Mittwoch, 29. Mai 2024

«Gemeinsam für Weiach: Keine Container-Unterkunft»

«Noch vor zwei Jahren lag die Asyl-Aufnahmequote bei 0.5% der Wohnbevölkerung. Bekanntermassen wird sie nun per 1. Juli 2024 auf 1.6% erhöht. Seit zwei Jahren engagieren sich die Städte und Gemeinden mit enormem Aufwand, um die stetig wachsende Zahl von Asylsuchenden aufnehmen zu können. Die Gemeinden im Bezirk Dielsdorf haben es dank massiven Anstrengungen knapp geschafft, die heute gültige Aufnahmequote von 1.3% zu erfüllen. Dies erfolgte vielfach mit Zwischennutzungen, die im Laufe der kommenden 1-2 Jahre wieder wegfallen werden. Neue Unterkünfte sind unter den bestehenden Rahmenbedingungen sehr schwer oder gar nicht realisierbar. Deshalb hat sich die Gemeindepräsidienkonferenz des Bezirks Dielsdorf mit den beiliegenden Schreiben an den Bundes- und Regierungsrat gewandt.»

Diesen Text findet man seit heute 08:00 Uhr auf der Website der Gemeinde Weiach (https://www.weiach.ch/page/402/news/1791). 

Ein Brandbrief an die Obrigkeiten

Dass es auf Bezirksebene so etwas wie eine Gemeindepräsidienkonferenz gibt, davon hatte auch der Redaktor dieses Blogs bis heute keinen blassen Schimmer. Dieses Gremium hat sich vorgestern mit Briefen an den Zürcher Regierungsrat und den Bundesrat fulminant zu Wort gemeldet. 

Der Text ist bei beiden Adressaten gleich und man kann ihn nur als «Brandbrief» bezeichnen. Denn da wird Klartext geredet: Die Gemeinden und v.a. ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien am Limit. Und der offene Brief schliesst mit den Worten:

«Wir rufen dringend dazu auf, dass primär auf Stufe Bund sowie des Kantons auch andere Wege gesucht werden müssen, als stetig die Aufnahmequote für die Gemeinden zu erhöhen. Insbesondere erwarten wir vom Bund neben einer restriktiven Asylpraxis, dass er die über 20‘000 hängigen Asylgesuche rasch abbaut und die Asyl-Schnellverfahren ausweitet. Zudem ist beim Schutzstatus S die Rückkehrorientierung zu klären und Missbrauch einzudämmen. 

Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass die Städte und Gemeinden keine weitere Steigerung der Aufnahmequote bewältigen können.»

Zürcher Regierung schon länger kritisch gegenüber Bundesebene

Damit rennt man bei Regierungsrat Mario Fehr wohl offene Türen ein. Denn der hat sich bereits im Frühling 2023 anlässlich einer Medienkonferenz (https://www.youtube.com/watch?v=j-peZtrNo2U) deutlich dazu geäussert, dass man im Kaspar-Escher-Haus (der Zentrale der Regierung) alles andere als glücklich ist, über die Art und Weise, wie das Staatsekretariat für Migration das Asylproblem auf die Kantone abschiebt. Stichwort: Vorzeitige Zuweisungen. Der Bund müsse den Kantonen auch die Gelegenheit geben, durchzuschnaufen. 

Ob Madame Baume-Schneider oder Monsieur Jans, völlig egal. Die Versprechen werden auf Bundesebene nicht eingehalten.

Gemeindeversammlung in zwei Wochen

Und genau deshalb steht Weiach bekanntlich vor einer Gemeindeversammlung, an der es letztlich just um diese von der Bundesverwaltung erzwungene Kapazitätserweiterung geht (dieser Blog berichtete bereits am 28. April ausführlich darüber, vgl. WeiachBlog Nr. 2090). 

Gestern und heute ist in Weiacher Briefkästen ein Flugblatt (s. Bild unten) eingeworfen worden. Absender sind die am direktesten Betroffenen: die Stockwerkeigentümer der Liegenschaft Dammweg 4. Dort, direkt ennet dem Rhihofweg, steht seit drei Wochen ein Baugespann.

Die Eigentümergemeinschaft Dammweg 4 meldet sich per Flugblatt zu Wort

«Wie Sie vermutlich bereits gehört haben, ist geplant, in Weiach direkt gegenüber der Liegenschaft Dammweg 4 in der Landwirtschaftszone eine Asylunterkunft in Containerform für 32 Asylbewerber (in zwei Etappen - je zweimal 16) zu errichten.

