Samstag, 30. November 2024

Der Tod in nächster Nähe ist der beste Impfluencer

Wer nicht dran glauben will, der muss schon daran glauben wollen! Und sei es mit dem eigenen Portemonnaie. Gemeint ist die Impfung und die ihr zugeschriebene Wirkung. 

Nein, die Rede ist nicht von Corona. Hier geht es um einen anderen Fall von medizinbehördlichem Nudging, der sich vor 200 Jahren abgespielt hat.

Damals ging es um eine «Kinderblattern» genannte Krankheit. Hohe Infektiosität und Letalität zeichnen sie aus. Aber: Sie kann nur durch den Menschen weitergegeben werden. Es handelt sich um die seit 1979 weltweit erfolgreich ausgerotteten Pocken (Erreger: Orthopox variolae).

Sanitäts-Collegium trifft alle nöthigen Policey-Maßnahmen

«Die Pocken zeigten sich im letzten Jahre [1823] nirgends im Kanton, hingegen wurden 4897. Kinder geimpft, und dazu an Unterstützungen 1704. Frk[en]. ausgegeben.» (Jahresbericht des Sanitäts-Collegii, 29. Juni 1824, S. 28; StAZH MM 1.88 RRB 1824/0608)

Im darauffolgenden Jahr sah das schon ganz anders aus:

«Von der Pockenkrankheit zeigten sich, aus dem Vorarlbergischen durch Ansteckung eingebracht, an einigen Orten in unserm Kanton Spuren, die aber, Dank der ausgebreiteten Vaccination, nirgends um sich griffen. Das Sanitäts-Collegium traf für diese Fälle selbst alle nöthigen Policey-Maßnahmen, bestrebte sich aber, durch die bey dem Publikum vermehrte Besorgniß erscheinender Gefahr unterstützt, mit gutem Erfolge dem erprobten Schutzmittel eine allgemeinere Anwendung zu verschaffen. Es wurden daher auch in diesem Jahre 5434. Impfungen vorgenommen, und hingegen der Starrsinn und Eigenwillen eines Vaters von zehn Kindern, welcher sich derselben widersetzte, zu abschreckender Warnung öffentlich bekannt gemacht.» (Jahresbericht des Sanitäts-Collegii. 17. Mai 1825, S. 67; StAZH MM 1.91 RRB 1825/0365)

Vor 200 Jahren forderte die Krankheit noch Opfer...

Die Zentralbibliothek Zürich twitterte dazu vor anderthalb Jahren: «Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Pocken in Europa weit verbreitet und etwa 10 % der Infizierten starben. Als sie im Winter 1824 im Kanton Zürich ausbrachen, versuchte die Regierung, die Bevölkerung von der Pockenimpfung zu überzeugen.» (ZBZ, 18. Mai 2022, 14:00)

Diese Impfung gab es damals bereits seit rund 25 Jahren und etliche Staaten (u.a. das Königreich Dänemark) hatten bereits eine Impfpflicht eingeführt. Im nach der Helvetik und Mediationszeit 1815 wieder unabhängig gewordenen Zürcher Stadtstaat war das nicht der Fall. Bei uns versuchte die Regierung, die Untertanen per Flugblatt zu überzeugen:

... aber offensichtlich nicht genug für eine Impfung

Dazu schreibt die ZBZ: «Der hier vorgestellte Impfaufruf wurde im Winter 1825 als Flugblatt an die Bevölkerung verteilt. In der Pockenwelle 1825/26 erkrankten 125 Menschen, von denen 24 verstarben.» (ZBZ, 18. Mai 2022 14:01)

Zum Vergleich: Umgerechnet auf die heute im Kanton ansässigen 1.6 Mio. Einwohnern wären das rund 1000 Erkrankte, wovon 200 sterben würden.

1793 zählten die Kirchgemeinden des Stadtstaates Zürich rund 182'000 Einwohner (mit Stein am Rhein, Dörflingen (heute SH), Basadingen, Schlattingen (heute TG), sowie Sax, Sennwald und Salez im heutigen St. Galler Rheintal; den Freiämtler Gemeinden (heute AG) sowie Tegerfelden und Zurzach im ebenfalls aargauischen Studenland). [Quelle: MagPhysPolitZEuropKol 1793]

1850 waren es (bei verkleinertem Gebiet; nur Rheinau, Hüttikon, Dietikon, Schlieren und Urdorf kamen 1803 dazu) erst rund 251'000 Einwohner. [Quelle: e-HLS Artikel Zürich (Kanton)]

Kuhpocken machen Bauernfamilien immun

Bei solchen Infiziertenzahlen kann man sich in etwa vorstellen, wie eifrig die Zürcherinnen und Zürcher sich haben impfen lassen. Es gab ja noch etliche andere Seuchen, an denen man zu Tode kommen konnte. Viele vertrauten überdies auf ihre natürlich erworbene Immunität, zumal auf dem Land, wo man sich in der Regel durch die Kuhpocken für genügend geschützt hielt. Dasselbe Kuhpockenvirus, das seit 1799 für die Schutzimpfung genutzt wurde. Denn der Erreger der Kuhpocken, Orthopox vaccinia, ist ein enger Verwandter des Variola-Virus, das den schweren Verlauf beim Menschen verursacht. Wer von ihm (bspw. beim Melken der Kühe an deren Euterblattern) infiziert wurde, war in der Regel auch gegen die Menschenpocken-Viren immun.

Ungeimpfte zahlen für ihren eigenen Lockdown

Was im Winter 1824 begonnen hatte, das war im Frühling 1826 noch nicht vorbei. Im Kanton Luzern griffen die Behörden in Beromünster und Aesch jedenfalls knallhart durch, wie man der damals nur zweimal wöchentlich (am Mittwoch und am Samstag auf je vier Seiten) erscheinenden NZZ entnehmen konnte:

«Die Häuser worin Pockenkranke sind, sollen in Bann gelegt, das will sagen, mit Wache versehen werden, die jede Gemeinschaft mit deren Bewohnern hindere; dazu können Landjäger oder in deren Ermanglung andere tüchtige Leute gebraucht werden. Die daherigen Kosten fallen ausschließlich auf jene Hausväter, in deren Wohnungen die Pocken herrschen.» (Neue Zürcher-Zeitung, Nro. 24, Sonnabend den 25. März 1826, S. 93; Titelseite) 

Die Luzerner Obrigkeit liess also die Häuser von Pockenkranken polizeilich bewachen und überband die Kosten dafür dem Haushaltsvorstand! Ob das im Kanton Zürich auch so gehandhabt wurde, habe ich bislang nicht herausgefunden. Aber auch in Weyach wurde eine «strenge Eingränzung» verfügt, wie man der darauffolgenden NZZ-Ausgabe entnehmen kann.

