Samstag, 28. November 2020

Vom Weyacherberg kamen die Plünderer haufenweise

Vor fast genau hundert Jahren, 1921, hat Emil Bolleter ein Büchlein mit dem aus unserer heutigen Sicht etwas verwirrenden Titelbestandteil «(Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich)» veröffentlicht: die erste zwischen harte Buchdeckel gefasste Monographie über die Bachser Ortsgeschichte. 

Als Ober-Fyßibach oder Fisibachs wurde nämlich früher Alt-Bachs bezeichnet, der westliche Teil des zürcherischen Bachs, als Unter-Visibach das früher zur Grafschaft Baden gehörende, heute aargauische Fisibach.

Auch Bolleter äussert sich, wie schon 1863 der Glattfelder Näf (vgl. einleitende Abschnitte von WeiachBlog Nr. 1613) zu den französischen Soldaten – und zwar im Kapitel «Das Bachsertal im Kriegsjahre 1799». Dieses geben wir nachstehend im vollen Wortlaut wieder, weil es das Verhalten derselben Truppe schildert, die aufgrund ihres Lagerplatzes auch Weiach heimgesucht haben dürfte. 

Von wo das 13. Regiment stammte

Es handelt sich um Angehörige des «13. Regiments der fränkischen Armee», gemeint ist ein Régiment d'infanterie. Dabei dürfte es sich um die 13ième demi-brigade (Halbbrigade) gehandelt haben, denn diesen Namen hatte der Nationalkonvent im Februar 1793 den Regimentern verpasst, um die Erinnerung an die royale Tradition zu tilgen (später wieder rückgängig gemacht). 

Die chasseurs à pied waren damals die normalen Fusssoldaten der leichten Halbbrigaden, die jeweils aus einem Profi-Bataillon der alten königlichen Armee und zwei neu aufgestellten Bataillonen von Wehrpflichtigen bestanden (sogenanntes «Amalgame militaire»). Einen Unterschied zwischen diesen Einheiten sah man anhand der Uniformen offenbar nicht, da diese einheitlich blau waren.

Die Angehörigen dieser 13ième demi-brigade de première formation (insgesamt ca. 2500 Mann) kamen zu zwei Dritteln aus der Gironde, dürften also aus der Gegend um Bordeaux stammen.

Tyrannig, so daß man kaum mehr des Lebens sicher war

Hier nun Bolleters Wortlaut zu dieser Plünderungsphase von Ende Oktober bis etwa Mitte November 1799. Unterbrochen dort, wo Anmerkungen zwingend sind:

«Im Jahre 1799 fochten die Österreicher und Russen ihren Kampf mit den Franzosen auf Schweizerboden aus. Der ganze nördliche Teil des Kantons Zürich wurde dabei hart mitgenommen. Wohl hatten sich die Österreicher in der ersten Schlacht bei Zürich (4. u. 5. Juni) in den Besitz der Stadt gesetzt; aber nach der zweiten (25. u. 26. September) mußten die Russen, welche die Österreicher inzwischen abgelöst hatten, fliehen und wurden von den Franzosen verfolgt. Über einen Monat blieben die letzteren an der Rheinlinie liegen, wobei die besetzten Dörfer viel Ungemach zu erdulden hatten.»

Es war einiges mehr als ein Monat, denn dem erwähnten Verband folgten weitere nach. Die Frontlinie am Rhein hatte von Ende September 1799 bis Ende April 1800 Bestand.

«Auch Bachs litt sehr. Die Jäger des 13. Regiments der fränkischen Armee hatten vom 23. bis 25. Oktober im Weyacherberg zwischen Bachs und Weyach ein Lager aufgeschlagen und kamen nun haufenweise in das Dorf und die umliegenden Höfe, um Wein, Brot, Fleisch, Fäsen [hier wohl gemeint: Dinkel oder Korn], Haber, Heu, Stroh, Geschirr usw. zu holen. Vom 25. bis 29. Oktober waren 135 Mann im Dorfe Bachs selbst einquartiert, nachher bis in den November hinein 60, die alle die Bewohner sehr bedrängten, besonders an Wein, "obgleich keiner mehr vorhanden war". Offiziere und Soldaten waren sehr "tyrannig, so daß man kaum mehr des Lebens sicher war"; der Aufforderung des Kommandanten, bis zum zweitfolgenden Tage 400 Rationen Fäsen, 6 Säcke Hafer, 1 Flasche Branntwein, 50 Hufeisen zu liefern, folgte die Drohung, das Dorf würde bei Nichtgehorsam ausgeraubt werden. 

