Mittwoch, 9. Mai 2007

Der Stubengraben ist älter als der Chaibengraben

Einer der Erosionsgräben, die sich von der Schotterebene bei Weiach zum Rhein hinunterziehen, trägt gleich zwei Flurnamenbezeichnungen: man nennt ihn entweder «Stubengraben» oder «Chaibengraben». Welcher der beiden Namen ist älter?

Im WeiachBlog-Artikel So en Chaibe Grabe! wird der Flurname «Chaibegrabe» folgendermassen erklärt: «Dieser Graben trägt den Namen, weil in ganz früheren Zeiten dort die toten Pferde begraben wurden.» (Schulthess-Bersinger, 1941).

Ein Deckname um die Franzosen zu vergessen?

Woher die 1941 die Bezirksschule Kaiserstuhl besuchende Ruth Bersinger diese Information hat, ist nicht bekannt. Wohl aus mündlicher Überlieferung aus dem Volk, die über den Chaibengraben auch noch anderes erzählt:

«H. Näf berichtet, wie die Franzosen hier die krepierten Pferde verlochten. Um den Namen zu verdecken, benannten die Weiacher den Graben; weil es so schön drunten sei, wie in einer Stube: Stubengraben.» (Zollinger, OG H IV, S. 27)

Dennoch verweist Zollinger in seiner Monographie zur Geschichte von Weiach (Chronik Weiach 1271-1971, erschienen Ostern 1972) im Anhang unter dem Stichwort «Stubegrabe» auf den «Chaibegrabe» und erklärt dort: «Chaibegrabe: Trockenbett unterhalb Höh, gegen Rhein». Der Einfluss der Franzosen war also stärker.

Alte Urkunden aus dem 16. Jahrhundert

Nun scheint allerdings der Flurname «Stubengraben» wesentlich älter zu sein als die Erinnerung an die toten Pferde napoleonischer Zeit:

In Urkunden des Stadtarchivs zu Kaiserstuhl aus den Jahren 1565 (Nr. 227), 1566 (Nr. 232) und 1591 (Nr. 282) ist ausdrücklich von landwirtschaftlichen Grundstücken im «Stubengraben» die Rede.

D.h. «Stubengraben» ist wohl der ältere Name dieses Trockengrabens als «Chaibengraben»! Und: Die Umbenennung könnte tatsächlich nach 1799 erfolgt sein.

Schreibweise von Wild bis ARV

Auf der kantonalen Wildkarte 1843/51 sowie auf der eidgenössischen Siegfriedkarte ist als Flurname «Kaibengraben» eingezeichnet. Entsprechend werden Name und Schreibweise von den dort anfangs des 2. Weltkriegs stationierten Truppenteilen des Grenzfüsilierbataillons 269 übernommen. (vgl. die Jagd nach dem Siebenschläfer im Kompaniebüro)

Auf den Karten der Swisstopo (frühere Landestopographie, L+T) findet man zwar den Graben eingezeichnet, aber keinen Namen dazu. Nur der Griesgraben und der Saxengraben sind auf dem 1:25000er Blatt Eglisau (Nr. 1051) der L+T namentlich bezeichnet.

Im GIS-Browser des Kantons Zürich aber figuriert auf den Ebenen ARV-4 und ARV-8 ganz klar der Name «Stubengraben». Der Kanton hat also mittlerweile wieder den alten Flurnamen übernommen.

Und jetzt möchten Sie noch wissen wo dieser Graben liegt? Es gibt ihn immer noch, trotz Kiesabbau im Hard, dessen Oberfläche nun allerdings völlig anders aussieht. Der Stubengraben beginnt in der früheren Ebene des Hard bei 675900 269100, nimmt dann einen in der Tendenz nordöstlichen Verlauf und endet am Rheinufer bei 676215 269290 (beide Angaben: Schweizer Kilometerkoordinaten).

Quellen und weitere Artikel
  • Zollinger, W.: Ortsgeschichte Weiach, Heft 4, o.J. (Archiv des Ortsmuseums Weiach)
  • Kläui, P.: Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden, Band XIII, Kaiserstuhl. Aarau, 1955 - Nr. 227, 232, 282.
  • So en Chaibe Grabe! WeiachBlog, 5. Februar 2007 [Nr. 378]
  • Bissiger Siebenschläfer. WeiachBlog, 24. Oktober 2006 [Nr. 298]
[Veröffentlicht am 15.5.2007]

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