Weyach 1826: Durchschlagender Impferfolg

Die Zürcher Obrigkeit hat es nicht unterlassen, einen wohl so nicht erwarteten Impfkampagnen-Erfolg im März 1826 über die Zeitungen verbreiten zu lassen:

«Zur Fortsetzung der von Zeit zu Zeit mitgetheilten warnenden Pockenberichte, entheben wir einem bezirksärztlichen Bericht vom 25. März, die nachfolgenden Angaben aus dem ansehnlichen Pfarrdorfe Weyach, im Zürcherschen Oberamt Regensberg. Von drey Blatternkranken, die durch Einbringung der Seuche angesteckt wurden und die nie geimpft waren, starben zwey erwachsene Personen; fünf ungeimpfte Kinder im nämlichen Haus wurden nun zwar alsbald geimpft, aber die Ansteckung der natürlichen Blattern war vorausgegangen und sie wurden von diesen befallen. Durch zweckmäßige Verfügungen und schnell veranstaltete Schutzpockenimpfungen ist die weitere Verbreitung der Krankheit verhütet worden. Weder Eltern noch Geschwister durften die Verstorbenen zum Grabe geleiten und stark blatternnarbige Männer haben ihre Särge getragen. Die strenge Eingränzung der Häuser, in denen die Pockenkranken wohnten und der schnelle Tod zweyer Erwachsener Personen durch die Pocken, haben viele ungläubige Haushaltungen in gläubige verwandelt; alles nahm nun eilige Zuflucht zum Impfen, und nicht nur Minderjährige wurden dem Impfarzt gebracht, sondern es meldeten sich auch halb und ganz Erwachsene, selbst verehlichte Personen, so daß in kurzer Zeit 77 Angehörige dieser Gemeinde geimpft worden sind.» (Neue Zürcher-Zeitung, Nro. 25, Mittwoch den 29. März 1826, S. 98)

Die NZZ war stramm auf Regierungslinie

In der Disziplin des regierungstreuen Verlautbarungsjournalismus musste die 1780 gegründete NZZ schon immer gut sein. Bei einer Zeitung, die im Hinrichtungsjahr des Schwirbelkopfes Pfr. Johann Heinrich Waser gegründet wurde, gehört das sozusagen zur Grundausstattung der Blattlinie. Als Überlebensprogramm war das auch in der Restaurationszeit des Biedermann die angesagte Strategie.

Interessant ist die Beschreibung der stark blatternnarbigen Sargträger. Das waren also Personen, die bereits an Pocken erkrankt waren und diese überlebt hatten, wie man ihren vernarbten Gesichtern, etc. angesehen hat. Hier setzte man also auf natürliche Immunität.

Das behördliche Narrativ setzt primär bei den Ungeimpften an: Drei erkrankten an den Pocken und zwei starben. Die hohe Todesrate von 2/3 habe – so wird insinuiert – ihre Wirkung nicht verfehlt. Wenn hier die Verehelichten speziell genannt werden, dann deshalb, weil diese im Schnitt schon länger erwachsen waren, da man für die Heiratserlaubnis genügend Vermögen vorweisen musste.

Elf Prozent aller Weycher neu geimpft

Die Behörden wollten das offensichtlich als Erfolg verkauft wissen. Nicht erwähnt wird, wieviele Weiacherinnen und Weiacher schon gegen Pocken geimpft waren. 

Die damaligen Einwohnerzahlen für Weyach: 1824 – 671; 1827 – 700. Das waren also um die 11 Prozent, die sich in Weiach allein durch dieses Ereignis für eine Impfung entschieden haben. 

Viel oder wenig? Jedenfalls einmal ein Anlass für die Amtsärzte, die Propagandatrommel fürs Impfen zu rühren. Und die militärische Metapher ist hier durchaus angebracht. Denn im Bereich der Pocken sahen sich diejenigen Mediziner, die ans «Vaccinieren» glaubten, auf einem Feldzug. Was heute ja nicht ganz anders ist.

Propagandafeldzug, Anno 1804

Bereits 20 Jahre früher, also nur 5 Jahre (!) nach der Entwicklung der Pockenschutzimpfung, propagierte die Gesellschaft der Wundärzte auf dem Schwarzen Garten – eine Zürcher Ärztevereinigung – diese Neuerung, indem sie in Neujahrsblättern ein Lob aussprach auf «den klugen Hausvater und die vorurteilsfreie Hausmutter», die sich «mit der beruhigenden Überzeugung, das Beste gewählt zu haben» für eine Schutzpockenimpfung entschieden hätten.

In genanntem Neujahrsblatt war denn auch eine Stadtbürgerfamilie mit ihren Kindern abgebildet, die gerade geimpft worden waren und dafür ihr Blatterngeschenk (das Mädchen ein Bäbi, der Knabe ein Steckenpferd) erhalten. Dieses Geschenk schickten die Verwandten, wenn die Kinder einer Familie die Blattern überstanden hatten. Nun, so die Ärztevereinigung, könne man seinen Kindern das alles ersparen: «Sie sind nicht schwach und kränkelnd, diese Kleinen; sie leiden an keinen üblen Folgen der Krankheit; ihre Gesichter sind nicht verunstaltet; ihre Augen haben keinen Schaden gelitten; sie können sogleich Freude haben an ihren Geschenken.» (zit. n. Blog Hauptbibliothek Universität Zürich, vgl. Literatur)

Für Risiken und Nebenwirkungen...?

Die Verkaufsargumente sind also ganz ähnlich den heutigen, Incentives inklusive. Trotzdem waren viele – besonders auf dem Land – höchst skeptisch. Denn allzu oft erlebten (und erleben) sie im täglichen Leben wie ihre Ärzte und Tierärzte im Nebel stochernd nach den Ursachen suchten, sie nicht wirklich fanden und dann allzu gerne ein Allheilmittel verschrieben haben. Von möglichen Impfschäden sprach von diesen Fortschrittsgläubigen dann natürlich auch kaum einer.

