Dienstag, 2. August 2011

Zuwanderung und Entsolidarisierung machen Sorgen

Es ist beinahe schon Tradition: WeiachBlog hält die Rede zum Nationalfeiertag, die in Weiach gehalten wurde, für die Nachwelt und die Abwesenden zum Nachlesen fest.

Mit der Rede von Regierungsrat Markus Kägi zum 1. August 2007 hat WeiachBlog zum ersten Mal die traditionelle Festansprache zum Bundesfeiertag im Wortlaut veröffentlicht. Auch die Reden
fanden mit dem freundlichen Einverständnis ihrer Urheber den Weg auf die Seiten von WeiachBlog.

Als Fünfte in der Reihe der Erst-August-Ansprachen erhält nun auch diejenige des diesjährigen Redners, Gemeinderat Thomas Steinmann, ihren Platz auf WeiachBlog.

[Hinweis: Die Rede wurde auf Schweizerdeutsch gehalten. Dieser Text wurde auf Wunsch von Thomas Steinmann redaktionell bearbeitet. Die nicht kursiv gesetzten Zwischentitel stammen von der Redaktion des WeiachBlog.]

1. Augustrede Weiach 2011
von Gemeinderat Thomas Steinmann


«Geschätzte Weiacherinnen und Weiacher, liebe Festbesucher

Über die Einladung, an diesem historischen Tag ein paar Worte an Sie zu richten, habe ich mich sehr gefreut.

Ebenfalls möchte ich es nicht unterlassen, Ihnen die besten Grüsse vom Gemeinderat zu überbringen und Ihnen den Dank aussprechen, dass Sie diesen Anlass mit uns allen feiern wollen.

Im Weiteren will ich Ihnen, geschätzte Schweizerinnen und Schweizer, zum 720- jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft gratulieren.

Ebenso will ich allen Einwohnerinnen und Einwohner von Weiach auch gratulieren, denn Weiach wurde bereits 1271 urkundlich erwähnt. 2021 würde Weiach somit 750 Jahre alt.
Dieser Geburtstag von Weiach wird sicherlich für ein erneutes Dorffest vorgesehen.

Der Knalleffekt rückt in den Hintergrund

Als kleiner Knabe fieberte ich immer dem 1. August entgegen, weil es die Zeit war, wo wir Knaben unser Sackgeld für kleine Knallfrösche oder „Pfupfraketen“ ausgeben konnten. Zum Leidwesen meiner Mutter, wenn wir schon 2 Tage vorher alles „verklöpft“ hatten. Uns war zu dieser Zeit gar nicht bewusst, welcher Hintergrund sich hinter dem 1. August verbirgt.

Heute ist es umgekehrt und ich besinne mich auf die historischen Gegebenheiten der Eidgenossenschaft und das Feuerwerk rückt in den Hintergrund.

Natürlich gehört ein Höhenfeuer oder sogar Feuerwerke dazu. Es ist immer schön, dem beizuwohnen.

Aber was sind die historischen Hintergründe?

Die Vertreter Walter Fürst, Werner Stauffacher und Arnold Melchtal von den Talschaften Uri, Schwyz und Unterwalden schwören auf der Rütliwiese auf den Bundesbrief.

Keine fremden Richter bitte

Der beste Absatz im Bundesbrief aus meiner Perspektive sagt aus:

"Wir haben auch einhellig gelobt und festgesetzt, dass wir in den Tälern durchaus keinen Richter, der das Amt irgendwie um Geld oder Geldeswert erworben hat oder nicht unser Einwohner oder Landmann ist, annehmen sollen."

Dieses Gedankengut hat unserer Schweiz weltweit Anerkennung und Erfolg beschert. Schon unsere Gründungsväter wussten, wie wir uns gegenüber anders Denkenden verhalten sollen.

Schliesslich sind wir nur von Vorteilen eingedeckt worden, indem wir uns nicht von fremden Richtern unser Tun vorschreiben liessen.

Die Erfolgsstory der Schweiz:
- Seit 164 Jahren hat es keinen direkten Krieg in der Schweiz gegeben (der letzte war 1847 der Sonderbundskrieg);
- 1848, als die Schweiz ihre Bundesverfassung veröffentlichte, wurde sie bedroht durch Deutschland, Österreich und Frankreich. Es war in Europa allgemein verpönt, dem Pöbel so viel Freiheit und Macht zuzugestehen;
- Neutralität. Die Schweiz verteidigt sich selber und mischt sich nicht in andere Konflikte ein;
- Wohlstand und dies ohne eigentliche Bodenschätze;
- Schönste Landschaften mit Bergen und Seen;
- Möglichst viel Eigenverantwortung dem Bürger übertragen;
- Unsere direkte Demokratie mit unserer Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesstufe;
- Unsere Freiheit, usw.

