Montag, 14. Oktober 2024

Walter Baumgartner. Nachruf auf eine Weiacher Velolegende

Es gibt nicht allzu viele Söhne und Töchter unserer Gemeinde, die die sogenannten Relevanzkriterien der deutschsprachigen Version der Online-Enzyklopädie Wikipedia erfüllen. Man kann sie an einer Hand abzählen.

Walter Baumgartner, genannt «Bäumli», war der erste Schweizer, der in der Disziplin Punktefahren an den Bahnradsport-Weltmeisterschaften eine Medaille geholt hat – die silberne. Ihm folgten so bekannte Grössen wie Urs Freuler (1981 bis 1987 ununterbrochene Gold-Serie) oder Bruno Risi (1992, 1994 und 1999 Gold).

Vier Kilometer. An der Weltspitze in Sachen Mannschaftsverfolgung

Insgesamt zweimal holte Walter Baumgartner für die Schweiz die Bronzemedaille in der Weltmeisterschaft der Mannschaftsverfolgung:

Sieger war in diesen beiden Jahren die DDR. Und wo wir schon eingangs die Wikipedia erwähnt haben, sei hier auch aus ihr zitiert, um zu zeigen, wie gross die Leistung dieser Viererteams war:

«Die Mannschaftsverfolgung gilt als „Königsdisziplin“ des Bahnradsports, weil neben der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mannschaftsmitglieds die perfekte Abstimmung aufeinander von entscheidender Bedeutung ist. Bis die Führungswechsel und das Hinterradfahren auf minimalem Abstand optimal durchgeführt werden [..], ist ein erheblicher Trainingsaufwand erforderlich. [...] Im Gegensatz zu Rennen mit Massenstart, bei denen die Fahrer mit einem Abstand von 30 cm bis zu über einem Meter am Hinterrad des Vorausfahrenden fahren, beträgt der ideale Abstand zwischen den Fahrern eines solchen „Viererzuges“ 15–20 cm. [...] Die Distanz beträgt 4000 Meter, die beiden Mannschaften starten an den gegenüberliegenden Geraden der Bahn an der Verfolgerlinie. Sieger ist, wer die Distanz als Erster bewältigt oder die gegnerische Mannschaft vorher einholt. Als Einholen gilt bereits die Annäherung auf einen Meter.»

Auf der Schlussetappe

Aber auch auf der Strasse war «Bäumli» präsent und mischte sowohl in Eintagesrennen (u.a. Tour du Nord-Ouest) als auch in Rundfahrten teils an vorderster Front mit. 1984 gewann er nach 1626.5 Kilometern die Schlussetappe der Tour de Suisse. Gestartet waren 109 Fahrer, im Ziel angekommen sind nur 77.

Nun hat «Bäumli» am 1. Oktober die Schlussetappe seines Erdengangs abgeschlossen, wie WeiachBlog erst gestern erfahren hat:

«Nach längerer Krankheit und doch so plötzlich» sei der Verstorbene von uns gegangen, schreibt die Trauerfamilie in der Todesanzeige. 

Ein stiller Schaffer im Hintergrund

Wer ihn näher gekannt hat, der weiss: Bäumli war nie einer, der sich in den Mittelpunkt gestellt oder grosses Aufheben um seine Befindlichkeit gemacht hätte. Noch letztes Jahr war er es, der viele Radsportgrössen an einem Tisch versammeln konnte, wie man dem Zürcher Unterländer entnehmen kann: 

«Auf Initiative des Ex-Radprofis Walter Baumgartner aus Weiach trafen sich kürzlich rund 30 ehemalige Radrennfahrer und ein paar Radsportfreunde im Restaurant Neuhof in Bachs zu einer Tavolata.»

An diesem Anlass konnten sogar Beat Breu (der «Bergfloh», der 1984 die Tour-de-Suisse-Etappe von Bürglen auf den Klausenpass gewann) und Godi Schmutz über die alten Zeiten ihrer Rivalitäten lachen.

Der Motor hinter dem Nationalen Kriterium Weiach

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts (zwischen 2003 und 2012) fungierte der ehemalige Rennfahrer als Organisator des Kriteriums Weiach. Das war sozusagen die Strassenversion eines Bahnrennens. Je nach Kategorie galt es bis zu 90-mal, eine 1040-Meter-Runde durch Oberdorf und Bühl zu drehen. Was besonders im Jahr 2006 bei grosser Juli-Hitze eine ziemliche Herausforderung war (vgl. die vier WeiachBlog-Artikel aus dem Jahre 2006 in der Literaturliste). Die nahmen die Fahrerinnen und Fahrer aber gern auf sich, galt doch das Kriterium sozusagen als Meisterschafts-Revanche.

Im Dorf bleibende Erinnerungen hinterlassen

Noch vor wenigen Tagen, so hört man, sei Walter zu Fuss im Dorf unterwegs gewesen. Und vor nicht allzu langer Zeit habe er noch seine Reben gepflegt. 

Manch ein Weycher verdankt ihm und seinen Söhnen Spenglerarbeiten. Man findet sie auf und an Häusern quer durch das Dorf.

Zum Spielplatz-Hüsli auf der Wiese zwischen Gemeindehaus und Baumgartner-Jucker-Haus steuerte Bäumli den Güggel auf dem Dach bei (leider vor nicht langer Zeit einer Brandstiftung zum Opfer gefallen).

Und das sind nur ein paar wenige Eindrücke. Genauso knapp kommen die Medienberichte daher.

Die Schweizerische Depeschenagentur teilt mit...

«Die Radsport-Familie trauert um Walter Baumgartner. Er ist nach längerer Krankheit im Alter von 70 Jahren gestorben. Das Palmarès des Allrounders zieren unter anderem zwei WM-Bronzemedaillen mit dem Bahnvierer in den Jahren 1977 und 1978 sowie WM-Silber im Punktfahren 1978. 1984 gewann Baumgartner, der als Querfeldein-Fahrer seine Karriere lanciert hatte, die Schlussetappe der Tour de Suisse. (sda)»


Ein Cilo-Rennrad by Bäumli

Auch dem hier Schreibenden bleibt eine ganz handfeste Erinnerung an den von uns Gegangenen. Ein für heutige E-Bike-Zeiten schon fast unwirklich filigran wirkendes rotes Rennrad, Marke Cilo 240. Von der Velolegende im Herbst 1985 in seiner Werkstatt an der Bergstrasse höchstpersönlich aus Einzelkomponenten zusammengebaut.

Cilo, eine Schweizer Velomarke aus der Romandie, war damals in Helvetien sozusagen das fahrradmässige Nonplusultra. Wo andere sich von ihrem ersten Zahltag ein Töffli gekauft hätten, da leistete sich der junge spätere WeiachBlogger nach vielen Stunden als Fensterputzer im Bezirksspital Dielsdorf eine ganz besondere Anschaffung: Die heute noch fahrtüchtige Alltagsversion einer der Rennmaschinen, auf die Radprofis damals vertraut haben (mit Schutzblechen *hust*).

Quellen und Literatur

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