Quellen und weiterführende Literatur

  • [MagPhysPolitZEuropKol]: Magazin zur nähern Kenntniß des physischen und politischen Zustandes von Europa und dessen auswärtigen Kolonieen. 3,1/4. 1793/94 ## Bd. 3,2  No. 2, 1793.
  • Neue Zürcher Zeitung. Nro. 24, 25. März 1826, S. 93 Nro. 25, 29. März 1826, S. 98.
  • Suter, M. et al.: Zürich (Kanton). In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 24. August 2017.
  • N. N.: Die Anfänge der Pockenimpfung in Zürich. In: Blog der Hauptbibliothek der Universität Zürich, 14. Juni 2021
  • Tribelhorn, M.; Gerny, D.: Die Urangst vor der Impfung: «Früher fürchteten sich die Leute vor Menschen mit Kuhköpfen». In: Neue Zürcher Zeitung, 29. Oktober 2021.
  • Vivienne Kuster, V.; Häfliger, M., Loser, Ph.: Haben wir eine tiefe Impfquote, weil es uns zu gut geht? «Apropos» – der tägliche Podcast. In: Tages-Anzeiger Online, 8. November 2021.
  • Zentralbibliothek Zürich (Hrsg.): CitizenScience Projekt  Schul(zeit)reisen digital. Mehr erfahren: https://t.zbzuerich.ch/impfkampagne. Eine frühe Impfkampagne Arbeitsblatt (mit vollständiger Transkription der behördlichen Impfaufrufe) & Lehrpersonenunterlage (mit weiterführenden Links).
[Veröffentlicht am 1. September 2025 um 14:27 MESZ]

Donnerstag, 28. November 2024

Der Damast liegt oberhalb der mittleren Rebstrasse

In WeiachBlog Nr. 2009 steht zum Flurnamen «Damast» u.a.: «Die bislang älteste Nennung, die ich finden konnte, datiert auf das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Der von Willi Baumgartner-Thut der Nachwelt zur Kenntnis gebrachte Plan des Rebstrassenprojekts (1909-1911) weist ihn in der heutigen Schreibweise auf.» Dabei wurde aber sowohl die Beigabe des Plans versäumt, aus dem die konkrete Verortung des Flurnamens «Damast» hervorgeht, als auch die Referenzierung der angesprochenen Unterlage unterlassen.

Wichtig ist das, weil eine Diskrepanz zwischen der Auffassung des Planes «Rebweganlagen Weiach» von 1908 und dem Flurnamenplan von Boesch von 1958 besteht. Gewährsmann für Prof. Boesch war mutmasslich der damalige Gemeindepräsident Albert Meierhofer-Nauer.

Herr Professor, wo ist die Flur «Im Lee»?

Laut dem ein halbes Jahrhundert älteren Rebweganlagen-Plan ist der Damast ausschliesslich oberhalb der heutigen Leestrasse zu verorten. Und zwar vom Oberdorf her gesehen im Abschnitt zwischen der Verzweigung Winkelstr./Oberdorfstr. und der Einmündung des Rebwegs in die Trottenstrasse, was wiederum der horizontalen Ausdehnung nach Boesch entspricht. Am selben Abschnitt ist zwischen Trottenstrasse und Leestrasse der Flurname «Im Lee» eingezeichnet.

Baumgartner-Thut 2023, S. 39

Bei Boesch hingegen fehlt diese Flurbezeichnung «Im Lee» völlig (vgl. WeiachBlog Nr. 2009)! Nach seiner Auffassung umfasst die Flur Damast auch dieses Lee und ist damit rund doppelt so gross. Zollinger andererseits unterschlägt zwar in seiner Flurbezeichnungen-Liste die Flur Damast, führt dort jedoch den Namen «Im Lee» auf, mit der Erläuterung: «Hang zwischen unterer und mittlerer Rebstrasse» (vgl. Zollinger 1972, S. 88). Er folgt in diesem Punkt also dem Rebweganlagen-Plan.

Laut einer älteren Flurnamenliste im Ortsgeschichte-Ordner Pfister/Zollinger (Teil Zollinger, d. Vereinzelte) ist allerdings die Lage der Flur «im Lee» noch wie folgt beschrieben: «an mittl. Rebstr., wo Haus Pfenninger steht». Damit ist das 1962 von der Gebäudeversicherung mit Nr. 313 aufgenommene Haus Leestr. 23 gemeint. [Abschnitt ergänzt]

Man erkennt aus dieser kurzen Auslegeordnung erneut, wie fluide solche Flurnamen in der Landschaft sind. Und was die Wahl der Gewährsperson und/oder der Verzicht auf den systematischen Beizug bereits bestehender lokaler Pläne und Karten anrichten können.

Quellen und Literatur

  • Boesch, B.: Orts- und Flurnamen-Karte Gemeinde Weiach. Erfassungen der Jahre 1943-2000 (Signatur: StAZH O 471). Datenerfassung für Weiach durch Prof. Bruno Boesch mit dem Gewährsmann Alb. Meierhofer, 1958.
  • Zollinger, W.: Weiach 1271-1971. Aus der Vergangenheit des Dorfes Weiach. Rückentitel "Chronik Weiach", 1. Aufl. Weiach 1972, S. 88.
  • Baumgartner-Thut, W.: Der Rebberg von Weiach im 20. Jahrhundert. Weiach 2023. -- Reb- und Wiesland um 1910 gemäss Landabtretungstabelle, S. 4; Junge Obstbäume, S. 39 (Bild oben) sowie Rutschverbauung im Rebberg, S. 67.
  • Brandenberger, U.: Wie kam der Flurname «Damast» zustande? WeiachBlog Nr. 2009, 13. November 2023.

[Ergänzter Abschnitt und Korrekturen eingefügt am 23.12.2024; Bild und Bildlegende eingefügt am 22. April 2025]

Sonntag, 24. November 2024

Ein Völkchen von autobahnfreundlichen Vermietern?

Der Abstimmungssonntag war für einmal ein rein eidgenössischer. Keine kantonalen und keine kommunalen Vorlagen standen zur Entscheidung. Umso erstaunlicher ist der Service, den die Gemeindeverwaltung auf der offiziellen Website für die Stimmberechtigten bereitstellt. Es fehlen nur noch die Verlinkungen auf das Bundesblatt (BBl):

Eidgenössische Abstimmungsvorlagen:

1.    Bundesbeschluss vom 29. September 2023 über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen (BBl 2023 2302);

2.    Änderung vom 29. September 2023 des Obligationenrechts (Mietrecht: Untermiete) (BBl 2023 2288);

3.    Änderung vom 29. September 2023 des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) (BBl 2023 2291);

4.    Änderung vom 22. Dezember 2023 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen) (BBl 2024 31).

Beim Thema Nationalstrassen ist im Unterland faktisch eine Einheitsfront für ein Ja zu verzeichnen, einzig das Städtchen Regensberg ist um Haaresbreite auf die Nein-Seite gekippt (94 Ja zu 96 Nein).

An der Eigenbedarfskündigung scheiden sich die Geister

Schaut man sich die Resultate im Gemeindevergleich an, dann wird deutlich, dass Weiach nicht zwingend konform geht mit anderen Unterländer Gemeinden. Besonders deutlich wird das beim Thema Mietrecht. Links die Ergebnisse der Vorlage 3 (Kündigung wegen Eigenbedarfs), rechts die der Vorlage 2 (Untermiete):

Bildquelle: https://app.statistik.zh.ch/wahlen_abstimmungen

Die Frage der Eigenbedarfskündigung bewegt die Stimmberechtigten wesentlich mehr als der Bereich Untermiete. Das zeigt sich deutlich am Umstand, dass viele in Sachen Untermiete noch befürwortende Gemeinden beim Eigenbedarf zu Nein-Mehrheiten gekippt sind.