Was wollen wir noch mehr? Geht es noch perfekter?
Ich denke nicht, also warum etwas ändern!

Der Krug geht zum Brunnen...

Ein Sprichwort sagt: Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.

1992 mit der Abstimmung zum EWR, hat sich damals der Souverän entschieden, einen bilateralen Weg einzuschlagen. Seit dieser Zeit sind immer wieder Stimmen gehört worden, dass sich die Schweiz der Europäischen Union anschliessen soll.

Ich bin felsenfest überzeugt, dann wäre der Krug zerbrochen.

Doch wenn wir jetzt sehen, was seit gut 3 Jahren in Europa geschieht, können wir doch stolz auf unser „Ländli“ sein. Wenn es so weitergeht, so wird der EURO und die Europäische Union Geschichte sein. Ich selber bin kein Gelehrter, habe aber in der Schule beim Rechnen schon aufgepasst:

Schulden mit noch mehr Schulden tilgen = gibt noch mehr Schulden und noch grössere Probleme.

Der Druck auf die Schweiz wird jeden Tag zunehmen, solange die Probleme rundherum um die Schweiz nicht gelöst sind. Dieser Druck ist nur vorhanden, weil es uns sehr gut geht. Die Schweiz ist ein Land, in dem es Milch und Honig gibt. Darum ist es nicht erstaunlich, dass auch andere von diesen guten Sachen etwas abbekommen möchten.

Spruch zum Nachdenken:
"Von dem, was du erkennen und wissen willst, musst du Abschied nehmen, wenigstens auf eine Zeit. Erst, wenn du die Stadt verlassen hast, siehst du, wie hoch sich ihre Türme über die Häuser erheben."

(Friedrich Nietzsche, 1844-1900, deutscher Philosoph und Dichter)
[Anmerkung WeiachBlog: das Zitat stammt aus: Menschliches, Allzumenschliches II, 2. Aph. 307]

Also machen wir so weiter. Nehmen wir einmal Abschied vom Gedanken eines Zusammenschlusses und sehen einmal selber, was wir im Vergleich zu anderen erreicht haben.

Herausforderungen der nahen Zukunft

Wir werden uns in den nächsten Jahren selber mit einigen brisanten Themen auseinandersetzen müssen:

Zuwanderung ist ein Kernelement, da viele auch etwas von unserem Wohlstand haben wollen. Sie verlangt aber dass wir eine enorme Erneuerung der Infrastruktur mit Auswirkungen auf die Strassen, Energieversorgung und Wohnraum tätigen müssen. Der Druck auf den Arbeitsmarkt und das allgemeine Zusammenleben mit anderem Gedankengut wird immer grösser. Hier stellt sich die Frage, was für die Schweiz noch zumutbar ist.

Eine weitere Entwicklung macht mir ebenfalls Sorgen:
Auch das alte Gedankengut im Bereich der Solidarität gegenüber unserem Land verschwindet immer mehr. Unsere Stütze der inneren Sicherheit löst sich immer mehr auf.

Eigentlich ist es wahnsinnig, wenn wir daran denken, dass unsere Milizarmee vor gut 15 Jahre noch einen Bestand von 650'000 Angehörige der Armee hatte. Jetzt geht's in die nächste Runde und dann soll sie nur noch 80'000 Armeeangehörige klein sein.

Das gleiche Phänomen sieht man im Zivilschutz. Im Kanton Zürich ist der Bestand über 50% eingebrochen. Auch in der Feuerwehr kämpft man beeits mit Nachwuchsproblemen.

Dem gegenüber steht nur, dass mehr Papier produziert wird, Verwaltungen in anderen Bereichen grösser werden, Polizeikommandos erweitert werden, neue Sicherheitsfirmen wie Pilze aus dem Boden schiessen oder das Ganze mit Geld abgegolten wird.

Dabei wird nicht gespart, sondern das Geld wird einfach neu umverteilt. Diese Entwicklung ist nicht einfach zu ändern und ich hoffe für die Schweiz, dass hier der Krug noch ganz ist.

Es braucht eine sehr gute Diplomatie in der nächsten Zeit, damit unser Land keinen Schaden nimmt. Es braucht sehr gute Persönlichkeiten, um diesen Druck auf uns abzuwenden. Wir haben uns nichts vorwerfen zu lassen und müssen daher auch keine Kompromisse eingehen. Für was, weil wir alles richtig gemacht haben!

Zwei bevorstehende Jubiläen im 2012

Schauen wir noch ins nächste Jahr hinein. Da kann Weiach neben dem 1. August noch zwei Mal feiern.

Das Kieswerk begeht seinen 50-jährigen Geburtstag. Die Firma Eberhard wird sicherlich ein gebührliches Fest für diesen Anlass den Weiacherinnen und Weiacher und aus der Region bieten.

