Donnerstag, 27. November 2025

Kommunales Feuerwerkverbot bereits in Kraft

Am Anfang stand der grosse Ärger einiger Tierhalterinnen. Nur sieben Monate später war die Weiacher Polizeiverordnung rechtskräftig geändert. Direkte Demokratie im Schnellgang. Eine Rekapitulation.

Die Empörung war gross nach dem Jahreswechsel 2024/25, die gewählten Ausdrücke dementsprechend kraftvoll (vgl. den Titel von WeiachBlog Nr. 2213). Grund: Littering. Rückstände vom mitternächtlichen Silvestergeknalle lagen kreuz und quer auf einer Weiacher Weiden verstreut. Man sollte Unterschriften sammeln, zeigte sich eine Diskussionsteilnehmerin auf der Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn... überzeugt.

Von der Macht der Einzelinitiative

Dann ging es Schlag auf Schlag. Der erwähnte WeiachBlog-Beitrag hielt nämlich u.a. fest, dass Hombrechtikon seine Polizeiverordnung per 1. November 2024 um ein Verbot von lärmendem Feuerwerk ergänzt habe. «Was Hombi chan, chönd mir in Weiach au», sagten sich daraufhin einige Stimmberechtigte, setzten eine Einzelinitiative auf und reichten sie bei der Gemeindekanzlei ein.

Ende März wurde die EI Tribastone durch den Gemeinderat für gültig erklärt (vgl. den Hinweis auf der FB-Gruppe vom 31. März 2025). Im Mai kündigte der Initiant den Abstimmungstermin an: eine Gemeindeversammlung Mitte Juni (vgl. den Beitrag auf der FB-Gruppe vom 10. Mai 2025).

Verbotsbefürworter mobilisierten besser

Der Gemeinderat hielt nicht wirklich viel von diesem Vorschlag. Er empfahl im Beleuchtenden Bericht (S. 19-24) die Ablehnung der Vorlage. Im Vorfeld der Versammlung lobbyierten dann einige Tierfreunde recht intensiv (vgl. u.a. Beitrag auf der FB-Gruppe vom 3. Juni 2025). Und offensichtlich gelang es ihnen auch, die für Gemeindeversammlungen nicht allzu hohe Mobilisierungshürde zu nehmen. Am Abend des 12. Juni war die Vorlage beschlossene Sache. Die anwesenden Gegner scheiterten an der Drittelshürde, die nötig gewesen wäre, um die Vorlage an die Urne zu bringen.

Letzte legale Gelegenheit am 1. August 2025

Dann war es erst einmal ruhig. Im Vorfeld des 1. Augusts, nach altem Recht einer der beiden Termine, an denen lärmendes Feuerwerk noch erlaubt war, kam die Frage auf, wann denn das Verbot in Kraft trete (vgl. den Beitrag auf der FB-Gruppe vom 22. Juli 2025).

Das sei erst nach dem 1. August möglich, weil dafür neben dem Abwarten der gesetzlichen Rekursfristen auch noch einige Abklärungen nötig seien, teilte Gemeinderat Petitpierre auf Anfrage von WeiachBlog mit. Die Verbotsbefürworter zeigten sich enttäuscht. Einige waren dezidiert der Meinung, dieses gemeinderätliche Vorgehen sei nicht rechtens: Er hätte den revidierten Art. 22 der Polizeiverordnung noch im Juli in Kraft setzen müssen.

In der Systematischen Rechtssammlung noch der alte Stand

Schaut man auf der Gemeindewebsite nach, muss man zur Überzeugung gelangen, die Inkraftsetzung sei auch heute noch nicht erfolgt, denn da findet man nach wie vor den Stand 1. August 2011.

WeiachBlog fragte am 18. November beim Gemeindeschreiber nach: 

«Sehr geehrter Herr Diethelm,

im Zusammenhang mit der Berichterstattung über weitere Feuerwerkverbots-Einzelinitiativen im Zürcher Unterland (aktuell in der Regionalpresse: Dänikon) stellt sich die Frage:

Auf welchen Termin wird die in der Weiacher Gemeindeversammlung Mitte Juni beschlossene Änderung von Art. 22 der kommunalen Polizeiverordnung in geltendes Recht überführt?

