Dienstag, 2. April 2024

In der Kürze liegt die Würze? Gepfefferter Irrtum auch!

Der Mitte Dezember letzten Jahres erschienene Kunstdenkmälerband über den Bezirk Dielsdorf (und damit auch über die Gemeinde Weiach, vgl. WeiachBlog Nr. 2021) liefert einen aktuellen, auf hohem Niveau zusammengestellten Überblick zur Baukultur im westlichen Zürcher Unterland.

Als mit der Ortshistorie etwas näher Befasster habe ich die Weiach betreffenden Seiten besonders aufmerksam durchgesehen und komme leider nicht umhin, noch zusätzliche Korrigenda anzubringen (als die schon Anfang Januar platzierten, vgl. WeiachBlog Nr. 2027). Das ist umso eher erforderlich, als ich selber (bzw. eine von mir verantwortete Publikation) den Irrtum mit verursacht habe.

Lebensverlängerung für die Weinschenke Zur Post

Im Kapitel Ortsgestalt und Bauten hat Anika Kerstan die folgenden Zeilen eingefügt:


Die mit der Geschichte der Liegenschaft «Alte Post» Vertrauten (Foto im Bild unten links auf einer Postkarte als Vignette eingefügt) haben den Lapsus natürlich sofort erkannt: 

«Bis 1971 beherbergte das Haus zudem die Weinschenke Zur Post.⁷⁵»

Ein derart langes Leben war dem Wirtschaftsbetrieb in der Post dann doch nicht beschieden, würde es doch um Jahrzehnte über die Verlegung des Postlokals in die Liegenschaft Kipfer (Stadlerstrasse 17) – wenige Meter die Strasse hinunter – hinausreichen.

Schon 1911 war Schluss mit Wirten

Nein, wie einem auf den 5. Oktober 1991 datierten Einzelblatt der letzten Posthalter aus der Meierhofer-Dynastie hervorgeht, war bereits sechzig Jahre früher Schluss mit der Bewirtung von Gästen:

«In der "alten Post" wurde nebst Landwirtschaft bis zum Jahre 1911 auch eine Wirtschaft geführt.» 

Und wie kommt es dann, dass sich Frau Kerstan mit der Jahreszahl derart vertan hat? Die Antwort findet man in der Anmerkung 75, wo auf die Seite 61 der zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Datenerhebung auf unserem Gemeindegebiet aktuellen Fassung der ortsgeschichtlichen Monografie verwiesen wird, vgl. dort die Fussnote 219 (Abb. unten):


Fehlinterpretation einer Fussnote

Um die Seitenzahl nicht über 108 anwachsen zu lassen, hat die 6. Auflage das Erfordernis einzuhalten, dass manche Hinweise sozusagen in stenographischer Form daherkommen. Diese ist, wie sich jetzt zeigt, etwas gar zu knapp geraten. 

Denn die Hinweise auf das Jahr 1971 (beide in Klammern; s. oben) zu den Standorten der «Brauerei» und der «Post» waren lediglich als Verweise auf den Sachstand der 1. Auflage von Walter Zollinger (publiziert an Ostern 1972) gedacht, aus der sich diese Ortsgeschichte über die Jahre hinweg durch Fortschreibung entwickelt hat. 

Mit einer Umwandlung in eine private Nutzung (wie sie im Lauftext für den «Sternen» für 1991 explizit genannt wird) hat das nichts zu tun. Wurde aber so interpretiert.

Der Lauftext der 6. Auflage ist übrigens bereits ab V6.56 (Januar 2023) auf S. 61 wie folgt um den Hinweis auf die 1911 beendete Zusatzfunktion ergänzt worden:


Die 1. Auflage hätte den Irrtum aufdecken können

Den ursprünglichen Zollinger'schen Originaltext zeigt der nachstehende Ausschnitt:


Die beiden Auflagen (1. u. 2.) von Zollinger sind zwar im Literaturverzeichnis des Kunstdenkmälerbandes Nr. 146 aufgeführt, wurden für dieses Detail jedoch nicht konsultiert. 

Deshalb steht nun für alle Ewigkeit ein allzu langes «Wirtschaftwunder» – in gedruckter Form zwischen harten Buchdeckel gepresst – in Bibliotheken im Regal.

Quellen und Literatur

  • Meierhofer, W. & T.: Poststelle Weiach im Rückblick. Einzelblatt, 5. Oktober 1991.
  • Kerstan, A.: Ortsgestalt und Bauten. Bauten mit öffentlicher Funktion. In: Crottet, R.; Kerstan, A.; Zwyssig, Ph.:  Der Bezirk Dielsdorf. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe VII. (zugl.: Die Kunstdenkmäler der Schweiz (KdS), Bd. 146.) Bern 2023 – S. 484.

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