In Weiach und seinen Nachbargemeinden hingegen sieht es so aus wie an der mittleren Goldküste. Man könnte fast meinen, im Unterland würden mehrheitlich Vermieter wohnen. Nachstehend die Weiacher Resultate:

Da die Prozentzahlen im offiziellen Protokoll nicht enthalten sind, seien sie hier nachgereicht:
  • Nationalstrassen: 63.03 % Ja
  • Mietrecht. Untermiete: 55.64 % Ja
  • Mietrecht. Kündigung wg. Eigenbedarfs: 54.68 % Ja
  • Einheitliche Finanzierung KVG-Leistungen: 56.45 % Ja

Schweizweit wurde übrigens nur die Vorlage 4 zur KVG-Finanzierung angenommen. Die drei anderen Vorlagen sind bachab geschickt worden.

Das Stimmlokal ist fast nur noch für Traditionsbewusste offen

Im oben erwähnten Regensberg liegt die Stimmbeteiligung bei rund 60 %. Das Kontrastprogramm findet man am Rheinufer. Gerade einmal rund 34 % der in Weiach Stimmberechtigen haben sich dazu bequemt, ihr Stimmrecht auch auszuüben, davon über 93 % mittels Briefwahl. Es lohnt sich fast nicht mehr, das Stimmlokal zu öffnen.

Die im Titel gestellte Frage ist natürlich eine recht rhetorische. Dennoch: Worauf sind diese Ja-Mehrheiten zurückzuführen? Hängen sie vor allem mit der bei uns schon notorischen Stimmabstinenz zusammen? Das ist durchaus möglich. Es kann gut sein, dass überproportional ältere, automobil habituierte Personen mit Wohneigentum ihr Stimmrecht wahrgenommen haben.

[Veröffentlicht am 17. August 2025 um 17:17]

Mittwoch, 20. November 2024

Si tacuisses... Vorlauter Gemeindepräsident

Manchmal ist es besser zu schweigen und gegenüber seinem Hofjournalisten kein Statement abzugeben. Denn hättest Du geschwiegen (so die Bedeutung des lateinischen Titelbeginns) wärst Du zwar nicht Philosoph geblieben (wie das geflügelte Wort im Original weitergeht), aber zumindest ein souveränerer Präsident, besserer Teamspieler und ausgefuchsterer künftiger Verhandler. 

Was ist vorgefallen? Gestern hat die Nagra unter erheblichen Begleitgeräuschen und Rascheln im Zeitungswald das sogenannte Rahmenbewilligungsgesuch für das Tiefenlager Nördlich Lägern beim Bundesrat eingereicht.

Die einen halten sich bedeckt... 

Astrit Abazi, seines Zeichens Journalist des Zürcher Unterländer, hat dazu am letzten Samstag in der Online-Ausgabe, am Montag auch in Print-Form einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel «Mögliches Referendum gegen das Tiefenlager spaltet die Region». Und fasst die Angelegenheit im Untertitel so zusammen: «Der Entscheid, wo das Lager für radioaktive Abfälle hinkommt, soll vors Volk. Das fordern Kritikerinnen und Kritiker. Die Standortgemeinden sehen es anders.» 

Liest man dann den Beitrag, dann sieht das allerdings so aus: Der Stadler Gemeindepräsident Schaltegger äussert sich zur Referendumsfrage nur indirekt und betont, der Gemeinderat werde die «spezifischen Interessen von Stadel» vertreten sowie «zeitnah und transparent» informieren. Abazi weiter: «Auch der Glattfelder Gemeindepräsident Marco Dindo möchte sich nicht dazu äussern.» 

Bei den politischen Exponenten unserer Nachbarn kann man da also nicht sagen, was sie denken. Ganz anders bei unserem eigenen Häuptling. 

... die andern fallen mit der Tür ins Haus

«Weiachs Gemeindepräsident Stefan Arnold wiederum macht klar: «Nein, die Gemeinde Weiach unterstützt kein Referendum.» Die politischen Behörden seien seit Jahren intensiv in den Prozess um das geologische Tiefenlager involviert worden. «Diese jahrelange, sachlich-kritische Auseinandersetzung mit allen relevanten Parteien und Organisationen basiert auf einer soliden Vertrauensbasis. Es gibt ein hohes Vertrauen in die bis heute involvierten Institutionen und in die unabhängige Prüfbehörde, welche den Prozess überwacht», sagt Arnold. [WeiachBlog: Er meint wohl das ENSI, eine Bundesstelle] 

Dass Gegner des Projekts ein Referendum ergreifen würden, sei klar gewesen, sagt Arnold. «Gleichzeitig möchten wir darauf hinweisen, dass viele der Gegner grundsätzlich Bedenken gegenüber dem Konzept eines Tiefenlagers haben, ohne bisher konkrete und konstruktive Alternativvorschläge zu unterbreiten.» Das erschwert es, den Diskurs auf eine sachliche und lösungsorientierte Ebene zu bringen. Arnold betont ausserdem, dass erst jetzt überhaupt die Prüfung und die Machbarkelt eines Tiefenlagers am besagten Standort beginnen. «Es wäre wohl viel seriöser, den langjährigen Prüf- und politischen Prozess abzuwarten», sagt er. «Denn – Stand heute – ist der Standort Nördlich Lägern lediglich ein Standortvorschlag.»»

Kommentar WeiachBlog 

Angesichts dieses Zitatefüllhorns weiss der Kommentator kaum, wo er anfangen soll... 

O-Ton Abazi: «Die Standortgemeinden sehen es anders».

Wirklich? Herr Abazi, ist Monsieur Arnold der Mediensprecher der Tiefenlager-Gemeindepräsidentenkonferenz GlaStaWei? Vielleicht sind ja Schaltegger und Dindo ganz anderer Meinung.

Oder ist Weiach allein massgebend? Genauer gesagt: nur der Weiacher Gemeinderat? Wir wissen ja nicht einmal, ob es sich bei dieser Auffassung um einen Gemeinderatsbeschluss, oder zumindest einen begründeten Konsens der Gemeinderäte und -innen handelt. Oder ob das nur die Privatmeinung des Herrn Präsidenten ist.

Was ist der Wille des Volkes?

O-Ton Arnold 1: «Nein, die Gemeinde Weiach unterstützt kein Referendum.»

La commune, c'est moi? Hat der Präsident je einmal Anstalten gemacht, herauszufinden, wie die Weiacher in ihrer Gesamtheit darüber denken? Und da geht es nicht nur um die Stimmberechtigten.

