Montag, 27. Januar 2025

Bundesgerichtsentscheid: Ein vorhersehbarer Rohrkrepierer?

In seiner Medienmitteilung vom 23. Januar 2025 über den Nichteintretensentscheid des Bundesgerichts in der Beschwerdesache 1C_43/2024 schreibt der Gemeinderat Weiach:

«Im Rahmen der Beschwerde wurde vor allem die Verletzung der Gemeindeautonomie geltend gemacht. Das Bundesgericht entschied jedoch, dass die Gemeinde im Bereich des Informationshandelns zu einem kommunalen Ausgabenbeschluss, der dem Stimmvolk zur Abstimmung vorgelegt wurde, keine Autonomie besitzt. Das Bundesgericht stellte klar, dass die Anforderungen an Abstimmungserläuterungen abschliessend im kantonalen Recht geregelt sind. Daher sei die Gemeinde Weiach nicht berechtigt, einen Entscheid des Verwaltungsgerichts beim Bundesgericht anzufechten, selbst dann nicht, wenn dadurch eine kommunale Abstimmung aufgehoben wird.

Zu dieser Rechtsfrage hat sich das Bundesgericht bislang nicht geäussert gehabt, weshalb dieser Entscheid für die Gemeinde nicht vorhersehbar war.»

Würden die in dieser Sache entscheidenden Bundesrichter Kneubühler, Chaix und Müller sowie ihr Gerichtsschreiber Vonlanthen von der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung das ebenso sehen? Oder geht es etwa gar nicht um diese Frage?

In den Erwägungen zum Urteil 1C_43/2024 vom 9. Dezember 2024 lassen die Richter nämlich keinen Zweifel daran aufkommen, woran die Beschwerde tatsächlich gescheitert ist, nämlich daran, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich lediglich eine Verletzung der politischen Rechte der Weiacher Stimmbevölkerung gerügt hatte und die Beschwerde von Anwalt Marazzotta nicht an exakt diesem Punkt angeknüpft hat.

Marazzottas Problem: Wo soll man ansetzen?

Fangen wir beim Beschwerderecht als solchem an, wie es im Bundesgerichtsgesetz vom Parlament festgelegt wurde:

«Zur Beschwerde [in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten] sind ferner berechtigt: [...] Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt;» (Art. 89 Abs. 2 Bst. c BGG)

Anwalt Marazzotta und die Gemeinde Weiach mussten also eine geeignete Verfassungsbestimmung finden. Und sie haben sich bekanntlich dazu entschieden, auf die Karte Gemeindeautonomie zu setzen. Sticht diese Karte?

Magere Erfolgsaussichten

Das Richtergremium rekapituliert die entsprechende Rechtslage wie folgt (E 1.3):

«1.3 Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts. Auf kantonaler Ebene ist die Gemeindeautonomie in Art. 85 KV/ZH (SR 131.211) festgehalten. Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale oder eidgenössische Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. (...)

Die Erwägung schliesst mit dem entscheidenden Satz: «Im Bereich der politischen Rechte ist die den Gemeinden eingeräumte Autonomie im Allgemeinen gering (Steinmann/Mattle, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 73a zu Art. 89).»

Es zeigt sich hier, dass die Erfolgsaussichten offenbar nicht allzu gross sind, wenn man eine Gemeinde einen Entscheid im Bereich der politischen Rechte ihrer Stimmbürger anfechten lässt!

Von vornherein an der Sache vorbei...

Das zeigt sich dann auch weiter unten im Urteil (E 1.6.1): 

«1.6.1 Soweit die Beschwerdeführerin [Gemeinde, vertreten durch den Gemeinderat Weiach] geltend macht, dass der Ausgabenbeschluss [über die rd. 28 Mio. CHF] eine rein kommunale Angelegenheit sei und die Aufhebung dieser kommunalen Abstimmung einen Eingriff in die Gemeindeautonomie darstelle, geht ihr Vorbringen von vornherein an der Sache vorbei. 

Ungeachtet dessen, dass die Beschwerdeführerin nicht näher darlegt, inwieweit ihr in diesem Zusammenhang eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zukommt, ist für das vorliegende Verfahren ohnehin nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführerin im Allgemeinen hinsichtlich Ausgabenbeschlüssen Autonomie zukommt.» 

