Samstag, 16. November 2019

Auch Bismarck würde gnadenlos betrieben

Manche Stilblüten machen die Runde durch die Gazetten. Vor allem wenn sie träf sind und noch ein wenig schräg daherkommen. Dann nehmen sogar geographisch weit entfernte Redaktoren davon Notiz und kolportieren sie in ihrem Blatt.

Mit einem Weiacher Thema war das gegen Ende des Jahres 1881 der Fall. Die Armengemeinde Weiach, damals (und bis Ende der 1920er-Jahre) eine eigene Körperschaft wie die Primarschulgemeinde oder die Kirchgemeinde, war offensichtlich etwas knapp bei Kasse. Das ist kein Wunder, denn sie war mit irdischen Gütern (Land, Wald und Kapital) nicht gerade üppig ausgestattet um ihre Aufgabe, die Sozialhilfe, erfüllen zu können.

Dass in dieser Behörde meist auch der Herr Pfarrer und einer der Lehrer Einsitz hatten, zeigt sich an der aufgepfefferten Version einer amtlichen Anzeige, die es über den Bülach-Dielsdorfer Volksfreund (später: Neues Bülacher Tagblatt) in eine andere freisinnige Regionalzeitung schaffte, das heutige Thuner Tagblatt:

«Amtlicher Styl. Im „Bülach-Dielsdorfer Volksfreund" liest man folgende Anzeige von Weiach: „Weil diesen Winter kein Steckenhau unter die Bürger vertheilt wird und man die gewöhnlichen Maßregeln nicht in Anwendung bringen kann, so haben die Ausstehenden, und wenn es selbst Bismarck wäre, sofortigen Rechtstrieb zu gewärtigen. Die Armengutsverwaltung."» (Quelle: Thuner-Blatt, 3. Dezember 1881)

Der amtierende deutsche Reichskanzler Bismarck musste also als Vergleich herhalten. Auch gut Vernetzte mit Zahlungsrückstand, die teils mit Glacéhandschuhen angefasst wurden, erhalten hier einen Schuss vor den Bug: Zahlung oder Betreibung!

In einem Dorf wie Weiach blieb das zwar kaum einem verborgen, wenn der Gemeindeammann (Betreibungsbeamter) bei jemandem vorstellig wurde.

In diesen Jahren ging es allerdings vielen Weiachern wirtschaftlich sehr schlecht, was sich in einer extremen Häufung von Betreibungen, Konkursen und Versilberungsganten äusserte. Entsprechend unbeliebt machte sich der Gemeindeammann – ein öffentliches Amt, das man als Gewählter so schnell wie möglich wieder loszuwerden versuchte.

Dass eine solch klare öffentliche Ansage gerade in diesen Jahren stattfand ist also indirekt auch ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Adresse des Weiacher Gemeindeammanns. Denn der wurde im selbigen Jahr «gerichtlich wegen fahrläßiger Amtspflichtverletzung bestraft», wie schon sein Amtsvorgänger im Jahre 1876. Das kann man den «Rechenschaftsberichten» des Obergericht an den Kantonsrat für die fraglichen Jahre entnehmen (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 36).

Quellen

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