Er ist erst ein paar Wochen im Amt, der Churer Bischof Vitus Huonder. Und schon beginnt es unter den Katholiken im Kanton Zürich zu rumoren wie weiland, als der Hirte auf Hof Chur noch Wolfgang Haas hiess. Damals gab es viel «Polenta con coniglio», also gewaltigen Mais mit Haas, bis er schliesslich nach Liechtenstein wegbefördert wurde und dort ein Mini-Erzbistum gründen durfte.
Weitgehende Selbstbestimmungsrechte sind fränkisch-alemannische Tradition
Auch mit Huonder wird es nun spannend. Denn auch er ist ein Vertreter des römisch-kanonischen Rechts, das spätestens seit dem III. Laterankonzil von 1179 für die in fränkisch-alemannischer Tradition von unten her aus dem Volk gewachsenen demokratischen Strukturen wenig bis gar kein Verständnis aufbringt.
Seine Adlaten reden offen von einer «Gegenkirche» und meinen damit «staatskirchenrechtlich» abgestützte Gremien, wie die katholische Synode als Legislative und der Synodalrat als Exekutive. Beide geniessen den Schutz der kantonalen Gesetzgebung. Der §4 Abs. 2 des Kirchengesetzes (KiG) bestimmt: «Der Kanton verkehrt mit den kantonalen kirchlichen Körperschaften in der Regel über deren Exekutive». Also mit dem Synodalrat und nicht mit dem Bischof.
Das passt Huonder nicht. Er will die Regeln ändern und mäkelt zu diesem Zweck an unseren Gesetzen herum: «Bei einer Begegnung im März machte Huonder dem Zürcher Regierungsrat klar, dass er, der Bischof, als oberster Verantwortlicher für das Glaubensleben im Bistum auch der eigentliche Gesprächspartner für die staatliche Autorität sei.» (siehe TA von heute, vgl. Quellen)
Die römische Obrigkeitskirche gegen einen Schweizer Kanton also. Schon wieder. Hoffentlich hat ihm unser Regierungsrat eine auf diese Frechheit passende Abfuhr erteilt.
Kulturkampf wie vor über 130 Jahren
Dreinreden lassen sich die Zürcher seit jeher ungern. Das musste anfangs des 16. Jahrhunderts bereits der Bischof von Konstanz feststellen, als ein unbotmässiger Leutpriester namens Zwingli sich in der Stadt Zürich ab 1519 anschickte, zu den Wurzeln zurückzukehren - und dies von der Obrigkeit nicht nur toleriert, sondern gar gefördert wurde. Die Heilige Schrift und nichts anderes sollte Richtschnur sein - von römisch-kanonischen Rechtsvorstellungen stand in der Bibel nichts drin, also weg damit.
Wurzeln bäuerlicher Selbstbestimmung auch in kirchlichen Angelegenheiten
Schon zur Zeit der Franken hatten die Christen auf dem Lande Mitspracherechte in ihrer Kirche und verwaltete eine Art Kirchenpfleger die von der Bevölkerung geäufneten Fonds. Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts schliesslich war die Bevölkerung stark gewachsen. Die althergebrachten Pfarrsprengel wurden zu gross und viele Dörfer nahmen das Heft in die eigenen Hände, legten genug Geld zusammen und finanzierten sich so ihre Dorfkirche samt Kaplan gleich selber. Da sie ihn aus dem eigenen Sack bezahlten - und zwar von A-Z - waren sie auch der Überzeugung, dass sie allein bestimmen dürften, wieviele Messen ihr Kaplan zu lesen hätte.
Mit der Reformation wurde dann auch beansprucht, dass ihr Leutpriester ihnen «das wahre Evangelio nach der gschrifft» zu verkünden hätte. Und dieses Recht waren sie notfalls auch bereit, mit Waffengewalt zu verteidigen, falls jemand ihren Prediger verhaften wollte, weil er «lutterische leren ausgiesse», also reformatorische Standpunkte vertrat.
So weit muss es heute ja nicht kommen. Aber es geht nicht an, dass eine vatikanisch gesteuerte und von Rom aus eingesetzte Obrigkeit sich anschickt, die demokratischen Strukturen der katholischen Kirchen in der Schweiz zu unterwandern und auszuhöhlen. Das ist ein Angriff auf die Freiheit und muss bekämpft werden.
P.S.: Huonder und sein Bistum sind ohnehin nur die vorübergehenden Verwalter des ursprünglich konstanzischen Zürcher Gebiets. Das Bistum Konstanz gibt es zwar seit 1823 nicht mehr. Aber Zürich wurde nie Teil des Bistums Chur. Es wird nur von dort aus administriert. Etwas pointiert formuliert, hat der Herr Bischof deshalb in Zürich eigentlich gar nichts zu sagen.
Quellen
- Fuhrmann, R.: Christenrecht, Kirchengut und Dorfgemeinde. Überlegungen zur historischen Entwicklung kommunaler Rechte in der Kirche und deren Bedeutung für eine Rezeption der Reformation auf dem Lande. In: Allgemeine Geschichtforschende Gesellschaft (Hrsg.): Bäuerliche Frömmigkeit und kommunale Reformation; Itinera 8, 1988.
- Kirchengesetz (KiG) des Kantons Zürich vom 9. Juli 2007.
- Meier, M.: Zürcher Katholiken stehen gegen ihren Bischof auf. In: Tages-Anzeiger, 21. April 2008 - S. 13.
3 Kommentare:
Ich bin Zürcher Katholik und lehne mich nicht gegen meinen Bischof auf, im Gegenteil, ich befürworte eine Trennung von Kirche und Staat – die katholische Kirche benötigt keine staatliche Doppelstruktur. Wer Probleme mit dem System der katholischen Kirche bekundet, sollte austreten. Apropos Austritt: Aus der Staatskirche austreten kann man bislang ja leider nicht. Ist man Mitglied der katholischen Kirche, muss man zwangsläufig auch Mitglied der Staatskirche bleiben.
Wenn die katholische Kirche eine Trennung von Kirche und Staat anstrebt, wie dies von den Bischof Koch und Huonder gefordert wird, dann läuft das darauf hinaus, dass genau diese Parallelstruktur entsteht. Ein Staat im Staat. Mithin die Einflussnahme einer fremden Macht.
So etwas ist nicht tolerierbar. Das Primat der Politik verträgt keine klerikalen Separatreiche. Im übrigen sind meines Erachtens Glaubensbekenntnis und Staatsbürgertum nicht trennbar.
In einem weiteren Artikel von Michael Meier wird noch deutlicher, wie inkompatibel die Vorstellungen dieses von Rom ferngesteuerten Bischofs mit der Schweizer Tradition sind: Landeskirchen reden Bischof ins Gewissen. In: Tages-Anzeiger Online, 22. April 2008, 16:28.
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