Freitag, 15. Juli 2011

Kommissionsmehrheit will keine Kieswerk-Beteiligung

In den folgenden Tagen gibt WeiachBlog den vollen Text der Debatte um die Beteiligung des Kantons an der Weiacher Kies AG wieder, so wie sie im Protokoll des Kantonsrates 1959-1963 steht (siehe StAZH III AAg 1 38 LS: Register S. 3415 «Kies. Kiesausbeutung Weiach, Aktiengesellschaft, Staatsbeteiligung 1585, 1609, 1788, 1801». Vgl. für die ersten beiden Fundstellen: Kiesbeteiligung? Kantonsrat bildet Spezialkommission; WeiachBlog, Nr. 1008, 20. Juni 2011).

610 Beschluss des Kantonsrates über die Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach

Am Montag, 9. Oktober 1961 kam der Kantonsrat nach den Mitteilungen und der Abänderung der Taxordnungen für die Kantonsspitäler und kantonalen Heilanstalten zum Traktandum «Weiacher Kies»: Antrag des Regierungsrates vom 25. Mai 1961 und abgeänderter Antrag der Kommission vom 19. September 1961.

Schon aus diesem Titel kann man sich zusammenreimen, dass die Kommission dem Antrag des Regierungsrates nicht folgen wollte. Als erster Redner erläuterte der Präsident der Spezialkommission die Sachlage zum aktuellen Zeitpunkt aus ihrer Sicht sowie den Entscheid der Kommissionsmehrheit:

«H. Frei (Zürich), Präsident der vorberatenden Kommission, weist darauf hin, die Regierung schätze den zusätzlichen Bedarf an Kies für den Bau von Nationalstrassen für die nächsten 10 Jahre auf ca. 4 Millionen Kubikmeter und befürchte, sie werde die nötige Menge an qualitativ einwandfreiem Kies nicht erhalten. Heute schon muss teilweise qualitativ ungenügendes Kiesmaterial verarbeitet werden, weil die Lieferanten weder über die nötigen technischen Anlagen noch die Transportmittel verfügen. Um die notwendigen Mengen Kies sicherzustellen, will sich die Regierung an einer zu gründenden Aktiengesellschaft beteiligen, die von der Haniel AG Basel, einer Tochterfirma des grossen deutschen Konzerns Franz Haniel AG Dortmund, beherrscht wird.

[Bemerkung: Die Bezeichnung der Firma Haniel als AG (Aktiengesellschaft) mit Sitz in Dortmund zieht sich durch das ganze Protokoll dieser Debatte hindurch. Dies ist gleich zweifach inkorrekt, firmierte und firmiert die Firma doch als «Franz Haniel & Cie GmbH». Und ihren Sitz hat sie - damals wie heute - in Duisburg. Die Bezeichnung der Tochterfirma als AG (Franz Haniel AG, Basel) enspricht hingegen den Tatsachen. Und mit dieser Firma wollte der Regierungsrat formell auch den Vertrag abschliessen.]

Die Firma Aymonod, Pratteln, hat 1960 ihr Ausbeutungsrecht auf dem Gebiete der Gemeinde Weiach der Haniel AG abgetreten, nachdem es ihr nicht gelungen war, die nötigen Kiesbezüger zu finden. Ende letzten Jahres erhielt die Firma Haniel AG von der Gemeinde Weiach das Ausbeutungsrecht für weitere Landparzellen im Umfange von 12 Hektaren Kiesland.

Am 15. April 1961 genehmigte die Gemeindeversammlung Weiach den Vertrag zwischen der Firma Haniel AG und der Gemeinde Weiach, wodurch ersterer ein Ausbeutungsrecht über eine Fläche von total 16 Hektaren mit einer Laufzeit von 50 Jahren eingeräumt wurde.

Am 16. Januar 1961 ersuchte eine Schweizer Firma die Gemeinde Weiach um eine Ausbeutungskonzession, ohne aber eine definitive Antwort zu erhalten.