Können Sie zum Zeitplan und allfälligen Ausführungsbestimmungen sachdienliche Angaben machen?

Besten Dank für Ihre Rückmeldung.»

Gemeindeverwaltung: Schon seit Monaten in Kraft!

Tags darauf antwortete Gemeindeschreiber Thomas Diethelm wie folgt [Auszug; Hervorhebung durch WeiachBlog]:

«An der Gemeindeversammlung vom 12. Juni 2025 haben die Stimmberechtigten der Einzelinitiative zugestimmt, dass lärmendes Feuerwerk in Weiach verboten wird. Am 4. August 2025 wurde der Gemeindeversammlungsbeschluss rechtskräftig. Es ist somit seit Eintritt der Rechtskraft untersagt, lärmendes Feuerwerk auf dem Gemeindegebiet Weiach abzufeuern. Die kommunale Polizeiverordnung wurde dementsprechend angepasst. Die Bevölkerung wird im Mitteilungsblatt Dezember und mit einer entsprechenden Publikation auf der Homepage der Gemeinde Weiach nochmals darauf hingewiesen.

Besten Dank für die Kenntnisnahme.»

Im Dezember-MGW folgen ausführliche Erläuterungen

WeiachBlog stellte darauf noch eine Anschlussfrage zur Auslegung: 

«Im Gegensatz zu allen anderen Gemeinden mit kommunalen Feuerwerkverboten hat Weiach nun nach Annahme der EI Tribastone einen Zwitter im Gesetz: "Das Abbrennen von lärmendem Feuerwerk mit Explosivwirkung...".

Der Wortlaut von Art. 22 neu und die Intention der Initianten klaffen auseinander, weil sie den Begriff "Explosivwirkung" aus dem alten Art. 22 übernommen haben. -- Wörtlich ausgelegt kann man das auch interpretieren als: Heuler und andere mit Schallkammern versehene Feuerwerkskörper ohne Knalleffekte wären erlaubt. 

Ich nehme an, das sieht der Gemeinderat anders, da er ja schon die Abschussgeräusche als Knall interpretiert, wenn ich den Beleuchtenden Bericht richtig verstanden habe. Daher meine Frage nach den Ausführungsbestimmungen:

Wird im Dezember-MGW erläutert, dass auch jede Art von Feuerwerkskörper mit Lärmwirkung jeglicher Art (d.h. auch reine Heuler ohne finalen Knall) verboten sind?»

Die Antwort des Gemeindeschreibers ist kurz und bündig [Auszug]:

«Ja, im Dezember-MGW wird erläutert, dass jede Art von Feuerwerkskörper mit Lärmwirkung jeglicher Art verboten sind.»

Quellen und Literatur

Freitag, 14. November 2025

«Weiach ist noch einmal davongekommen»

Susanne Lehmann hat auf der Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn... mit einem Foto des Gedenksteins bereits daran erinnert: Heute vor 35 Jahren um exakt 20:11 mitteleuropäischer Zeit (UTC 19:11) ist die DC-9-32 der Fluggesellschaft Alitalia im Gebiet Surgen in den Haggenberg geprallt. 

Controlled flight into terrain (CFIT), so wird diese Art von «Absturz» in der Fachsprache der Flugunfalluntersuchungsbehörden genannt. Am Abend des 14. November 1990 und am Tag danach wusste man das aber noch nicht. Es kursierten die wildesten Gerüchte: Die Maschine habe gebrannt, wollten einige Dorfbewohner wissen. Hat sie nicht, sagt der Untersuchungsbericht.

Leben in der Anflugschneise der Piste 14

Ja, diese Katastrophe hat sich unauslöschbar ins individuelle Gedächtnis vieler Weycherinnen und Weycher eingebrannt. Und sie ist bis heute Teil des kollektiven Gedächtnisses der Dorfgemeinschaft.

Das in den Titel dieses Beitrags übernommene Zitat auf der hintersten Seite der Berner Tageszeitung «Der Bund» vom 16. November 1990 trifft das damals vorherrschende Gefühl recht gut. 

