Mittwoch, 3. September 2025

Pfarrpersonenfluktuation – historische Statistik und Ursachen

Kaum hat man sie begrüsst, schon sind sie wieder weg. Das laufende Jahr 2025 wird als eins der Vierpfarrerjahre in die Geschichte der reformierten Seelsorge auf Weiacher Gemeindegebiet eingehen. 

Pfrn. Ute Monika Schelb quittierte den Dienst per Ende Mai, ihre Co-Pfarrvertreterin Pfrn. Annemarie Pfiffner folgte per Ende Juni. Und im September muss die Evang.-ref. Kirchgemeinde Weiach nun auch von Pfr. Michael Landwehr (erst seit 1. Juni im Amt) bereits wieder Abschied nehmen (vgl. MGW, September 2025, S. 18).

Die vierte Pfarrperson, die uns der Kirchenrat hat zukommen lassen, ist die ab 1. Oktober 2025 amtierende Pfarrstellvertreterin Pfrn. Dagmar Rohrbach. Ihr Begrüssungsbeitrag (vgl. MGW, September 2025, S. 19) hebt mit den folgenden Worten an:

«Schon wieder eine neue Pfarrerin! 

Liebe Gemeinde, ich hoffe, Sie denken das nicht. Sie haben einiges an Pfarrwechsel erlebt. [...]»

Da kann einem in der Tat schon etwas wirblig im Kopf werden. Auch der hier Schreibende musste erst einmal nachschauen, wann genau denn Pfrn. Pfiffner ihren letzten Weiacher Tag gehabt hat.

Zurück in den Gründungszeiten der Pfarrei

Faktisch läuft es seit den Zeiten von Corona wieder so, wie weiland im 16. Jahrhundert, als uns die Prädikanten durch die Obrigkeit in der Stadt Zürich zugeteilt und zur Predigt hierher abkommandiert wurden. Ohne Wohnsitzpflicht, denn bis 1591 gab es noch kein Pfarrhaus, bzw. wollte der Zürcher Stadtstaat auch gar nicht für eines sorgen. 

Gewiss, die Bezahlung ist heute einiges besser als damals, wo die ab 1542 für Weiach vorgesehenen Prädikanten gerade einmal 10 Gulden Jahresbesoldung aus der Staatskasse erhielten. Das war nämlich noch zu wenig zum Sterben.

Heute kann man als Pfarrerin immerhin auf eine 50 %-Stelle mit geregelten Bezügen vertrauen. Sie muss auch nicht auf eine von der Gemeinde offerierte Mittagsverpflegung hoffen, bevor sie nach getaner Arbeit den langen Weg ins städtische Zuhause wiederum antritt (ihr Wohnort Dübendorf liegt ja fast in der Stadt Zürich). Damals ging dies per pedes apostolorum und bei jedem Wetter vonstatten.

Über den Titel dieses Abschnitts liesse sich noch trefflich streiten. Wenn die Einrichtung einer Pfarrei mit der Wohnsitznahme des gewählten Pfarrers zwingend verbunden wird, dann ist Weiach erst 1591 überhaupt eine Pfarrei geworden. Und wäre mittlerweile seit mehr als einem Jahrzehnt keine selbstständige Pfarrei mehr. Fakt ist: Unser 30. und bisher letzter residenter Pfarrer war Christian Weber, nominal bis Ende 2012.

Ernüchternde Statistik

Wenn wir die von Pfr. Kilchsperger ein Jahrhundert zuvor angestellte Amtszeitberechnung (vgl. WeiachBlog Nr. 2270) auf die fünf Jahrhunderte seit der Reformation ausdehnen, dann sieht es mit den Standzeiten der für Weiach zuständigen Pfarrpersonen wahrlich nicht rosig aus.

Pfrn. Rohrbach ist nach der Weiacher Pfarrerzählung WPZ24 die fünfte Frau auf dieser Position und insgesamt die Nr. 118, wobei in dieser Zahl sämtliche namentlich bekannten Pfarrpersonen gewertet werden, auch wenn sie nur wenige Wochen als Vikar oder Stellvertreter tätig waren.

Rechnet man mit den Durchschnittszahlen, so kommen wir immerhin auf rund 4.25 Jahre Standzeit über dieses halbe Jahrtausend hinweg, was nur möglich ist, weil die dreissig residenten Pfarrer mit Amtszeiten bis zu 40 Jahren den Schnitt massiv nach oben heben. Über das erste Viertel des 21. Jahrhunderts sind es nämlich nur noch 1.7 Jahre.

Betrachten wir nur die letzten fünf Jahre, so liegen die durchschnittlichen Amtszeiten bei gerade einmal 7.5 Monaten. Dieser Wert unterbietet sogar noch die durchschnittlich 9.5 Monate der über 60 Amtsträger zwischen 1542 und 1590.

Sortiert man nun die 118 Namen nach Anzahl Monaten Amtszeit und teilt das Ergebnis in zwei gleiche Hälften, so erhalten wir den Median. Und der liegt unter einem Jahr. Was auch nicht wirklich verwundert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Weiach sogar ein Sechspfarrerjahr erlebt hat (vgl. WeiachBlog Nr. 2206).

Hochfrequente Fluktuation. Woran liegt's?

Bliebe noch die im Titel versprochene Analyse der Ursachen. Schon erwähnt ist oben, dass die Obrigkeit nicht geneigt war, ein Pfarrhaus zur Verfügung zu stellen. Einerseits, weil das auch anderswo so nicht üblich war (sondern Gemeindeangelegenheit) und andererseits, weil sich die Weiacher 1540 standhaft geweigert hatten, den Gottesdienst in Stadel zu besuchen, wie die Regierenden in der Stadt ihnen das vorschreiben wollten.

Ein eigener «Grind» und ausgeprägter Selbstständigkeitswille, der sich letztmals bei der Fusionsabstimmung zur Kirchgemeinde Stadlerberg im Jahre 2017 deutlich manifestiert hat (vgl. die WeiachBlog-Sonderausgabe März 2017; PDF, 5 S.), fordern eben ihren Preis. 

Die Weiacher halten an der eigenen Kirchgemeinde fest. Selbst dann, wenn die Kirchenverwaltung am Hirschengraben und der Blaufahnenstrasse nur eine halbe Stelle besolden und unserer Pfarrperson auch nicht weitere Engagements zur Pensumaufstockung zuschanzen will, wie das noch zu Zeiten Pfr. Koellikers (im Amt: 1981 bis 1995) problemlos möglich war. 

Die Bedingungen, die von den Kirchenoberen an eine Festanstellung geknüpft werden, sind überdies offenbar der Art, dass die Weiacher Kirchenpflege wenig Aussicht darauf hat, eine Pfarrperson davon zu überzeugen, bei uns mit langfristiger Perspektive Fuss fassen zu wollen. Ein altbekanntes Gravamen unserer Pflege an die Adresse der Oberen.

Keine Kommentare: