Montag, 22. September 2025

Entstehungsgeschichte & Entwicklung des Ortsmuseums Weiach

In den Unterlagen des Ortsmuseums Weiach befinden sich neben dem bereits vor einigen Tagen vorgestellten Dokument Pro Ortsmuseum (vgl. WeiachBlog Nr. 2274) auch ein Typoskript aus der Schreibmaschine des Gründungspräsidenten Walter Zollinger.

Auf drei Seiten resümiert er darin aus ganz persönlicher Sicht die Hintergründe, wie es überhaupt zum Erwerb des Lieberthauses kommen konnte und was die Ortsmuseumskommission in den darauffolgenden Jahren bis ca. Ende 1970 auf die Beine gestellt hat. 

ORTSMUSEUM WEIACH

Entstehungsgeschichte & Entwicklung

Der Berichterstatter, während über 40 Jahren Lehrer an der Primarschule Weiach, hat während dieser langen Zeit immer wieder versucht, kleinere Gegenstände zu sammeln und auf der Winde des Schulhauses aufzubewahren. Mehrmals gelangte ich mit der Bitte an den damaligen Gemeinderat, um Schaffung eines geeigneten Raumes zur bessern Aufbewahrung derselben und um sie den Bewohnern zu zeigen und dadurch die Sammeltätigkeit zu fördern, leider anfänglich immer umsonst.

1966 wurde endlich ein Kleinbauernhaus frei, in welchem jahrzehntelang ein altes Geschwisterpaar gewohnt hatte, nun aber kurz nacheinander gestorben war. Da die Erben nicht im Dorf wohnen, verkauften sie das Gehöfte. Jetzt war endlich eine Gelegenheit gekommen und der nun unterdessen auch "verjüngte" Gemeinderat (es sind alles ehemalige Schüler) schlug der Gemeindeversammlung vom 28. Nov. 66. den Kauf des Hauses vor.

Mit dem knappen Mehr von 42 : 35 Stimmen wurde der Kredit bewilligt. Alsbald wählte der Gemeinderat eine "Kommission für das Ortsmuseum Weiach" und überliess nun den 5 Opfern die weitere Ausgestaltung.

Diese 5 Opfer waren:

  • Walter Zollinger, a. Lehrer, Präsident (1896-1986)
  • Emil Maurer, Stationsvorstand (†)
  • Hans Meier, Gemeinderatsschreiber (*1935)
  • Hans Rutschmann, Briefträger (1928-2022)
  • Paul Stalder, Gemeindeförster (†).

Ueber das ganze Jahr 1967 hinaus zogen sich nun diese Arbeiten, meist im Frondienst, an den Samstagnachmittagen. Zum Glück hatten die beiden Geschwister Jakob und Luise Liebert am Aeussern des Hauses nichts verändert, sodass es noch den Charakter eines aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammenden [handschr. m. Bleistift ergänzt: "(1750)"] Gebäudes trägt. Im Innern hatten sie allerdings manches verschandelt und selber verflickt. Unsere Hauptarbeiten bestanden nun darin, die Räume im Erdgeschoss erst einmal wieder in "museumswürdigen Zustand" zurück zu versetzen:

Die mit Oelfarbe übermalten Stubenwände und Decke wurden abgelaugt und so das Naturholz wieder hervorgezaubert.

In Küchenkammer und Gang wurden die durchwegs übertünchten Riegelbalken wieder hervorgeholt und die Füllungen geweisselt.

Die total verrussten Wände und die Decke in der Küche mussten abgehackt und neu geweisselt werden.

Die Treppe zum Raum über der Küche sowie der Kammerboden mussten ersetzt werden. Wir konnten dazu alte, aber noch gesunde Bretter von der Kirchenrenovation her benutzen.

In der Zwischenzeit erliessen wir einen Aufruf an alle Bewohner des Dorfes, ihre Kasten und Estriche zu durchstöbern [vgl. WeiachBlog Nr. 1336] und uns alles, was sie als "museumswürdig" erachteten, zu überlassen, geschenk- oder leihweise. So konnten wir endlich am 13./14. Juli 1968 unser Ortsmuseum zum erstenmal der Dorfbevölkerung öffnen [vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 1370]. Es waren nun entstanden:

1. Eine Küche, in die man direkt vom Freien her eintritt, mit altem Holzherd, Ziegelsteinboden, Schüttstein, Plattengestell; dann Kaffeemühlen, Butterrührfässer, Backschüsseln, altem Geschirr etc.

2. Eine Wohnstube mit Kachelofen aus 1827, Backmulde, Biedermeiertisch und Stühlen, Spinnrad, Truhe, Petrollampe, alten Bildern, Steingutkrügen u.s.w.