Wenige Monate nach Vollendung des 14. Betriebsjahrs der V-Piste 14/32 rief sich ausgerechnet an einem 14. das berüchtigte Restrisiko ins Bewusstsein: Leben in der Anflugschneise ist auch für die unter ihr Wohnhaften nicht ganz ungefährlich. Denn die meisten Flugunfälle ereignen sich statistisch gesehen nun einmal bei Start und Landung.


Die Nachrichtenagenturen führen das Szepter

Den Text des Hauptartikels hat die Zeitung von der Nachrichtenagentur Associated Press (ap) übernommen. Spitzmarke über die ganze Zeitungsseite hinweg: "Unglücksmaschine der Alitalia flog 300 Meter zu tief - Keine Überlebenschancen für 46 Insassen - Ermittlung der Unglücksursache kann noch Monate dauern".

Titel: Bestürzung und offene Fragen nach DC-9-Absturz bei Zürich

Lead: ap. Der Absturz einer DC-9 der Alitalia, bei dem am Mittwoch abend im Zürcher Unterland alle 46 Insassen ums Leben gekommen waren, hat am Donnerstag in der Schweiz und Italien Betroffenheit und Bestürzung ausgelöst. [im Original unterstrichen, s. Bild oben]

Weiach und the day after Alitalia 404

Aus unserer eigenen Gemeindesicht ist vor allem der vom Zürcher Korrespondenten des «Bund» verfasste Kasten von Interesse. Er umfasst Originalzitate und übermittelt den persönlichen Eindruck seines Autors Arthur Schäppi:


Nachstehend der volle Wortlaut (kursiv) mit dazwischengeschalteten Kommentaren der Redaktion WeiachBlog:

«Weiach ist noch einmal davongekommen»

Von unserem Zürcher Mitarbeiter Arthur Schäppi

«Vielen im Dorf hier steckt noch immer der Schreck in den Knochen», sagt eine junge Frau, die gerade von der Weiacher Post durch den strömenden Regen nach Hause geht. Ihr Mann kam erst um drei Uhr in der Früh nach Hause und musste um 6 Uhr bereits wieder ausrücken. Er ist bei der Dorffeuerwehr, die an diesem traurigen Donnerstagmorgen nach dem Absturz der DC-9 am Stadlerberg zwischen Weiach und Stadel noch immer bei den Bergungsarbeiten mithilft.

Riesiger Medientross

Während über der von düsteren Wolken umhüllten Unglücksstelle am waldigen Hügel noch immer ein Helikopter kreist und Tote und Trümmer geborgen werden, herrscht an diesem Donnerstagmorgen nach der Schreckens[n]acht [sic!] gedrückte Stimmung in der nur gut einen Kilometer (Luftlinie) vom Abstzurzort [sic!] entfernten Zürcher Unterländer Gemeinde Weiach. 

Je nach Position im Dorfkern bzw. dem Messpunkt an der Unfallstelle, einer mehrere Dutzend Meter langen, vom Flugzeug geschlagenen Schneise, beträgt der Abstand einiges mehr als 1 km. Zwischen dem Alten Schulhaus, das am 14. November 1990 zum Medienzentrum wurde (vgl. nächsten Abschnitt), und der Einschlagstelle liegen bspw. rund 1.35 Kilometer.

Ums Schulhaus, wo sich das Informationszentrum der Einsatzleitung befindet, stehen Militär[-] und Polizeifahrzeuge, tummeln sich ein riesiger Tross von Journalisten und italienische, deutsche und französische Kamerateams. Die kleine Kiesgemeinde Weiach mit ihren 750 Seelen und der Nachbarort Stadel geraten unfreiwillig ins grelle Rampen- und Blitzlicht der Medien. Nur die Gaffer vermochte die nasskalte Witterung an diesem trüben Morgen fast gänzlich vom Dorfbild fernzuhalten.

Schäppi ist also der Ansicht, es seien nur wenige Gaffer gewesen. Und dennoch mussten die Einsatzkräfte offenbar eine ganze Anzahl an Katastrophentouristen daran hindern, an die Absturzstelle vorzudringen. Sie ist noch in der Nacht in weiser Voraussicht grossräumig abgesperrt worden. – Bei den Militärfahrzeugen handelte es sich wohl mehrheitlich um Transportmittel des Heerespolizeibataillons 1 (HP Bat 1; vgl. die Zeitschrift Schweizer Soldat 2/91 – S. 36).