... denn massgeblich ist, was das Verwaltungsgericht im Visier hatte

«Es ging im vorinstanzlichen Verfahren [VB.2023.00508] gerade nicht um eine inhaltliche Überprüfung des kommunalen Beschlusses [heisst: der Abstimmung vom 18. Juni 2023], im Rahmen derer die Vorinstanz die Prüfungsbefugnis in einem allfälligen Gemeindeautonomiebereich überhaupt hätte überschreiten können. 

Vielmehr war durch die Vorinstanz zu prüfen, ob der Ausgabenbeschluss ohne Verletzung der politischen Rechte der Stimmbevölkerung formell korrekt zustande gekommen ist (vgl. auch Urteil 1C_465/2015 vom 7. Dezember 2015 E. 3.3 in fine). Einer allfälligen Autonomie hinsichtlich Ausgabenbeschlüssen kommt daher für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung zu.»

Es geht also gar nicht darum, ob das Bundesgericht die Frage der Gemeindeautonomie schon behandelt hat oder nicht. Nein, es geht offensichtlich allein um den Anknüpfungspunkt.

Leichtfertiger Ausflug nach Lausanne?

Da stellt sich die Frage, worauf der Entschluss des Gemeinderats Weiach, den Entscheid des Verwaltungsgerichts anzufechten, eigentlich basiert hat.

Am 14. Dezember 2023 liess das Gemeindehaus die Öffentlichkeit wissen: «Der Gemeinderat Weiach wird nach sorgfältiger Analyse des Urteils entscheiden, ob eine Beschwerde ergriffen wird.» Und schon am 20. Dezember wurde verlautbart: «Der Gemeinderat Weiach hat das Urteil analysiert und nach Rücksprache mit dem Rechtsvertreter beschlossen, das Urteil an das Bundesgericht weiterzuziehen.»

Davon, dass der eigene Rechtsvertreter gemeinsam mit dem Gemeinderat zu diesem Entschluss gelangt sei, steht da rein gar nichts. War es gar so, dass Marazzotta sich erst einen Anküpfungspunkt zurechtlegen musste, nachdem der Gemeinderat den Sturm auf den Mon-Repos proklamiert hatte?

Und wenn dem nicht so war und man mit Anwalt Marazzotta konferiert hatte: Wusste der Gemeinderat, wie klein die Erfolgschance sein würde? Oder hat er in Unkenntnis von N. 73a zu Art. 89 BGG entschieden?

Ging es nur um Gesichtswahrung?

Letztlich ist die Frage, ob das ein frivolous lawsuit war, der Gemeinderat also trotz miserablen Erfolgsaussichten aus rein politischen Gründen leichtsinnig wertvolle Zeit verloren und Steuergelder verpulvert hat, nur um jetzt (in der eingangs zitierten Medienmitteilung) etwas von «Rechtssicherheit» daherschwadronieren zu können. Die hätte er nämlich schon Ende 2023 haben können.

Aktuell scheint ja die Lage nicht anders als vor 13 Monaten: Da steh' ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor. (J. W. von Goethe, Faust)

* * *

Anhang: N. 73a zu Art. 89 BGG von Gerold Steinmann & Adrian Mattle

«Gemeinden sind wie andere öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht Träger politischer Rechte und daher nicht zur Beschwerde in Stimmrechtssachen legitimiert. [Anm-496] Ihnen steht grundsätzlich die Beschwerde im Sinne von Art. 82 lit. a wegen Verletzung ihrer Autonomie gemäss Art. 89 Abs. 2 lit. c offen, wenn sie durch einen kantonalen Akt hoheitlich betroffen sind. [Anm-497] Entsprechende Fragen können sich stellen, wenn ihnen eine ­Intervention in einem Abstimmungskampf untersagt wird [Anm-498] oder die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit einer kommunalen Initiative in Frage steht. [Anm-499] Die den Gemeinden eingeräumte Autonomie im Bereich der politischen Rechte ist im Allgemeinen gering. [Anm-500]»

Anm-500: «Vgl. immerhin VerwGer BE, 10. 3. 2017, 100.2016.371, 100.2017.2, BVR 2017, 437 (mit Kommentar von G. Steinmann).» (Niggli/Uebersax/Wiprächtiger/Kneubühler (Hrsg.): Bundesgerichtsgesetz. Basler Kommentar. 3. Auflage. Helbing Lichtenhahn Verlag, Basel 2018.)

