Samstag, 19. Oktober 2024

Weiacher Warenzoll nur während Zurzacher Messe geöffnet

Am heutigen Datum vor 200 Jahren befasste sich die Zürcher Kantonsregierung erneut mit einem Streit, der aus Zürcher Sicht primär eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Reussübergängen darstellte, aus Aargauer Sicht jedoch legitim erschien, da er das höherstehende souveräne Recht eines Staates betreffe, selber bestimmen zu dürfen, über welche Grenzübergänge zollpflichtiger Warenumschlag abgewickelt werden kann.

Die Schweiz, ein Bündel souveräner Kleinstaaten

Man sieht an diesem Beispiel deutlich, wie stark die damals über den Bundesvertrag von 1815 nur lose miteinander verknüpften Kantone sich als eigenständige Staaten verstanden haben, auch und gerade in der Fiskalpolitik.

Die Aargauer Regierung stellte sich jedenfalls auf den Standpunkt, wenn ihre Zürcher Kollegen sich herausnähmen, Zollabfertigung nur an bestimmten Übergängen zulassen zu wollen, dass ihnen dann dieselbe Befugnis ebenfalls zustehen müsse. Der entsprechende Ausschnitt aus dem ziemlich umfangreichen Material liest sich wie folgt:

«[...] und daß, was die Fähre zu Ottenbach betrifft, die Aargauische Regierung einerseits, aus gleichen Gründen, warum auch in hiesigem Kanton der Gebrauch der von Kaiserstuhl über Weyach führenden Straße außer den Zurzacher-Meßen verboten sey, weil auf derselben die von hiesiger Regierung angeordneten Zollstätten und Weggeldbüreaux abgefahren werden können, die dortseitige Befugniß behauptet, den Gebrauch von Nebenwegen und Fähren zu untersagen, auf welchen die geordneten Geleitsstätten ausgewichen werden, [...]» (StAZH MM 1.88 RRB 1824/0656)

Temporäre Zollabfertigung an Messetagen

Es ging also darum, zu verhindern, dass die regulären Kontrollposten der Zolleinnehmer und Strassengebühren-Inkassostellen umfahren wurden. Neu war das nicht, es war nach der Zeit des helvetischen Einheitsstaates (1798-1803) lediglich die Rückkehr zu einem System, wie man es in der Alten Eidgenossenschaft über Jahrhunderte praktiziert hatte. 

Die Zürcher haben die Strasse zwischen Kaiserstuhl und Weyach für den grenzüberschreitenden Warenverkehr gesperrt. Einzig an den Tagen, wo in Zurzach die traditionelle grosse Warenmesse stattfand, befand es die Zürcher Regierung offenbar für angemessen, an der Grenze einen temporären Zollabfertigungsposten zu betreiben.

Eine wirtschaftliche Katastrophe

Sonst war offensichtlich nur kleiner Grenzverkehr erlaubt, was den wirtschaftlichen Austausch zwischen dem Studenland und unserer Gemeinde doch ziemlich massiv beeinträchtigt haben dürfte. Unter dieser Abschottung litten vor allem auch die Kaiserstuhler, die nach dem Abbrennen ihrer Rheinbrücke während des Zweiten Koalitionskriegs 1799 während Jahren auf einen Ersatz warten mussten und in dieser Situation wohl nicht zuletzt auch der Zürcher Zollpolitik wegen wirtschaftlich einen massiven Niedergang erlebt haben.

Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass der Weyacher Ziegelhütten-Betreiber (auf dem Näpferhüsli-Areal bei der Kirche) anfangs der 1820er-Jahre mehrere Häuser im Städtchen auf Abbruch gekauft hat, um mit dem Baumaterial seine Kalkproduktion befeuern zu können. Stellt sich trotzdem die Frage, wie das wohl mit dem Verzollen dieses Abbruchmaterials gehandhabt wurde. (Lutz 1822, vgl. Quellen unten)

Vor dem Bau der Stadlerstrasse (RVS 566)

Bemerkenswert ist diese praktisch durchgehende Sperre vor allem, wenn man bedenkt, dass die Verbindung Kaiserstuhl–Weyach–Zürich (im Weiacher Ortskern via Büelstrasse, Oberdorfstrasse, Alte Post-Strasse, Bergstrasse) damals die wichtigere Strasse war als die heutige Hauptstrasse Nr. 7 Richtung Osten (Weyach–Glattfelden–Wagenbreche–Winterthur).

Quellen

  • Nachträge und Berichtigungen zu «Geographisch-statistisches Handlexikon der Schweiz für Reisende und Geschäftsmänner: enthaltend vollständige Beschreibungen der XXII Kantone, deren Bezirke, Kreise und Aemter, so wie aller Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Schlösser und Klöster, auch aller Berge, Thäler, Wälder, Seen, Flüsse und Heilquellen, in alphabetischer Ordnung. Nebst einem Wegweiser durch die Eidsgenossenschaft sammt Nachrichten für Reisende über Postenlauf, Geldeswerth und Gasthöfe. Im Vereine mit Vaterlandsfreunden herausgegeben von Markus Lutz, Pfarrer in Läufelfingen im Kanton Basel. Aarau 1822. Bei Heinrich Remigius Sauerländer» – S. 58.
  • Protokoll der Zürcher Kantonsregierung vom 20. Juli 1824: Antwort L[öblichen] Standes Aargau auf die hiesige [d.h. zürcherische] Beschwerde über Retorsionsstrafen von den Behörden zu Mury, und über Benachtheiligung des Fahrs zu Ottenbach zu Gunsten desjenigen zu Rottenschweil. Signatur: StAZH MM 1.88 RRB 1824/0656.
  • Protokoll der Zürcher Kantonsregierung vom 19. Oktober 1824: Gutachten des Staatsraths wegen der Aargauischen Beeinträchtigung der Fähre zu Ottenbach, und des unstatthaften Geleitsbezugs zu Rottenschwyl. Antwort an Lbl. Stand Aargau. Weisung an das L. Oberamt Knonau. Signatur: StAZH MM 1.89 RRB 1824/0885.

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