«Zweites Leben geschenkt»

«Ich habe gestern abend ein zweites Leben geschenkt bekommen», sinniert ein Bauer ernst. «Zum guten Glück ist uns hier nichts passiert», meint auch eine Hausfrau, die unter einem breiten Tenndach Schutz vor dem Regen sucht. So wie sie denken viele in Weiach, weiss der Postverwalter, der gerade von einer Briefträgertour zurückgekommen ist. In der Tat: Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Maschine auf ihrer Todesfahrt von Mailand etwas früher niedergegangen und statt im abgelegenen Wald des Stadlerbergs bereits über dem Wohngebiet von Weiach explodiert wäre.

Der namentlich nicht genannte Posthalter war Walter Meierhofer-Albrecht (1929-1998), der letzte Amtsinhaber der Dynastie der Poscht-Meierhofer (vgl. Abschn. Nr. 5 in WeiachBlog Nr. 1897).

Vom etwas seltsam anmutenden Begriff Todesfahrt (statt -flug) einmal abgesehen: Man erkennt an der Schilderung deutlich, dass die Medienvertreter noch von einer Explosion als Absturzursache ausgingen. Was angesichts der schon eingangs erwähnten Erzählungen nicht verwundert.

«Unheimliches Aufheulen»

Ein Rentner schildert vor laufender Kamera einer französischen TV-Station, wie er das schreckliche Ereignis erlebt hat: «Ich hörte über meinem Haus ein unheimliches Aufheulen der Flugzeugmotoren und sah sofort, dass die Maschine viel zu tief geflogen kam. Noch bevor das Flugzeug abstürzte, kam es zu einer Explosion und der linke Flüge[l] brach ab.» Solche und ähnliche, manchmal allerdings auch ziemlich divergierende Schilderungen des Unglückhergangs, das 46 Menschenleben gekostet hat, bekommt man an diesem tristen Donnerstagmorgen in Weiach etliche zu hören. Und fast immer enden sie mit dankbaren Feststellungen wie: «Gottlob sind wir noch einmal davongekommen.»

Fragt man die Augen- und Ohrenzeugen heute, dann erinnern sich viele – auch Susanne Lehmann – vor allem an die akustischen Begleiterscheinungen: An das Aufheulen der Triebwerke, verursacht durch den Durchstartversuch des Copiloten, noch über dem Dorfkern (vgl. WeiachBlog Nr. 1610). Und an einen lauten Knall, der wohl durch das explosionsartige Abbrennen des Kerosins beim Aufprall verursacht worden ist.

Quellen und Literatur

Donnerstag, 13. November 2025

«Bey der Linden» war ein ziemlich grosses Gebiet

Die Ortsbezeichnung «Bey der Linden» trugen nach der Erfassung der Gebäudeversicherung im Jahre 1834 die folgenden noch heute bestehenden – und damit eindeutig lokalisierbaren – Wohngebäude:

  • Winkelstrasse 7 (Baumgartner-Thut)
  • Oberdorfstrasse 7 (Andreas Schenkel u. Art Coiffure)
  • Oberdorfstrasse 9 (ex Wiesendanger)
  • Alte Poststrasse 4 (ex Rutschmann-Griesser)
  • Alte Poststrasse 2 (Meierhofer-Müller Poschtruedi)
  • Bergstrasse 1 (Meier Forsterottis)

Zwischen der erst- und der letztgenannten Behausung liegen auf der Strasse rund 210 Meter, was für den überschaubaren Weiacher Ortskern beträchtlich ist.

Bildet man einen Schwerpunkt dieser bananenartigen Fläche, dann ist die namengebende alte Dorflinde entweder nördlich oder südlich des 1952 od. 1953 abgebrochenen «Pariserschneider-Hauses» (Parzelle 329) zu lokalisieren, also an der Wegspange Oberdorfstrasse–Alte Poststrasse–Winkelstrasse sowie in unmittelbarer Nähe des ehemals ehaften Wirtshauses an der Oberdorfstrasse 7 («Alter Sternen»).