Gemeinsam für Weiach: Keine Container-Unterkunft

Liebe Weiacherinnen und Weiacher

Wir stehen vor einer wichtigen Entscheidung, die unsere Gemeinde nachhaltig prägen wird. Es geht um die geplante Errichtung einer Asylunterkunft in Containerform. Dieses Vorhaben birgt mehrere Herausforderungen, die nicht nur unsere direkte Umgebung, sondern auch das Wohl unserer Gemeinde beeinflussen.

Warum wir Bedenken haben:

  • Integration und sozialer Zusammenhalt: Containerunterkünfte bieten nur beengte und provisorische Lebensverhältnisse. Dies erschwert nicht nur die Integration der Asylbewerber in unsere Gemeinde, sondern beeinflusst auch das soziale Gefüge unseres Ortes.
  • Ortsbild und Umwelt: Container als dauerhafte Wohnlösung entsprechen nicht dem Charakter unserer schönen ländlichen Umgebung.
  • Wertminderung der umliegenden Liegenschaften: Erfahrungen aus anderen Gemeinden zeigen, dass die Errichtung von Asylunterkünften in Containerform potenziell zu einer Minderung des Immobilienwerts in der näheren Umgebung führen kann. Dies ist eine berechtigte Sorge vieler Eigentümer.
  • Sicherheit und Ordnung: Die Sicherheit unserer Bürger ist oberstes Gebot. Die geballte Unterbringung von Geflüchteten und Asylwerbern birgt Konfliktpotential. Zudem vermag die an den Rand der Naherholungszone gerückte, wenig erschlossene Lage das Sicherheitsgefühl von Passanten und Anrainern zu mindern.
  • Kosten: Die geplante Unterbringung in Containerform ist nicht nur wenig langlebig, sondern auch teuer. Rund CHF 500'000 sind für die erste Bauphase und weitere CHF 500'000 für die zweite Phase veranschlagt. Hinzu kommen noch jährliche Kosten in Höhe von über CHF 90'000. Diese Mittel könnten effektiver in nachhaltigere Lösungen investiert werden, die langfristig zum Gemeinwohl beitragen.

Ihre Stimme zählt!

Wir laden Sie ein, sich aktiv an den Diskussionen zu beteiligen und Ihre Meinung im Rahmen der bevorstehenden Gemeindeversammlung am 11. Juni um 19:30 im Gemeindesaal Weiach kundzutun. Nur gemeinsam können wir sicherstellen, dass die Entwicklungen in Weiach unseren Werten und unserem Gemeinwohl entsprechen.

Gemeinsam für ein lebenswertes Weiach,
Eigentümergemeinschaft Dammweg 4»

Soweit der Volltext des Flugblatts, das auch einen hübschen Austriazismus enthält, haben Sie ihn bemerkt?

Kommentar WeiachBlog

Wie die Redaktion heute von einem der Verfasser dieses Textes erfahren hat, ist man am Dammweg besonders über den Umstand beunruhigt, dass das Baugespann nicht nur für die am 11. Juni beantragten 16 Wohnplätze aufgestellt wurde. Sondern gleich für das Doppelte. 

Da stellt man sich Fragen, wie: Was soll diese Salamitaktik? Warum sollen die Container in die Landwirtschaftszone, wo man sie dann nur als Asylplätze wird nutzen können, nicht aber für Sozialwohnungen, da letztere dort nicht zonenkonform wären? Wird das dann wirklich so aussehen, wie auf dem Wasserzeichen des Flugblatts angedeutet, samt Umzäunung? Und so weiter und so fort. Affaire à suivre.

Quellen und Literatur
  • «Asyl- und Flüchtlingsbereich - aktueller Stand». Medienkonferenz mit Regierungsrat Mario Fehr, Sicherheitsdirektor, und Kantonsrat Jörg Kündig, Präsident des Verbands der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich. 6. März 2023  Youtube-Account des Kantons Zürich -- https://www.youtube.com/watch?v=j-peZtrNo2U 
  • Brandenberger, U.: Not in my backyard? Bauprojekt Asylunterkunft unter der Lupe. WeiachBlog Nr. 2090, 28. April 2024. 
  • Die Baugespanne des Anstosses. Thread auf der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Weiach, wenn...», gestartet von Yves Weibel, 8. Mai 2024, 18:27.

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