocoll der Kirchenpflege Weÿach» von 1838 bis 1884) eingetragen wurde, eine weitere durch Pfarrer Ernst Wipf (in den Jahren 1903-1907; sog. Wipf-Akten), sowie eine von seinem Lehrerkollegen Adolf Pfister in den Jahren 1936-1942 erstellte Abschrift, die Eingang in den sog. Ortsgeschichte-Ordner gefunden hat.

Dieser Tradition folgend hat sich Zollinger entschieden, in der Einleitung zur Jahreschronik 1958 die sich – 300 Jahre nach Erni – an der Macht befindlichen «Vorgesetzten» mit vollem Namen aufzuführen.

Ein massgebender Unterschied zu damals: diese Amtsträger wurden samt und sonders ohne Beeinflussung durch die Obrigkeiten von den in Weiach ansässigen Stimmberechtigten gewählt.

«Die diesjährigen allgemeinen Gemeindewahlen geben Anlass, einmal unsere Behördemitglieder [sic!], wie sie sich für die Amtsdauer 1958/62 ergeben haben, namentlich aufzuführen:

Gemeinderat:

Albert Meierhofer-Nauer  Präsident  [vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 426]
Fritz Näf-Schmid
Gottlieb Griesser-Oeschger
Ernst Bersinger-Bernhard
Otto Meierhofer-Spühler
(Gemeindeschreiber und Gutsverwalter: Ernst Pfenninger-Bühler)

Armenpflege:

Heinrich Baltisser-Bösiger  Präsident
Otto Meierhofer-Spühler
Ernst Bersinger-Willi  Verwalter
Ernst Rüedlinger-Näf
Kurt Ackerknecht, Lehrer (Letzterer zugleich Aktuar)

Kirchenpflege:

Rudolf Meierhofer-Müller  Präsident
Karl Gut-Willi
Ernst Baumgartner-Brennwald  Verwalter   
[vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 1479]
Rudolf Schenkel-Meierhofer
Willi Ryhiner-Landenberger, Pfr.
Albert Erb-Saller   
[vgl. u.a. Weiacher Geschichte(n) Nr. 72]
Wilhelm Kuster-Sidler (Letzterer zugleich Aktuar)

Primarschulpflege:

Ernst Pfenninger-Bühler  Präsident
Albert Schenkel-Griesser
Ernst Baumgartner-Imhof   Verwalter
Ernst Bersinger-Bernhard
Hans Meier-Bleuler
(Aktuar: W. Zollinger, Lehrer)

Rechnungsprüfungskommission:

Jakob Meierhofer-De Bastiani  Präsident
Walter Kölliker-Schmid
Ernst Baltisser-Nüssli
Hans Schenkel-Albrecht
Albert Griesser-Willi (Letzterer zugleich Aktuar)

Vorstand der Elektrizitätsgenossenschaft:

Walter Zollinger-Funk  Präsident
Albert Erb-Saller
Ernst Baumgartner-Imhof  Verwalter
Heinrich Baltisser-Bösiger
Albert Meierhofer-Meier
Fritz Näf-Schmid
Albert Meierhofer-Nauer (Letzterer zugleich Aktuar)
»

Dreimal identische Namen

Selbst seinen eigenen Namen hat der Chronist in dieser Aufstellung als Allianznamen ausgeschrieben, was sonst in keiner Weise seinen Gepflogenheiten entsprach. 

Um ihn selber eindeutig identifizieren zu können, wäre das nicht nötig gewesen. Sehr wohl aber, wenn es um die diversen Baltisser, Baumgartner, Bersinger, Griesser, Schenkel, Meierhofer, Meier und andere weitverzweigte Weiacher Geschlechter geht. 

Nur schon innerhalb obiger Liste von Funktionsträgern gibt es zwei Albert Meierhofer, zwei Ernst Bersinger und zwei Ernst Baumgartner! Ohne Zusatzbezeichnungen irgendwelcher Art (und seien es als Alternative individuelle Jahrgänge, oder die Übernamen der einzelnen Familienzweige) hat man schon da keine Chance, sie auseinanderzuhalten.

Ebenso auffällig ist, wie häufig Doppelämter sind. Sei es nun, weil fähige (und amtsbereite) Amtsträger schon damals nicht einfach zu finden waren oder weil man so auch ganz praktische Synergien nutzen konnte.

Versammelte Weichensteller

Die oben genannten Männer (Frauen hatten damals in der Politik höchstens indirekt etwas zu sagen, z.B. über ihren Ehemann) nehmen eine für die Gemeinde Weiach sehr wichtige Rolle ein. 

Sie waren es, die massgeblich die Entwicklungsrichtung und -modalitäten bestimmt haben, als es just in diesen entscheidenden Jahren von 1958 bis 1962 um die Frage ging, wie die Kiesreserven unter dem Weiacher Boden genutzt werden sollen.

Ob man den Kiesabbau und seine Folgen kritisch sieht (wie Chronist Zollinger, vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 1318) oder ihn rein positiv bewertet: Es ist unbestritten so, dass Weiach seither nicht mehr das ist, was es bis dahin gewesen war. Diese Herren haben epochale Entscheidungen auf die Schiene gebracht. Mit Auswirkungen bis weit in die Zukunft hinein. Die eigene und selbst die der heutigen Weiacherinnen und Weiacher.

 Quellen und Literatur

  • Erni, J. R.: Turmkugeldokument Nr. 1, datiert 14. Februar 1659, St.v. (Signatur: OM Weiach KTD 1)
  • Zollinger, W.: Gemeinde Weiach. Chronik des Jahres 1958 – S. 1-2. Weiach, August 1960. -- Typoskript in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich. Signatur: G-Ch Weiach 1958.

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