Dienstag, 12. Mai 2020

Gedruckte Karten etablieren neue Kultur der Höflichkeit

Mit der Amtszeit von Pfarrer Stünzi in Weiach (1866-1896) änderten sich die gesellschaftlichen Gepflogenheiten im Dorf. Beeinflusst durch das Beispiel seiner Ehefrau kamen Gratulations- und Kondolenzkarten bei Lebensereignissen auf. Das berichtet Louise Griesser Patteson (1853-1922) in ihrer Autobiographie When I was a girl in Switzerland.

Die Glückwunschkartenindustrie ist auch heute (in Zeiten mit einem wesentlich breiteren Angebot an Kommunikationskanälen) noch ziemlich bedeutend. Acht bis neun Grusskarten sollen pro Person und Jahr verschickt werden (vgl. Wikipedia).

Den Brauch, der betroffenenen Familie zu kondolieren oder bei Verlobungen, Hochzeiten und Geburten dem Paar zu gratulieren, kannte man wohl früher schon. Allerdings ohne die schriftliche Form. Die kam per Kulturtransfer aus der Stadt:

«Another innovation which was introduced by our Frau Pfarrer was the use of printed cards for social occasions. For use at funeral services, for instance, it was a card with a black border bearing the owner’s name. Every one in attendance left such a card on a tray provided for the purpose, and any absentees used the same card to express their sympathies. By this means the bereaved family knew who had been present.

Other cards introduced by the Frau Pfarrer were of a cheerful kind: congratulations on engagements, on weddings, and on births, etc. These cards worked a complete revolution among the villagers in their feelings toward each other. Some who had harbored petty jealousies or grudges began to watch for opportunities to use their cards in order to express some felicitation. Incidentally these simple innovations tended to increase the church attendance and to stimulate the religious life in the whole village.» (S. 130-131)

Diese letztere Bemerkung kann nicht mehr der persönlichen Beobachtung der Autorin entspringen, da sie bereits im Oktober 1867 mit ihrer Familie in die USA ausgewandert ist. Sie beruht eher auf Einschätzungen, die von anderen Dorfbewohnern oder der Pfarrfamilie selber stammen.

Quellen und Literatur
  • Patteson, S. L.: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston 1921 [Elektronische Fassung auf archive.org; PDF, 11 MB] – S. 130-131.
  • von Zur Westen, W.: Vom Kunstgewand der Höflichkeit. Glückwünsche, Besuchskarten und Familienanzeigen aus sechs Jahrhunderten. Otto von Holten, Berlin 1921.
  • N.N.: Beleidskarte schreiben. In: Bestattungsplanung.de [Zugriff am 12.5.2020]

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