Donnerstag, 8. August 2013

Wünsche und Träume eines Unternehmers zum 1. August

Traditionsgemäss wie jedes Jahr hat WeiachBlog auch 2013 den diesjährigen 1. August-Redner um die Abdruckrechte gebeten. Nachdem die Rede im Jahr 2012 kurzfristig ausgefallen war (zu den Gründen vgl. WeiachBlog vom 3. August 2012), war die Suche nun wiederum erfolgreich.

Mit Heinz Eberhard hielt der Verwaltungsratspräsident des für unsere Gemeinde zur Zeit wichtigsten Unternehmens die sechste auf WeiachBlog veröffentlichte Erst-August-Ansprache (für die früheren siehe die Links am Schluss des Beitrags).

[Hinweis: Die Rede wurde auf Schweizerdeutsch gehalten. Dieser Text wurde auf Wunsch des Redners redaktionell bearbeitet. Die nicht kursiv gesetzten Zwischentitel stammen von der Redaktion des WeiachBlog.]

Mit dem Gemeindepräsidenten über die Pässe

«Wenn ich gewusst hätte, was es heisst, in Weiach eine 1. August Rede zu halten, ich hätte kaum zugesagt. Da musst du zuerst mit dem Gemeindepräsidenten am Wochenende davor über das Stilfserjoch im Südtirol. Wohlverstanden, mit dem Rennvelo. Von 900 m im Vinschgau auf 2758 m, 48 Kehren den Berg hinauf, ohne Pause!

Was Sie vielleicht nicht wissen können: ein Eberhard ist ja hart im Nehmen, eben wie ein Eber! Aber gegen einen Paul Willi anzutreten? Der steht einfach vor dem Berg und sagt: «Gopf Paul, da uë Willi!»

Ich darf sagen, mit dem Paul schaffst du auch diese Herausforderung. Er geht voraus, führt, unterstützt, motiviert, treibt an, weist den Weg, schaut zurück ob du mitkommst.

Am Abend waren wir dann in Livigno. Das ist ein zollfreies Gebiet hinter dem Ofenpass, in Italien. Wir waren beeindruckt. Einerseits von der Schönheit dieses Bergdorfes mit intakter Architektur. Aber vor allem, was da los war. Da ging die Post ab. Es hatte so viele Leute, wie an der Zürcher Bahnhofstrasse an einem Weihnachts-Einkaufstag. Und eben – alle waren am Shoppen oder essen. Sozusagen eine Geldmaschine.

Paul entwickelte gleich eine Vision für Weiach – eine zollfreie Zone mit Tankstellen und Shops. Wenn all diejenigen, die über die Grenze nach Deutschland einkaufen gehen, nur bis Weiach müssen. Ist das nicht super? Wundern Sie sich also nicht über einen Antrag.

Was ich auf unserer gemeinsamen Velofahrt noch feststellen konnte: Ihr habt einen guten Gemeindepräsidenten und ihr wisst jetzt auch, warum er nicht hier ist. Er braucht Erholung in den Bergen. Ich soll euch herzliche Grüsse ausrichten.

Und so steh ich jetzt hier und habe die Ehre, zum 1. August zu Euch zu sprechen. In meiner politischen Karriere als Parlamentarier im Grossen Gemeinderat von Kloten habe ich gelernt: Zu Beginn einer guten Rede eines Politikers gehört immer: «Keine Angst, ich rede nicht lange». Es ging dann meist sehr lange. Und da ich kein guter Politiker bin, kann ich euch sagen: Keine Angst, meine Rede geht lange. Und wenn ich dann früher fertig bin, seid ihr sicher alle froh.

Warum stehe ich überhaupt hier? Das habe ich mich natürlich auch gefragt!»

Wie das Kies unter den Boden und die Firma Eberhard nach Weiach kam

«Das geht auf viel früher zurück als die Geburtsstunde unseres heutigen Geburtstagskindes, der Eidgenossenschaft. Vor über 100'000 Jahren wurde es dem Rhein- und Linthgletscher zu eng in ihren Bergtälern. Sie haben sich weit vorgewagt. Als am Ende ihrer Reise vor rund 10'000 bis 12'000 Jahren die Würmeiszeit ihren maximalen Stand erreichte, endete der Rheingletscher vor dem heutigen Rafz und Eglisau, der Linthgletscher erstreckte sich über Bülach hinaus bis fast nach Glattfelden. Im Gepäck hatten die Gletscher gewaltige Fels- und Schuttmengen aus den Alpen ins Mittelland transportiert. Die Warmzeit führte zu einem abrupten Abschmelzen der Eismassen. Durch die Hochwasser wurden die grossen Schuttmengen weiter verfrachtet, zu Kies gerundet und in den Gletschervorfeldern auf dem Molassefels abgelagert. So auch in Weiach.