Dieses «immerhin» bezieht sich auf einen Fall aus dem Berner Oberland, wo eine Stimmberechtigte monierte, die Regularien der Gemeinde Spiez zur Wahl des Gemeindepräsidiums würden übergeordnetem (insbesondere kantonalem) Recht widersprechen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern verneinte dies, worauf die Stimmberechtigte ans Bundesgericht gelangte und dort unter Kostenfolge abblitzte, da sich die Beschwerde als «offensichtlich unbegründet» erwies (BGer 1C_218/2017). Hier wurde also die Rechtsetzungskompetenz einer Gemeinde geschützt, wo ihr diese vom übergeordneten Recht tatsächlich zugestanden wird.

Mittwoch, 8. Januar 2025

Wirtschaft zur Post schon 1909 eingegangen

In WeiachBlog Nr. 2070 habe ich die Auffassung vertreten, in der Wirtschaft zur Post (Alte Post-Strasse 2) sei im Jahre 1911 Schluss mit Wirten gewesen, sodass ab diesem Zeitpunkt nur noch das Postlokal ein öffentlich zugänglicher Ort war.

Dabei habe ich mich auf ein Flugblatt der letzten Posthalter aus der Meierhofer-Dynastie gestützt, das auf den 5. Oktober 1991 datiert ist und anlässlich der Übergabe der Post an das Ehepaar Junker-Näf erschienen ist. O-Ton:

«In der "alten Post" wurde nebst Landwirtschaft bis zum Jahre 1911 auch eine Wirtschaft geführt.» 

Verbandszeitung neu im «Sternen», nicht mehr in der «Post»

Nun ist mir jedoch vergangenen November bei der Durchsicht meiner über zwei Jahrzehnte alten Exzerpte aus den Protokollbänden der Schützengesellschaft Weiach ein Eintrag aufgefallen, der ein anderes Bild vermittelt.

Unter «Vereinsjahr 1909   März 28» habe ich bei der Vorbereitung der beiden Weiacher Geschichte(n) über die Schützengesellschaft (vgl. Literatur unten) das Folgende abgeschrieben:

«Da bis jetzt die Schweiz. Schützen Zeitung auf der Post aufgelegt war und nachdem nun die Wirtschaft eingegangen wurde beschlossen, dieselbe im Sternen aufzulegen.» [sic!]

Diese Notiz steht wohl im Zusammenhang mit der Vereinsversammlung vom 28. März 1909, jedenfalls ist sie eindeutig vor 1911 anzusiedeln.

Die Schweizerische Schützenzeitung war ab 1882 das offizielle Verbandsorgan des 1824 gegründeten Schweizerischen Schützenvereins (laut Historischem Lexikon der Schweiz: «Eidgenössischer Schützenverein»), heute Schweizer Schiesssportverband (SSV).

Albert Meierhofer war Vereinsmitglied

Einem weiteren Protokolleintrag entnimmt man, dass am 12. Mai 1907 ein «Meierhofer Albert zur Post» in die 1904 als leistungsorientierter Verein gegründete Schützengesellschaft aufgenommen wurde.

Das neue Mitglied dürfte der damals 20-jährige Albert junior gewesen sein, der schon 1910 zum Präsidenten der SG Weiach avancierte, später selber Posthalter wurde und als Gemeindepräsident die Geschicke des Dorfes Weiach massgeblich geprägt hat (vgl. WeiachBlog Nr. 426).

Sein Vater, Albert Meierhofer senior, war Beizer und Posthalter in einer Person. Er und sein Sohn (vgl. WeiachBlog Nr. 1897) waren bei einer Information wie der oben zitierten so nah an der Quelle wie nur irgend möglich.

Es ist also höchstwahrscheinlich so, dass der Wirtschaftsbetrieb in der Alten Post im ersten Quartal 1909 eingestellt wurde.

Quellen und Literatur
  • Protokoll der Schützengesellschaft Weiach, Bd. 1, 1904-1913.
  • Brandenberger, U.: «Übt Aug und Hand für’s Vaterland !». Die ersten Jahre der Schützengesellschaft Weiach, 1904-1913. Weiacher Geschichte(n) Nr. 60. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), November 2004.
  • Brandenberger, U.: Die Stürme der Zeit überstanden. 100 Jahre Schützengesellschaft Weiach – die Jahre 1914 bis heute. Weiacher Geschichte(n) Nr. 61. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach (MGW), Dezember 2004.
  • Brandenberger, U.: Wer war Albert Meierhofer? WeiachBlog Nr. 426, 14. April 2007.
  • Brandenberger, U.: Weiacher Posthalter-Familien (1842-2009). WeiachBlog Nr. 1897, 13. Februar 2023.
  • Brandenberger, U.: In der Kürze liegt die Würze? Gepfefferter Irrtum auch! WeiachBlog Nr. 2070, 2. April 2024.