Ein solches Stimmungsbild wäre für ihn als – selbsternannten? – Verhandlungsführer in der Entschädigungsfrage dann doch von grosser Bedeutung. Läge eine repräsentative Meinungsumfrage vor, dann ist es egal, ob sie zugunsten der Nagra oder gegen das Projekt ausfällt. In den Verhandlungen mit der Atomlobby kann man das so oder so in klingende Münze umsetzen. Sind die Leute mehrheitlich positiv, dann braucht es Finanzspritzen, damit das so bleibt. Sind sie negativ eingestellt, dann kann man darauf pochen, dass man den Ortsansässigen zumindest mit möglichst viel Geld den Schneid abkauft.

Wo läge das Problem, wenn die Stimmung so ist, wie vor der ersten NAGRA-Bohrung, als die Gemeindeversammlung am 17. September 1980 mit 104 gegen 2 Stimmen konsultativ gegen das Vorhaben war? Auch dann ist es nur eine Frage des Verhandlungsgeschicks, die Haut der Weycher so teuer wie möglich zu verkaufen. Denn wenn die Atomlobby eines nicht brauchen kann, dann sind es unschöne Bilder, die in die Stuben von Herrn und Frau Schweizer flimmern. Bilder mit einer ihr ablehnend gegenüberstehenden Lokalbevölkerung, die auf die Barrikaden geht. Ob dann Mistgabeln und Traktoren mit von der Partie sind oder nicht.

Ungelegte Eier, aber vorsorglich kräftig gackern? 

O-Ton Arnold 2: «Es wäre wohl viel seriöser, den langjährigen Prüf- und politischen Prozess abzuwarten. Denn – Stand heute – ist der Standort Nördlich Lägern lediglich ein Standortvorschlag.»
 
Richtig. Das wäre es. Und erst in ca. sechs Jahren werden wir wissen, wie ein allfälliges Referendum ausfällt. Es kann ja durchaus sein, dass bei den Hiesigen bis dahin aus Passivität offene Ablehnung wird. Oder die Technologieschiene sich in eine andere Richtung entwickelt hat, daran arbeiten ja u.a. die Chinesen mit Hochdruck (Stichwort: Vierte Generation and beyond). Wenn aus Abfällen begehrte Rohstoffe werden, dann redet von Verlochen kein Mensch mehr. 

Da fragt man sich erst recht, wieso der Herr Präsident bei dieser Ausgangslage überhaupt nur schon von einer Verhandlungsführung mit den Atömlern zu träumen begonnen hat. 

Das geneigte Publikum darf sich seinen Reim darauf selber machen.

Quelle
  • Abazi, A.: Mögliches Referendum gegen das Tiefenlager spaltet die Region. In: Zürcher Unterländer, 18. November 2024, S. 3.

Dienstag, 19. November 2024

Gemeinderat gesteht: Schuldenobergrenze bleibt ein Luftschloss

«Im aktuellen Plan werden die finanzpolitischen Ziele mehrheitlich erreicht. Mit dem Infrastrukturneubau kann die Verschuldung allerdings während mehrerer Jahre nicht bei den gewünschten 5'000 Franken je Einwohner begrenzt werden. Dies ist dem Gemeinderat bewusst – als langfristiges Ziel wird die Obergrenze dennoch beibehalten.

Der Gemeinderat hat den Finanzplan 2024-2028 genehmigt. Dieser wird der Gemeindeversammlung vom 5. Dezember 2024 zur Kenntnisnahme vorgelegt.» (MGW, November 2024, S. 6)

Wie hoch sie denn nun wirklich sein wird, das verschweigt der Gemeinderat in seiner Berichterstattung im Mitteilungsblatt. Wird es bei den 9000 Franken liegen, von denen in früheren Finanzplänen die Rede ist (vgl. WeiachBlog Nr. 2000)? Wir wissen es nicht, denn der neue Finanzplan 2024-2028 ist immer noch nicht veröffentlicht.

Nur der Beleuchtende Bericht ist Pflicht

Muss der Gemeinderat aber auch nicht. Laut dem Gemeindegesetz (§ 19 Abs. 2 GG-ZH) hat der Gemeindevorstand lediglich den Beleuchtenden Bericht zum Budget spätestens zwei Wochen vor der Gemeindeversammlung den Stimmberechtigten zur Verfügung zu stellen, d.h. im Fall der Gemeinde Weiach auf der Gemeindewebsite aufschalten oder im Gemeindehaus auflegen zu lassen. Als Randnotiz sei erwähnt: Immerhin steht in besagtem Gesetzesartikel auch, dass die Gemeinde verpflichtet ist, den Beleuchtenden Bericht jedem Stimmberechtigten auf dessen Verlangen kostenlos zuzustellen.

Der Steuerzahler muss massiv tiefer in den Sack greifen

Doch zurück zur Hauptsache: In welche Richtung sich das Weltfinanzsystem bei einem nicht unwahrscheinlichen Zusammenbruch der US-Überschuldungswirtschaft entwickeln wird, wissen wir nicht. Ein Zusammenbruch liegt durchaus im Rahmen des Möglichen. Der in früheren Zeiten normalerweise übliche Zins belief sich auf 5 % vom aufgenommenen Kapital. Bei den 20 Millionen CHF Schulden (9000 CHF x 2200 Einwohner) wären das nur schon für den Schuldendienst 1 Mio. Franken pro Jahr, entsprechend mind. 25 Steuerprozenten. 

Wie man das neben allen anderen Ausgaben künftig stemmen will, wenn die Kiesentschädigungen wegbrechen (und das werden sie mit Sicherheit) und falls die Tiefenlagermillionen ausbleiben, auf die man die Stimmberechtigten in verantwortungsloser Manier hoffen lässt (vgl. Beleuchtender Bericht zu «Zukunft8187», S. 24, Abschnitt «Fazit und Empfehlungen»), darüber schweigt der Finanzvorstand lieber. Und versucht stattdessen, Kritiker seines Hazardspiels durch öffentliche Herabsetzung zum Schweigen zu bringen.

[Zweiter Zwischentitel und Präzisierung Fundstelle im Beleuchtenden Bericht eingefügt am 23.12.2024]

Sonntag, 17. November 2024

«Daudapf!!!» – Am Anfang war das Schimpfwort

Was war das erste Wort, das aus Ihrem Mund kam? Ich weiss ja nicht, was Ihnen Ihre Eltern erzählt haben. Laut meiner Mutter – Gott hab' sie selig – war es bei mir jedenfalls «Daudapf». Nicht etwa «Mamma» oder «Pappa», wie das sonst so üblich zu sein scheint. Nein. Für mich waren mit Nachdruck geäusserte Worte offenbar schon in ganz jungen Jahren von höchster Wichtigkeit.