Wie Sie wissen und gerade an diesen heissen Sommertagen wieder erleben, sind die Gletscher immer noch auf dem Rückzug, um neuen Kies zu holen.

Anfangs der Sechziger-Jahre entdeckten die Gebrüder Aymonod aus Pratteln und Muttenz den schlummernden Schatz im Boden von Weiach. Sie wollten den Kies gewerblich abbauen, scheiterten aber. Der Franz Haniel-Konzern übernahm die Konzession und erstellte 1962 im Hard ein grossangelegtes Kieswerk. Das Werk war die erste Anlage in der Schweiz, mit welcher der Kiesabbau im industriellen Verfahren betrieben wurde. Die Besonderheit der Anlage war, dass von allem Anfang an auf den Bahntransport gesetzt wurde. Und so tragen die Kies- und Aushubwagen auch heute noch den Namen Weiacher in die Schweiz hinaus.

Bis im Frühjahr 2004 war die Weiacher Kies AG eine Tochter der Franz Haniel & Cie. GmbH in Duisburg, Deutschland. Dann wechselte die Konzernsprache von Hochdeutsch auf Französisch. Die Weiacher Kies AG wurde an den Baustoff-Konzern Lafarge mit Sitz in Paris verkauft.

Obwohl die Eberhard’s, Aushübler und Recycler aus Kloten und Oberglatt, schon lange von einem Kieswerk träumten und als einer der besten Aushubkunden mit der Weiacher Kies AG bestens bekannt waren, hatten sie nichts von einem Verkauf geahnt und konnten nicht mietbieten. Das hat auf einer anderen Ebene stattgefunden, eben unter Grosskonzernen. Also hiess es für uns weiter träumen.

Im Februar 2009 erfuhr mein Bruder Hansruedi vom Direktor der Weiacher abends spät an der Bar, dass bei der Lafarge infolge der Finanzkrise die Finanzen im Argen stehen. Die weltweit enormen Zukäufe von Lafarge, wie so üblich mit Fremdkapital finanziert, gingen nicht mehr auf. Es startete ein Milliarden-Desinvestitionsprogramm, das Tafelsilber musste verscherbelt werden. Und dazu zählte auch die Weiacher Kies AG. Eine solche Chance durften wir nicht verpassen. Zum Glück haben wir von unseren Vätern gelernt, die noch so richtig urschweizerisch dachten: Spare in guten Zeiten, damit du hast in schlechten Zeiten.

Und so konnten wir für den Kauf der Weiacher Kies AG ein Angebot einreichen. Dass es nicht günstig war, können Sie sich vorstellen. Die Weiacher Kies AG wirft ja seit Jahren gute Erträge ab, was in den Steuereinnahmen von Weiach zu spüren ist und durch die 5%-Beteiligung der Gemeinde fliesst auch regelmässig eine Dividende in die Gemeindekasse. Der Verkauf musste schnell gehen. Mitte Februar 2009 hatten wir den ersten Kontakt zu den Verkäufern. Am 30. April 2009, also nur 2 ½ Monate später, war das Geld auf dem Konto der Franzosen. Am 2. Mai 2009 durften wir vier Brüder Eberhard mit Stolz vor die Belegschaft der Weiacher Kies AG stehen und uns als die neuen Besitzer vorstellen. Selbstverständlich wurde auch der Gemeinderat von Weiach unmittelbar informiert. Unser Traum vom eigenen Kieswerk ging in Erfüllung.

Wir dürfen sagen: Wir sind glücklich und stolz auf unsere Tochter. Dass dem so ist, durften Sie am letztes Jahr anlässlich des 50-Jahr-Jubiläum der Weiacher Kies mit den Tagen des offenen Kieswerkes und dem Kieswerkspektakel erfahren. Der eine oder andere von euch war sicherlich mit dabei, sei es als Besucher oder Helfer. Dafür nochmals besten Dank. In der Zwischenzeit haben wir uns daran gewöhnt, dass wir mit der Gemeinde Weiach einen verlässlichen Minderheitsaktionär mit an Bord haben und wir wissen das uns gegenüber geschenkte Vertrauen sehr zu schätzen.

So jetzt wisst ihr warum ich hier stehe. Nein, natürlich ist nicht dies der Grund.»

