Montag, 13. November 2023

Wie kam der Flurname «Damast» zustande?

Er ist der wohl exklusivste Flurname auf Weiacher Boden überhaupt: Damast. Den findet man – laut der Datenbank ortsnamen.ch (Stand Mitte Oktober 2023) – nur bei uns. Und sonst nirgendwo in der Schweiz.

Wie alt ist die Ortsbezeichnung? 

Dazu führt der Eintrag bei Ortsnamen.ch keine historischen Belege auf. Die bislang älteste Nennung, die ich finden konnte, datiert auf das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Der von Willi Baumgartner-Thut der Nachwelt zur Kenntnis gebrachte Plan des Rebstrassenprojekts (1909-1911) weist ihn in der heutigen Schreibweise auf.

In der Flurnamenliste von Lehrer Adolf Pfister (mutmasslich 1941 erstellt; Teil des sog. Ortsgeschichte-Ordners) findet man den Namen auch. Seltsamerweise fehlt von ihm aber im blauen Büchlein von Walter Zollinger (1972/84) jede Spur.

Auf dem parzellenscharf gezeichneten Plan von Prof. Bruno Boesch aus dem Jahre 1958 (d.h. vor der Güterzusammenlegung) sieht man die Verortung der Flur Damast unterhalb der Fasnachtflue, wo sie bis knapp unter die oberste Rebstrasse reicht. Von diesem heute Rebbergstrasse genannten Weg bis zur Trottenstrasse bildet der Damast das Mittelstück, nordwestlich begrenzt durch die Flur Im Bruch/Im Luppen sowie südöstlich durch den Chabis.

Der heutige Damaststieg (eine Treppe in zwei Teilstücken, die von der Winkelstrasse in die Trottenstrasse und weiter in die Leestrasse führt) befindet sich somit am nordwestlichen Rand dieser Flur. Auf aktuellen Karten ist die Bezeichnung aus darstellungstechnischen Gründen ausserhalb des Einfamilienhausquartiers oberhalb der Leestrasse in der Nordecke der 1958 veranschlagten Fläche platziert, mit Schwerpunkt auf der heutigen landwirtschaftlichen Parzelle 322.

Eine Eigentümerbezeichnung?

In der Praxis brauchbar ist ein Flurname, wenn er einen hohen Wiedererkennungswert hat. Für Fluren ohne besondere topographische oder bewirtschaftungstechnische Merkmale werden dann gern Personennamen beigezogen, vorzugsweise solche, die eher selten sind. Denn was soll man mit einer Bezeichnung wie Des Meyerhoffers Wisli anfangen? Es gab (und gibt) schlicht zu viele Familien mit diesem Namen in Weiach. 

Anders sieht es aus, wenn eine Familie Valdey ein Stück Wald in Brandrodung urbar gemacht hat. Diesen Namen gibt es hier selten und daher wusste im 16. Jahrhundert wohl jeder, was mit «der Faldeyen Brand» an der Gemeindegrenze zu Raat gemeint war (vgl. RQNA Nr. 178, S. 386, Z. 33 und Weiacher Geschichte(n) Nr. 103, S. 406/407).

Aus einer Amts- bzw. Berufsbezeichnung, aber auch aus Vornamen konnte jedoch einer der vielen Übernamen entstehen, mittels derer man die Familienzweige der Baumgartner, Meier, Meierhofer, Schenkel, etc. voneinander zu unterscheiden vermochte.

Das Kind einer Leibeigenen

In einem undatierten Verzeichnis der Leibeigenen in Wyach, das mutmasslich aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammt, wird u.a. eine «Anna, verh. mit Hans Meyerhoffer, und ihr Sohn Damast» aufgeführt. (Zit. n. Regest zu StAZH C II 6 Konstanz, nr. 495).

Und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ebendieser Sohn namens Damast auch in einem Protokoll des Dorfgerichts vom 9. Mai 1612 (nach gregorianischem Kalender) auftaucht, weil seine Ehefrau dort als Beklagte erscheinen musste: die Verhandlung in Sachen «Gebhard Boumbgarter» gegen «Anna Glattfelderin, Damast Meyerhoffers fraw, unnd Kleinanna Müllerin, deß Cuonrad Trüllingers fraw» (vgl. RQNA Nr. 190, S. 421, Z. 29 und WeiachBlog Nr. 738).

Diese Anna Glattfelderin scheint spätestens in den 1620ern gestorben zu sein, jedenfalls findet man im ältesten Weiacher Kirchenbuch unter dem 9. November 1630 einen Eintrag über die Verehelichung eines Damast Meierhofer (im Original «Dammast») mit Adelheid Kissling von Rickenbach (vgl. StAZH E III 136.1, EDB 87).