Als mein Vater sich am Abend erkundigte, was denn dieses in Dauerschleife wiederholte Wort bedeuten könnte, musste meine Mutter eingestehen, dass sie sich lautstark über einen landenden Jet enerviert habe. Und das mit dem Ausruf: «Scho wieder so en SAUCHLAPF!!!».

Als die Flugzeugmechaniker noch keine Mantelstromtechnik warten mussten

Dazu muss man wissen, dass ich ein Flughafenkind bin. Eines, das seine ersten Monate sozusagen umwabert von Kerosindämpfen erlebt hat: In einem mehrstöckigen mittlerweile längst wieder abgerissenen Wohnhaus an der Schaffhauserstrasse mitten im aufstrebenden Flughafendorf Kloten.

Wer vor über einem halben Jahrhundert im Zürcher Unterland wohnhaft war, der kann sich noch lebhaft an vibrierende Fensterscheiben und klirrende Gläser im Chuchichäschtli erinnern. Wie alt Regierungsrat Markus Kägi in seiner Weiacher 1. August-Rede im Jahre 2007 (vgl. WeiachBlog Nr. 498). Das war damals völlig normal, wenn die Tupolevs und Caravelles aus aller Herren Ländern gestartet sind. Viele davon noch mit Militärtriebwerken. Ohne jede Mantelstromtechnik.

Was dieses erste Wort des Stammhalters in der Paarbeziehung meiner Eltern angerichtet hat? Versetzen Sie sich in den Haushaltsvorstand. Mein Vater war ein stolzer Swissair-Angestellter. Bei der nationalen Airline als gelernter Flugzeugmechaniker direkt an der Wartung dieser «Daudäpfe» beteiligt. Von seiner Warte aus betrachtet könnte in dieser pädagogischen Meisterleistung der Kindsmutter – einer ausgebildeten Primarlehrerin mit mehrjähriger Berufserfahrung – doch eine recht bittersüsse Note mitschwingen.

Die Kraft der Kraftausdrücke

Falls Sie sich je gefragt haben sollten, woher eine gewisse Faszination für die Kraft der Kraftausdrücke, die Tendenz des Redaktors zum verbalen Zweihänder oder seine zuweilen nicht nur als subtiles Stilmittel verwendete Provokation mit Worten stammen, dann haben Sie jetzt zumindest einen Erklärungsansatz zur Hand.

P.S.: Mein Vater erinnert sich nicht mehr an diese Daudapf-Geschichte. Dafür an das Interesse seines kleinen Buben für Baukräne. «Graaanä!» sei ein Wort gewesen, das man von mir immer wieder gehört habe. Verbunden mit «düllätä, düllätä!». Nicht so überraschend, dass in der Hochkonjunktur im Zürichbiet signifikante Bautätigkeit geherrscht hat. Sein Sohn werde Bauingenieur oder Architekt, habe er damals gedacht. Wurde der dann aber nicht.

[Veröffentlicht am 26. November 2024 um 22:46 MEZ]

Samstag, 16. November 2024

«Dorfleben»! Neue Rubriken auf der Gemeinde-Website

Seit dem 15. September 2005 ist die Gemeinde Weiach mit ihrer Website auf dem Internet präsent (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 71).

Neben einer guten On-site-Suchmaschine ist die Rubrikensortierung ein wichtiges Element für die Gebrauchstauglichkeit. Wenn die «Kunden» (wie man das zeitgeistig nennt) das Gewünschte nicht online finden, dann telefonieren sie auf die Gemeindeverwaltung. Und der angestrebte Zeitgewinn verflüchtigt sich im Nichts.

Ende Juni 2010 war laut der Wayback Machine das folgende Rubrikensortiment am Start: «Portrait», «Politik», «Verwaltung», «Gewerbe», «Vereine», «Bildung» und «Aktuelles». Sogenannte «Toplinks» oder eine Alternativ-Sortierung nach «Lebenslagen» (vgl. nächsten Abschnitt) gab es noch nicht.

Rubrikenproliferation


Zehn Jahre später präsentierte sich das Hauptmenu wie folgt: «Porträt», «Politik», «Verwaltung», «Soziales», «Bildung», «Freizeit/Kultur», «Wirtschaft», «750 Jahr Feier» und weitere aktuelle Grossprojekte (im Bild oben: Screenshot aus dem Frühsommer 2020 mit «Ersatzneubau Schul- und Mehrzweckanlage Hofwies», auch bekannt als Projekt «Balance»).

Sanfte Renovation zur Neusortierung genutzt

Mitte November 2024 wurde die von Gemeinderat und Verwaltung ausgearbeitete radikale Rubrikenfusion aufgeschaltet. «Soziales», «Bildung», «Freizeit/Kultur» und «Wirtschaft» wurden in den neuen grossen Topf mit der mehr oder weniger geglückten Bezeichnung «Dorfleben» gesteckt. Maliziös könnte man fragen: Zu diesem Leben gehören also Politik und Verwaltung explizit nicht? 

Wer dieses «Dorfleben» am 16. November anklickt, erhält eine Untersortierung wie unten abgebildet:


Immerhin steht die Bildung ganz oben, auch wenn die entsprechenden Seiten vor allem auf schule-weiach.ch verlinken.

Nachtrag August 2025

Im verflossenen Dreivierteljahr hat die Verwaltung weiter an der Struktur gearbeitet. Die «Projekte» sind aus dem Hauptmenu herausgeflogen und wer auf der Startseite nicht genügend weit nach unten scrollt findet sie nicht mehr.

Die Hauptrubrik Dorfleben weist nun die folgende Sortierung auf, die etwas stärker dem Alphabet folgt: «Bildung / Schulen», «Bibliothek», «Gesundheit / Medizin», «Gewerbe Weiach», «Kirchen», «Kultur», «Ortsmuseum», «Veranstaltungen», «Vereine», «Badi Fisibach», «Notfallnummern» und «Lebenslagen».

Literatur
  • Brandenberger, U.: «Keine verspielte, teure und nutzlose Selbstdarstellung». Zur Erstaufschaltung der Website der Gemeinde Weiach – 15. September 2005. Weiacher Geschichte(n) Nr. 71. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Oktober 2005.
[Veröffentlicht am 11. August 2025 um 13:48 MESZ]

Samstag, 2. November 2024

Bundesrat nimmt Ängste der Bevölkerung nicht ernst

Vor etwas mehr als zehn Jahren, da zählte die Gemeinde Weiach lediglich knapp unter 1100 Einwohner. Heute hat fast die doppelte Anzahl ihren zivilrechtlichen Wohnsitz auf Gemeindegebiet angemeldet. Eine beispiellose Entwicklung.