Einfache Verfassungen und komplizierte EU-Verordnungen

«Der wahre Grund ist: wir feiern heute den 722. Geburtstag der Schweiz. Am 1. August 1291 haben die drei Stände Uri, Schwyz und Unterwalden im Bundesbrief Einigkeit beschworen.

314 Worte haben sie dazu gebraucht. Klar, deutlich, einfach. In Gottes Namen, Amen.

Seither ist die Welt etwas komplizierter geworden. Das zeigen alleine die Längen der heutigen Verordnungen.

So hat zum Beispiel ihre Gemeindeordnung der Primarschule über 1670 Wörter.

Die Verfassung des Kantons Zürich zählt über 6600 Wörter:

"Wir, das Volk des Kantons Zürich,
in Verantwortung gegenüber der Schöpfung und im Wissen um die Grenzen menschlicher Macht,
im gemeinsamen Willen, Freiheit, Recht und Menschenwürde zu schützen
und den Kanton Zürich als weltoffenen, wirtschaftlich, kulturell und sozial starken Gliedstaat der Schweizerischen Eidgenossenschaft weiterzuentwickeln"
(...)

Die Bundesverfassung verfügt schon über 20'000 Wörter, 64 Mal so viel wie der Bundesbrief von 1291:

"Im Namen Gottes des Allmächtigen!

Das Schweizervolk und die Kantone,
in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung,
im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken,
im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben,
im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen,
gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen," (...)

Gern zitiert wird die EU-Verordnung zur Einfuhr von Karamelbonbons, die ganze 25'911 Wörter haben soll. Sie war aber glaub ich eine Mär, steht aber trotzdem symbolisch für die heutigen Gesetzgebungen. Was sich zeigt: kein Politiker kann solche Gesetze erläutern, geschweige denn erklären oder verstehen. Unser Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz hatte schon seine Mühe, als er von der Zollverwaltung zusätzlich sogenannt schweizerische Erläuterungen zum Zolltarif, zum Beispiel für's Bünderfleisch, vor dem Parlament vorlesen sollte.»

Die Stärken der Schweiz

«Warum die Welt komplizierter und auch schneller geworden ist, könnte ich euch jetzt anhand der Geschichte der Eidgenossenschaft erzählen. Ich habe aber gemerkt, dass dies «Wasser in den Rhein getragen» wäre. Weiach wurde ja schon 1271, also 20 Jahre vor der Gründung der Eidgenossenschaft, erstmals urkundlich erwähnt, also kennt ihr die Geschichte bestens und ich lasse sie weg. Ich möchte lieber auf das Heute und in die Zukunft schauen.

Warum steht die Schweiz besser da, als viele Staaten im Umfeld?
Einige unserer Stärken sind:
  • direkte Demokratie
  • ein funktionierender Rechtsstaat
  • die liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die jedoch immer wieder gefährdet ist
  • einigermassen offene Arbeitsmärkte
  • eine moderate Steuerbelastung
  • gutes Bildungswesen
Dies sehe ich übrigens immer wieder bei einem meiner Hobbies, dem Unihockey. Die Finnen schiessen bei der Pisa-Studie bekanntlich immer wieder oben aus. Dasselbe gilt im Unihockey. Sie sind zusammen mit den Schweden an der Weltspitze. Darum holen die Schweizer Unihockey-Clubs immer wieder Verstärkung aus Finnland. So auch die Kloten-Bülach Jets.

Was ich feststellen konnte: Im Anschluss an die Grundausbildung fehlt bei den Finnen eindeutig die Berufslehre, wie wir sie haben. Da kommen oftmals 20–22 Jahre junge Spieler in die Schweiz, die haben keine berufliche Ausbildung. Vielleicht haben sie noch knapp einen weiteren Schulabschluss, vielmals können sie aber nur irgendwelche Gelegenheitsjobs ausweisen und dazu ihr Können im Unihockey.

Daraus ist die Stärke unserer Berufslehren ersichtlich. Sie bildet die Grundlage für gute Ausbildungen, trägt zur tiefen Jugendarbeitslosigkeit bei und bildet die hervorragende Grundlage für eine berufliche Karriere und dadurch auch das Fundament für die Existenz einer Familie. Dem müssen wir sehr sehr Sorge tragen.

Unsere Stärken zu pflegen, ist ein Gebot der politischen und der wirtschaftlichen Vernunft.»

