«Mitbürger! Gemäß Beschluß des Kantonsrates unterbreiten wir Euch ein Gesetz betreffend die Volksschule zur Abstimmung. Wir laden Euch ein, diese Vorlage zu prüfen und am Abstimmungstage, Sonntags den 11. Juni 1899, Euere Stimme über Annahme oder Verwerfung derselben auf den Euch zuzustellenden Stimmzeddeln mit Ja oder Nein abzugeben.»
Mit diesen Worten richtete sich die Zürcher Regierung vor 125 Jahren via das kantonale Amtsblatt an den Souverän. Das Amtsblatt konnte man in den ehaften Wirtschaften (d.h. in Weiach im Gasthof zum «Sternen»), aber auch auf der Gemeinderatskanzlei einsehen.
Weiach zählte 147 Stimmzettel aus (gültig: 145; leer: 2; ungültig: 0). Und ermittelte das folgende Resultat: 35.17 % Ja, 64.83 % Nein bei sagenhaften 98.00 % Stimmbeteiligung (!). (ABl. 1899, S. 692)
Dieses Gesetz betreffend die Volksschule vom 11. Juni 1899 – Signatur: StAZH OS 25 (S. 394-411) – wurde allerdings von einer Mehrheit aller zürcherischen Stimmenden angenommen, bei rund 38 % Nein-Stimmen. Es war übrigens erstaunlich langlebig, weil revisionsfähig. Erst mit dem Volksschulgesetz (VSG) vom 7. Februar 2005 (der heute gültigen Rechtsgrundlage) wurde es aufgehoben.
Option für die oberen Klassen: «Schule light» im Sommer
Auch Weiach hatte sich mit der neuen Situation zu arrangieren, dass die durchaus schon voll im landwirtschaftlichen Arbeitsablauf integrierten Jugendlichen länger die Schulbank drücken mussten.
Die Gemeinden konnte aber die Anzahl Schulstunden im Sommerhalbjahr auf das gesetzliche Minimum plafonieren: weniger als 20 % der Stunden. Dieses Modell nannte man damals «Winterschule (obwohl technisch gesehen auch im Sommer Unterricht light stattfand).
Im Amtlichen Schulblatt des Kantons Zürich vom 1. Januar 1900 war auf S. 1 die Regelung zur Erinnerung abgedruckt:
«§ 14 des Gesetzes betreffend die Volksschule vom 11. Juni 1899 lautet: „Die Schulpflicht dauert acht Jahre und zwar bis zum Schlusse desjenigen Schuljahres, in welchem der Schüler das 14. Altersjahr zurückgelegt hat. Durch Beschluss der Schulgemeinde kann im Sommerhalbjahr der wöchentliche Unterricht in der siebenten und achten Klasse auf acht Stunden, die auf zwei Vormittage zu verlegen sind, beschränkt werden. In diesem Falle soll das Winterhalbjahr mindestens 23 Wochen umfassen“.
Bis zum Ende des Jahres 1899 hatten sich gemäss § 86 des Volksschulgesetzes alle Gemeinden darüber schlüssig gemacht, ob sie für das siebente und achte Schuljahr täglichen Unterricht einführen oder von der in Lemma 2 des oben zitirten § 14 gewährten Fakultät Gebrauch machen wollen.»
Die Tageszeitungen vermitteln eine Übersicht...
Entsprechend berichteten auch die Zeitungen über die Entscheide der Schulgemeinden. So die NZZ am 6. Dezember 1899:
«Zürich. Dem amtlichen Schulblatt entnehmen wir folgende weitere Zusammenstellung der Gemeinden, die für das siebente und das achte Schuljahr Ganzjahrschulen beschlossen: [...]
Im Bezirk Dielsdorf führten ab 1900 nur Otelfingen und Affoltern bei Zürich (heute Zürich-Affoltern) eine Ganzjahrschule. Alle anderen Schulgemeinden hatten Winterschulen beschlossen. Neben Weiach sind sämtliche Nachbarn aufgeführt: Bachs, Thal-Bachs, Eglisau, Glattfelden, Raat, Stadel und Windlach. Auch Neerach und Riedt hatten sich für dieses Modell entschieden.
Sinneswandel anfangs der 1920er-Jahre
Weniger als ein Vierteljahrhundert später sah die Weiacher Schulgemeindeversammlung die Sache dann etwas progressiver, wie Walter Zollinger in einem seiner Notizhefte festgehalten hat:
«Gmdevers. 25.4.22 [od. «.6.»?, überschrieben] über Stdplanänderung 7.8. Kl. Anwesend 81, Ja 50, Nein 30, leer 1. (es ging darum, die 7.8. Kl., statt nur 2 x [nachträglich eingefügt: «im Sommer»] pro Woche, neu: jeden Vorm. zur Schule zu schicken, ganzjährig dafür.»
Auch das war natürlich noch keine Vollzeitschule, da lediglich die bisher schulfreien Vormittage dazukamen. Aber immerhin: im Sommer ergab das eine Verdreifachung der Unterrichtszeit.
Quellen
- Amtsblatt des Kantons Zürich, 1899, u.a. S. 692.
- Neue Zürcher Zeitung, Nummer 338, 6. Dezember 1899, Erstes Abendblatt – S. 1-2.
- VII. und VIII. Schuljahr. In: Amtliches Schulblatt des Kantons Zürich, XV. Jahrgang. Nr. 1, 1. Januar 1900 – S. 1.
- Statistische Übersicht der Gemeinden des Kantons mit Ganzjahr- und Winterschulen sowie der Zahl der dieselben besuchenden Schüler. In: Amtliches Schulblatt des Kantons Zürich, XV. Jahrgang. Nr. 1, 1. Januar 1900 – S. 4.
- Zollinger, W.: Notizen zur "Geschichte des Unterländer Dorfes Weiach". Sog. «Schulheft I» (auch: «Zgr. I.»), paginiert, undatiert. Archiv des Ortsmuseums Weiach – S. 15.



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