Quelle

  • Lagerbuch Gebäudeversicherung Kt. ZH, Expl. Gemeinde, 1834-1894. PGA Weiach, Signatur: IV.B.06.01

Sonntag, 2. November 2025

Weshalb geht bei der Weycher Müli ein Geist um?

Alt Gemeindepräsident Gregor Trachsel, einer der drei Architekten, die in den 1970ern die ehemalige Weiacher Mühle (Müliweg 7) am Südende des Oberdorfs gekauft und umgebaut haben, wohnt dort zwar seit Jahrzehnten, hat ihn aber noch nie gesehen oder gehört. 

Und doch soll er noch herumspuken, der Geist eines wohlhabenden Müllers und einflussreichen Untervogts unserer Gemeinde. Eine Geistergeschichte zu Allerseelen.

Halloween – Allerheiligen – Allerseelen

Am heutigen Tag, dem 2. November, wird nach dem römisch-katholischen Kalender das Fest Allerseelen begangen. Durch das Anzünden von Kerzen auf den Gräbern und durch Gebete gedenken die Angehörigen ihrer Toten. Besonders gedacht wird der Armen Seelen, die in einer Zwischenwelt feststecken, da sie ihre Anhaftung ans Irdische noch nicht ablegen können bzw. dürfen.

Die Zeit vom 31. Oktober (Halloween), 1. November (Allerheiligen) bis 2. November war früher auch magisch aufgeladen. So wollte der Volksglaube wissen, dass Verstorbene besonders an diesen Tagen als Geister umherwandern und ihre Angehörigen aufsuchen. Umstritten ist der Bezug zum keltischen Neujahrsfest Samhain. Dieses wurde anfangs November begangen und hatte möglicherweise ebenfalls einen Bezug zum Gedenken an die Toten und die Anderswelt.

Frl. Liebert erzählt von einem besonderen Geist

In einem der Schulhefte aus dem Zollinger'schen Nachlass im Archiv des Ortsmuseums Weiach findet sich ein Eintrag zum 16.4.41, notiert wohl vom Primarlehrer Adolf Pfister, der von 1936 bis 1942 in Weiach tätig war. Als Quelle wird «Frl. Liebert» genannt. Bei dieser unverheirateten Frau handelt es sich um Luise Liebert, die 1965 verstorbene letzte Bewohnerin des Ortsmuseums (Lieberthaus am Müliweg 1). Der Eintrag lautet:

«Untervogt Bersinger kam zurück + geistete auf der Winde der Mühle. Da wurde er von einem Kapuziner – den man gerufen hatte – in einen Ankenhafen verbannisiert. Ein Mädchen, das im Keller zu tun hatte, deckte den Hafen ab + heraus war der Vogt. Er soll noch heute in der Brunngasse oben zu sehen sein.»

Unklar, welcher Untervogt

Ein Untervogt ist in diesem Zusammenhang der oberste durch die Landesherrschaft, d.h. Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich, eingesetzte Gemeindevorsteher, in etwa vergleichbar mit einem heutigen Gemeindepräsidenten. Im 18. Jahrhundert standen über längere Zeiträume mindestens drei Angehörige der Müllerei-Dynastie der Bersinger in dieser Funktion (vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 990). 

Diese Bersinger waren so etwas wie Dorfkönige, die sich entsprechend selbstbewusst verhielten und ihre politische wie wirtschaftliche Macht (vgl. WeiachBlog Nr. 1666) gegenüber ärmeren Dorfbewohnern möglicherweise nicht immer mit lauteren Methoden in die Waagschale warfen – und sei es auch lediglich in deren subjektiver Wahrnehmung. Das wäre eine Erklärung, wie die mündlich überlieferte Vorstellung aufgekommen ist, eine dieser mächtigen Figuren müsse nun für ihre Taten im Diesseits büssen.

Die Kapuziner holte man für die gröberen Probleme 

Walter Bär-Vetsch berichtet von Hausbesitzern aus dem Urnerland, die den bei Abbruch eines alten Hauses jammernden Armen Seelen erlaubt hätten, mit ins neu errichtete Haus einzuziehen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie sich ruhig verhielten und den Lebenden nicht schadeten.