Sieben Wünsche aus der Sicht des Unternehmers

«Darum äussere ich hier noch einige Wünsche und Träume:

1. Die Schweiz bleibt weiterhin das innovativste Land der Welt. Als Beispiel: Es findet endlich die Lösung für die weitere Verwendung der enormen Energie, die noch im Atommüll steckt. Da das Lager in Weiach zum Glück nur als Zwischenlager und nicht als Endlager gebaut wurde, ist der Atommüll eben kein Müll sondern ein wertvoller Rohstoff für die Zukunft, der weiter ausgeschöpft werden kann.

2. Ebenfalls Weltmeister ist die Schweiz in der Kombination von Strasse, Schiene, Luftverkehr; Personentransport, Individualverkehr, Öffentlicher Verkehr und Gütertransport. Es geht nicht mehr um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. Leute aus der ganzen Welt kommen und bewundern unsere zukunftsweisenden Systeme ebenso wie die Fabrik, in der die revolutionären Reifen hergestellt werden die keinen Abrolllärm erzeugen und wo die Karosserieteile entwickelt werden, die den Lärm des Fahrtwindes absorbieren.

3. Die lieben Nachbarn aus dem Südbadischen und wir Schweizer haben endlich wieder einen konstruktiven Dialog gefunden und den Wert der gegenseitig guten Beziehungen neu erkannt und schätzen gelernt. Die Fakten des gegenseitigen Nutzens und der zu tragenden Lasten wurden in die Waagschale geworfen und eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden, die den Nutzen der internationalen Erreichbarkeit über den Flughafen Kloten anerkennt, nutzt und schätzt, dies auf beiden Seiten des Rheins.

4. Das duale Bildungssystem der Schweiz konnte weiter gestärkt werden und ist Vorbild für viele weitere Länder. Unsere Lehrlinge sind und bleiben Weltmeister in ihrem Beruf. Wir verfügen dadurch über genügend hochqualifizierte Handwerker, Angestellte und Unternehmer. Aber auch über hervorragende Abgänger an den Universitäten und Hochschulen. Wir kennen keine Jugendarbeitslosigkeit. Wer will, kann etwas erreichen.

5. Das Unternehmertum wird gefördert. Nicht nur an den Schulen, Universitäten und in den Lehrbetrieben, sondern auch von Gesetzes wegen. Es werden nicht ständig neue Regelungen geschaffen, sondern gestrichen und durch Verantwortung, Vertrauen, Experimentieren, Innovieren, Mut und Unternehmertum ersetzt.

6. Das Schweizer Volk hat sämtliche Neidinitiativen wie die 1:12-Initiative, die Mindestlohn-Initiative und die Erbschaftssteuer-Initiative abgeschmettert. Zum Wohl vom Volk, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Die grosse Mehrheit der Unternehmungen waren sich ihrer Verantwortung schon immer bewusst und die wenigen Ausreisser sind auch wieder in der Realität angekommen.

7. Achtung, Respekt, Verantwortung übernehmen und Kritikfähigkeit erlauben es uns Schweizern, einzigartig zu sein, gemeinsam um die beste Lösung zu ringen und unseren Wohlstand über viele weitere Generationen zu wahren.»

Weiach als Akronym - mit einer hintergründigen Bedeutung

«Ganz im Sinne von «WEIACH». Das heisst:
W wie Willen
E wie Einsatz
I wie Innovation
A wie Achtung und Respekt
C wie Chies
H wie Hoffnung und Beständigkeit

Ich danke für das Zuhören und freue mich jetzt auf das gemeinsame Singen.

Da hatte der Schiller im Tell doch gesagt:
Wir sind ein einzig Volk von Brüdern und Schwestern.
Singen aus voller Kehle unsere Nationalhymne.»

Man spürt den Unterschied zu einer Politikerrede. Und erfährt Neues. Darüber wie schnell das Geschäft mit Lafarge zustande kam, beispielsweise. Oder vom langjährigen Traum der Eberhards, eine eigene Kiesgrube zu besitzen. Und so weiter. Besonders gelungen sind der Einstieg und die Ausdeutung des Wortes Weiach am Schluss der Rede.

Diese Ansprache wird wohl die mit Getöse aus der Regionalkonferenz Nördlich Lägern ausgetretenen KLAR!-Leute in ihrer Meinung bestätigen, dass die Firma Eberhard den Standort des Atomabfall-Lagers nur deshalb nach Weiach holen wolle, weil sie grad am passenden Ort Land besitze. Umso mutiger der von Heinz Eberhard als Nr. 1 genannte Wunsch.

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[Veröffentlicht am 22. Januar 2014]

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