Dienstag, 7. Januar 2025

Bezirksratsschreiber sorgt für Streisand-Effekt, Anno 1840

Wer auf seinem hohen Ross sitzen bleibt und einen Fehler partout nicht zugeben will, der sollte sich wenigstens gut überlegen, ob er den Fall auch noch vor Gericht ziehen will. 

Es kann leicht passieren, dass eine missliebige Sache, die sonst kaum jemand zur Kenntnis genommen hätte, schlussendlich öffentlich in den Zeitungen besprochen wird. Ein ähnliches Phänomen wird seit zwanzig Jahren als Streisand-Effekt bezeichnet. 

In diesem Fall aus dem Jahre 1840 in der Unterländer Provinz ging es um gegenseitige Überempfindlichkeit, die schlussendlich und letztinstanzlich zu einer Quelle der Belustigung des Publikums in der Stadt Zürich wurde.

Die Streithähne in dieser Posse: der 1837 als erster von der Gemeinde selbst gewählte Weiacher Pfarrer Johann Heinrich Keller sowie der Bezirksratsschreiber Heinrich Duttweiler auf Schloss Regensberg, ein Oberweninger (vgl. Regierungs-Etat).

Ist der Vorwurf «Unverantwortliche Fahrlässigkeit» ehrabschneidend?

In der Freitagszeitung wurde der Fall wie folgt rapportiert: «Letzten Donnerstag erschien Herr Pfarrer Keller von Weyach vor Obergericht. Derselbe hatte nemlich, um den Vorwurf wegen verspäteter Stellung der Armengutsrechnung von 1838 von sich abzuwenden, in dem Berichte für 1839 sich darauf berufen, daß die Rechnung von 1837 nach der Abnahme noch sehr lange in der Bezirksrathskanzlei liegen geblieben sei, und hatte hiebei den Ausdruck „unverantwortliche Fahrläßigkeit" gebraucht. Hr. Bezirksrathschreiber Duttweiler erhob wegen dieses Ausdrucks Klage über Verletzung der Amtsehre; das Bezirksgericht Regensberg fand sie begründet, und verurtheilte den Hrn. Pfarrer Keller zu Strafe; das Obergericht dagegen sprach den Hrn. Kellee [sic!] einmüthig frei, zumal sich aus der Untersuchung zeigte, daß es von der Abnahme der Rechnung an sehr lange gedauert hatte, bis dieselbe nach Weyach kam, und der Ausdruck in einer Beschwerdeschrift an die vorgesetzte Behörde gebraucht war.»

Autsch. Diese Blamage vor der letzten Instanz des Zürcher Staates (damals gab es den Bundesstaat und damit das Bundesgericht noch nicht) war für den Bezirksrat Regensberg wohl ziemlich schmerzhaft. 

Auch das Bezirksgericht dürfte nicht gerade erfreut gewesen sein. Ob sein Mitglied Richter Johannes Baumgartner, eine in der Weiacher Dorfpolitik höchst gewichtige Person, in dieser Angelegenheit in den Ausstand getreten ist, wissen wir bislang nicht. 

Dem Ansehen des Pfarrers in der Gemeinde (und insbesondere beim Stillstand, d.h. der Kirchen- und Armenpflege) war diese Streitsache jedenfalls eher abträglich. Näheres dazu kann dem Stillstandsprotokoll (ERKGA Weiach IV.B.6.2) entnommen werden.

Quellen
  • Regierungs-Etat des Kantons Zürich für das Jahr 1840, S. 153.
  • Züricher Freitagszeitung, Nummer 50, 11. Dezember 1840, S. 3.

Sonntag, 5. Januar 2025

«Respektlose Vollidioten!» – Silvester-Böllern auf der Pferdeweide

Am Abend des Neujahrstages stachen einem gleich zwei Mitteilungen auf der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Weiach, wenn ...» ins Auge. Thema: Grosser Ärger über rücksichtslose Freunde der Silvesterknallerei.

So nahe an Kriegszuständen wie in Berlin (mit Kugelbomben, entglasten Häusern, Toten und Verletzten) war es bei uns glücklicherweise nicht. Aber an hirnlosen Idioten ist offensichtlich auch in Weych kein Mangel.