Wiederum wenige Jahre danach, am 26. Juli 1638, ist erneut ein Dammast mit dem Familiennamen Meierhofer als Bräutigam vermerkt. Als neue Ehefrau: Dorothea Frei von Dachsen (nahe dem Rheinfall; vgl. StAZH E III 136.1, EDB 132).

Auch in Kaiserstuhl gibt es den Vornamen

Damast mag in Weiach ein exklusiver Vorname gewesen sein, aber auch im benachbarten Rheinstädtchen gab es ihn in diesen Jahren:

Am 26. Oktober 1565 werden in einer Urkunde zwecks Verortung eines mit einer Gült belegten Grundstücks am Kaiserstuhler Rebberg (d.h. auf der Reichsseite im heutigen Hohentengen gelegen) die Eigentümer der benachbarten Parzellen genannt (AU XIII, Nr. 231), darunter Damast Buol, ein Kaiserstuhler. Wohl derselbe Damast Buol wird 1570 (AU XIII, Nr. 242) erwähnt. 

Am 9. Februar 1620 (st. n.) wird Damast Lieneman, Bürger zu Kaiserstuhl als Verkäufer einer Gült beurkundet (AU XIII, Nr. 391) und 1627 erscheint ein Damast Enngler in einem weiteren Schriftstück, das im Kaiserstuhler Stadtarchiv liegt (AU XIII, Nr. 418).

Eine Gült ist ein Wertpapier, bei dem das Grundstück selber und nicht sein Eigentümer für Kapital und Zins haften (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 112, S. 455/456).

Was bedeutet der Name?

Dass unser Weyacher Damast etwas mit dem hochwertigen Stoff gleichen Namens oder gar dem Damaststahl, eines vom Namen der heutigen syrischen Hauptstadt Damaskus abgeleiteten Schweissverbundstahls, zu tun hat, ist zwar denkbar, erscheint jedoch angesichts des Auftauchens der oben belegten Vornamen doch wesentlich weniger plausibel.

Was dieser Vorname allerdings zu bedeuten hat, ist dem hier Schreibenden noch nicht klar. Wenn er sich von Tamás, der ungarischen Version des Namens Thomas ableitet, dann wäre er immerhin mit dem reformierten Bekenntnis besser vereinbar, als wenn er von Damasus oder Damasius (der Diamantene) stammen sollte. Denn dies war der Name zweier (katholischer) Päpste, was dann in Weiach schon einiges Aufsehen erregt haben dürfte.

Dammast (in der Schreibweise, wie in den Weiacher Kirchenbüchern überliefert) ist überdies ein Familienname aus Deutschland, den einige Quellen mit dem Namen Damaschke in Verbindung bringen.

Waren Damast und seine Mutter Blesier?

Wenn die oben entwickelte These stimmt, dann wäre der Flurname Damast vom Namen eines Leibeigenen abgeleitet. Denn da sich die Leibeigenschaft von der Mutter auf das Kind vererbte, so war auch Damast Meierhofer ein Leibeigener. Offen wäre dann noch, von welcher Institution. 

Aufgrund der Einordnung des Leibeigenenverzeichnisses unter den Akten des Konstanzeramtes dürfte es sich entweder um das Domstift Konstanz, den Fürstbischof von Konstanz oder um das Kloster St. Blasien im Schwarzwald gehandelt haben. 

Letzteres ist deshalb am wahrscheinlichsten, weil noch im ausgehenden Mittelalter in unserer Gegend viele sog. Blesier anzutreffen waren, also Gotteshausleute, die zum Kloster St. Blasien gehörten und auch unter dessen Schutz standen. Dann allerdings wäre ein katholischer Vorname in Weyach in der Frühen Neuzeit zwar unüblich, aber immerhin als ein deutliches Zeichen der Zugehörigkeit zu werten.

Quellen und Literatur

  • Pfister, A.: Flurnamenliste; erstellt zwischen 1936 und 1942; Teil des sog. Ortsgeschichtlichen Ordners im Archiv des Ortsmuseums Weiach (noch ohne Signatur).
  • Kläui, P.: Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden Bd. 13 (AU XIII), Verlag Sauerländer, Aarau 1955.
  • Sammlung der Orts- und Flurnamen des Kantons Zürich, 1943-2000 (Signatur: StAZH O 471). Datenerfassung für Weiach durch Prof. Bruno Boesch mit dem Gewährsmann Alb. Meierhofer im Jahre 1958.
  • Eintrag Damast. In: ortsnamen.ch. Das Portal der schweizerischen Ortsnamenforschung (Stand vom 13. November 2023).

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