Die Rede war aber auch vom längst verschwundenen Gemeinde-Schlachthaus, das vor rund 85 Jahren am östlichen Dorfeingang erbaut wurde. Genauer: dort, wo die Strasse beim ehemaligen Gasthof Sternen einen scharfen Knick machte. Und zwar stand das Gebäude nördlich der Strasse - als damals einzige Baute (die Tankstelle wurde erst ein Vierteljahrhundert später gebaut).
Den ersten publizierten Hinweis auf diesen Bau findet man in der Schweizerischen Bauzeitung vom 1. August 1925 (Band 85/86) auf den Inseratenseiten im sogenannten «Submissions-Anzeiger».
Mit Eingabetermin 4. August bei «Gemeindepräsident Griesser, Weiach (Zürich)» wurden «Sämtliche Bauarbeiten zu einem neuen Schlachthaus in Weiach» ausgeschrieben.
Baujahr 1926 oder 1927?
Vollendet wurde die Baute wohl erst im Verlaufe des Jahres 1926, wobei das neue Gemeinde-Schlachthaus von der Gebäudeversicherung die früher einmal für ein Wasserrad am Rhein verwendete Assekuranz-Nr. 199 zugeteilt erhielt (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 37).
Dass Willi Baumgartner-Thut in seiner Chronologie des 20. Jahrhunderts (vgl. Brandenberger 2010, S. 63) den «Bau des Schlachthauses mit Verkaufslokal beim Sternen» auf das Jahr 1927 legte, hat damit zu tun, dass er auf die erste Stromlieferung durch die Elektrizitäts-Genossenschaft Weiach abstellte.
Im Zweiten Weltkrieg waren gemäss Baumgartner-Thut «zeitweise 5 Militärküchen im Betrieb in den 4 alten Wöschhüsli und im Schlachthaus». Den Ausbau der Hauptstrasse überlebte das Gebäude nicht mehr: «1975/76 Ausbau der Kaiserstuhler-, Glattfelder- und Stadlerstrasse beim Sternenrank und Abbruch des Schlachthauses».
Kuhmetzgete durch Weibel ausgerufen
In den übrigen Zeiten wurde das Lokal natürlich seiner ursprünglichen Zweckbestimmung gemäss genutzt. Die ehemalige Gemeindeweibelin Hildia Maag berichtete von ihrem Vater und Amtsvorgänger, er habe noch «mit der Glocke schellen und Bekanntmachungen ausrufen» müssen. «So teilte er der Bevölkerung zum Beispiel mit, dass im Schlachthaus Kuhmetzgete sei und Fleisch abgeholt werden könne. Auch die Holz-Gant und der Unterbruch der Wasserversorgung waren Inhalt der mündlichen Mitteilungen». (Zürcher Unterländer, 3. Oktober 2002)
Heute gibt das nur noch Tierfutter
Willi Baumgartner-Thut erzählte im Gespräch mit WeiachBlog, auch Metzger Meierhofer aus Kaiserstuhl habe im Verkaufslokal des Weiacher Schlachthauses seine Ware verkauft.
Im übrigen sei das Fleisch vor allem aus Notschlachtungen gekommen. Die gemetzgeten Rinder (Kälber, Kühe und Stiere) seien beurteilt worden. Bankwürdiges Fleisch hätten die Metzger übernommen und auf eigene Rechnung verkauft.
Was die Bewertung «bedingt bankwürdig» bekam, das verkaufte die Viehversicherung ab Schlachthaus. Baumgartner erinnert sich an eine Tafel mit der sinngemässen Aufschrift (genau wisse er es nicht mehr) «darf nur im gut gesottenen Zustand genossen werden».
Auf diese Weise seien auch finanziell weniger gut gestellte Einwohner zu Fleisch gekommen. Mit dem Sieden hätten es allerdings nicht alle so genau genommen. Einige Bauern verarbeiteten das bedingt Bankwürdige trotz der Warnung zu Würsten.
Spätestens ab den 80er-Jahren war es dann gemäss Baumgartner definitiv vorbei mit dem Verkauf von solchem Fleisch. Man durfte daraus höchstens noch Tierfutter machen. Und auf das Jahr 2000 wurde auch die obligatorische Viehversicherung aufgehoben.
Nachtrag
Gemäss der Zeitschrift Zürcher Umweltpraxis gab es die Kategorie «bedingt bankwürdig» bis 1994: «Bedingt bankwürdiges Fleisch darf nur unter Einschränkungen und amtlicher Kontrolle ausschliesslich an Privatpersonen verkauft werden.» (vgl. Umweltpraxis Nr. 3 / Dezember 1994 - Seite 12)
Im Jahresbericht 2006 des Veterinäramts des Kantons Zürich wird in einer Fussnote (vgl. S. 6) erläutert: «seit Juli 1995 gibt es kein bedingt bankwürdiges Fleisch mehr.»
Quellen
- Stahel, T.: Botin einer stehen gebliebenen Zeit. Weiach / Hildia Maag ist die letzte Gemeindeweibelin im Zürcher Unterland. In: Zürcher Unterländer, 3. Oktober 2002
- Persönliches Gespräch mit Willi Baumgartner-Thut vom 4. Mai 2010.
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