3. Eine Küchenkammer, mit kl. und gr. Biedermeierbett, alten Kleidern und Uniformen, altem Holzkoffer u.a.m.

4. Eine sog. "Dokumentenkammer" mit alten Schriften (z.B. 1659 bis 1886) [die sog. Turmkugeldokumente], einer Bibel aus 1690, Alten und Neuen Testamenten aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, Mandaten der Zürcher Stadtregierung [gemeint: Bürgermeister und Rat des Standes Zürich vor 1798], alten Büchern und vielem mehr.

5. Im Gang zum Keller sind Dreschflegel, Fruchtsäcke, Holztüchel, Viehgeschirr u. dergl. zu sehen.

6. Im Raum über der Küche stehen und hängen alte Geräte aus der Landwirtschaft und des Gewerbes, z.B. Flachsbreche und Hechel, Ziehbock, Getreidesicheln, Holzgabeln, Rechen, hölzerner Dengelstock etc.

7. Im Keller endlich harrt eine Obstpresse mit zugehöriger Birnenmühle, mit Weintanse und Trichter etc. der Zusammenstellung.

Dann befinden sich auf dem obern Boden noch zwei Zimmer, die wir für kurzfristige Ausstellungen aller Art benützen können. So haben wir darin seit 1968 bereits 5 solche durchgeführt, nämlich:

1968: "Landschaften, Stilleben, Federzeichnungen von Fritz Schmid Bachenbülach."

1969: "Biblische Grafik" von Willi Trapp Zürich und "Ein Dorfgenosse stellt aus" (Hs. Rutschmann).

1970: "Unsere Schüler zeichnen" (Arbeiten der 1.- 6. Kl. unserer Primarschule.) und "UNSER WALD", ein Beitrag zum Naturschutzjahr 1970.

Die Ausstellungen waren stets gut besucht, die letztere verzeichnete z.B. über 300 Besucher, was wir für unser bescheidenes Unternehmen als recht befriedigend bezeichnen dürfen.

Durch diese periodischen Ausstellungen wird auch das eigentliche Museum immer wieder besucht. Wir dürfen heute sagen, dass auch die "Gegner" von 1966 heute dem Museum gegenüber positiv eingestellt sind. Das hat sich schon darin gezeigt, dass weiteren Krediten für Renovationen am Gebäude keine Einwände mehr erwachsen sind. So konnte der Gemeinderat uns seither finanziell helfen für folgende Ausbesserungen:

1967: Neue Balken für die morsche Kellerdecke

1968: Ausbesserung und Ueberholung des Daches

1969: Neue Lerchenholzverkleidung [sic!] an der nördl. Gibelseite [sic!]

1970: Kredit für Einrichten einer Heizung mit Thermostat.

Diese ist nun eben erst kürzlich fertig geworden.

Wir mussten deshalb die Schriften und Ausstellungsgegenstände heiklerer Art unterdessen im Gemeindehaus unterbringen. Nun müssen die Räume erst wieder gereinigt werden, bevor wir wieder einrichten können. Das wird kaum vor kommendem Februar möglich sein. [mutm. gemeint: Februar 1971]

Mit diesen etwas lang geratenen Ausführungen (sie umfassen eben die Zeit von 1966 bis 1970) hoffe ich, Ihnen eine bescheidene Ergänzung für Ihre wohl ohnehin schon dicke "Museumsmappe" gegeben zu haben. Wenn ich Ihnen damit einen Dienst erweisen konnte, freut es mich umsomehr.

[gez. W. Zollinger]

Kommentar WeiachBlog

Aufgrund der im Dokument aufgeführten chronologischen Angaben und dem zweitletzten Abschnitt darf man davon ausgehen, dass es im Herbst 1970 entstanden ist. 

Im letzten Abschnitt blitzt auch ganz kurz der Anlass auf, der dieses Papier hat entstehen lassen: Eine Anfrage von einer Person oder Institution, die bereits über eine umfangreiche Kollektion an Museumsbeschreibungen verfügt hat (zumindest nimmt Zollinger dies an). Leider wissen wir bisher nichts über die Identität des Adressaten, dem wir diesen Überblick auf die ersten Jahre indirekt verdanken. 

Zum Alter des Lieberthauses (wie oben ersichtlich nahm Zollinger hilfsweise das Baujahr 1750 an) ist seit den Untersuchungen durch das Laboratoire Romand de Dendrochronologie, Cudrefin VD, Genaueres bekannt: 

Der Kernbau ist aus Föhren und Fichten konstruiert, die im Herbst/Winter 1644/45 bzw. 1645/46 gefällt wurden. Der nordwestlich daran anschliessende Anbau ist rund 120 Jahre jünger. Er besteht ebenfalls aus Föhren und Fichten, die im Winterhalbjahr gefällt wurden: 1763/64 bzw. 1764/65 (Gutachten v. 12. Oktober 2018; Réf. LRD18 / R7647).

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