Sonntag, 17. August 2008

Namenlose Strassen, nummernlose Häuser! Ein Plädoyer.

Woran erkennt man selbst im Wald, dass man sich auf dem Gebiet einer Grossstadt befindet? Die Antwort ist einfach: es gibt kein einziges Haus ohne Polizeinummer und fast keine Waldstrasse ohne Namenstafel.

Die vollständige Möblierung des Gemeindegebiets mit Strassen- und Hausnummerntafeln ist die Duftmarke der flächendeckenden Verstädterung. Sie ist Ausdruck der totalen Erfassung jeden Lebensbereichs durch die «gute Policey». Das ist ein Begriff aus der Frühen Neuzeit der die zunehmend allumfassende Staatsverwaltung bezeichnet, welche sich unterstützt von Statistik und Kameralistik seit 300 Jahren unkontrolliert durch Europa und mittlerweile die ganze Welt frisst.

Wo man - wie in Weiach - noch viele Waldstrassen ohne Namen antrifft, wo es einzelne Häuser gibt, die gänzlich ohne von der Gemeinde vergebene Hausnummer auskommen, da kann man sich darüber freuen, noch einen Hauch ländlicher Idylle gefunden zu haben. Eine von staatlichen Bürokraten noch nicht ganz in Beschlag genommene Welt.

Die Diktatur der Polizeinummer

Jeder Strasse einen Namen und jedem Haus eine Nummer, selbst dann, wenn es sich um einen kleinen Weiler handelt oder gar um einen einzelnen Hof. Das ist das erklärte Ziel dieser Leute (vgl. Empfehlungen Gebäudeadressierung in den Quellen am Schluss des Artikels).

Ja warum eigentlich? Was soll der Schildbürgerstreich, dass ein Hof mit einem einzigen bewohnten Haus nun die hochobrigkeitlich offizielle Adresse «Höhberg 1» tragen muss? Warum reicht «Höhberg» nicht mehr? Hängt man die Nummer nur der Vereinheitlichung wegen an?

Menschen brauchen so etwas jedenfalls nicht um den entsprechenden Hof zu finden. Nur Computer, die von zu wenig intelligenten Informatikern programmiert worden sind.

Das ist den eben angesprochenen Bürokraten aber völlig egal. Sie fordern «Eine Adresse für jedes Gebäude», als ob die genannten Höfe und Weiler nicht längst eine hätten. Die ist zwar oft nicht ganz einheitlich, was die Schreibweise betrifft. Aber stört das jemanden - ausser den Bürokraten, deren Datenbanken dann vielleicht - horribile dictu - Inkonsistenzen aufweisen?

Zur Ausmerzung solcher Inkonsistenzen wird vom Bund die so genannte Registerharmonisierung mit aller Gewalt vorangetrieben. Ziel: die lückenlose Erfassung von Allem und Jedem. Eine der Promotorinnen, die abservierte Bundesrätin Ruth Metzler, war eine der schlimmsten Vereinheitlicherinnen. Ihr haben wir unter anderem die Abschaffung der Gemeindezivilstandsämter zu verdanken.

Erfasst wurden zwar schon bisher viel zu viele Daten. Computer erlauben nun aber eine lückenlose Kontrolle. Das will der Staat ausnutzen - wofür auch immer und wer auch immer die gesammelten Daten dereinst (miss-)brauchen kann.

«Ihr Leben könnte gefährdet sein». Die alte Masche zur Gehirnabschaltung

Begründet wird die Massnahme selbstverständlich immer mit sozial akzeptablen, vordergründig ehrenwerten Motiven. Der im Amt abgestürzten ehemaligen kantonalen Baudirektorin Dorothée Fierz wurde zu diesem Zweck folgende Begründung in den Mund gelegt:

«Wer Personen in einem bestimmten Gebäude besucht, Waren anliefert oder Post zustellt, aber auch wer Personen in Lebensgefahr retten soll, ist auf eindeutige Gebäudeadressen angewiesen. (...) Eine lückenlose und harmonisierte Adressierung bewirkt, dass jedes Gebäude, in dem Menschen wohnen oder arbeiten, eine eigene, unverwechselbare Anschrift hat. Das hilft nicht nur der Post, Rettungskräften oder Erstellern von Adressverzeichnissen und Ortsplänen, sondern erleichtert auch die Aufgabenerfüllung von Bund, Kantonen und Gemeinden. Und es hilft jeder und jedem von uns, wenn wir uns als Ortsunkundige zurecht finden wollen.»

Wer könnte da etwas dagegen haben? Alles nur positiv, oder? Von Risiken kein Wort.

Obige PR-Leier findet man im Vorwort der Empfehlung Gebäudeadressierung. Ausgeheckt wurde dieses mittlerweile schon vier Jahre alte Papier vom Amt für Raumordnung und Vermessung (ARV), das im Kanton Zürich sozusagen die Speerspitze solcher Bestrebungen ist. Ihre Empfehlung, lückenlos durchzunummerieren und zu vereinheitlichen soll sich bis in die letzten Winkel des Kantons fressen.

Ortsunkundige sollen fragen

Kurz gesagt ist alles, was Fierz vorbringt reinste Schönfärberei. Alles Ausreden, wenn es um kleine Weiler und Einzelhöfe geht, die noch nicht von der Seuche der Polizeinummerierung erfasst worden sind.

Selbst wenn man das beliebte Argument mit den Notfalldiensten betrachtet: Wer dort wohnt, weiss um die Schwierigkeiten und kann einen Notfallarzt auch entsprechend einweisen, so das denn nötig sein sollte.

Diejenigen Leute, die es etwas angeht, wer in nicht polizeinummerierten Weilern oder Höfen wohnt und arbeitet, die wissen genau, wie man dorthin kommt und wer dort wo ansässig ist. Die Postangestellten, die Gemeindearbeiter und sogar der Betreibungsbeamte finden den Weg jedenfalls problemlos.

Und sonst können Ortsunkundige ja fragen, wenn sie partout da hin wollen. Das ermöglicht wenigstens die soziale Kontrolle, welche durch eine Welt allumfassender Datenbanken Leuten in die Hand gegeben wird, die man nicht kennt und denen man daher nicht trauen kann.

Quelle
  • Schlatter, M.: Empfehlung Gebäudeadressierung und Schreibweise von Strassennamen. Version 2.5 vom 1.9.2004 (Hrsg.: Baudirektion Kanton Zürich)
  • Komplett übernommen von der Eidg. Vermessungsdirektion:
    Empfehlung Gebäudeadressierung und Schreibweise von Strassennamen für die deutschsprachige Schweiz Version 1.6 vom 3. 5. 2005 (Hrsg.: Eidgenössische Vermessungsdirektion, Bundesamt für Landestopografie, Mai 2005)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wieder mal ein Geschreibe jenseits von Gut und Böse. Zu verschwurbelt, zu lange - und vor allem völlig weltfremd. Willkommen in der Realität, WeiachTrottel!