Was sich auf der lokalen Ebene abspielt, war in diesem letzten Jahrzehnt auch das beherrschende Thema unseres Bundesstaates: Der Dichtestress und die ethnokulturellen Folgen von massiven Migrationsströmen, die das Land aus allen Nähten platzen lassen.

Die Nerven liegen blank

An dieser Stelle bringt WeiachBlog eine Rückblende auf einen am 2. November 2014 publizierten, als Analyse bezeichneten Artikel mit dem Titel «Der Bundesrat taktiert gefährlich». Verfasst hat ihn die Tages-Anzeiger-Journalistin Janine Hosp. Sie hätte auch den Begriff «ideologisch» verwenden können. Denn genau eine solche Haltung ist in Politik und Verwaltung damals wie heute weit verbreitet. 

Wir erinnern uns: Die Führungsfiguren in diesem Bereich – Hosp nennt sie «Polit-Establishment» – hatten am 9. Februar 2014 eine schwere Niederlage kassiert. An diesem Abstimmungssonntag wurde die Volksinitiative  «Gegen Masseneinwanderung» mit 50.3 % Ja-Stimmen angenommen. Ein metapolitischer Erfolg der SVP, der dieser «classe politique» höchst ungelegen kam. Zumal bereits im Spätherbst die nächste Vorlage migrationspolitischer Art zur Abstimmung anstand: die Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen», die sogenannte Ecopop-Initiative. Die Nerven lagen sichtlich blank:

«Fast täglich geben Bundesräte in diesen Wochen Interviews, debattieren im Fernsehen und treten vor Delegierte. Und sagen immer das Gleiche: Alles bleibt gut, wenn das Volk nur nicht Ja sagt zur Ecopop-Initiative. Sobald sie sich aber zur Initiative selber äussern dürfen, verschärft sich der Ton. ­SP-Bundesrat Alain Berset sagte vor seinen Delegierten: «Ecopop ist ­schlimmer als ein Verbrechen, es ist ein Fehler.» Und SP-Bundesrätin ­Simonetta Sommaruga sagte in dieser Zeitung, es sei fremdenfeindlich, diese Initiative zu unterstützen.»

Fremdenfeinde?

Umweltschützer, die eine Überbevölkerung diagnostizieren, sind also verkappte Xenophobe? Mit diesem Totschlagbegriff wird bedacht, wer das neoliberale Mantra des «No borders, no nations» nicht nachbeten will. Denn da gibt es eine durchaus unheilige Allianz zwischen Linken aller Couleur und knallharten Business-Interessen von multinational tätigen Grosskonzernen, die sich in dieser Angelegenheit in die Hände arbeiten. Hosp wendet sich in ihrem Kommentar (denn das ist die «Analyse» eigentlich) gegen dieses Narrativ. Sie diagnostiziert «begründete Ängste»:

«Sie [die Bundesräte] scheinen nicht zu verstehen. Die meisten Sympathisanten der Initiative sind weder fremdenfeindlich gesinnt, noch wollen sie mit ihrer Stimme ein Verbrechen unterstützen. Die meisten haben einfach Angst. Angst, dass ihr Land so verbaut wird, dass es ihnen nicht mehr vertraut ist. Angst, dass sie aus ihrer Wohnung geworfen werden und keine mehr finden, die sie bezahlen können; im Gegensatz zu den Mieten sind die Löhne kaum gestiegen.

Vor allem aber haben sie Angst, dass sie ihre Arbeit verlieren und ersetzt werden durch junge Europäer mit zwei Hochschulabschlüssen, zehn Jahren Berufserfahrung und bescheidenen Lohnforderungen. Sie befürchten, dass sie in einem Alter eine Arbeit suchen müssen, in dem sie viel zu jung sind, um pensioniert, und zu alt, um angestellt zu werden. Dass sie Dutzende von Bewerbungen schreiben müssen, die von Computern in Polen kalt aussortiert werden. Oder dass sie, sollten sie sich doch einmal vorstellen dürfen, Bücklinge vor dem jungen Personalassistenten machen müssen.»

Wenn wir nun – zehn Jahre später – zurückblicken, dann stellen wir fest, dass die Bundespolitik in trauter Komplizenschaft mit der Verwaltung die konkrete Umsetzung des Kerngehalts der  Masseneinwanderungsinitiative mit allen möglichen Winkelzügen zu umgehen versucht. Auch auf die Gefahr hin, der Politikverdrossenheit noch weiter Vorschub zu leisten. Niemand kann bestreiten, dass im Wesentlichen eingetreten ist, was Hosp da skizziert hat. Auch und gerade Weiach ist von den Folgen dieser Entwicklung mit voller Wucht erfasst worden. 

Die Schere öffnet sich immer weiter

Obwohl im ganzen Land gebaut wird wie wild, reicht der Wohnraum hinten und vorne nicht, wenn Wirtschaft und Politik derart viele Einwanderer ins Land locken. Dieser Umstand ist dem Establishment völlig klar. Die einzige Herausforderung besteht darin, dass der implizite Imperativ «Parieren und bezahlen» weiterhin funktioniert, ohne einen Volksaufstand zu riskieren. Keine einfache Angelegenheit, damals wie heute nicht. Hosp weiter:

«Die Ängste sind begründet. Die OECD stellte kürzlich fest, dass in der Schweiz ältere Personen bei der Einstellung tatsächlich diskriminiert werden und die Zahl älterer Arbeitsloser steigt. Nur wenige Tage später kam das McKinsey Global Institute zum Schluss, dass der Bevölkerung im Grossraum Zürich und Basel 1 Milliarde Franken pro Jahr fehlt, um die Miete jener Wohnung bezahlen zu können, die sie braucht. Die enorme Nachfrage nach Arbeit und Wohnraum hat dazu geführt, dass Arbeitgeber und Hausbesitzer diktieren und verdienen, Arbeitnehmer und Mieter parieren und bezahlen. Die Politiker können noch lange drohen und die düstersten Szenarien prophezeien, falls die Initiative angenommen würde – in den Augen vieler sind sie längst eingetroffen. Aber nicht, weil die Zuwanderung zu tief wäre, sondern zu hoch.»

Auch hier hat sich die Entwicklung in gleicher Weise fortgesetzt. Und das eingangs eingeführte Polit-Establishment versucht nach wie vor die unausweichliche Folge auszublenden: Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende älterer Personen im Erwerbsalter, die ausgesteuert sind und daher in der Arbeitslosenstatistik praktischerweise nicht mehr gezählt werden.

