Montag, 30. September 2024

Unser Zuchtstier Bismarck wird prämiert, September 1924

«Noch bis in die 1860er Jahre waren die beiden Hauptrassen Braun- und Fleckvieh ziemlich getrennt. Während im Zürcher Oberland und in der Seegegend Braunvieh vorherrschte, hielten das Wehntal und die Bezirke Bülach, Winterthur und Andelfingen mehr Fleckvieh. Im Allgemeinen war der Viehstand aber buntscheckig, von allen möglichen Farben standen in demselben Stalle. Zuchtstiere hatte es viel zu wenig und zumeist minderwertige Ware. Man hielt das Vieh meist so lange, als es irgend möglich war.» (Der Freisinnige, 11. Oktober 1924)

Etwas mehr als ein halbes Jahrhundert später konnte man den Erfolg der Landwirtschaftlichen Vereine sowie grosser Züchter (Maggi-Gutsbetrieb Kemptthal, Kloster Einsiedeln, Strafanstalt Regensdorf, etc.) anlässlich verschiedener grösserer und kleinerer Viehschauen begutachten. 

Simmental rules!

Vor 100 Jahren war Weiach nicht zuletzt dank seiner Viehzuchtgenossenschaft (V.Z.G.) eine Fleckvieh-Gemeinde, die immer wieder Blutauffrischungen aus dem Bernbiet zugekauft hat. Dafür sorgte die 1909 gegründete V.Z.G. Weiach, die explizit den Zweck verfolgte, die «Simmenthaler Fleckviehrasse» voranzubringen (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 117).  

Im September 1924 wurde in Winterthur eine grosse kantonale Landwirtschaftsausstellung ausgerichtet. Aufgeführt wurden sowohl Braunvieh wie Fleckvieh, da beide Schläge im Zürichbiet ihre Anhänger hatten.

Die dort preisgekrönten Fleckvieh-Zuchtstiere trugen mehrheitlich traditionelle Männernamen wie Felix, Ferdi (Ferdinand), Franz (2x), Gerold, Hans/Hansli, Köbel (Jakob), Ruedi oder Sepp (Josef). Aber es gab auch ungewöhnlichere, wie Amor, Cyrus, Hektor, Mäder, Nero, Regent und Sultan. 

Bismarck und Hindenburg

Und wo wir schon bei mächtigen Männern sind, da konnten damals auch die Schwergewichte aus dem Deutschen Reich nicht fehlen: die Viehzuchtgenossenschaft Weiach führte ihren Stier «Bismarck» nach Winterthur und die Eglisauer VZG ihren «Hindenburg». Ob man in Grenznähe wohl auf Kundschaft aus dem Süddeutschen gehofft hat?

Jedenfalls hatten die Weycher und Eglisauer sich politische Schwergewichte ausgesucht: Otto von Bismarck (1815-1898), mit vollem Namen Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, ab 1865 Graf von Bismarck-Schönhausen, ab 1871 Fürst von Bismarck, ab 1890 auch Herzog zu Lauenburg. Und Paul von Hindenburg (1847–1934), mit vollem Namen Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg, deutscher Generalfeldmarschall und Reichspräsident.

Und dann sind da noch unspektakulärere, aber schweizerischere Namen wie «Demokrat» (VZG Brütten) und «Egal» (was uns die VZG Weiningen damit wohl sagen wollte?).

NZZ, 30.9.1924

Hauptsache kräftige Namen

Bei den Braunvieh-Zuchtstieren waren ebenfalls Bezeichnungen Trumpf, die Macht, Kraft und Herrschaft transportieren:  Attilla, Goliath, Hauptmann, Herold, Herzog, König, Prinz (2x), Sultan und Zar (2x). Die ganz konventionellen Männernamen sind ebenso gut vertreten: Noldi (Arnold), Egon, Frank, Hans, Joggi (Jakob), Kilian, Leo (2x), Max oder Willi.

Für heutige Ohren eher ungewöhnlich: Apollo, Bur, Dingo, Ebro, Falk, Fink, Fino, Hektor, Jodler (2x), Landenberg, Lenz, Liliput, Luchs, Madi, Mozzo, Naranco, Nelson, Nolli, Nudri, Pius, Roggen, Vebo und Wallo. Ganz unerwartet auch Namen, die man eher bei Kühen erwarten würde: Fortuna oder gar Venus.

2024 sind laut der Tierverkehrsdatenbank des Bundes übrigens die nachstehenden zehn Namen für Stierkälber schweizweit am häufigsten (in dieser Reihenfolge): Max, Leo, Bruno, Anton, Sämi, Hans, Paul, Fritz, Sepp, Emil.

Jeder Rasse ihre eigenen Kategorien-Grenzen

Wer sich den Bildausschnitt oben etwas näher angesehen hat, wird ob der Kategorien schon etwas ins Grübeln kommen. Wo für Braunvieh-Zuchtstiere noch folgende nachvollziehbaren Grenzen galten:

geb. nach 28. Februar 1923  
geb. vor 1. März 1923 und nach 31. Juli 1922
geb. vor 1. August 1922 und nach 30. Sept. 1921
geb. vor 1. Oktober 1921

da war (laut NZZ) für Fleckvieh-Zuchtstiere etwas Unordnung zu verzeichnen:

geb. nach 31. Dezember 1922 [wäre nach 1. Juni 1923 korrekt?]
geb. vor 1. Juni 1923 und nach 31. Oktober 1923 [recte: 1922]
geb. vor 1. Nov. 1922 und nach 28. Febr. 1921
geb. vor 1. März 1921

Es handelt sich wohl um ein Versehen, ob des Autors oder der Schriftsetzer sei dahingestellt.

Quellen

[Veröffentlicht am 8. Oktober 2024 um 23:55 MESZ]

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