In Weiach ist es teilweise noch heute der Brauch, dass Alteingesessene mit in traditioneller Weise entstandenen Zunamen bezeichnet werden, die vielen Einheimischen geläufig sind.
So beispielsweise der «Chüefer-Urs», mit bürgerlichem Namen Urs Schenkel, der im östlichen der beiden Aussiedlerhöfe auf der zur Kiesausbeutung vorbereiteten Ebene des Hasli wohnt. Vor der Aussiedlung war diese Familie an der Luppenstrasse 6 ansässig. Dort – so überliefern es mündliche und schriftliche Quellen – war die Küferwerkstatt von Jakob Schenkel eingerichtet. Deshalb sind diese Schenkel zwecks Abgrenzung von anderen Familien dieses Namen eben «s' Chüefers».
Wer zur Familie gehört, hat den Namenszusatz
Nach demselben Muster erhielt derjenige Zweig der Meierhofer, der während Generationen die Funktion des Weiacher Posthalters innehatte, einen entsprechenden Zusatz: «s' Poschtmeierhofers».
Daher wurde der letzte Amtsinhaber dieser Dynastie, Walter Meierhofer, als «Poscht-Walti» bezeichnet (vgl. WeiachBlog Nr. 1897). Das galt aber auch bei anderen Mitgliedern des Familienzweigs, selbst wenn sie selber überhaupt nichts mehr Postdienstleistungen zu tun hatten, wie die neu zugezogene Lehrerfamilie Hauser lernen musste.
Ursi Hänni-Hauser schreibt dazu in einem Kommentar auf der Facebook-Gruppe Du bisch vo Weiach, wenn...: «Übrigens hatte ich als Kind anfänglich nicht verstanden, weshalb man den Bruder vom "richtigen" Pöstler Poscht-Ruedi nannte... Beide Brüder sangen übrigens im Kirchenchor, zu dem ich aus bekannten Gründen direkte Drähte hatte...!» (13. Februar 2023, 17:39)
Anna Wolf replizierte zwei Tage später mit: «und männerchor 🥰🥰 gruss aus weych» (15. Februar 2023, 17:42)
Autobiographie von ennet dem grossen Teich
Rückblende in die Postkutschenzeit. Bei der damaligen Beliebtheit des Vornamens Ruedi kann es nicht verwundern, dass es Mitte des 19. Jahrhunderts gleich mehrere «Poscht-Ruedi» gegeben hat.
In ihrer Autobiographie When I was a girl in Switzerland schreibt Louise Patteson (geborene Luisa Griesser aus Weiach):
«My cousin Rudi, the postmaster’s son, was only a year older than I; but ever since I could remember he delivered the mail to our house; and I suppose to all the other villagers. He was commonly called the “Postrudi,” because it is customary there to designate people by their occupation or location, or both.» (Patteson, S. 13)
Da Luisa im Jahr 1853 geboren wurde, muss Ruedi Meierhofer 1852 zur Welt gekommen sein. Sein Vater, der postmaster vom 1. Juni 1852 bis 31. Dezember 1889 war, hiess ebenfalls Rudolf, was die Sache auch nicht einfacher machte, wenn man zwischen Briefausträger und Posthalter unterscheiden wollte. Es sei denn, man hätte den kindlichen Boten explizit als «s' Poschtruedis Ruedeli» bezeichnet.
Humorvoller Sekundarlehrer mit strenger Strichliste
- S. Louise Patteson: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston 1921 [Elektronische Fassungen auf archive.org: PDF, 11 MB; weiteres Exemplar] – S. 13 & 204.
- Brandenberger, U.: Weiacher Postkutschenromantik aus erster Hand. WeiachBlog Nr. 1509, 17. Mai 2020.
- Brandenberger, U.: Weiacher Posthalter-Familien (1842-2009). WeiachBlog Nr. 1897, 13. Februar 2023.
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