Ebenso können wir nach längerer Zeit am 24.–26. August 2012 (das sind noch genau 383 Tage) wieder ein Dorffest geniessen. Die Elektrizitätsgenossenschaft Weiach wurde vor 100 Jahren ins Leben gerufen. Diese runde Zahl war der Anlass, dass sich die Gemeinde und die EGW verpflichtet fühlten, eine Feier auf die Beine zu stellen. Neben Festbeizli und Chilbi im Zentrum von Weiach werden verschiedene Darbietungen gezeigt.

Das Organisationskomitee, die Gemeinde, die Elektrizitätsgenossenschaft und die Vereine laden Sie heute schon ein und wir wünschen uns alle, dass Petrus für diese Festlichkeiten das beste Wetter reserviert und wir heitere Stunden der Gemütlichkeit mit reger Beteiligung aus der ganzen Region geniessen können.

Dank an alle freiwilligen Helfer

Uns ist es auch bewusst, dass es für unsere Dorfvereine und freiwilligen Helfer eine enorme Belastung geben wird. Schon jetzt möchten wir allen Vereinen und freiwilligen Helfern unseren Dank aussprechen, dass diese Anlässe ein voller Erfolg werden und bei uns stets in Erinnerung bleiben.

Zu guter Letzt danke ich der Trachtengruppe Wehntal. Ohne sie fände hier keine 1. Augustfeier statt. Sie haben diesen Anlass organisiert und umgesetzt. Dank ihnen werden wir heute Abend noch kulinarisch verwöhnt mit Speis und Trank.

Ebenso danke ich dem Turnverein Weiach, welcher dieses Jahr die Ehre hat, das 1. August-Feuer im Gebiet Stocki anzuzünden.

Vielen herzlichen Dank an diese Vereine, dass sie diesen traditionellen Anlass in Weiach ermöglichen.

Ich wünsche Ihnen, verehrte Festbesucher, heute noch heitere Stunden, gute Gespräche - hier auf dem Platz und beim Geniessen des Augustfeuers.

Erhebt die Gläser und trinken wir auf das Wohl der Schweiz, dass sie so bleibt wie wir sie lieben.

Danke.
»

Anschliessend an diese Rede wurde gemeinsam die Landeshymne gesungen. Der Text passt zu unserer Verfassung, wo ganz zu Beginn, an der Spitze der Präambel, steht: «Im Namen Gottes des Allmächtigen».

Kennen Sie mehr als die erste Strophe?

Zur Erinnerung wieder einmal der Text der Landeshymne. Wenn Sie mehr als nur die erste Strophe auswendig können, dann gehören sie zu einer verschwindend kleinen Minderheit.

Erste Strophe
Trittst im Morgenrot daher,
Seh' ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet!
Eure fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott im hehren Vaterland.

Zweite Strophe
Kommst im Abendglühn daher,
Find' ich dich im Sternenheer,
Dich, du Menschenfreundlicher, Liebender!
In des Himmels lichten Räumen
Kann ich froh und selig träumen!
Denn die fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott im hehren Vaterland.

Dritte Strophe
Ziehst im Nebelflor daher,
Such' ich dich im Wolkenmeer,
Dich, du Unergründlicher, Ewiger!
Aus dem grauen Luftgebilde
Tritt die Sonne klar und milde,
Und die fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott im hehren Vaterland.

Vierte Strophe
Fährst im wilden Sturm daher,
Bist du selbst uns Hort und Wehr,
Du, allmächtig Waltender, Rettender!
In Gewitternacht und Grauen
Lasst uns kindlich ihm vertrauen!
Ja, die fromme Seele ahnt,
Gott im hehren Vaterland,
Gott im hehren Vaterland.

P.S.: Reden von Bundesrat Maurer und Nationalrat Schlüer

Zu den oben aufgegriffenen Themen passt die vom VBS veröffentlichte Ansprache von Bundesrat Ueli Maurer. Titel: Bürger oder Biedermann. Darin äussert Maurer die Hoffnung, dass die Schweizer wachsamer, konsequenter und nicht so duckmäuserisch sind wie der Protagonist im Theaterstück «Biedermann und die Brandstifter» von Max Frisch.

Die in Bonstetten im Knonaueramt gehaltene Bundesfeier-Rede von Nationalrat Ulrich Schlüer nimmt ähnliche Themen auf wie Steinmann. Sein Fazit: Es braucht hervorragende Diplomaten. Als solche nennt der promovierte Historiker Schlüer den Basler Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein, der 1648 die völkerrechtliche Unabhängigkeit der Schweiz erreichte sowie Bundesrat Ulrich Ochsenbein, der 1848 eine vor den Toren der Schweiz stehende französische Interventionsarmee davon abbrachte, die Volkssouveränität (von den Fürstenhäusern «Herrschaft des Pöbels» genannt) in der Schweiz gewaltsam verhindern zu wollen.

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