In diese Verhandlung schaltete sich der Regierungsrat ein, indem er der Firma Haniel vorschlug, sich an der zu gründenden Aktiengesellschaft zu beteiligen. Nachdem die Bemühungen des Kantons, die Aktienmehrheit zu erhalten, gescheitert waren, begnügte er sich mit einem Anteil von 40% des Aktienkapitals. Dafür musste er sich allerdings verpflichten, seinen gesamten Bedarf an Wandkies, Betonkies und Sand für den Nationalstrassenbau zu marktkonformen Preisen von Haniel zu beziehen. Im weiteren verpflichtete sich der Kanton, jedes Jahr bis zum 31. Januar den erforderlichen Jahresbedarf zu melden.

Als Folge dieses Vertragsabschlusses ist nun aber das übrige Kiesgewerbe beunruhigt und erklärt sich bereit, dem Kanton genügend Kies für den Nationalstrassenbau zu liefern. Dabei erwiesen sich die Befürchtungen des Kantons, keine ausreichenden Lieferungen zu erhalten, als weitgehend unbegründet. So haben die Firma Holderbank AG in Hüntwangen ein Areal mit 15 Millionen m3 Kies und die Firma Bader in Zürich ein solches von 10 Millionen m3 in Glattfelden erworben. Ein grösseres Unternehmen der Baubranche in Zürich hat sich für den Eigenbedarf im Rafzerfeld Kiesland gesichert. Alle diese Firmen sind bereit, dem Kanton zu angemessenen Preisen Kies zu liefern.

Die Kommissionsmehrheit lehnt die Beteiligung des Kantons an dieser Aktiengesellschaft ab, weil der vom Kanton gewünschte Erfolg sicher ausbleiben würde; den Preis bestimmt nämlich die Aktienmehrheit. Auch könnten sich die von der Regierung einzugehenden Verpflichtungen je nach der wirtschaftlichen oder politischen Lage ausserordentlich belastend auswirken. Es ist auch nicht erwünscht, dass sich der Kanton an einer Firma finanziell beteiligt und damit gegenüber den anderen Kieslieferanten in eine zweideutige Lage gerät. Solche Eingriffe des Staates in die private Wirtschaft werden im allgemeinen von den Stimmbürgern nicht geschätzt. Hingegen steht es der Baudirektion selbstverständlich frei, mit der Firma Haniel Lieferverträge für Kies abzuschliessen, sofern Konkurrenzpreise festgelegt werden.

Zusammenfassend führt der Referent aus, dass eine Beteiligung staatspolitisch unerwünscht sei und einen starken Eingriff in die freie Marktwirtschaft bedeute, den das Zürcher Volk ablehne.

Die Beteiligung des Kantons würde übrigens zweifellos das erwünschte Mitspracherecht bei der Preisgestaltung nicht bringen. In Anbetracht der Minderheitsstellung des Kantons ist die Beteiligung unerwünscht, um so mehr als er nur Verpflichtungen und grosse Risiken übernehmen müsste und in seiner späteren Handlungsfreiheit eingeschränkt würde.

Aus staatspolitischen Überlegungen, aber auch im Sinne eines gesunden Gewerbeschutzes empfiehlt die Kommission, den Kredit nicht zu bewilligen.
»

Ein klares Votum gegen eine Beteiligung. Da eine solche Kommission sich aus allen massgeblichen Parteien zusammensetzt, zeichnete sich hier eine ernstzunehmende Oppositionsbewegung ab. Etwas, was die Leitung der Franz Haniel AG, Basel in ihrem Bericht an den Verwaltungsrat (vgl. WeiachBlog vom 12. Juli 2011) nicht unbedingt erwartet hatte.

Wie würde sich der Kantonsrat als Ganzes dazu stellen? Das zeigte sich in der nun folgenden Debatte. Die einzelnen Voten werden ausgiebig Gelegenheit bieten, die oben ausgeführten Erwägungen der Kommission zu beleuchten, weshalb an dieser Stelle darauf verzichtet wird.

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1788-1790. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG

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