Sonntag, 17. Mai 2020

Weiacher Postkutschenromantik aus erster Hand

«Die alte Postkutschenromantik – das gab es nämlich auch durch unser Dorf» habe mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Winterthur-Koblenz im Sommer 1876 aufgehört, schreibt Walter Zollinger in seiner 1972 publizierten Dorfchronik. Liest man etwas weiter, dann erfährt man gleichenorts auch, dass diese Postkutsche ein ziemlich kurzzeitiges Phänomen war: sie verkehrte nämlich nur zwischen dem 1. Juni 1852 und dem 31. Juli 1876, nicht einmal ein Vierteljahrhundert.

An diesem 1. Juni 1852 übernahm der Gemeindeschreiber Rudolf Meierhofer die Funktion des Posthalters und die seit 1842 bestehende Postablage wechselte ihren Standort von der Oberdorfstrasse an die Stadlerstrasse, heute Alte Post-Strasse 2 (Schmid, S. 53).

Dort, beim Restaurant zur Post, hielt auch der zweiplätzige Postkutschenwagen der auf der Linie Kaiserstuhl-Zürich-Kaiserstuhl verkehrte (ab der Eröffnung der sogenannten Herdöpfelbahn nach Bülach am 1. Mai 1865 nur noch auf der Strecke Kaiserstuhl-Niederglatt).

Diesen Postwagenkurs hat die junge Louise Griesser Patteson (1853-1922; 1867 in die USA ausgewandert) noch selber erlebt, denn sie war oft bei ihrer Tante Elisabeth, die mit dem oben erwähnten Posthalter Rudolf Meierhofer verheiratet war:

«I liked most of all to go to Aunt Elizabeth, my father’s younger sister. Her husband was the village postmaster. Now the Swiss Federal Railroad brings the mail and passengers to Weiach; but in those days a stage-coach brought them. There were always some children present to watch it come and go, for it was driven by a gaily uniformed postilion, with horses in glittering harness; and he used to play lively airs on his bugle as they galloped through the village, and on toward the little town of Kaiserstuhl.» (Patteson, S. 9-10)

Den Morgenkurs werden diese Kinder wohl nicht bewundert haben, denn der ging bereits um 5 Uhr früh in Kaiserstuhl ab, war um 7 Uhr 50 in Zürich, ging von dort um 16 Uhr wieder ab und muss jeweils kurz nach 18 Uhr 30 in Weiach eingetroffen sein.

Leider hat die Autobiographie Pattesons keine Tonspur. Es wäre interessant zu hören, welche Signale der Postillion auf seinem Horn geblasen hat.

Quelle und Literatur
  • Patteson, S. L.: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston 1921 [Elektronische Fassung auf archive.org; PDF, 11 MB] – S. 9-10.
  • Zollinger, W.: Weiach 1271-1971. Dielsdorf 1972 [PDF, 4.53 MB] – S. 65-66.
  • Schmid, E.: Postgeschichte Bezirk Dielsdorf. Philatelie und Heimatkunde. Windlach 2008 – S. 53-55.

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