Montag, 13. Februar 2023

Weiacher Posthalter-Familien (1842-2009)

«Es sind aber die kleinen Poststellen, nicht die repräsentativen Bauten, die den jungen Bundesstaat bis in die entlegensten Landesteile repräsentieren. Bei der grossen Mehrheit der Postlokale handelt es sich um solche, bei denen ein Posthalter von der Post für das Zurverfügungstellen der Räume entschädigt wird. Diese einfachen Poststellen verbreiten so das Schweizerkreuz durch ihre Posthausschilder und ihre Dienstleistungen über die junge Schweiz.» (Kronig 2020)

Im Beitrag WeiachBlog Nr. 1895 werden die mittlerweile fünf verschiedenen Standorte der Poststelle im Weiacher Dorfkern genannt. Über Jahrzehnte hinweg war der Wohnsitz der Posthalterfamilie mit dem Standort der Poststelle identisch. Nur gerade von 1954 bis 1995 war dies nicht der Fall. 

Was uns wie eine lokale Spezialität und Eigentümlichkeit erscheint, war offenbar Standard, wie man dem einleitenden Zitat entnehmen kann. Seit 2009 wird die Weiacher Poststelle nach dem Ymago-Modell als Teil des VOLG-Ladens geführt. Wieder ohne formell ernannten Posthalter. Wie vor 1842. Auch damit ist Weiach kein Sonderfall. Die Poststelle als Shop-in-shop ist mittlerweile nicht nur im ländlichen Raum die weitaus häufigste Form eines Zugangspunkts zu Postdienstleistungen.

Doch zurück zur Posthalter-Zeit. In rund 168 Jahren gab es bei uns nur gerade sieben Posthalter aus drei Familien: Baumgartner, Meierhofer und Junker (bzw. Näf). Sie stehen im Zentrum dieses Artikels.

1  J[akob] Baumgartner, 1842 bis 31.5.1852 [ca. 10 Jahre]

Die Auflösung von «J.» zu «Jakob» ist eine Vermutung. Sozusagen ein «best guess». Sie beruht auf einer Analyse der Eigentümerangaben zu den Liegenschaften Oberdorfstr. 15 & 17 im älteren Lagerbuch der Gebäudeversicherung [PGA Weiach IV.B.06.01]. Ein Teil dieser Familie hat ab 1862 einen Landwirtschaftsbetrieb in Rellikon (bzw. Rällikon; an der Südwestecke des Greifensees gelegen) übernommen. Der ehemalige Standort der Kantonalpost an der Oberdorfstrasse 17 war noch bis 1866 im Eigentum der Miterben dieses Jakob Baumgartner. 

Baumgartner erhielt die Post von einem sog. Kreisbriefträger geliefert, der zu Fuss zweimal in der Woche aus dem Bezirkshauptort nach Weiach kam. Entsprechend hielt sich auch der Aufwand des Weiacher Posthalters in Grenzen. Sein Jahresverdienst im Jahre 1852: 36 Franken. Kaufkraftbereinigt würde das heute einen Monatslohn von 300 Franken ergeben.

2  Rudolf Meierhofer, 1.6.1852 bis 31.12.1889  [37.5 Jahre]

Der Aufgabenbereich des ersten Amtsinhabers (und damit sozusagen Begründers) der Dynastie der Poscht-Meierhofer war wesentlich umfangreicher als der seines zu Kantonalpost-Zeiten angeworbenen Vorgängers. Das zeigt sich allein schon an der Verdreifachung des Jahresgehalts auf 110 Franken (vgl. einen späteren WeiachBlog-Beitrag für einen Vergleich von Gehalt und Arbeitsaufwand). 

Rudolf, der die «Alte Post» in den Jahren nach der Amtsübernahme ausgebaut hat (laut Gebäudeversicherungsprotokoll v.a. 1856), musste nun jeden Tag viermal dafür besorgt sein, dass Briefe und Pakete vor seinem Haus mit dem Führer der Postkutsche ausgetauscht werden - und das war nur ein kleiner Teil seiner Amtspflichten. Da der Postverkehr stetig zunahm, ist Rudolfs Jahresbesoldung kaufkraftbereinigt bis zu seinem Tod im Jahr 1889 auf das Dreifache angestiegen.

3  Albert Meierhofer sen., 1.1.1890 bis 31.7.1927  [37.5 Jahre]

Albert Meierhofer (1860-1940), der Sohn Rudolfs, ist, mitten hineingeboren in ein als Speisewirtschaft, Poststelle und Landwirtschaftsbetrieb genutztes Elternhaus, sozusagen automatisch und schon als Kind zu Hilfsarbeiten herangezogen worden. Ab dem 1. August 1876 musste die Post bekanntlich am Bahnhof Weiach-Kaiserstuhl ausgetauscht werden, was den Aufwand erhöht hat. Auch da ist Albert mit Sicherheit immer wieder zum Einsatz gekommen, wie das halt bei einem Familienunternehmen gang und gäbe war. 