Verheerende bundesrätliche Studie

Dieses wachsende Heer an Schattenarbeitslosen ist wohl eine der gefährlichsten politischen Zeitbomben der Gegenwart. Das sind nämlich in aller Regel auch Stimmberechtigte. Und die werden immer wieder daran erinnert, dass man den Prognosen und Beteuerungen des Bundesrates nicht über den Weg trauen darf:

«89'500 Personen netto sind letztes Jahr in die Schweiz eingewandert. Eine Studie, die der Bundesrat vor der Abstimmung zu den bilateralen Verträgen im Jahr 2000 in Auftrag gegeben hat, prognostizierte 10'000 – im Extremfall. Ecopop will sie bei 16'000 festsetzen. Die Wirtschaft hat sich nach der Finanzkrise zwar als überraschend stabil gezeigt. Wenn die Zuwanderung aber so drastisch reduziert würde, würde sich ihr Wachstum nicht einfach etwas verlangsamen. Die Wirtschaft hätte ein Problem. Viele Schweizer haben zwar nicht direkt von den bilateralen Verträgen profitiert und glauben, dass sie auch nichts verlieren, wenn es sie nicht mehr gäbe. Aber es könnte noch schlimmer kommen.

Im Vergleich zu Ecopop erscheint das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative nicht mehr als das grosse Unglück, das es für viele ist. Sie lässt der Wirtschaft einen grösseren Spielraum, und die Bevölkerung muss nicht zwingend ein zweites Mal ein Zeichen setzen. Sie hat bereits am 9. Februar ihren Unmut darüber gezeigt, dass der Bundesrat auf Druck der Profiteure der Zuwanderung viel zu lange zugewartet hat, die Ventilklausel zu aktivieren.»

Wie lange lässt sich das Volk das noch bieten?

Rückblickend muss man sich die Frage, ob das Vertrauen des Stimmbürgers darauf, dass sein am 9. Februar 2014 gesetztes Zeichen in der Politik verstanden und in entsprechende Handlungen umgesetzt werde, nicht schmählich verraten worden ist, eigentlich gar nicht mehr stellen. Eine höchst gefährliche Entwicklung. Denn es sind gerade die staatstragenden Elemente des Mittelstandes, die sich de facto in eine Art Biedermeier der inneren Emigration zurückgezogen haben. Noch machen sie die Faust im Sack. Nur: wie lange noch? Hosp schliesst ihren Kommentar jedenfalls mit dem Zwischentitel «Aus Trotz dafür» und schreibt:

«Bei einem derart sensiblen Thema wie der Zuwanderung und einer so folgenschweren Abstimmung wie Ecopop würde man erwarten, dass Bundesräte mit viel Gespür für die Befindlichkeit der Bevölkerung agieren. Das Gegenteil ist der Fall: Statt dass die Magistraten deren Ängste ernst nähmen, tun sie so, als wäre alles bestens, alles kein Problem, und stellen sie gar als Fremdenfeinde hin. Das könnte sich am­ 30. November rächen. So mancher Stimmende könnten [sic!] auf die bundesrätliche Offensive so reagieren wie ein Leserbriefschreiber des TA: Ihm hänge die ewige Schönrederei der Regierung zum Hals raus, schreibt er. Er werde zum Trotz für die Initiative stimmen. Christoph Blocher sagte kürzlich in dieser Zeitung, Ecopop sei gefährlich. Die Taktik der Bundesräte ist es auch.»

Die 74.1 % Nein-Stimmen am 30. November 2014 sind wohl ein weiteres Mal als willkommener Anlass genommen worden, den Volkswillen taktierend missverstehen zu dürfen. Affaire à suivre.

Quelle
[Veröffentlicht am 11. August 2025 um 11:01 MESZ]

Freitag, 1. November 2024

System Edmondson rules!

Genauer gesagt: Dieses System herrschte während Jahrzehnten über die Eisenbahnwelt auch in der Schweiz. Wenn Ihnen der Titel nichts sagt, dann vielleicht dieses Bild:


Am Schalter der Bahnstation Weiach-Kaiserstuhl erhielt man einst und noch bis 1995 diese 3.05 x 5.70 cm kleinen Kartonkärtchen, mit denen man den Zug besteigen durfte. In diesem Fall für eine Retourfahrt in der dritten Klasse via Eglisau und Bülach nach Zürich-Oerlikon und zurück. Gültig war dieses Billet vom 7. bis 17. August 1932. Wie man die Nichtübertragbarkeit nach § 9 des Transportreglements durchgesetzt hat, wäre noch zu eruieren.

Die damals fälligen CHF 3.50 wären heutzutage bereinigt nach Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) CHF 28.30. Die zu befahrende Strecke umfasst im aktuellen ZVV-Netz 6 Zonen (die Stadt Zürich zählt doppelt) und für ein Einzelbillet zahlt man in der 2. Klasse CHF 13.40. Also retour CHF 26.80.

Eine umfassende Sammlung

Auch in der Objektsammlung des Archivs SBB Historic (CH-000699-3) findet man über 3300 dieser Kartonkärtchen, beispielsweise dieses Specimen-Exemplar (Signatur: CH-SBB Ob_Bi_001_0573). Wie das obige Unikat ein sog. Gewöhnliches Billett, Bassersdorf-Uster und zurück via Oerlikon, 3. Klasse, Hin- und Rückfahrt, gültig 10 Tage.

Allen gemeinsam ist das System Edmondson, eine 1839 patentierte Erfindung des Briten Thomas Edmondson (1792-1851), einem ehemaligen Schalterbeamten der Newcastle and Carlisle Railway, der damit steinreich wurde. Er erfand nicht nur dieses Kärtchenformat, sondern gleich auch die dazu nötigen Schalter-Billettdrucker und das Billettkastensystem Ternion (vgl. den Wikipedia-Artikel Edmondsonsche Fahrkarte). Auch in der Schweiz wurde dieses normierte Kartonkartensystem übernommen. In späteren Jahren waren allerdings bei den SBB die Schalter-Billettdrucker Pautze im Einsatz, wohl auch an der Station Weiach-Kaiserstuhl, wie ein Vergleich des oben referenzierten Exemplars Bassersdorf-Uster-Oerlikon mit dem aus Weiach-Kaiserstuhl zeigt.

Von der Erfindung zu einer 150-jährigen Machtstellung

Im Bruderartikel in der englischsprachigen Wikipedia erfährt man, wie weit verbreitet die Kartonbillette einst waren: 

«The Edmondson system was widely used in European countries such as Austria, Belgium, the Netherlands, Czechoslovakia, Romania, France, Germany, Hungary, Italy (until mid 1995), the Soviet Union, Norway, Poland, and Switzerland, as well as outside Europe, for example in Australia and Argentina. The use of Edmondson tickets ceased in most countries in the 1980s or 1990s. 

In Switzerland, Edmondson tickets were issued until December 2007 at some stations, especially of the RhB. Edmondson tickets are still printed and distributed (also via internet order) by Druckerei Aeschbacher in Worb (Bern/Switzerland).»

[Veröffentlicht am 10. August 2025 um 19:26 MESZ]