Auf der Pferdeweide am hinteren Teil der Seerenstrasse steckten und lagen am Morgen danach kreuz und quer die Hinterlassenschaften der Feuerwerkskörper. Klassisches Littering, das die Betreiber der dortigen Stallungen selber zusammenlesen durften. Hier das bedenkliche Resultat der Aufräumaktion:

Bildquelle (Mit freundl. Genehmigung der Verfasserin)

Tierhalter haben die Nase gestrichen voll

Der Kommentar zu den Bildern: «Happy new year!!!! Absoluti Saueri und e Frechheit uf PRIVATGRUND ztrampe und uf de ROSSWEID de mischt ablah. So öpis astand und respäcktloses isch unglaublich. Und mir hend euche Mischt chönne zämerume das sich eusi Ross ned verletzed und vergiftet.»

Ein weiterer Beitrag stösst ins selbe Horn. Die Reaktionen zu beiden Beiträgen sind an Deutlichkeit und Empörungsintensität kaum zu überbieten. Erwähnung finden nicht nur die Angstzustände von Haus- und Nutztieren ob der Knallerei (schon im Vorfeld auf der Gruppe thematisiert). Auch die Gefahr, dass sich eine dieser Raketen in eine Pferdebox verirren und dort zu einem Brand führen könnte, wurde explizit aufs Tapet gebracht. 

Fazit einer Mitdiskutierenden: «ich dänke es wird Zeit dass mir Unterschrifte Sammler und de Gmeind vorlegen das chans eifach nöd si … und ja chönd au de Stall abfackle…»

Die Frage ist nun, wie man das am besten bewerkstelligt, damit die Unterschriftenaktion auch das Gewünschte bewirkt.

Auf die Eidgenössische Volksinitiative hoffen?

Die im Spätherbst 2023 bei der Bundeskanzlei eingereichte Feuerwerksinitiative verlangt ein schweizweites Verbot der Knalleffekte. Die Bundesverfassung soll um einen Artikel 74a ergänzt werden, dessen Absatz 1 lautet: «Der Verkauf und die Verwendung von Feuerwerkskörpern, die Lärm erzeugen, sind verboten.»

Der Bundesrat hat am 24. Januar 2024 beschlossen, sie ohne jeden Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen. Begründung: «Die Kantone und Gemeinden verfügen bereits über die erforderlichen Rechtsgrundlagen, um Feuerwerke einzuschränken. Davon machen heute viele Städte und Gemeinden Gebrauch; sie schränken die Verwendung von Feuerwerkskörpern zeitlich und/oder örtlich ein oder setzen eine Bewilligung voraus.»  Diese Rechtsgrundlage findet sich im Polizeirecht.

Das Recht liegt direkt in unserer Hand!

Das Wort «Policey» war schon zu Zeiten der Landvögte vor über 200 Jahren in Gebrauch, wenn es um die Gefahrenabwehr und das ordentliche Zusammenleben ging. Gute Policey nannte man es, wenn die Vorschriften so formuliert und kontrolliert wurden, dass sie auch greifen konnten.

Im Kanton Zürich ist daher auch heute noch ein guter Teil der Gefahrenabwehr bis auf Gemeindeebene delegiert. Bei uns in die Polizeiverordnung der Politischen Gemeinde Weiach vom 16. Juni 2011. Dieser Erlass äussert sich sowohl zum eigentlichen Feuerwerk wie zum Liegenlassen von Raketenresten:

Art. 22 PolVo-Weiach    Feuerwerk

[Abs. 1] Das Abbrennen von Feuerwerk mit Explosivwirkung ist nur am Tag der örtlichen Bundesfeier, am 1. August und beim Jahreswechsel (31. Dezember / 1. Januar) gestattet. Personen, Tiere oder Sachen dürfen dabei nicht gefährdet werden. Für besondere Veranstaltungen kann der Gemeinderat Ausnahmen bewilligen. 

[Abs. 2] Lagerung und Verkauf von Feuerwerk bedarf einer Bewilligung der kommunalen Feuerpolizei. Die gesetzlichen Bestimmungen müssen an den Verkaufsstellen angeschlagen werden.

[Abs. 3] Feuerwerk darf nicht an Kinder unter 15 Jahren verkauft oder abgegeben werden. Kinder unter 15 Jahren dürfen Feuerwerk nur unter Aufsicht von Erwachsenen abbrennen. Die Haftung von Eltern bleibt in jedem Fall vorbehalten.

[Abs. 4] In besonderen Fällen (Trockenheit usw.) kann der Gemeinderat für das gesamte Gemeindegebiet das Feuermachen und das Abbrennen von Feuerwerk verbieten.