So war der langjährige Wirt (bis 1911) und Weiacher Friedensrichter quasi der bereits eingearbeitete Ersatzmann für seinen im Amt verstorbenen Vater. Im Gegensatz zu diesem hat Albert seine Jahresbesoldung kaufkraftbereinigt nicht erhöhen können, trotz der exakt gleich langen Amtsdauer. Sie ist sogar noch etwas gesunken.

4  Albert Meierhofer jun., 1.8.1927 bis 31.12.1952  [25.5 Jahre]  

Albert Meierhofer-Nauer (1887-1967), der dritte Amtsinhaber (und Enkel Rudolfs), erbte mit der Pensionierung seines Vaters sozusagen dessen Position. Wie schon seine Vorfahren führte er die Erwerbskombination Landwirtschaft/Poststelle fort. 

Die Aktivitäten dieses Mannes sind aber noch weitaus vielfältiger. So war Albert jun. ein glühender Patriot und machte in der Schweizer Armee Karriere bis zum Oberstleutnant, passenderweise in der Funktion eines für die Logistik und Versorgung zuständigen Stabsoffiziers (vgl. Bild in WeiachBlog Nr. 426). Er war massgebend an der Gründung der Schützengesellschaft Weiach beteiligt (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 60), von 1941 bis 1966 Gemeindepräsident und als Politiker auch über die Gemeindegrenzen bekannt, was die Wahl in den Kantonsrat zur Folge hatte (Ratsmitglied von 1935 bis 1943).

Schon allein daran, wie häufig er als Kantonsrat sitzungbedingt und erst recht als Offizier im Zweiten Weltkrieg militärbedingt ortsabwesend gewesen sein muss, kann man ablesen, dass die Weiacher Poststelle ohne die Familie Meierhofer im Hintergrund nicht hätte funktionieren können. So wie das auch schon seit 1852 der Fall war: Der Posthalter war sozusagen lediglich der Franchisenehmer. Für den reibungslosen Betrieb bedurfte es aber noch vieler weiterer Hände.

5  Walter Meierhofer, 1.1.1953 bis 31.12.1991 [39 Jahre]

Angesichts der anderweitigen Verpflichtungen des Albert jun. kann es kaum verwundern, dass auch sein Sohn, Walter Meierhofer-Albrecht (1929-1998) bereits von Geburt an in die Posthalterfunktion hineingewachsen ist. Elternhaus und Poststelle waren ja wie zu seines Urgrossvaters Zeiten immer noch am selben Ort. 

Eigentlich hätte Walter lieber als Landwirt gearbeitet, was aber nicht ging, weil sein Bruder den elterlichen Betrieb übernahm. So wurde er der erste vollamtliche Posthalter in unserer Gemeinde. Was auch ein Hinweis darauf ist, wie umfangreich die Aufgaben der Post mittlerweile geworden waren.

[Nachtrag vom 13. Juli 2023: Walter Meierhofer schreibt 1991 in «Poststelle Weiach im Rückblick»: «Seit 1852 bis 1991 besorgten vier Generationen Meierhofer (Urgrossvater, Grossvater, Vater, Sohn) den Postdienst unseres Dorfes, wobei bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, 1939, diese Tätigkeit im Nebenamt ausgeübt wurde.» Damit gibt er indirekt den Hinweis, dass das Vollamt bereits rund 13 Jahre vorher eingeführt wurde.]

Kurze Zeit nach dem Amtsantritt bezog er wenige Meter vom Elternhaus entfernt im Haus Kipfer (Stadlerstrasse 17) die dort eingerichtete Poststelle, die mitsamt Schalterraum und Telefonkabine nicht einmal 40 Quadratmeter gross war. Da konnte es schon einmal eng werden.

Auch hier ist die Mitarbeit der Familie (in diesem Fall durch seine Ehefrau Gertrud, von den meisten Weychern «Trudi» genannt) eine feste Grösse. Trudi war jahrzehntelang mindestens so sehr die hiesige Verkörperung der Schweizerischen Post wie ihr Mann Walter (vgl. WeiachBlog Nr. 1423).

6  Felix Junker, 1.1.1992 bis 28.2.2003  [11 Jahre]

Nachdem sich Meierhofer Nr. 4 gesundheitsbedingt hatte frühpensionieren lassen müssen, war die Reihe nun nicht mehr an dessen Sohn. Der folgte seinem Berufswunsch und wurde Lehrer. So kam es zum Wechsel zur dritten Posthalterfamilie: der Junker-Näf.

[Nachstehende Absätze bis zur Abbildung überarbeitet aufgrund Rückmeldung Hanna Junker v. 13.2. abends]

Die Poststelle Weiach platzte räumlich aus allen Nähten. Das war der Kreispostdirektion spätestens seit 1985 bekannt. Dass Felix Junker, langjähriger Postangestellter im Zustelldienst, 1991 den Zuschlag als neuer Posthalter erhielt, hatte trotzdem nichts damit zu tun, dass er und seine Frau der Post ein Angebot im traditionellen Sinne machten: die Poststelle als Teil des Anwesens der Posthalterfamilie. Dieses Angebot konnten sie – entgegen den Aussagen der Kommunikationsabteilung der Kreispostdirektion in einer Presse-Information vom 10. Januar 1995 – erst in späteren Jahren machen. 