Auch der Pfarrer hatte sehr zu leiden; die Offiziere quartierten sich, da sonst keine bequeme Unterkunft vorhanden, kurzerhand im Pfarrhause ein. Am 12. Dezember klagt Pfarrer Zimmermann in einem Briefe an die "Bürger Administratoren" darüber, wie arg es mitgenommen worden sei, nicht nur seien die 30 Mütt Kernen seiner Besoldung ausgeblieben, sondern auch die 10 Eimer Wein, "was sich ungleich schwerer vermissen lasse, zumal dieses Quantum für den Hausgebrauch niemals hinlänglich sei".»

Der nächste Abschnitt betrifft den Weiler Im Thal, der unter dem alten Stadtstaat noch zum Neuamt gehört hatte (der Rest von Bachs zur Herrschaft Regensberg):

«Bitteres hatte auch der Talmüller Ulrich Ott zu erdulden: er wurde nicht nur mißhandelt, sondern man stahl ihm auch 14 Saum Wein [1 Saum = ca. 150 Liter], 130 Viertel Fäsen [über 3000 Liter], 13 Mütt Kernen [ca. 1300 Liter], 25 neue Säcke, 80 Pfund [ca. 36 kg] dürres Schweinefleisch, 15 Maß Butter und Schmalz, 20 Pfund [ca. 9 kg] Salz, 15 Zentner Heu, ferner Brot, Hühner, hölzernes und gläsernes Geschirr, im ganzen für 856 fl. [Gulden] 

Zu alledem mußten die Bachser das Verlangte dem Heere zu- und nachführen, nicht nur in die nähere Umgebung, sondern bis nach Bülach, Glattfelden, Winterthur, Reckingen.» [gemeint: Rekingen, Kt. AG]

Gerade angesichts dieses letzten Satzes ist nicht ganz klar, ob es sich bei all diesen Zahlen nur um den Beginn dieses üblen Winters 1799/1800 gehandelt hat (mit der 13. Halbbrigade), oder um mehrere Plünderungsereignisse. Spätestens Mitte November war nämlich bereits der nächste Verband vor Ort. Da schlug die 67. Halbbrigade ihr Hauptquartier in Weiach auf.

Finanzielle Bezifferung des grossen Schadens

«Der Schaden durch Plünderung in den Häusern wurde auf 8200, derjenige durch Verheerung beim Lagern [gefällte Bäume] auf 3570 Fr. geschätzt, nach heutigem Geldwerte das Vielfache. 78 Haushaltungen waren arg mitgenommen worden.

Unsäglich war das Elend, welches das Kriegsjahr 1799 über unsere Gegend gebracht hatte. Über die Notlage einer Gemeinde (Rümlang) erschien eine eigene Broschüre, betitelt: "Getreue Darstellung des verarmten, unglücklichen Zustandes der Dorfgemeine Rümlang im Kanton Zürich". Das Elend des Dorfes wird hier in ergreifenden Zügen geschildert. Freuen wir uns, daß aus der trostlosen Lage der damaligen Zeit langsam eine schönere Zukunft heranwuchs!»

Die genannte Zahl von 11770 Franken hat umgerechnet mit dem SWISTOVAL-Tool der Uni Bern je nach verwendetem Index einen heutigen Wert zwischen 127'500 (Konsumentenpreisindex KPI) und 1.357 Mio. Franken (Historischer Lohn-Index HLI). Ob es sich dabei um den Gesamtschaden über eine längere Periode oder nur um den Schaden durch das von ihm genannte 13. Regiment gehandelt hat, geht aus Bolleters Text nicht hervor.

Quelle
  • Bolleter, E.: Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich). Zürich 1921 – S. 228-229.

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