Donnerstag, 30. Juni 2011

Gemeinde des Ausverkaufs der Heimat bezichtigt

Im Jahre 1957 erhielten die Basler Kiesunternehmer Gebrüder Aymonod eine Abbaubewilligung für 4.2 Hektaren Land im Weiacher Hard. Die Firma Aymonod wurde in Weiach jedoch nie operativ tätig. Der Grund dürfte in den Transportdistanzen nach den Bauplätzen rund um die Stadt Zürich gelegen haben. Ohne Bahnanschluss und grosse Mengen war der Abbau ganz einfach nicht kostendeckend. Zumal wenn man die von der Gemeindeversammlung geforderte Abbauentschädigung von 70 Rappen pro m3 einrechnete (vgl. Weiacher Geschichte(n) Nr. 95).

1961 zedierten die Aymonods den Vertrag mit Genehmigung der Gemeinde Weiach an die Basler Tochter des deutschen Bergbau-Konzerns Franz Haniel. Gleichzeitig wurde das Abbauareal massiv erweitert: auf rund 16 ha. Der Gründung der Weiacher Kies AG folgte der Baubeginn des Kieswerks.

Konkurrenz aus Deutschland wird über die Presse bekämpft

Dieses neue Vorhaben rief einerseits den Zürcher Regierungsrat auf den Plan und gab dann im Zürcher Kantonsrat Anlass zu heftigen Diskussionen (vgl. die bereits erschienenen Beiträge auf WeiachBlog, s. unten: Frühere Artikel).

Wenn es finanziell um die Wurst geht, wie hier, dann wird die Auseinandersetzung auch über Medienkanäle ausgetragen. Am 30. Juni 1961 platzierte die Neue Zürcher Zeitung einen Kommentar im Blatt, welcher die Gemeinde Weiach frontal angriff und sie vaterlandslosen Tuns bezichtigte. Diese verbale Attacke vor genau 50 Jahren wird hier im vollen Wortlaut samt Titel wiedergegeben:

Staatlich geförderte Ueberfremdung

«SFP. In der Frühjahrssession faßten die eidgenössischen Räte einen Bundesbeschluß über Maßnahmen zum Schutz des Schweizer Bodens vor Ueberfremdung. Ungefähr zur gleichen Zeit erteilte die unweit des Rheins gelegene zürcherische Gemeinde Weiach der in Basel domizilierten Tochtergesellschaft eines der größten deutschen Konzerne das Ausbeutungsrecht für rund 16 Hektaren Kiesland, obgleich auch schweizerische Interessenten sich darum beworben hatten. Zwar besteht zwischen dieser Konzessionserwerbung und der vom eidgenössischen Gesetzgeber beschlossenen Genehmigungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch im Ausland ansässige Personen kein direkter rechtlicher Zusammenhang; faktisch gehört es aber doch mit ins Kapitel «Ausverkauf der Heimat», wenn ausgerechnet ein öffentliches Gemeinwesen einen der wenigen Bodenschätze, über die unser Land verfügt, ausländischem Kapital zur Ausbeutung überläßt. Im vorliegenden Fall wiegt dies um so schwerer, als es sich bei der in Frage stehenden Firma um ein Unternehmen handelt, das, wie sein Interesse für den Erwerb weiterer Ausbeutungsrechte in anderen Kantonen erkennen läßt, zielbewußt auf Expansion ausgeht.

In diesen Bestrebungen wird der völlig in deutschem Besitz befindlichen Basler Gesellschaft jetzt sogar noch eine indirekte Unterstützung durch den Zürcher Regierungsrat zuteil (vgl. Nr. 2348 der «NZZ»). Unter Hinweis auf die Notwendigkeit, die Kiesversorgung für den Nationalstraßenbau sicherzustellen, verlangt dieser vom kantonalen Parlament die Gewährung eines Kredits von 1 Mill. Fr. zur Beteiligung am Aktienkapital des im Aufbau befindlichen Großkieswerkes. Darüber hinaus erklärt er sich bereit, den Kanton Zürich vertraglich zu verpflichten, die für den Straßenbau erforderlichen Mengen Wandkies, Sand und Betonkies – in den nächsten zehn Jahren rund 4 Mill. m3 im Wert von 40 bis 60 Mill. Fr. – ausschließlich von diesem Werk, dessen Kapital zu 60 Prozent in deutschen Händen läge und zu 40 Prozent dem Kanton Zürich gehörte, zu beziehen. Die Gewährung einer solchen Abnahmegarantie hätte zur Folge, daß der freie Wettbewerb aus den Angeln gehoben, das Submissionsprinzip durchbrochen und das Gewerbe auf die Seite gestellt würde. Dank dieser ein risikoloses Geschäft ermöglichenden staatlichen Protektion käme das zu einem mächtigen Familienkonzern im Rheinland gehörende Unternehmen gegenüber der schweizerischen Konkurrenz kostenmäßig stark in Vorsprung, was ihm eine denkbar günstige Plattform verschaffen würde, um seine auf die Durchdringung der schweizerischen Bauwirtschaft tendierenden Expansionspläne weiter voranzutreiben.
»

Es ist offensichtlich, dass man hier mit dem überfremdungspolitischen Zweihänder operiert. In diesem Artikel scheinen übrigens bereits die wesentlichen Argumente auf, welche im Herbst 1961 in der Parlamentsdebatte um den Antrag des Zürcher Regierungsrates von den Gegnern ins Gefecht geführt wurden (die Details dieser Debatte werden - so wie sie im Ratsprotokoll erscheinen - in den nächsten Tagen publiziert). Die direkte Weiacher Antwort auf den Vorwurf des Ausverkaufs der Heimat erfahren Sie im morgigen WeiachBlog-Beitrag.

Quelle
  • Staatlich geförderte Ueberfremdung. [Kiesabbau-Bewilligung für Haniel]. In: Neue Zürcher Zeitung, 30. Juni 1961.

Frühere Artikel zum Thema Weiacher Kies AG

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