In den ersten Jahren mussten die Junkers und die mit ihnen arbeitenden Briefträger mit den beengten Platzverhältnissen zurechtkommen. Nach dem Um- und Ausbau der Liegenschaft Glattfelderstrasse 2 schlug Mitte Januar 1995 dann die grosse Stunde: in der neuen Post am Bachweg 2 stand nun fast dreimal soviel Platz zur Verfügung, vgl. den Artikel im Zürcher Unterländer (in: Poststellenchronik Kreispostdirektion):


7  Hanna Junker-Näf, 1.3.2003 bis 7.3.2009  [6 Jahre]

Im März 2003 wandelte die Schweizerische Post die Poststelle Weiach in eine Agentur um, die nur noch als Filiale von Glattfelden weitergeführt wurde. Damit übernahm Felix' Ehefrau Hanna, gebürtige Weiacherin, ab 17. Februar 2003 faktisch die Funktion des Posthalters, formal mit dem Titel einer Filialleiterin. Felix selber wechselte auf die Poststelle in Hochfelden.

Anmerkung: Ernst Schmid setzt in seiner Postgeschichte die Rückstufung auf eine Filiale auf den März 2006 an (vgl. S. 58). Ein (passenderweise gelbes) Flugblatt des Posthalters, mit dem er zu einem Abschiedsapéro einlädt, datiert jedoch auf den Februar 2003 (Akten MGW & Flugblätter, Wiachiana-Verlag).

Diese Rückstufung war rückblickend sozusagen der Anfang vom Ende. Obwohl die Junkers noch 1995 überzeugt waren, einen Poststandort für die nächsten 30 Jahre eröffnet zu haben (vgl. ZU-Artikel oben), ist bereits im Frühjahr 2009 erneut ein Umzug der Post Weiach zu verzeichnen. An den heutigen Standort im VOLG-Laden.

Das Postlokal am Bachweg wird heute anderweitig genutzt: als Standort der Kinderkrippe Zwärgehüsli GmbH.

Quellen und Literatur

  • Speditionsregister der Poststelle Weiach: Verzeichnis der Postgegenstände mit Datum, Herkunft, Wert, Porto etc., 1849-1852. [recte: ab 1842] –  MfK, PTT-Archiv, Signatur: P-08 A_PAA 00443
  • PTT (Hrsg.): Wegleitung für die Bereitstellung von Dienstlokalen durch die Posthalter. Bern 1981.
  • Poststellenchronik Weiach der Kreispostdirektion (KPD). – MfK, PTT-Archiv. Signatur: Post-199 A 0008_Weiach. [Von Ernst Schmid ausgiebig verwendete Quelle]
  • Meierhofer, W.; Meierhofer, G.: Poststelle Weiach im Rückblick. Einzelblatt. Weiach, 5. Oktober 1991. [eingefügt am 13.7.2023]
  • Kreispostdirektion Zürich, Information & PR: Eröffnung der neuen Lokalitäten / Postbüro 8433 Weiach. Zürich, 10. Januar 1995.
  • Neues Postbüro in Weiach. Einweihung heute Donnerstag - Betriebsaufnahme am nächsten Montag. In: Neues Bülacher Tagblatt, 12. Januar 1996.
  • Weiacher Postgeschichte. Ein Stück Geschichte Zürcher Unterland. In:  Neues Bülacher Tagblatt, 12. Januar 1996.
  • Schärli, R.: Raus aus dem «Schnupftruckli». Weiach. Felix und Hanna Junker öffnen am Montag ihre neue Post. In: Zürcher Unterländer, 12. Januar 1995.
  • Schärli, R.: «Postfamilie» Meierhofer: Urgrossvater, Grossvater, Vater und Sohn. [Rubrik: Redaktion unterwäx in Weiach.]. In: Zürcher Unterländer, 9. August 1996.
  • Poststellenchronik 8187 Weiach der Sammlung Erne. –  MfK, PTT-Archiv, Signatur: Post-498 D 8187_Weiach
  • Brandenberger, U.: Dreimal Post Weiach. WeiachBlog Nr. 178 v. 1. Mai 2006.
  • Schmid, E.: Postgeschichte Bezirk Dielsdorf. Philatelie und Heimatkunde. Windlach 2008 – S. 51-59. 
  • Brandenberger, U.: Unser Postbüro ist bereits geschlossen. WeiachBlog Nr. 666 v. 7. April 2009.
  • Brandenberger, U.: Werbung für den Weyacher Postboten, Februar 1762. WeiachBlog Nr. 1011 v. 22. Juni 2011.
  • Kronig, K.: Bauen für eine Nation. Von Postpalästen, PTT-Bauten und Kunst am Bau. In: Kunst + Architektur in der Schweiz. Band 71 (2020), Heft 4, S. 4-15.

[Überarbeitete Version vom 13.2., 18:51 MEZ. Im gesamten Artikel wurde die Schreibweise «Naef» – von der PR-Stelle der Kreispostdirektion in der Medienmitteilung verwendet – auf die offizielle Schreibweise «Näf» geändert.]

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