Art. 30 PolVo-Weiach   [Littering]

[Abs. 1 Satz 1 u. 2] «Unfug an öffentlichen Sachen oder privatem Eigentum ist verboten. Insbesondere ist es untersagt, öffentliche Sachen oder privates Eigentum zu verunreinigen oder zu verändern.»

[Abs. 2] «Kleinabfälle [...] dürfen ausserhalb der dafür bestimmten Abfallbehälter weder zurückgelassen, weggeworfen noch abgelagert werden.»

Carte blanche am 1. August, 31. Dezember und 1. Januar

Fazit aus Art. 22 Abs. 1: Lärmiges Feuerwerk ist zwar heute schon nur an maximal vier Tagen im Jahr erlaubt (Sonderbewilligungen durch den Gemeinderat vorbehalten). Die Formulierung ist jedoch so gehalten, dass man bereits am 31. Dezember um 00:01 und bis am 1. Januar kurz vor Mitternacht böllern dürfte, ohne dass der Wortlaut dieser Bestimmung verletzt wäre. Und von einer örtlichen Einschränkung oder verbotenen Zonen (z.B. in der Nähe von Tierstallungen) ist im Verordnungstext auch keine Rede.

Zu überlegen ist also, was Sinn macht. Eine örtliche und/oder zeitlich explizitere Einschränkung der Knallerei? Oder gleich ein Totalverbot, wie es die Volksinitiative auf Bundesebene verlangt?

Wie Daniel Gerny in der NZZ vom 3.1. 2025 schreibt, gibt es Gemeinden, die für sich bereits ein Verbot von lärmendem Feuerwerk beschlossen und 2024 in ihre Rechtssammlung aufgenommen haben: namentlich Allschwil BL, Arosa GR und Hombrechtikon ZH.

Nur noch Wunderkerzen, Vulkane und bengalische Hölzer

Der Hombrechtiker Gemeinderat informiert dazu wie folgt: «An der Gemeindeversammlung vom 25. September 2024 wurde die Einzelinitiative «Verbot von lärmendem Feuerwerk» angenommen. Dieses Verbot trat per 1. November 2024 in Hombrechtikon in Kraft. Ausgenommen vom Verbot ist nicht lärmendes Feuerwerk (Wunderkerzen, Vulkane, bengalisches Feuer etc.).»

Was diese Einzelinitiative konkret verlangt und wie der Gemeinderat darauf reagiert hat, kann in vollem Wortlaut dem Gemeinderatsprotokoll-Auszug entnommen werden, hier ein Ausschnitt:


Was die Hombrechtiker zustande gebracht haben, das können die Weiacher auch, wenn sie es denn wollen. Bei uns ist das Feuerwerk zwar in Art. 22 geregelt, aber ansonsten sind die Vorgaben des Kantons und die Bestimmungen in der Gemeindeordnung (GO) dieselben wie in der obersten Goldküstengemeinde.

Unsere Gemeindeversammlung ist eine kleine Hürde

Art. 13 Ziff. 3 GO Weiach 2022 sieht vor, dass die Gemeindeversammlung über Änderungen der Polizeiverordnung befinden darf. Wenn also Weiacher Stimmberechtigte – wie vor knapp einem Jahr Heidi Alder und Mitunterzeichnende in Hombrechtikon – an der Stadlerstrasse 7 eine Einzelinitiative einreichen, dann muss der Gemeinderat innert 3 Monaten über das Begehren entscheiden und es anschliessend der Gemeindeversammlung vorlegen.

Auf diese Weise kann auch Weiach ganz unabhängig von Abstimmungstermin und einer allfälligen Annahme der nationalen Feuerwerksinitiative handeln. Und völlig im Einklang mit den Vorstellungen des Bundesrates zur Autonomie von Kantonen und Gemeinden in dieser Rechtsmaterie die Feuerwerksknallerei bereits per Silvester 2025 abstellen. Vorausgesetzt, die Gemeindeversammlung stimmt dem wie in Hombrechtikon zu.

Art. 22 Abs. 1 PolVo-Weiach (neu) ?

Das Abbrennen von Feuerwerk mit Explosivwirkung ist verboten. Für besondere Veranstaltungen kann der Gemeinderat Ausnahmen bewilligen.

Die Hürde für das Inkrafttreten dieser Bestimmung ist in Weiach angesichts der in aller Regel doch recht bescheidenen Beteiligung nicht allzu hoch. Man muss nur rund 30 bis 40 Stimmberechtigte davon überzeugen, an dieser Versammlung teilzunehmen und im richtigen Moment die Hand zu heben.

Quellen und Literatur