Zu diesen pflegeleichten Armen Seelen hat der Untervogt Bersinger offensichtlich nicht gehört. Jedenfalls störte er die Lebenden so sehr, dass man die Spezialisten aus der katholischen Welt beizog. In unserem Fall, um den Vogt in einen Ankenhafen zu verbannen, den man dann im Keller aufbewahrte.

Die Kapuzinerpatres standen nämlich beim Volke im Ruf, selbst mit dem absolut Bösen (Dämonen und Teufeln) und andern Phänomenen aus der Anderwelt souverän umgehen und dadurch Schaden abwenden zu können.

Sie wurden aber auch bei niederschwelligeren Problemen konsultiert. Der mittlerweile emeritierte Basler Weihbischof Martin Gächter (* 1939) erzählte einer kath.ch-Journalistin jedenfalls eine Episode, die aus derselben Zeit stammt, in der Frl. Lieberts Aussage verortet wird:

«Als drei- oder vierjähriger Bub war ich nachts sehr aktiv und habe meine Mutter nicht schlafen lassen. Sie hat mich zum Kapuzinerkloster nach Dornach gebracht. Der Pater hat einen Segen über mich gebetet. Darauf soll ich in der Nacht ruhiger geworden sein.» (Straub 2022)

Ein gwundriges Meitli und schon geistet es wieder 

Der vermeintlich sichere Lagerplatz im Keller der Mühle war allerdings, so die Geschichte weiter, nicht sicher vor Familienangehörigen oder Hausangestellten, die aus Versehen oder Gwunder – wohl trotz Verbot – in den ominösen Ankenhafen schauen wollten.

Die Bannisierungskünste des Kapuziners scheinen aber gewirkt zu haben, denn sie konnten – das kann man bei Bär-Vetsch nachlesen – zwar einen solchen Geist mit einem Hausverbot belegen. Darüber, dass er draussen weiter sein Unwesen treibt, hatten sie aber auch keine Gewalt.

Und deshalb geht der Geist des unseligen Untervogts vielleicht bis heute um. Nicht mehr auf der Winde der Müli. Aber laut Frl. Liebert in der Brunngasse, was zwar nahe an der Mühle ist, jedoch mit einem gehörigen Sicherheitsabstand versehen. Das Rayonverbot für Geister wirkt offenbar.

Ausschnitt aus dem Plan der Amtlichen Vermessung (ARV Zürich)

Die Brunngasse kann als Fortsetzung des Müliweg-Abzweigers zur Stadlerstrasse verstanden werden. Sie verbindet die Bergstrasse (Einmündung nahe dem Wasserreservoir Berg) mit der Stadlerstrasse.

Quelle und Literatur

  • Schulheft Nr. VI «Pfister» (aus mind. 4 unterschiedlichen Schreibblattbogen zusammengestelltes und fadengeheftetes Schulheft) – S. 22. [Archiv des Ortsmuseums Weiach; noch ohne Signatur]
  • Brandenberger, U.: Diener zweier Herren: Untervogt und Dorfmeier in Personalunion.  WeiachBlog Nr. 790, 11. März 2010.
  • Brandenberger, U.: Gemeindepräsidenten-Dynastie: Sohn folgt auf Vater. WeiachBlog Nr. 990, 23. März 2011.
  • Bär-Vetsch, W.: «Und d'rnah haiget sy's am-mana Kapuzyyner z'Altdorf gsäit». In: ders.: Kraft aus einer andern Welt. Zeichen und Handlungen des Volksglaubens und der Volksfrömmigkeit in Uri. Altdorf 2019  S. 793. Separatdruck des Kapitels und vollständiges Werk auf urikon.ch abrufbar.
  • Brandenberger, U.: Nur eine Mühle? Untervogt Bersinger als Grossgrundbesitzer. WeiachBlog Nr. 1666, 7. Juni 2021.
  • Straub, J.: Weihbischof Gächter über seinen einzigen Exorzismus: «Der Dämon schrie: Das brennt!». In: kath.ch; Katholisches Medienzentrum, 25.4.2022.